eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2022
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Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen

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2022
Kerstin Ratz
Bernhard Odenwald
In dem Beitrag wird der Einfluss von Entspannungsbrunnen auf die Wasserdruckbelastung unter den Wehrsohlen eines Mainwehres untersucht. Hierfür wurden numerische 3D-Grundwasserströmungsberechnungen durchgeführt. Ziel der Berechnungen ist die Bestimmung der erforderlichen Anzahl, Anordnung und Dimensionierung der Entspannungsbrunnen zur Sicherung der Bauwerkssohle und des unterlagernden Festgesteins gegen Aufschwimmen unter Berücksichtigung der für alle relevanten Bemessungssituationen maßgebenden hydraulischen Randbedingungen. Im vorliegenden Fall ist ein teilweiser Abbruch der vorhandenen unbewehrten Betonsohle und die Aufbetonage einer Konstruktionsbetonsohle mit einer geänderten Oberflächenkontur geplant. Für unterschiedliche Ertüchtigungsvarianten wird beispielhaft dargestellt, welche Nachweise ohne und mit Berücksichtigung von Entspannungsbrunnen sowohl für die Bauzustände „Teilabbruch der unbewehrten Wehrsohle“ und „Herstellung der neuen bewehrten Wehrsohle“ als auch für den Revisionszustand „trockengelegte Wehrsohle zwischen den Revisionsverschlüssen“ im späteren Betrieb des Wehres geführt werden müssen.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 211 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen Dipl.-Ing. Kerstin Ratz Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe, Deutschland Dr.-Ing. Bernhard Odenwald Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe, Deutschland Zusammenfassung In dem Beitrag wird der Einfluss von Entspannungsbrunnen auf die Wasserdruckbelastung unter den Wehrsohlen eines Mainwehres untersucht. Hierfür wurden numerische 3D-Grundwasserströmungsberechnungen durchgeführt. Ziel der Berechnungen ist die Bestimmung der erforderlichen Anzahl, Anordnung und Dimensionierung der Entspannungsbrunnen zur Sicherung der Bauwerkssohle und des unterlagernden Festgesteins gegen Aufschwimmen unter Berücksichtigung der für alle relevanten Bemessungssituationen maßgebenden hydraulischen Randbedingungen. Im vorliegenden Fall ist ein teilweiser Abbruch der vorhandenen unbewehrten Betonsohle und die Aufbetonage einer Konstruktionsbetonsohle mit einer geänderten Oberflächenkontur geplant. Für unterschiedliche Ertüchtigungsvarianten wird beispielhaft dargestellt, welche Nachweise ohne und mit Berücksichtigung von Entspannungsbrunnen sowohl für die Bauzustände „Teilabbruch der unbewehrten Wehrsohle“ und „Herstellung der neuen bewehrten Wehrsohle“ als auch für den Revisionszustand „trockengelegte Wehrsohle zwischen den Revisionsverschlüssen“ im späteren Betrieb des Wehres geführt werden müssen. 1. Einleitung An den Bundeswasserstraßen existiert eine Vielzahl von Stauanlagen, die meist aus einem Wehr sowie einer Schleusenanlage bestehen. Rechnerisch ist der Nachweis der Sicherheit von Wehr- und Schleusensohlen gegen Aufschwimmen bei Trockenlegung im Bau- und Revisionszustand oft nicht gegeben. Vertikale Entspannungsbrunnen (EB) können hier eine wirtschaftliche und technisch effektive Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit der Bauwerkssohlen gegen Aufschwimmen darstellen. Sie sorgen für eine Reduzierung der Grundwasserbeanspruchung der Bauwerksteile und damit für eine ausreichende Tragfähigkeit. Unter der Vorgabe, dass die unbewehrten, bestehenden Bauwerkssohlen rechnerisch keine Zugkräfte aufnehmen können, wird die Grundwasserentspannung so ausgelegt, dass die Sicherheit gegen Aufschwimmen nicht nur für die gesamte Bauwerksohle, sondern an jeder Stelle der Sohle gegeben ist. Am Beispiel der Wehrsohle eines Mainwehres werden Vor- und Nachteile verschiedener Ausführungsvarianten aufgezeigt. 2. Bauwerk Es handelt sich um ein zweifeldriges Wehr, dass mit einer Großschiffsschleuse sowie einem Wasserkraftwerk Teil einer Staustufe ist, die 1925 in Betrieb genommen wurde (Abb. 1). Die Wehrfelder besitzen eine Öffnungsweite von 30 m bei einer Fallhöhe von 6 m. Die Wehrsohle besteht aus unbewehrtem Beton, der direkt auf den anstehenden Fels aufgebracht wurde. An der Oberseite ist die Betonsohle, wie häufig an Wehrsohlen der Bundeswasserstraßen, mit Natursteinpflaster befestigt. Im Zuge einer Grundinstandsetzung der Wehranlage erfolgte auch ein Verschlusswechsel von Walzenverschluss auf Drucksegment, der mit umfangreichen Umbaumaßnahmen verbunden war. Abb. 1: Ansicht Wehr von Unterwasser vor dem Verschlusswechsel 3. Baugrund und Grundwasserverhältnisse Der Baugrund unterhalb der aus Beton bestehenden Wehrsohle wird durch eine Wechsellagerung aus klüftigen Sandstein- und Schluffsteinschichten mit größten- 212 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen teils söhlig bis flach einfallenden Schichtungsflächen gebildet. Aus den hydraulischen Bohrlochversuchen wurde im Bereich der Sandsteinschichten eine relativ hohe horizontale Gebirgsdurchlässigkeit, die sowohl die Gesteinsdurchlässigkeit als auch die Durchlässigkeit der Trennflächen umfasst, von ca. k h = 10 -4 m/ s ermittelt. Die Auswertung der Grundwasser- und Oberflächenwasserstandsmessungen erbrachte, dass eine deutliche Korrelation zwischen dem oberhalb der Wehrsohle anstehenden Unterwasserstand des Wehres und dem zugehörigen Grundwasserpotential unterhalb der Wehrsohle besteht. Die Grundwasserverhältnisse werden in starkem Maße durch den abflussabhängig schwankenden Unterwasserstand des Wehres beeinflusst. Unter den Wehrsohlen steht ein etwas über dem Unterwasserstand liegendes Grundwasserpotenzial an (Abb. 2). Die Messungen zeigen, dass oberwasserseitig der Wehrsohle bereits ein großer Teil des Potenzialabbaus stattfindet, so dass nicht von einem linearen Grundwasserpotenzialabbau unter der Sohle vom Oberauf den Unterwasserstand ausgegangen werden kann. Abb. 2: Schnitt durch die Wehrsohle mit Wasserständen bei Normalstau im Unterwasser Bei steigenden Unterwasserständen folgt der Grundwasserstand leicht verzögert, so dass bei Hochwasserständen im Unterwasser von einem Grundwasserpotenzial unter der Wehrsohle bis maximal auf Höhe des Unterwasserstands ausgegangen werden kann. Dieses Verhalten kann bei zahlreichen Wehranlagen an den Bundeswasserstraßen beobachtet werden. Um jedoch zuverlässige charakteristische Grundwasserstände in den einzelnen Bemessungssituationen bestimmen zu können, ist die frühzeitige Einrichtung von Grundwassermessstellen notwendig, damit für die Auswertung eine ausreichend lange Zeitreihe zur Verfügung steht, die auch relevante Hochwasserereignisse umfasst. 4. Nachweis gegen Aufschwimmen Die Sicherheit der Wehrsohlen gegen Aufschwimmen ist für alle maßgebenden Bemessungssituationen nachzuweisen. Dies umfasst sowohl Betriebszustände des Wehres, Revisionszustände mit Trockenlegung von Teilbereichen der Wehrsohle als auch Bauzustände zur Herstellung der Wehrsohle oder zur Instandsetzung der Wehrpfeiler mit vollständiger Trockenlegung der bestehenden Wehrsohle (Abb. 3). Abb. 3: Längsschnitt der Wehrsohle mit angesetzten ober- und unterwasserseitigen Wasserständen für den Nachweis gegen Aufschwimmen in den unterschiedlichen Bemessungssituationen Der Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen der Wehrsohle ist nach DIN EN 1997-1: 2009-09 (Eurocode 7-1) in Verbindung mit DIN 1054: 2010-12 zu führen. Dabei ist nachzuweisen, dass der Bemessungswert der vertikalen Komponenten der destabilisierenden Einwirkungen V dst; d kleiner als die Bemessungswerte der stabilisierenden Einwirkungen (G stb; d ) und gegebenenfalls eines zusätzlichen Widerstands gegen Aufschwimmen (R d ) ist. Dabei werden nach DIN 1054 die Differenz der auf die Unterseite und die Oberseite der Wehrsohle wirkenden Wasserdrücke als destabilisierende Einwirkung G dst; d und nur die Gewichtskraft als stabilisierende Einwirkung G stb; d berücksichtigt. In DIN 1054 ist auch festgelegt, dass die Bemessungswerte der Einwirkungen aus Wasserdrücken unabhängig von ihrer Einstufung als ständige oder veränderliche Einwirkung immer mit Teilsicherheitsbeiwerten für ständige Einwirkungen ermittelt werden. Der Nachweis gegen Aufschwimmen der Wehrsohle ergibt sich somit zu: Da unbewehrte Wehrsohlen keine relevanten Zugspannungen aufnehmen können, ist in diesem Fall der Nachweis gegen Aufschwimmen für jede Stelle der Wehrsohle und nicht für die gesamte Wehrsohle zu führen. Das maximal zulässige, auf die Unterkante der Wehrsohle einwirkende Potential hzul ergibt sich unter Berücksich- 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 213 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen tigung der Wasserauflasten auf die Wehrsohle aus dem Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen zu: mit: hzul: maximal zulässiges Grundwasserpotential unter der Wehrsohle in m+NHN hW: Wasserstand oberhalb der Wehrsohle in m+NHN dB: Dicke der Betonsohle in m g B: Wichte Beton der Wehrsohle in kN/ m³ gw : Wichte Grundwasser in kN/ m³ g G,stb: Teilsicherheitsbeiwert für stabilisierende Gewichtskraft = 0,95 g G,dst: Teilsicherheitsbeiwert für resultierende, destabilisierende Wasserdruckkraft = 1,05 Die angegebenen Teilsicherheitsbeiwerte beziehen sich auf die ständige (BS-P) und die vorübergehende (BS-T) Bemessungssituation. 5. Ertüchtigung der Wehrsohlen 5.1 Allgemeines Der Nachweis gegen Aufschwimmen der aktuell vorhandenen, unbewehrten Tosbeckensohle kann für den Fall einer Trockenlegung der Wehrsohlen nicht geführt werden. Aus diesem Grund ist eine Ertüchtigung der Wehrsohlen geplant. Aufgrund des durchgeführten Verschlusswechsels ist die Ausbildung einer neuen Betonkubatur sinnvoll (blaue Linie in Abb. 4), da auf die Versenkmulde für die Walze verzichtet werden kann. Es ist geplant eine neue Stahlbetonsohle aufzubringen. Für das Aufbringen einer neuen Stahlbetonsohle muss ein Teil der Bestandssohle abgetragen werden. Auch für diesen Zustand muss die für diesen Bauzustand trocken zu legende Bestandssohle sicher gegen Aufschwimmen sein. Der Nachweis wird für die weitere Vorgehensweise für den im Abb. 4 rot markierten Ausschnitt der Tosbeckensohle geführt. Haltende Kräfte aus Reibung an den vertikalen Schnittflächen werden dabei nicht berücksichtigt. Abb. 4: Tosbeckensohle mit Sanierungsbereich 5.2 Ertüchtigungsvarianten Prinzipiell erscheinen folgende Varianten zur Sicherung gegen Aufschwimmen der bestehenden Betonsohle im Bauzustand während des Aushubs sowie der neuen Tosbeckensohle im Revisionszustand bei Trockenlegung der Wehrsohle möglich: 1. tiefer Teilabbruch der bestehenden Tosbeckensohle unter Wasser, darauf Erstellung einer rückverankerten Unterwasserbetonsohle, Lenzen der Baugrube, Herstellung der neuen Stahlbeton-Tosbeckensohle auf der rückverankerten Unterwasserbetonsohle mit Anschluss der neuen Tosbeckensohle an die Rückverankerung der Unterwasserbetonsohle (Abb. 5) 2. Herstellung von Grundwasserentspannungsbrunnen zur Sicherung der bestehenden Tosbeckensohle und des Baugrunds gegen Aufschwimmen, Lenzen der Baugrube, geringer Teilabbruch der bestehenden Tosbeckensohle, Herstellung der neuen Stahlbeton- Tosbeckensohle auf der alten Tosbeckensohle mit Durchführung der Entspannungsbrunnen, Rückverankerung der neuen Tosbeckensohle, Verschluss der Entspannungsbrunnen in der neuen Tosbeckensohle (Abb. 6) 3. wie 2), jedoch ohne Herstellung der Rückverankerung der neuen Stahlbeton-Tosbeckensohle mit dauerhaft geöffneten Grundwasserentspannungsbrunnen (Abb. 7). Abb. 5: Ertüchtigungsvariante 1 214 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen Abb. 6: Ertüchtigungsvariante 2 Abb. 7: Ertüchtigungsvariante 3 Als Entspannungsbrunnen sind Bohrungen mit einem Durchmesser von 30 cm und einer Verfüllung mit einem stark durchlässigen Kies (z. B. der Körnung 16/ 32 mm) zur Stützung der Bohrlochwandung vorgesehen. Der relativ große Bohrdurchmesser ist für eine ausreichend große Mantelfläche erforderlich, über die die angeschnittenen Trennflächen entwässert werden können. Zur Ermittlung der erforderlichen Anzahl und Anordnung der Entspannungsbrunnen wurden stationäre, numerische 3D-Grundwasserströmungsberechnungen durchgeführt. Bei einer über die Bauzeit hinausreichenden Grundwasserdruckentspannung, entsprechend Variante 3, müssen die Entspannungsbrunnen an der Oberfläche der neuen Tosbeckensohlen so ausgebildet werden, dass sie dauerhaft geöffnet sind. Dazu sollten sie mit einem aus Edelstahl bestehenden, robusten Lochblech mit einer an die Verfüllung der Bohrungen angepassten, möglichst großen Öffnungsweite abgedeckt werden. Diese Lochbleche müssen in die neuen Betonsohlen der Tosbecken bündig mit deren Oberfläche eingebaut und in dieser verankert werden. 5.2.2 Ertüchtigungsvariante 1 Bei Variante 1 mit Unterwasserbetonsohle muss die vorhandene, aus dem Pflasterbelag und dem unbewehrten Beton bestehende Tosbeckensohle unter Wasser vergleichsweise tief abgebrochen werden, um die Unterwasserbetonsohle herstellen zu können. Die Unterwasserbetonsohle wird im unterlagernden Festgestein z. B. mit Mikropfählen oder Ankern rückverankert. Hierbei muss nachgewiesen werden, dass der verankerte Felskörper von der Oberkante der Unterwasserbetonsohle bis zur Unterkante der Anker sicher gegen Aufschwimmen ist (Abb. 8, links), dass die Wasserdruckkräfte von der Unterwasserbetonsohle aufgenommen und in die Anker abtragen werden können (Abb. 8, Mitte) und das ein ausreichender Herausziehwiderstand der Anker gegeben ist. Nach der Herstellung der rückverankerten Unterwasserbetonsohle wird die Wehrsohle innerhalb der Baugrubenumschließung trockengelegt und die bewehrte Konstruktionsbetonsohle des Tosbeckens hergestellt. Dabei muss die Bewehrung der Konstruktionsbetonsohle an die Rückverankerung der Unterwasserbetonsohle angeschlossen werden, da aufgrund der größeren Durchlässigkeit der Unterwasserbetonsohle von einem maßgeblichen Grundwasserdruck auf die Konstruktionsbetonsohle auszugehen ist (Abb. 8, rechts). D. h. für den späteren Revisionszustand der Wehrsohle muss der Nachweis der neuen Konstruktionsbetonsohle gegen Aufschwimmen mit dem vollen Wasserdruck auf der Unterseite der Konstruktionsbetonsohle geführt werden. Die Verankerung muss für alle maßgebenden Bemessungssituationen ausgelegt werden (Sicherung gegen Aufschwimmen sowohl für die gelenzte Baugrube im Bauzustand als auch für die spätere Trockenlegung im Revisionszustand). Auf der sicheren Seite liegend wird für den Nachweis gegen Aufschwimmen der Wasserdruck auf Höhe des für den Bauzustand maximal zulässigen Unterwasserstands bzw. auf Höhe der Oberkante des Unterwasser-Revisionsverschlusses angesetzt. Abb. 8: Nachweis gegen Aufschwimmen, Variante 1 5.2.2 Ertüchtigungsvariante 2 Die Sicherung des Baugrunds gegen Aufschwimmen durch eine rückverankerte Unterwasserbetonsohle erfordert zumeist einen hohen Aufwand durch den zusätzlichen Unterwasser-Aushub und die vergleichsweiche geringen Ankerabstände, um die Ankerzugkräfte über ein sich einstellendes Druckgewölbe in die Unterwas- 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 215 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen serbetonsohle einzuleiten. Für die Sicherung der Stahlbetonsohle gegen Aufschwimmen werden dahingegen im Allg. deutlich weniger Anker benötigt, da eine Kraftübertragung durch die Bewehrung möglich ist. Durch den temporären Einsatz von Entspannungsbrunnen während der Bauzeit kann die Anzahl der erforderlichen Anker reduziert werden. Die Dimensionierung der Verankerungen erfolgt dann lediglich für die Sicherung der Stahlbetonsohle gegen Aufschwimmen im Revisionszustand des Wehres. Dagegen dienen die vorab herzustellenden Entspannungsbrunnen zur Sicherung des Baugrunds und der vorhandenen, unbewehrten Betonsohle nach dem Lenzen der Baugrube. Die Entspannungsbrunnen müssen vor der Trockenlegung der Baugrube durch die vorhandene, unbewehrte Wehrsohle bis in den unterlagernden Fels abgeteuft werden. Die Länge der Entspannungsbrunnen (EB) ermittelt sich aus dem Nachweis des Felspaketes von der Unterkante der Entspannungsbrunnen bis zur Oberkante der verbleibenden, alten Wehrsohle gegen Aufschwimmen. Hierbei wird auf der sicheren Seite liegend angenommen, dass das Grundwasserpotential unterhalb des Fußes der Entspannungsbrunnen nicht durch die Absenkung beeinflusst wird und deshalb dem Mainwasser-stand im Unterwasser des Wehres entspricht (Abb. 9, links). Es kann aufgrund eines über der Oberkante der vorhandenen Wehrsohle anstehenden Grundwasserpotentials (siehe Abb. 2) erforderlich sein, die Entspannungsbrunnen vor der Trockenlegung von einem Ponton aus bei eingestauter Wehrsohle herzustellen. Nach Trockenlegung der Wehrsohle erfolgt der Abbruch der alten Tosbeckensohle im Trockenen, wobei eine offene Wasserhaltung für das aus den Entspannungsbrunnen zuströmende Grundwasser erforderlich ist. Der Abbruch der alten Tosbeckensohle wird nur bis in eine Tiefe durchgeführt, die zur Herstellung der neuen Tosbeckensohle aus bewehrtem Konstruktionsbeton erforderlich ist. Dabei dient der Rest der alten Betonsohle als Auflager für den neuen Konstruktionsbeton. Der Bauzustand mit dem maximalen Aushub vor Herstellung der neuen Tosbeckensohle ist bei dieser Variante der maßgebende Bemessungszustand für die Dimensionierung der Entspannungsbrunnen. Da die unbewehrten Wehrsohlen rechnerisch keine Zugkräfte aufnehmen können, ist die Grundwasserdruckentspannung so auszulegen, dass die Sicherheit gegen Aufschwimmen für den Bauzustand nicht nur für die gesamte vorhandene, im Baugrund verbleibende Wehrsohle, sondern an jeder Stelle der Wehrsohle gegeben ist. Dabei werden die auf die Unterkante der Wehrsohle wirkenden Wasserdrücke für den im Unterwasser maximal möglichen Wasserstand im Bau unter Berücksichtigung der Druckentspannung durch die Entspannungsbrunnen angesetzt (Abb. 9, Mitte). Abb. 9: Nachweis gegen Aufschwimmen, Variante 2 Zur Herstellung der neuen Tosbeckensohle aus bewehrtem Konstruktionsbeton sind die Entspannungsbrunnen durch diese hindurch zu führen, wobei die Wasserhaltung bis zur vollständigen Herstellung der neuen Tosbeckensohle erfolgen muss. Dabei erfolgt auch die Rückverankerung der neuen Konstruktionsbetonsohle aus Stahlbeton, wobei die Verankerung an die Bewehrung der neuen Sohle angeschlossen wird. Bei der Herstellung der Verankerung dürfen die Entspannungsbrunnen nicht durch das Verpressmaterial in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. Falls erforderlich müssen die Anker bereits vorab, vor Herstellung der Entspannungsbrunnen und vor dem lenzen der Baugrube, vom Ponton aus hergestellt werden. Nach Fertigstellung der Stahlbetonsohle sind die Entspannungsbrunnen im Bereich der neuen Konstruktionsbetonsohle dauerhaft zu verschließen. Für die Bemessung der neuen Konstruktionsbetonsohle und deren Verankerung muss wie bei Variante 1 der im späteren Revisionszustand der Wehrsohle maßgebende volle Wasserdruck auf der Unterseite der Konstruktionsbetonsohle berücksichtigt werden (Abb. 9, rechts). 5.2.2 Ertüchtigungsvariante 3 In Variante 3 entspricht der Bauablauf bis zur Herstellung der neuen Tosbeckensohle aus Konstruktionsbeton der von Variante 2. Die Auslegung der Entspannungsbrunnen mit dem Nachweis des unterlagernden Felspakets (Abb. 10, links) und der verbleibenden alten Tosbeckensohle aus unbewehrtem Beton (Abb. 10, Mitte) gegen Aufschwimmen entspricht ebenfalls Variante 2. Danach wird jedoch keine Rückverankerung der neuen Konstruktionsbetonsohle durchgeführt und die Sicherung der neuen Konstruktionsbetonsohle erfolgt durch dauerhaft geöffnete Entspannungsbrunnen. Da die neue Tosbeckensohle aus Konstruktionsbeton eine wesentlich geringere hydraulische Durchlässigkeit als die unterliegende, verbleibende alte Betonsohle aufweisen wird, ist zusätzlich der Nachweis der neuen Tosbeckensohlen gegen Aufschwimmen unter Berücksich- 216 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen tigung der Druckentspannung durch die im Tosbecken angeordneten Entspannungsbrunnen zu führen (Abb. 10, rechts). Abb. 10: Nachweis gegen Aufschwimmen, Variante 3 5.3 Bewertung der Ertüchtigungsvarianten Der Vorteil von Variante 1 gegenüber den Varianten 2 und 3 besteht in dem vereinfachten Arbeiten nach Herstellung und Trockenlegung der Unterwasserbetonsohle. Bei einer ausreichend wasserdichten Unterwasserbetonsohle kann die Konstruktionsbetonsohle unmittelbar auf deren Oberfläche angeordnet werden. Zur Sicherung der Konstruktionsbetonsohle gegen Aufschwimmen kann die Bewehrung an die verlängerten Anker der Unterwasserbetonsohle angeschlossen werden. Die Herstellung der rückverankerten Unterwasserbetonsohle zur Sicherung der Sohle und des darunter anstehenden Baugrunds gegen Aufschwimmen nach Trockenlegung der Sohle erfordert jedoch zumeist einen hohen Aufwand. Dieser ergibt sich aus dem zusätzlichen Unterwasser-Aushub, der Herstellung der Unterwasserbetonsohle und der Verankerung mit vergleichsweise geringen Ankerabständen, um die Ankerzugkräfte über ein sich einstellendes Druckgewölbe in die Unterwasserbetonsohle einzuleiten. Weiterhin ist es bei geringerer Dicke der bestehenden Wehrsohle möglich, dass der zusätzlich erforderliche Aushub für die Unterwasserbetonsohle bis unter Gründungssohle der Wehrpfeiler reicht und dadurch deren Standsicherheit gefährdet. Der Nachteil der Varianten 2 und 3 gegenüber Variante 1 besteht in der Durchführung der Entspannungsbrunnen durch die Konstruktionsbetonsohle bei deren Herstellung und dem Betrieb einer offenen Wasserhaltung zur Ableitung des durch die Entspannungsbrunnen zuströmenden Grundwassers. Zusätzlich ist eine geeignete Dimensionierung der Entspannungsbrunnen auf Grundlage einer ausreichenden geotechnischen und geohydraulischen Erkundung sowie einer darauf aufbauenden geohydraulischen (im Allg. numerischen) Berechnung erforderlich. Der Vorteil der Varianten 2 und 3 gegenüber Variante 1 besteht jedoch in dem wesentlich geringeren Aufwand aufgrund der nicht erforderlichen Unterwasserbetonsohle. Dadurch ergibt sich eine deutlich verringerte Aushubtiefe, kein Unterwasseraushub und keine Erstellung einer rückverankerten Unterwasserbetonsohle. Weiterhin ist die erforderliche Anzahl an Bohrungen für die Entspannungsbrunnen i. Allg. deutlich geringer als für die Verankerung der Unterwasserbetonsohle. Die Varianten 2 und 3 unterscheiden sich nur durch die Sicherung der neuen Tosbeckensohle aus bewehrtem Beton gegen Aufschwimmen im Revisionsfall mit trockengelegter Wehrsohle. Bei Variante 2 erfolgt diese durch eine Rückverankerung im Baugrund mit Anschluss an die Bewehrung der neuen Tosbeckensohle. Durch die an ihrer Oberfläche geschlossene neue Tosbeckensohle wird der Unterhaltungsaufwand gegenüber Variante 2 reduziert. Die Herstellung der Verankerung der neuen Tosbeckensohle in Variante 2 erfordert jedoch einen entsprechenden Aufwand, insbesondere unter Berücksichtigung der ggf. erforderlichen Herstellung vor den Entspannungsbrunnen vom Ponton aus, um die Wirksamkeit der Entspannungsbrunnen durch das Verpressmaterial nicht zu beeinträchtigen. Bei Variante 3 verbleiben dauerhaft geöffnete Entspannungsbrunnen in der neuen Konstruktionsbetonsohle des Tosbeckens. Dadurch wird gegenüber Variante 2 der Mehraufwand zur Herstellung der Verankerung vermieden. Durch die dauerhaft geöffneten Entspannungsbrunnen kann ein Eintrag von Oberflächenwasser in den Untergrund erfolgen. Dies ist jedoch nur bei einer auflaufenden Hochwasserwelle möglich, bei der der Unterwasserstand das Grundwasserpotential unter der Wehrsohle überschreitet. In der Regel liegt das Grundwasserpotential unter der Wehrsohle über dem Unterwasserstand, so dass zumeist exfiltrierende Verhältnisse vorherrschen. Weiterhin ist die Flusssohle unterwasserseitig der Wehrsohle i. d. R. ungedichtet, wodurch in diesem Bereich im Hochwasserfall eine wesentlich größere Infiltration aus dem Oberflächengewässer in das Grundwasser stattfindet. Durch die zumeist durch die Entspannungsbrunnen stattfindende Exfiltration von Grundwasser in das Unterwasser des Wehres besteht auch keine erhöhte Gefahr eines Zusetzens der Entspannungsbrunnen durch Sedimente, die über das Wehr mit dem Wasserstrom abgeführt werden. Bei den Revisionen mit Trockenlegung der Wehrsohlen sollte die Entspannungsbrunnen jedoch überprüft werden. Dabei kann nach dem Öffnen der Lochblechabdeckungen erforderlichenfalls der obere Bereich der Entspannungsbrunnen innerhalb der neuen Tosbeckensohle freigespült werden. In Tab. 1 sind die erforderlichen Standsicherheitsbzw. Tragfähigkeitsnachweise in den 3 Varianten für die unterschiedlichen Bauteile und den Baugrund gegenübergestellt. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 217 Entspannungsbrunnen zur Erhöhung der Standsicherheit von Wehrsohlen Tab. 1: Erforderliche Nachweise in den 3 Varianten Nachweis Variante 1 Variante 2 Variante 3 Aufschwimmen unterlagernder Felsblock x x x Kraftübertragung Unterwasserbetonsohle x - - Aufschwimmen unbewehrter Restbeton x x Herausziehwiderstand Anker x x - Aufschwimmen Konstruktionsbetonsohle x x x Gleiten Konstruktionsbetonsohle x x x Bewehrung Konstruktionsbetonsohle x x x 5.4 Gewählte Ertüchtigungsvariante Nach Abwägen der Vor- und Nachteile der oben beschriebenen Ertüchtigungsvarianten wird im hier vorliegenden Fall aktuell eine Ertüchtigung der Wehrsohlen entsprechend Variante 3 geplant. Durch die BAW wurden umfangreiche numerische Grundwasserströmungsberechnungen durchgeführt, um die erforderliche Anzahl und Anordnung sowie den erforderlichen Durchmesser von Entspannungsbrunnen zur Sicherung der Wehrsohle gegen Aufschwimmen zu ermitteln. Dies erfolgte auf Grundlage eines stationären, dreidimensionalen FE-Grundwassermodells. Abb. 11 zeigt die horizontalen Abmessungen des die beiden Wehrfelder umfassenden Grundwasserströmungsmodells. Untersucht wurden die Grundwasserverhältnisse für die maßgebenden vorübergehenden Bemessungssituationen des Bauzustandes und des Revisionszustandes. Abb. 11: Horizontale Abmessungen des erstellten FE- Grundwassermodells mit darin berücksichtigten Bauwerksteilen der Wehranlage Um die Grundwasserverhältnisse in der Modellierung realistisch abzubilden, wurde eine Kalibrierung auf Grundlage der Grundwasserstandsmessungen bei Niedrigwasserverhältnissen durchgeführt. Die erhöhte Durchlässigkeit der söhligen Trennflächen des unterlagernden Festgesteins wurden durch eine Anisotropie der Durchlässigkeit mit einer gegenüber der vertikalen um den Faktor 100 vergrößerten Durchlässigkeit abgebildet. Zusätzlich wurde eine verminderte Durchlässigkeit der Gewässersohle im Oberwasser des Wehres infolge Kolmation durch einen Leakagefaktor berücksichtigt. Zusätzlich zu den stationären Berechnungen für die Auslegung der Grundwasserentspannung wurde mittels instationärer Berechnung die Änderung der hydraulischen Potentiale im unterlagernden Fels in Abhängigkeit eines ansteigenden und abfallenden Mainwasserstands während eines Hochwasserereignisses ermittelt. Dadurch konnte gezeigt werden, dass die im Hochwasserfall in das Grundwasser aus dem Oberflächengewässer infiltrierende Wassermenge gering ist. Die Anzahl und die Anordnung sowie der Durchmesser der angesetzten Entspannungsbrunnen wurden variiert, bis eine ausreichende Entspannungswirkung ermittelt wurde. Dabei ergaben die Berechnungen, dass ein Durchmesser der Entspannungsbrunnen von mindestens 30 cm erforderlich ist, um bei einer Anzahl von 8 Entspannungsbrunnen je Wehrfeld eine ausreichende Grundwasserdruckentspannung zu erzielen. Die unter Berücksichtigung der Grundwasserdruckentspannung durch die Brunnen berechneten Grundwasserpotentialverteilungen in den beiden Bemessungssituationen dienten auch zur Vorgabe des maßgebenden Grundwasserdrucks auf die neue Konstruktionsbetonsohle als Grundlage für den Nachweis gegen Gleiten und der inneren Tragfähigkeit (Bewehrung) der neuen Wehrsohle. Insgesamt konnte durch die Untersuchung gezeigt werden, dass durch eine relativ geringe Anzahl von Entspannungsbrunnen eine ausreichende Grundwasserdruckentspannung zum Nachweis gegen Aufschwimmen der Wehrsohle in allen maßgebenden Bemessungssituationen erreicht werden kann.