Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Langzeitabhängigkeit der Baugrundverformungen von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton am Beispiel Projekt U5
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Heiko Huber
Henning von der Werth
Sven Kirchner
Der Stadtteil Europaviertel in Frankfurt am Main soll mittels schienengebundenem ÖPNV unter der Bezeichnung „Stadtbahnstrecke B, TA3 Europaviertel“ erschlossen werden. Hierzu realisiert die SBEV den Bau der Verlängerung der U-Bahnlinie U5 im Europaviertel in Frankfurt am Main mittels Tunnelvortriebsmaschine.
Seit Januar 2019 erfolgt in diesem Zusammenhang eine Grundwasserentspannung der errichteten Startbaugrube. Hierbei werden die druckwasserführenden Kalksteinbänke und Sandlagen des anstehenden Frankfurter Tons mittels Förderbrunnen und Entspannungslanzen entspannt.
Die eintretenden Verformungen des Baugrundes werden durch ein großräumiges und umfangreiches Monitoring, bestehend u.a. aus geodätischen Messpunkten und Extensometern, erfasst.
Es lässt sich eine klare Korrelation zwischen dem Betrag der Grundwasserentspannung und der eingetretenen Baugrundverformungen feststellen.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 247 Langzeitabhängigkeit der Baugrundverformungen von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton am Beispiel Projekt U5 Dr.-Ing. Heiko Huber CDM Smith Consult GmbH, Bickenbach Henning von der Werth, M.Sc. CDM Smith Consult GmbH, Bickenbach Dipl.-Ing. Sven Kirchner SBEV Stadtbahn Europaviertel Projektbaugesellschaft, Frankfurt Zusammenfassung Der Stadtteil Europaviertel in Frankfurt am Main soll mittels schienengebundenem ÖPNV unter der Bezeichnung „Stadtbahnstrecke B, TA3 Europaviertel“ erschlossen werden. Hierzu realisiert die SBEV den Bau der Verlängerung der U- Bahnlinie U5 im Europaviertel in Frankfurt am Main mittels Tunnelvortriebsmaschine. Seit Januar 2019 erfolgt in diesem Zusammenhang eine Grundwasserentspannung der errichteten Startbaugrube. Hierbei werden die druckwasserführenden Kalksteinbänke und Sandlagen des anstehenden Frankfurter Tons mittels Förderbrunnen und Entspannungslanzen entspannt. Die eintretenden Verformungen des Baugrundes werden durch ein großräumiges und umfangreiches Monitoring, bestehend u.a. aus geodätischen Messpunkten und Extensometern, erfasst. Es lässt sich eine klare Korrelation zwischen dem Betrag der Grundwasserentspannung und der eingetretenen Baugrundverformungen feststellen. 1. Einleitung und Bauvorhaben Durch eine zweigleisige Verlängerung der bestehenden Stadtbahnlinie U5 soll unter der Bezeichnung „Stadtbahnstrecke B, TA3 Europaviertel“ der derzeit neu entstehende Stadtteil Europaviertel in Frankfurt am Main mittels schienengebundenem ÖPNV erschlossen werden. Die geplante U-Bahnstrecke führt vom Platz der Republik (Anschluss an den Bestand) über den Güterplatz im Kreuzungsbereich Hohenstaufenstraße / Osloer Straße. Der anschließende Abschnitt erreicht in Höhe von Warschauer und Stockholmer Straße die Mitte der Europa- Allee östlich der Emser Brücke (Boulevard Ost). Der Streckenverlauf ist in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: Lageplan unterirdische Strecke Die Tunnel im Bereich zwischen Station 1+474,5 und 2+311 werden dabei in geschlossener Bauweise mittels Tunnelbohrmaschine (TBM) von West nach Ost aufgefahren. Hierzu wurde eine Startbaugrube (Station 2+311 bis 2+389) hergestellt. Die Startbaugrube hat eine Länge von ca. 78 m. Die Breite der Baugrube beträgt im Übergangsbereich zum bergmännischen Tunnel rd. 18 m und verjüngt sich nach Westen auf rd. 11 m. Die Gründungssohle der Startbaugrube liegt im Bereich der ersten beiden Tunnelblöcke bei etwa 248 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Langzeitabhängigkeit der Baugrundverformungen von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton am Beispiel Projekt U5 79 mNN (18 m unter Gelände) und steigt im westlichen Bereich bis zu rd. 83,5 mNN. Die Startbaugrube wird mit einer Schlitzwand (Dicke 1,2 m) gesichert, die in zwei Lagen ausgesteift ist. 2. Baugrund- und Grundwasserverhältnisse Im Projektgebiet stehen unterhalb der oberflächennahen Auffüllungen (Schicht 1) geringmächtige quartäre Deckschichten (Schicht 2) und quartäre Sande und Kiese (Schicht 3) bis etwa 6 m bis 8 m u. GOK an. Die darunterliegenden tertiären Schichten sind östlich der Station Güterplatz sowie im östlichen und mittleren Stationsbereich durch miozäne Schichtenfolgen geprägt, siehe Abbildung 2. Diese werden im Baufeld überwiegend von den Hydrobienschichten (Frankfurter Ton) gebildet. Der Frankfurter Ton besteht überwiegend aus Tonmergeln sowie vereinzelt aus reinen Tonen (Schicht 5b), die erfahrungsgemäß ausgeprägt plastisch (TA) vorliegen. In diesen Böden sind unregelmäßig und nicht horizontbeständig Hydrobiensande, Kalksande und Schneckensande (Schicht 5a) sowie Kalkstein- und Dolomitsteinbänke (Schicht 5c) eingeschaltet. Die Mächtigkeit der im Projektgebiet erkundeten Kalksteinbänke wurde überwiegend mit wenigen Dezimetern, vereinzelt bis rund 2 m erkundet. Im westlichen Teil der Stationsbaugrube fällt der Frankfurter Ton nach Westen hin um etwa 15 m steil ab. Ab hier wird der Baugrund im Bereich der tertiären Schichten durch einen ungleichmäßigen Verlauf der Schichtgrenze zwischen dem liegenden Frankfurter Ton und den darüber anstehenden Sandschichten (Schicht 4a) und Schluffschichten (Schicht 4b) des Pliozäns geprägt. Die Trasse durchfährt zwei Grundwasserstockwerke. In den quartären Sanden und Kiesen (Schicht 3) ist ein Porengrundwasserleiter ausgebildet, der im westlichen Bauabschnitt mit dem dort tief reichenden Pliozän (Schicht 4) hydraulisch in Kontakt steht. Innerhalb der miozänen Schichtfolgen bilden die vorherrschenden Tone (Schicht 5b) Grundwassersperr-schichten. Dagegen sind die eingeschalteten Sande (Schicht 5a) mäßig bis stark wasserführend. Die Kalk-steine (Schicht 5c) bilden einen Kluftgrundwasserleiter, der sehr stark durchlässig vorliegen kann. Das Grundwasser in den wasserführenden Schichten des Frankfurter Tons steht gespannt an. Die Druckspiegel liegen etwa auf dem Niveau des freien Grundwassers in den Schichten 3 und 4. Abbildung 2: Baugrundschnitt 3. Grundwasserentspannung Im Bereich der Startbaugrube wird seit Januar 2019 eine Grundwasserentspannung betrieben. Zur Sicherung der Baugrubensohle gegen Auftrieb und hydraulischen Grundbruch wurden hierzu innerhalb der Baugrube vertikale Entspannungslanzen und mit Pumpen bestückte Entspannungsbrunnen bis in Tiefen von 54,5 mNN hergestellt. Die Entspannungslanzen wurden im Abstand von 4 m zueinander um die Baugrubenumschließung hergestellt. Die insgesamt sechs Entspannungsbrunnen wurden in Baugrubenmitte mit einem Ausbaudurchmesser DN 300 hergestellt. Die Tiefe der 45 Entspannungslanzen (Ausbaudurchmesser DN 50) variiert zwischen 32,0 m und 42,0 m. Mit den Entspannungsbrunnen und -lanzen wird ein Entspannen der druckwasserführenden Schichten (Kalksteinbänke, Sandlagen) innerhalb des miozänen Tons erzielt. Entsprechend dem Aushubfortschritt wurde die Fördermenge in Abhängigkeit des jeweiligen Absenkziels stetig erhöht. Seit etwa April 2019 hat das Entspannungsziel den Maximalwert von etwa 13 m im Baugrubentiefsten erreicht und wird seitdem in etwa auf diesem Niveau gehalten. Seit November 2019 liegt die Summe der Förderraten sämtlicher Entspannungslanzen und -brunnen der Startbaugrube relativ konstant bei etwa 53 m³/ h. Im Nahbereich der Startbaugrube sowie in einem großflächigen Umfeld um das Tunnelbauprojekt werden die Grundwasserstände u.a. mittels Porenwasserdruckgebern gemessen. Nachfolgende Abbildung 3 zeigt den Isolinienplan der Grundwasserentspannung von April 2021. Abbildung 3: Isolinienplan Grundwasserentspannung Demnach lässt sich eine klare räumliche Abgrenzung des Einflussbereichs der Entspannungswasserhaltungsmaßnahmen erkennen: Im Westen des Blattausschnittes zeigen sich annähernd kreisförmige Isolinien um die Startbaugrube. Östlich der Startbaugrube zeigen sich von Nord-West nach Süd-Ost verlaufende Isolinien mit Höhen von 84,0 mNN bis 92,0 mNN, die annähernd direkt aufeinander liegen. Sie verdeutlichen die Lage und den 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 249 Langzeitabhängigkeit der Baugrundverformungen von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton am Beispiel Projekt U5 Einfluss der erkundeten geologischen Störungszone, die die Station Güterplatz im Westen schneidet. Diese Störungszone, welche die Trennung der vorrangig pliozänen Böden im Westen von den miozänen Böden im Osten darstellt, bewirkt, dass östlich dieser Störungszone fast keine Beeinflussung des tertiären Druckwasserspiegels auftritt. 4. Verformungsmessungen In Folge der Grundwasserentspannung sowie der Tunnelbauaktivitäten ist im Projekt mit Baugrundverformungen zu rechnen. Entsprechend wird im Projekt ein umfangreiches Monitoring betrieben. Hierbei werden u.a. an rund 700 geodätischen Messpunkten, die mitunter in über 100 Messquerschnitten im Nahbereich der Startbaugrube, an Gebäuden im Umfeld der Baumaßnahme und an Straßenbahnschienen angeordnet sind, die Verformungen in regelmäßigen Abständen erfasst. Weiterhin erfolgen mittels Extensometern durch ein von den geodätischen Messungen unabhängiges System Verformungsmessungen des Baugrunds im Bereich der Startbaugrube und an der Messehalle 3. In den Abbildungen der nachfolgenden Kapitel zeigt sich mitunter ein Sprung der vorliegenden Verformungsmessungen. Dies begründet sich damit, dass im Juni 2019 festgestellt wurde, dass sich die Verformungsmessungen auf einen Festpunkt bezogen, der im Einflussbereich der Grundwasserentspannung liegt. Entsprechend erfolgte im August 2019 eine Anpassung der vorliegenden Messdaten, die sich durch einen Sprung um etwa 15 mm zeigt. Hierbei ist davon auszugehen, dass die erfassten zusätzlichen Verformungen von rund 15 mm nicht im August 2019 sprungartig, sondern vielmehr im Zeitraum zwischen April und Juni kontinuierlich auftraten. 4.1 Verformungen im Nahbereich der Startbaugrube Nachfolgende Abbildung 4 zeigt den erfassten Verformungsverlauf im Nahbereich der Startbaugrube. Vor Beginn der Entspannungswasserhaltungsmaßnahme zeigen sich an den exemplarisch ausgewählten Mespunkten QB11 G02 und G03, die mittig der Längsseite etwa 6 m bzw. 16 m von der Baugrubenumrandung entfernt liegen, Mitnahmehebungen infolge Baugrubenaushub. Abbildung 4: Verformungen Nahbereich Startbaugrube Mit Beginn der Entspannungswasserhaltung stellen sich Setzungen ein, die ihren Maximalwert von etwa 23 mm (G03) im September 2019 (etwa fünf Monate nach Erreichen des Entspannungsziels) erreichen. Rund 12 Monate nach Beginn der Entspannungswasserhaltung zeigt sich keine weitere Zunahme der Setzungen. 4.2 Verformungen im Bereich der Messehalle 3 Im Bereich der Messhalle 3 (etwa 60 m bis 200 m nördlich der Startbaugrube) erfolgt ein umfangreiches geodätisches und geotechnischen Messprogramm zur Erfassung der Baugrundverformungen durch die TU Darmstadt. An drei der vier Eckpunkte des Gebäudes wurde hierzu jeweils ein Vierfachstangenextensometer installiert. Die Vierfachstangenextensometer erfassen die Verformungen des Baugrundes in den Tiefen 35 m u. GOK, 20 m u. GOK, 10 m u. GOK und an der Geländeoberfläche. Die erfassten Messdaten sind in nachfolgender Abbildung 5 dargestellt. Abbildung 5: Verformungen Messehalle 3 Bis zum Beginn der Entspannungswasserhaltungsmaßnahmen im Januar 2019 zeigten die vorliegenden Extensometermessungen lediglich geringe Baugrundverformungen im Bereich von etwa 1 mm. Ab Beginn der Wasserhaltungsmaßnahmen nahmen die Baugrundverformungen der südlich gelegenen Extensometer E1 und E2 deutlich zu und liegen mit der Messung vom Mai 2019 bei etwa 12 mm (E1) bzw. 13 mm (E2) bezogen auf die Messung von März 2018 (entsprechend der letztmali- 250 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Langzeitabhängigkeit der Baugrundverformungen von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton am Beispiel Projekt U5 gen Messung vor Beginn Entspannungswasserhaltung). Der nördlich gelegene Extensometer E4 zeigt bezogen auf die Messung von März 2018 lediglich geringe Verformungen im Bereich von etwa 1 mm. Die Baugrundverformungen nahmen seitdem bis zur letzten Messung im März 2021 weiter zu, die Setzungszunahmen wurden jedoch geringer. Die Extensometer E1 und E2 zeigen seit der Messung im August 2019 Setzungszunahmen von 6 mm (E1) bzw. 8 mm (E2), woraus sich Gesamtverformungen von 23 mm bzw. 28 mm ergeben. Der Extensometer E4 zeigt auch bis zum März 2021 nur geringe Verformungen im Bereich von ca. 1 mm seit August 2019, woraus sich Gesamtverformungen von etwa 2 mm ergeben. 4.3 Verformungen im weiteren Umfeld der Startbaugrube Im weiteren Umfeld der Startbaugrube liegen Höhenstichtagsmessungen ausgewählter Festpunkte aus Juni / Juli 2019 vor, die sich auf die letztmalige Messung aus dem Jahr 2016 beziehen. Im Mai 2021 wurde eine Folgemessung dieser Messpunkte durchgeführt, siehe hierzu nachfolgende Abbildung 6. Abbildung 6: Verformungen Festpunktnetz Die Messungen sind auf den Festpunkt NivP 4690019 bezogen, der weit außerhalb des Einflussbereichs der Entspannungswasserhaltung liegt. Die Folgemessung der Festpunkte zeigt, dass sich westlich und südlich der Startbaugrube seit Juni / Juli 2019 weitere Setzungen von bis zu 9 mm ergeben haben, während alle östlich (Im Bereich Friedrich-Ebert-Anlage, Platz der Republik) gelegenen Messpunkte nur sehr geringe bis keine Verformungen aufweisen. Die maximal gemessenen Setzungen bezogen auf das Jahr 2016 liegen bei etwa 21 mm. Inwiefern diese Setzungen durch andere Baumaßnahmen vor Beginn der Entspannungswasserhaltung beeinflusst sind, kann nicht nachvollzogen werden. Ein Abgleich der Messdaten mit anderen Messsystemen lässt jedoch vermuten, dass die vorliegenden Messergebnisse größtenteils aus der Entspannungswasserhaltung der Startbaugrube resultieren. Nachfolgende Abbildung 7 zeigt den zeitlichen Verlauf der Verformungen am Messpunkt NivP 4680214 seit Juni 2019. Abbildung 7: Verformungen NivP 4680214 Die gemessenen Verformungen beziehen sich hierbei auf eine Messung von 2016. Im Mai 2020, etwa 12 Monate nach Erreichen des Entspannungsziels zeigen sich nur noch geringe Setzungszunahmen. 5. Verformung in Abhängigkeit der Grundwasserentspannung Nachfolgende Abbildung 8 zeigt eine Überlagerung der Höhenmessungen ausgewählter Festpunkte, der Extensometermessungen der Messehalle 3 und ausgewählter geodätischer Messungen im Nahbereich der Startbaugrube aus Juni 2021 mit dem Grundwassergleichenplan des Miozän aus April 2021. Abbildung 8: Überlagerung von Grundwassergleichenplan und Verformungsmessungen Insgesamt lässt sich erkennen, dass aus den Messdaten im Einflussbereich der Grundwasserentspannung vorrangig Setzungen in einer Größenordnung von etwa 9 mm bis 28 mm abzuleiten sind, während im östlichen Bildausschnitt, der von der Grundwasserentspannung annähernd 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 251 Langzeitabhängigkeit der Baugrundverformungen von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton am Beispiel Projekt U5 unbeeinflusst ist, geringe Hebungen im Größenbereich von bis etwa 2 mm gemessen wurden, die im Bereich der Messtoleranz liegen. Als Ausreißer fällt NivP 4680264 westlich des Skyline Plaza auf. Dieser Messpunkt zeigt Setzungen von 15 mm (Wert in Klammern dargestellt), obwohl er östlich der Störungszone und somit außerhalb des Einflussbereichs der Grundwasserentspannung liegt. Es ist zu vermuten, dass der Messpunkt durch die Baumaßnahmen der Hochhäuser Grand Tower und Tower One östlich des Skyline Plaza beeinflusst ist. Insgesamt lässt sich eine Korrelation zwischen den gemessenen Verformungen und dem Betrag der Grundwasserentspannung ableiten, siehe Abbildung 9. Abbildung 9: Korrelation von Grundwasserentspannung und Verformungen Durch Abbildung der Regressionsgerade lässt sich schlussfolgern, dass unter den gegeben Randbedingungen im Mittel bisher Setzungen von etwa 3,2 mm je Meter Grundwasserentspannung aufgetreten sind. 6. Zusammenfassende Bewertung und Ausblick Wie aufgezeigt erfolgt an der Startbaugrube seit über 36 Monaten eine Grundwasserentspannung der tertiären Böden. Hervorzuheben ist hierbei, dass die Grundwasserentspannung durch eine geologische Störungszone räumlich klar auf einen Bereich westlich der Station Güterplatz begrenzt ist. Im Projektgebiet erfolgt ein extensives Messprogramm zur Erfassung der Baugrundverformungen. Bei der Auswertung der vorliegenden Messdaten ist nicht immer eindeutig, ob die gemessenen Verformungen ausschließlich aus den Entspannungswasserhaltungsmaßnahmen der Startbaugrube resultieren oder ob auch andere Baumaßnahmen im Umfeld der jeweiligen Messpunkte die Ergebnisse beeinflussen. Durch Auswertung der vorliegenden umfangreichen Messdaten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Messsysteme deutet die Gesamtschau der Daten jedoch auf ein einheitliches Bild hin: Es zeigen sich Setzungen im Einflussbereich der Grundwasserentspannung in einer Größenordnung von etwa 9 mm bis 28 mm. Generell ist hierbei zu beachten, dass die Absolutbeträge der eingetretenen bzw. der gemessenen Baugrundverformungen in Form von Setzungen oder Hebungen auf die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken zunächst keinen nennenswerten Einfluss haben. Baugrundverformungen haben erst dann einen relevanten Einfluss auf Bauwerke, wenn sie ungleichmäßig (in Form von Differenzverformungen) innerhalb des Gebäudes auftreten, was zu Winkelverdrehungen führt. Generell werden Winkelverdrehungen ab einem Wert von ≥ 1 : 500 als für ein Bauwerk schädlich angesehen. Sämtliche, aktuell gemessenen Winkelverdrehungen sind deutlich kleiner als die nach als allgemeinen Grundsätzen zur Vermeidung jeglicher Risse definierte Sicherheitsgrenze von 1 : 500. Insgesamt werden die vorliegenden Winkelverdrehungen als unkritisch eingestuft. Somit haben die gemessenen Baugrundverformungen unter Berücksichtigung der resultierenden Winkelverdrehungen keinen schädlichen Einfluss auf die Gebäude im Einflussbereich der Grundwasserentspannung der Startbaugrube. Die zu erwarteten Baugrundverformungen wurden im Vorfeld der Grundwasserentspannung abgeschätzt. Demnach wurden die Setzungen im Miozän im Nahbereich der Startbaugrube mit 13 mm bis 16 mm bei einer Grundwasserentspannung von bis zu 14 m abgeschätzt. Die Setzungen im Quartär und Pliozän wurden zu etwa 1 mm bis 5 mm abgeschätzt. Es ergeben sich somit zu erwartende Setzungen in einer Größenordnung von etwa 14 mm bis 21 mm. Insgesamt deuten die vorliegenden Messergebnisse darauf hin, dass die Setzungen infolge Grundwasserentspannung somit geringfügig unterschätzt wurden. Orientierend wurde auf Basis von Erfahrungswerten aus Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton erwartet, dass etwa 50 % der Endsetzung kurzfristig nach Laständerung als Sofortsetzung, weitere 40 % zeitverzögert innerhalb der nächsten sechs Monate und die Restsetzungen in weiteren sechs Monaten auftreten sollten. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Messdaten kann dies weitestgehend bestätigt werden. Ab voraussichtlich Frühjahr 2022 werden ergänzend zu den oben beschriebenen Maßnahmen im Bereich der Startbaugrube auch Entspannungswasserhaltungsmaßnahmen im Bereich der Station Güterplatz mit bis zu rund 60 m tiefen Entspannungslanzen und -brunnen betrieben. Das umfangreiche geodätische Messprogramm wird entsprechend fortgeführt und z.T. noch erweitert. Nach Vorliegen der Messdaten wird eine umfassende Auswertung zur Bewertung der Baugrundverformungen in Abhängigkeit von Grundwasserentspannungen im Frankfurter Ton erfolgen.