eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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2022
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Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau

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Moritz Schlech
Jana Liebl
Christian Moormann
Die derzeit in den Filterregeln verwendeten grundlegenden Parameter zur Dimensionierung von Geotextilfiltern sind insbesondere die charakteristische Öffnungsweite des Filters O90, die Filterdicke (Filtrationslänge) und die Ungleichförmigkeitszahl CU. Die Filterregeln für Geokunststoffe im Merkblatt M Geok E berücksichtigen die Randbedingungen einer Bauaufgabe durch die Differenzierung in drei Sicherheitsfälle. Bei der Entwicklung der M Geok E wurden Grenzbereiche für die Bemessung der charakteristische Öffnungsweit O90 festgelegt, wobei die obere Grenze O90, max als technisch sinnvoll und wünschenswert angesehen wurde, die Untergrenze O90, min war dabei eher ein Zugeständnis an die Industrie und die damalige verfügbare Produktpalette. Beim Einsatz dieser Produkte als Geotextilfilter sind aber wiederholt Probleme wie verminderte Durchlässigkeit und Filterverstopfung (Kolmation) durch Feinanteile aufgetreten. Das Institut für Geotechnik der Universität Stuttgart führt deshalb, mit dem Ziel einer optimierten Bemessung von geotextilen Filter und der Vermeidung von zukünftiger Schadensfälle, experimentelle Filtrationstests des Boden-Geokunststoffsystems zur Untersuchung der Filterstandards und des Materialtransports unter verschiedenen Rahmenbedingungen an der unteren O90, min und oberen Grenze O90, max der charakteristischen Öffnungsweite dieses ausgedehnten zulässigen Grenzbereichs durch.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 269 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Moritz Schleeh M.Sc. Universität Stuttgart, Institut für Geotechnik, 70569 Stuttgart, Deutschland Jana Liebl M.Sc. Universität Stuttgart, Institut für Geotechnik, 70569 Stuttgart, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Moormann Universität Stuttgart, Institut für Geotechnik, 70569 Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die derzeit in den Filterregeln verwendeten grundlegenden Parameter zur Dimensionierung von Geotextilfiltern sind insbesondere die charakteristische Öffnungsweite des Filters O 90 , die Filterdicke (Filtrationslänge) und die Ungleichförmigkeitszahl C U . Die Filterregeln für Geokunststoffe im Merkblatt M Geok E berücksichtigen die Randbedingungen einer Bauaufgabe durch die Differenzierung in drei Sicherheitsfälle. Bei der Entwicklung der M Geok E wurden Grenzbereiche für die Bemessung der charakteristische Öffnungsweit O 90 festgelegt, wobei die obere Grenze O 90, max als technisch sinnvoll und wünschenswert angesehen wurde, die Untergrenze O 90, min war dabei eher ein Zugeständnis an die Industrie und die damalige verfügbare Produktpalette. Beim Einsatz dieser Produkte als Geotextilfilter sind aber wiederholt Probleme wie verminderte Durchlässigkeit und Filterverstopfung (Kolmation) durch Feinanteile aufgetreten. Das Institut für Geotechnik der Universität Stuttgart führt deshalb, mit dem Ziel einer optimierten Bemessung von geotextilen Filter und der Vermeidung von zukünftiger Schadensfälle, experimentelle Filtrationstests des Boden-Geokunststoffsystems zur Untersuchung der Filterstandards und des Materialtransports unter verschiedenen Rahmenbedingungen an der unteren O 90, min und oberen Grenze O 90, max der charakteristischen Öffnungsweite dieses ausgedehnten zulässigen Grenzbereichs durch. 1. Einführung Als Alternative zu klassischen ein- oder mehrstufigen mineralischen Kornfiltern gewinnt seit einigen Jahren der Einsatz von geotextilen Filtern in Form von durchlässigen Flächenstrukturen wie Vliesen, Gewebe und Maschenware zunehmend an Beliebtheit. Verschiedene Anwendungsgebiete von Geotextilfiltern sind der Dammbau, der Wasserstraßenbau, der Küstenschutz, der Deponiebau und vor allem der Straßenbau. Die in den derzeit verwendeten Filterregeln zur Dimensionierung von Geotextilfiltern verwendeten grundlegenden Filtereigenschaften sind insbesondere die charakteristische Öffnungsweite O 90 und Dicke des Filters und damit die Länge des Strömungsweges durch den Filter (Filtrationslänge). Das Merkblatt zum Einsatz von Geokunststoffen im Erdbau im Straßenbau [1] unterscheidet drei hydraulische Sicherheitsbereiche, um die Filterwirksamkeit von Geotextilfiltern langfristig zu gewährleisten. Durch die Vorgabe von Grenzwerten der charakteristischen Öffnungsweite O 90 sollen auf der einen Seite die mechanische (Bodenrückhaltevermögen) und auf der anderen Seite die hydraulische Filterwirkung (Durchlässigkeit) möglichst invariabel garantiert werden. Bei der Erarbeitung des Merkblattes wurde zunächst die Obergrenze O 90, max als technisch sinnvoll erachtet, jedoch liegen die meisten heute auf dem Markt befindlichen Produkte mit einer charakteristischen Öffnungsweite von 0,06 mm bis 0,08 mm (Sicherheitsfall II) an der Untergrenze O 90, min des damals festgelegten zulässigen Bereichs. Bei dieser Herangehensweise zur Dimensionierung von Geotextilfiltern sind wiederholt Probleme wie eine zeitlich veränderliche Abnahme der Durchlässigkeit durch eine fortschreitende Filterverstopfung aufgrund von Feinanteilen und somit eine Vernässung des anstehenden Bodens aufgetreten. Im Fall eines Filterversagens besteht auch die Gefahr des Stabilitäts- und Standsicherheitsverlustes von Bauwerken. 2. Materialtransport Durch den Boden strömendes Wasser kann in Abhängigkeit des lokalen hydraulischen Gradienten eine Umverteilung und Transport von Bodenpartikeln. Diese Umlagerungsprozesse können allgemein in Erosion, Suffosion und Kolmation unterschieden werden. Grundvoraussetzung für den Materialtransport sind die spezifischen geometrischen Gegebenheiten innerhalb einer Bodenstruktur. Die entsprechenden geometrischen Randbedingungen definieren den Durchmesser der Bodenpartikel bzw. die Grenze des Durchmessers des Porenraums, in dem die Bodenpartikel durch den Porenraum transpor- 270 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau tiert werden können. Wird diese geometrische Grenze nicht überschritten, besitzt der Boden eine mechanische Filterstabilität (Bodenrückhaltevermögen). Wenn eine Partikelbewegung innerhalb des Bodens geometrisch möglich ist, erfordert der Materialtransport im Boden hinzukommend ein flüssiges Medium (Grund- oder Sickerwasser) zusammen mit einer lokalen Überschreitung des für die Mobilisierung der Bodenpartikel kritischen hydraulischen Gradienten. Wird dieser maßgebende hydraulische Gradient nicht erreicht, spricht man von hydraulischer Filterstabilität. 3. Geotextilfilterbemessung Die Aufgabe eines geotextilen Filters ist auf der einen Seite die dauerhaft kontrollierte Abführung des anströmenden Wassers sowie die Verhinderung von sich aufbauenden Wasserdrücken. Auf der anderen Seite müssen die geotextilen Filter den anstehenden Boden ausreichend zurückhalten und für die anstehende Bodenstruktur gefährlichen Bodendurchgang vermeiden. Die Entwurfskriterien für Geotextilfilter können grundlegend in „geometrische“ Ansätze und „hydraulische“ Ansätze unterteilt werden. Die geometrische Filterstabilität soll geotextilen Filtern durch eine Begrenzung der charakteristischen Öffnungsweite O 90 nach oben und eine ausreichende Durchlässigkeit (hydraulische Filterwirksamkeit) durch die Begrenzung der charakteristische Öffnungsweite O 90 nach unten erreicht werden. Die Filterbemessung bewegt sich aufgrund dieser widersprüchlichen Anforderung zwischen engen Bemessungsgrenzen von O 90 und unterliegt dahingehend einem fortschreitenden Optimierungsprozess. Hydraulische Kriterien für Filterabmessungen basieren hauptsächlich auf hydraulischen Bedingungen, wobei die Bestimmung des hydraulischen Gefälles bzw. der Fließgeschwindigkeit an den relevanten Gefahrenstellen (z.B. Kontaktstellen) zwischen Boden und Geotextil sich als äußerst schwierig gestaltet. Aus diesem Grunde werden meistens geometrische Kriterien wie der Korndurchmesser d, die Kornverteilung, die Ungleichförmigkeitszahl C U , der Krümmungskoeffizient C C und die Lagerungsdichte I D zur Filterbemessung herangezogen. In den letzten Jahren haben sich einige wenige Ansätze für die praktische Anwendung durchgesetzt. [2] betrachtet in seinen Kriterien der Filterbemessung neben den Korndurchmessern d 50 , d 85 und der Ungleichförmigkeitszahl C U auch die Strömungscharakteristik, wobei eine Klassifikation der Böden durch den Korndurchmesser d 50 ≤ 0,075 mm bzw. d 50 ≤ 0,075 mm in zwei Gruppen erfolgt. Die Untersuchungen von [3] haben für geotextile Filter über einem Boden mit einer Ungleichförmigkeitszahl von C U ≤ 6 gezeigt, dass auch zusätzliche Korndurchmesser wie d 85 betrachtet werden sollten. Die Problematik bei der Verwendung von d 85 liegt darin, dass es mit dem Referenzwert d 85 schwer ist, bei weitgestuften und nicht gleichförmigen Kornverteilungen den Anteil und die Verteilung des Feinkorns festzustellen. Insbesondere der Feinanteil ist aber für die Bemessung des Filters essenziell, da dieser vom Filter zurückgehalten werden muss (geometrische Filterstabilität). Deshalb schlägt [3] vor, für weitgestufte Böden mit einer Ungleichförmigkeitszahl C U größer 6 in Abhängigkeit der Form der Kornverteilungslinie einen kleineren Korndurchmesser als d 85 zur Bestimmung der zulässigen charakteristischen Öffnungsweite O 90 , zu wählen. In [4] werden beide Ansätze verknüpft und die ursprünglich von [3] gewählte Grenze der Ungleichförmigkeitszahl C U von 6 auf 8 erhöht. Der Ansatz von [5] und [6] ergänzt zur bestehenden Ungleichförmigkeitszahl C U den Krümmungskoeffizienten C C und die Lagerungsdichte. Die Idee dabei besteht darin, die Kornverteilung tangential an den Mittelbereich der wirklichen Kornverteilung zu linearisieren und daraus ein Verhältnis der Öffnungsweite O 90 zum mittlerem Korndurchmesser d 50 zu bestimmen [5,6]. Das Merkblatt zur Anwendung von Geotextilien im Wasserbau [7] trennt Böden bei d = 0,06 mm in drei Körnungsbereiche. Für Böden des Körnungsbereichs A mit d 40 ≤ 0,06 mm gilt ein konstanter Grenzwert. Für Böden bei denen der Korndurchmesser d 15 ≥ 0,06 mm ist, fließt bei der Bemessung der mechanischen Filterfestigkeit die Ungleichförmigkeitszahl C U mit ein. Im Bereich C mit d 15 ≤ 0,06 mm und d 40 ≥ 0,06 mm muss äquivalent zu Bereich B zusätzlich zur Bemessung eine Untersuchung zur Suffosionsbeständigkeit des Bodens durchgeführt werden. Um eine Vergleichbarkeit der bestehenden Filterkriterien und Ansätze zur Filterbemessung zu schaffen, nutzt [8] eine Linearisierung nach [5] in Bezug auf die Ungleichförmigkeitszahl C U der Kornverteilung. Die in Abb. 1 dargestellten Zusammenhänge des Abstandsverhältnisses O 90 / d 50 in Abhängigkeit von der Ungleichförmigkeit C U zeigen die teilweise starken Divergenzen und Unstetigkeiten in den aktuellen bestehenden Bemessungsansätzen. Bei Betrachtung der Abb. 1 fällt zudem auf, dass alle Kriterien für eine größere Ungleichförmigkeit C U kleinere Verhältniswerte für Abstandverhältnisse O 90 / d 50 festlegen. Zwischen 3 ≤ C U ≤ 6 ergeben sich nach [5] (G iroud dichte und lockere Lagerung) und [4] (CFEM) höhere Verhältniswerte, wohingegen bei [7] (DVWK) die Verhältniswerte stetig abnehmen. Dieser Ansatz scheint für gleichförmige Böden und kleinere Öffnungsweiten geeignet, da dies den Abb. 1 : Abstandsverhältnis O 90 / d 50 in Abhängigkeit von der Ungleichförmigkeit C U aus [8,9] 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 271 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Tab. 1: Grenzwerte der charakteristischen Öffnungsweite O 90 nach [1] Hydraulischer Sicherheitsfall O 90 [mm] Einsatzgebiet 1 0.06 ≤ O 90 ≤ 0,20 Vliesstoffe 0.06 ≤ O 90 ≤ 0,40 Gewebe 2 0.06 ≤ O 90 ≤ 0,20 kohäsiven Boden 0.06 ≤ O 90 ≤ 0,11 Grobschluff bis Feinsand 0.06 ≤ O 90 ≤ 0,13 Feinsand 0.08 ≤ O 90 ≤ 0,30 Mittelsand 0.06 ≤ O 90 ≤ 0,60 Grobsand 3 Individuell und Fallbezogen anderen Ansätzen widerspricht [8]. Die in Abb. 1 enthaltenen Singularitäten und Sprünge in den Verläufen der Bemessungskriterien zur Filterdimensionierung [4] und [5] lassen sich nicht durch Fakten oder Untersuchungen begründen. Deshalb sind die unstetigen Verläufe auf die angesetzten Berechnungsverfahren und nicht auf das Materialverhalten zurückzuführen [8,9]. [8] und [10] erarbeiten daher einen empirischen Kompromiss, der alle Gemeinsamkeiten der vorgestellten Ansätze integriert, Unstetigkeiten vermeidet und eine Abhängigkeit zur Öffnungsweite und dem Ungleichförmigkeitskoeffizienten herstellt. Die Anpassung erfolgt durch eine Lognormalverteilung mit verschiedenen Stützstellen [11]. Die Lagerungsdichte wird nach dem Ansatz von [5] mit einer Bandbreite von ±10 % assimiliert. Die genaue Herleitung findet sich in [8]. Um die Randbedingungen einer Bauaufgabe zu berücksichtigen, werden - wie schon erwähnt in [1] für die Auslegung von geotextilen Filtern, hinsichtlich der mechanischen Filterwirksamkeit, drei verschiedene Sicherheits fälle unterschieden. Bei vielen Anwendungen im Straßenbau gilt der hydraulischer Sicherheitsfall 1. Wenn der hydraulischer Sicherheitsfall 1 angewendet wird, liegen filtertechnisch einfache Bedingungen vor. Es wird von einer einseitigen Anströmung, einer geringen Wassermenge und einem geringen hydraulischen Gefälle ausgegangen. Der hydraulischer Sicherheitsfall 2 gilt für filtertechnisch schwierigere Böden, bei denen es zu einer wechselseitigen und mittleren einseitigen Anströmung kommt. Zudem muss der Boden auf Erosionsstabilität und Suffossionssicherheit untersucht werden. Sind Erosionsstabilität und Suffossionssicherheit nicht gegeben, wird wie beim hydraulischer Sicherheitsfall 3 verfahren. Hat ein hydraulisches Versagen des geotextilen Filters gravierende Folgen für das Bauwerk, so tritt der hydraulische Sicherheitsfall 3 in Kraft. Hierbei wird der Boden einseitig konzentriert angeströmt, es kommt zu einer großflächigen wechselseitigen Anströmung und es handelt sich um eine große Wassermenge. Die Filterdimensionierung muss dann im Einzelfall durch einen Sachverständigen nach einer Analyse der hydraulischen Bedingungen durchgeführt werden. Die Filterdimensionierung erfolgt dann anhand eines der vorgestellten Bemessungsverfahrens und/ oder durch anwendungsbezogene Versuche [12]. Um die hydraulische Filterwirksamkeit zu garantieren und schädlichen Wasserrückstau zu vermeiden muss die Wasserdurchlässigkeit des Filters nach M Geok E (k v, 5% = Wasserdurchlässigkeitsbeiwert des Geotextils als Neumaterial) langfristig im eingebauten Zustand die Wasserdurchlässigkeit des zu entwässernden Bodens k f aufweisen. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn k v , 5% ≥ k f und k v , 5% mindestens 1 • 10 -4 m/ s beträgt. Zudem ist der Nachweis der Sicherheit gegen Kolmation zu führen. Darüber hinaus empfiehlt [1] die charakteristische Öffnungsweite O 90 möglichst nahe an der oberen Grenze O 90, max , aber keinesfalls unter 0,2 • O 90, max zu wählen. Auch im hydraulischer Sicherheitsfall 1 und hydraulischen Sicherheitsfall 2 ist die charakteristische Öffnungsweite O 90 möglichst groß innerhalb des zulässigen Bereichs zu wählen. Grundlegend ist es, das Bodengesamtsystem hinsichtlich der hydraulischen Filterwirksamkeit zu betrachten. Maßgebend ist hierbei immer die Schicht mit der geringsten Wasserdurchlässigkeit. 4. Kolmationsgefahr Abb. 2: Engstellenverteilung nach [14] Tab. 2 Kolmationskriterien nach [2] 272 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Auch die Verhinderung von Kolmation in geotextilen Filtern spielt bei der Vermeidung eines unzulässigen Anstieges des Porenwasserdrucks eine entscheidende Rolle. Kolmation führt u. A. bei geotextilen Filtern zu einem Verlust der hydraulischen Filterwirksamkeit, also dem Versagen der Filterfunktion durch „Verstopfen“. Nach [8] führt eine große Filterdicke zu einem großen Porenvolumen und somit zu einem ausreichendem Gesamtvolumen des geotextilen Filters. Dadurch existieren weiterhin genügen dreidimensionale Fließwege im Geotextil, selbst unter dem Umstand großer Partikeleinlagerungen im Geotextil. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass nicht alle Fließwege „verstopfen“. Dieser Ansatz wird von der Engstellentheorie von [13] gestützt. Grundlegend wird davon ausgegangen, dass der Bodenrückhalt durch Engstellen, die durch Fasern (geotextilen Filtern) und/ oder durch Bodenpartikel (Kornfilter) entstehen, geschieht. [13] sieht ab einer Anzahl von 25 Engstellen keine Veränderung der charakteristischen Öffnungsweite O 90 mehr. Abb. 2 zeigt die Engstellenverteilung C i und Öffnungsweitenverteilung O i für verschiedene Engstellenanzahlen n nach [14]. Die Theorie basiert auf der Annahme, dass je dicker das Geotextil ist, desto mehr Engstellen in Fließrichtung entstehen. Ein Sieb hat beispielsweise nur eine Lage an Engstellen. Deshalb gilt für Siebe für n = 1: O 100 = C 100 . Bei unendlichen Dicken mit n = 1 wird die Engstelle mit dem kleinsten Durchmesser maßgebend (O 100 = O 00 = C 00 ). Die Autoren sehen mit einer zunehmenden Dicke des Geotextils und somit eine steiler werdenden Verteilung der Öffnungsweiten eine erhöhte Gefahr, dass Partikel im Geotextil stecken bleiben (P IN ) und das Innere des Geotextils „verstopfen“ bzw. blockieren. Daraus leiten sie eine erhöhte Kolmationsneigung des Produkts ab. Diesem Ansatz kann jedoch wie oben genannt die Erhöhung der Anzahl von Fließwegen entgegengesetzt werden. [10] schlägt, um eine ausreichende Filtrationslänge zu gewährleisten, eine Mindestdicke von d ≥ 30 O 90 vor. Tab. 2 enthält die Forderungen nach [2] gegen Kolmation. POA steht hier für den Öffnungsanteil der Gesamtfläche „percent open area“. Nach [15] lässt sich eine Korrelation bei Geweben hinsichtlich des Öffnungsanteils POA und der Kolmationsneigung finden. Obwohl es viele Öffnungsweitenkriterien für Vliesstoffe gibt, soll die Öffnungsweite einen geringeren Einfluss auf die Kolmationsneigung haben als bei Geweben. Zudem ergaben die Untersuchungen, dass bei Geweben mit einem Öffnungsanteil POA von ≤ 4 % eine deutlich höhere Kolmationsneigung als mit einem Öffnungsanteil POA von ≥ 4 % auftritt. Während thermisch verfestigte Vliesstoffe nicht ideal sind, haben Gewebe mit Monofilamenten auf die Kolmationsneigung bezogen deutlich bessere Eigenschaften [15]. [7] fordert auf Grundlage der ermittelten Öffnungsweite zum Bodenrückhaltevermögen, die charakteristische Öffnungsweite in situ nicht kleiner als 80 % davon zu wählen. 5. Systemversuche Im Rahmen eines am Institut für Geotechnik der Universität Stuttgart durchgeführten Forschungsvorhabens zum Filtrationssystems Boden/ Geokunstoff [16] wurden verschiedene Filtrationstests durchgeführt. Tab. 3 zeigt eine Übersicht über alle durchgeführten Durchströmungsversuche am System Boden/ Geokunststoff. Vier verschiedene Böden, die als besonders anfällig gegen Erosion und Suffosion (leicht plastischer Schluff (UL), weitgestufter Sand (SW)) gelten und solche, deren Anwendung als weniger empfindlich eingestuft werden können (enggestufter Mittelsand (SE), Sand-Ton-Gemisch (ST*)) wurden in Form von Durchströmungsversuchen zusammen mit sieben verschiedenen Geotextilien getestet. In Abhängigkeit des Sicherheitsfalls II des M Geok E wurden die Geotextilien nach der unteren O90, min und oberen Grenze O90, max der Öffnungsweite Abb. 3 Versuchsaufbau Filterversuche [16] ausgewählt und die charakteristische Öffnungsweite in Ergänzung der Herstellerangaben analog zu [17] bestimmt. Die Geotextilien unterscheiden sich dabei in ihrer charakteristische Öffnungsweite O90, der Filterdicke d und der Art der Verfestigung (mechanische-/ mechanisch-thermische Verfestigung). Die Systemtests gliedern sich in Langzeitfiltrationstests (LTF), zyklische Filterversuche (ZV) und Suspensionsversuche (SV). Im Langzeitfiltrationstest wird die zeitliche Entwicklung des Durchlässigkeitsbeiwerts des Boden-Geokunststoff-Systems unter konstanten Randbedingungen gemessen. Das verwendete Prüfgerät bestand aus drei Teilen: i) einer zylindrischen Plexiglas- Prüfzelle mit einem Innendurchmesser von 12 cm, bestückt mit einer Bodenprobe (H/ D = 1), ii) einem Geotextil und 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 273 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau iii) einem Drainagekies und Lochplatten unter der Kiesschicht zur Entwässerung. Die drei Glaszylinder und die Oberseite der Prüfarmatur sind durch drei Gewindestäbe verbunden. Das Boden-Geotextilsystem wird teilweise 200 Stunden mit einem durch die Höhen der oberen und unteren Druckbehälter definierten konstanten hydraulischen Gefälle von i = 12 vertikal durchströmt. Die Boden- und Geokunststoffproben sind einer konstanten Vertikallast von 20 kN/ m2 für die Abbildung der tatsächlichen Einbaubedingungen ausgesetzt. Der Durchfluss wird unter Wasser mit einem digitalen Durchflussmesser erfasst. Um den thermischen Effekt auf die Wasserviskosität zu berücksichtigen, wurden die Versuche in einem isolierten Raum bei konstanter Temperatur durchgeführt. Der Einfluss des Sättigungsgrades auf die Messergebnisse durch die Kompression der Lufteinschlüsse wird durch die Befüllung der Prüfkammer mit entlüftetem Wasser minimiert. Nachdem der Geotextilfilter in den Tab. 3: Übersicht der Durchströmungsversuche am System Boden/ Geokunststoff [16] Charakteristische Öffnungsweite O 90 des geotextilen Filters Obere Grenze gemäß M Geok E O 90, max Untere Grenze gemäß M Geok E O 90, min Boden i = konst (Monofilament) (Fd 1 mm) zyklisch (Fd 1 mm) Suspen sionstest (Fd 1 mm) i = konst. (Fd 1 mm) i = konst. (Filterdicke 3 mm) zyklisch (Fd 1 mm) Suspen-siontest (Fd 1 mm) SE O 90 = 0.3 mm; (LV1/ mech.) (ZV1) (mech.) (SV1) (mech.) O 90 = 0.08 mm; (LV2/ mech.) O 90 = 0.08 mm; (LV3/ 4) (mech./ mech.+therm.) (ZV2) (mech.) (SV2/ mech.) SW O 90 = 0.3 mm; (LV5/ mech.) (ZV3) (mech.) (SV3) (mech.) O 90 = 0.08 mm; (LV6/ mech.) O 90 = 0.08 mm; (LV7/ 8) (mech./ mech.+therm.) (ZV4) (mech.) (SV4) (mech.) UL O 90 = 0.2 mm; (LV9/ mech.) (ZV5) (mech.) - O 90 = 0.06 mm; (LV10/ mech.) O 90 = 0.08 mm; (LV11/ mech.) (ZV6) (mech.) - ST* O 90 = 0.2 mm; (LV12/ mech.) (ZV7) (mech.) - O 90 = 0.06 mm; (LV13/ mech.) O 90 = 0.08 mm; (LV14/ mech.) (ZV8) (mech.) - Versuchsstand eingebaut wird, wird dieser durch den entsprechenden Prüfboden unter geringer Staubentwicklung berieselt. Der Wasserdurchfluss Q, die Temperatur T und auch der Bodendurchgang nach Trocknung mBoden, die Masse des Geokunststoffes mGK, 1, d und mGK, 2, d vor und nach dem Versuch waren dabei weitere Messgrößen. Zusätzlich zu den Langzeitdurchlässigkeitsuntersuchungen wurden zyklische Filtrationstests aber auch Suspensionsversuche durchgeführt, die insbesondere den Stofftransport im Geotextilfilter beleuchten sollen. Für diese Tests wurden für die beschriebenen Testböden nach M Geok E analog zu den Langzeitfilterversuchen identische Geotextilien verwendet (Tab. 3). Der hydraulische Gradient i wurde bei den zyklischen Durchströmungsversuchen alle 15 min über eine Versuchsdauer von ca. 13 h durch Variation der Höhe des oberen Druckbehälters nach dem in Abb. 4 dargestellten Schema definiert. Insgesamt wurden 5 Zyklen zur Simulation des Lastfalls aufeinanderfolgender Regenfälle mit abwechselnden Trockenperioden durchgeführt. Wechselnde hydraulische Belastungen können zu einer stärkeren Mobilisierung feiner Partikel in der Bodenprobe führen und stellen deshalb eine zusätzliche Belastung für das Filtersystem aus Boden und Geokunststoff dar. In den Suspensionsversuchen wird das Wasser im oberen Druckbehälter zusätzlich mit Kaolin versetzt, so dass eine intensive Feinteilsuspension durch das Filtersystem strömt. Die Verwendung eines mechanischen Rührers und eine invariabel definierte Zugabe von Kaolin garantiert gleichmäßige Randbedingungen. Während der festgelegten Versuchsdauer von ca. 300 min wird ein hydraulischer Gradient i = 12 angelegt und das Kaolin in Abständen von 30 min (je 100 g Trockenmasse) beigemischt. Zusätzlich wird eine Veränderung der Korngrößenverteilung untersucht. 274 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Abb. 4: Hydraulischer Gradient in Abhängigkeit der Zeit einer Zyklik. 5.1 Langzeitdurchlässigkeitsversuche Abb. 5 zeigt die Durchlässigkeit k des Filtersystems Boden/ Geotextil der Langzeitdurchlässigkeitsversuche über eine Versuchsdauer von ca. 12.000 Minuten für die verschiedenen Bodenarten a) SE b) SW c) UL und d) ST*. In Ergänzung dazu, sind die Bodeneinträge mFT [‰] in das Geotextil und der Bodendurchgänge mBoden [‰] in Abhängigkeit der Öffnungsweite und des Versuchsbodens der Langzeitdurchlässigkeitsversuche in Abb. 6 grafisch aufbereitet. Die Zuordnung der Versuche aus Abb. 5 und Abb. 6 kann Tab. 3 im Einzelnen entnommen werden. Größtenteils wurden mechanisch verstärkte Geotextile mit einer Filterdicke von 1 mm verwendet. Darüber hinaus wurde die Filterdicke auf 3 mm für einige Versuche erhöht. Zum Vergleich für die Untersuchung der Verfestigungsart wurden bei LV4 und LV8 (untere Grenze O90, min, Filterdicke 3 mm) mechanisch thermisch verfestigte Geotextile eingelegt. Ziel war es demzufolge, den Einfluss von Öffnungsweite, Filterlänge bzw Filterdicke und Verfestigungsart des Geotextils auf die Langzeitdurchlässigkeit zu identifizieren. Dabei sollen der zeitlichen Wasserdurchlässigkeit, die Bodeneinlagerung im Geotextil und der Bodendurchgang durch das Geotextil parametrisiert werden und dementsprechend Aufschluss für eine abschließende Bewertung der Auswirkung von Variationen der Einflussfaktoren geben Bei Betrachtung der Abb. 5 a) zeigt LV1 (obere Grenze O90, max, SE) eine starke Abnahme der Durchlässigkeit zu Versuchsbeginn. Nach 1.680 Minuten verringert sich der Durchlässigkeitsrückgang. Dies geht Hand in Hand mit einer deutlichen Reduzierung des Bodendurchgangs. Der offensichtlich identifizierbare zeitliche Zusammenhang zwischen der Abnahme der Bodendurchlässigkeit durch das Geotextil und der kontinuierlichen Abnahme der Wasserdurchlässigkeit weist darauf hin, dass sich eine Bodenstruktur gebildet hat, die sich hinsichtlich der Filtration in einem Gleichgewichtszustand befindet. Die hingegen anfänglich starke Abnahme der Durchlässigkeit kann auf die Feinanteileinlagerungen in die Bodenstruktur zurückgeführt werden. Der vom Differenzdrucksensor gemessene Druck in der eingebauten Bodenprobe zeigt auch, dass das Geotextilsystem kein Kolmationsprozess an der Obergrenze O90, max und SE (LV1) aufweist. Abb. 6 bestätigt, dass bei der Verwendung von Geotextilien an der oberen Grenze O90, max der größte Bodendurchgang im Verhältnis zur Gesamtmasse des Versuchsbodens in Promille stattfindet, das Geotextil jedoch sehr wenig Bodeneintrag erfährt. Bei den Versuchen LV2 (untere Grenze O 90, min , SE, Filterdicke 1 mm), LV3 und LV4 (untere Grenze O 90, min , SE, Filterdicke 3 mm) ist auch nach 1.200 Minuten keine konstante Enddurchlässigkeit erkennbar. Die Durchlässigkeiten nehmen im Vergleich zu LV1 (obere Grenze O 90, max und SE, Filterdicke 1 mm) jedoch deutlich geringer ab. Es hat sich demnach noch kein filterstabiles System eingestellt und weiterer Feinanteileintrag in das Geotextil ist mit zunehmender Versuchsdauer zu erwarten. Der Vergleich der Bodeneinträge und Bodendurchgänge zeigt, dass neben der Öffnungsweitengröße auch die Dicke des Filters eine Rolle spielt, was auf das erhöhte Porenvolumen zurückzuführen ist. Die Bodeneinträge in die Filter mit geringeren Öffnungsweiten im Zusammenspiel mit den Effekten den Filterdicke weisen auf den Beginn vermehrt auftretender Clogging-Prozesse hin. Auch die Reduktion der Durchlässigkeiten zwischen den Filterdicken manifestiert, dass ein früheres Versagen von Filtern mit einer geringeren Dicken zu erwarten ist. Geotextile Filter mit einer rein mechanischen Verfestigung (LV3 und LV7) verhalten sich im Vergleich zu mechanisch-thermisch verfestigten (LV4 und LV8) geotextilen Filtern bezüglich der langfristigen Durchlässigkeit und des Bodeneintrags ungünstiger. Bei der Betrachtung von Abb. 5 b) SW LV5 (O 90, max , SW, Filterdicke 1 mm) ist analog zu LV1 (O 90, max , SE, 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 275 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Abb. 5 : Durchlässigkeiten der Langzeitversuche für a) SE b) SW c) UL d) ST* [16] Abb. 6 Langzeitfilterversuche (LV): Vergleich der Bodeneinträge m FT [‰] in das Geotextil und der Bodendurchgänge m Boden [‰] in Abhängigkeit der Öffnungsweit e und des Versuchsbodens bzw. Masse des Versuchsbodens [16]. Filterdicke 1 mm) beim Einsatz des Geotextils der oberen Grenze O 90, max eine starke Verminderung der Durchlässigkeit zu erkennen. Die konstante Enddurchlässigkeit hingegen impliziert ein konstantes Filtersystem (nach 10.200 Minuten), dessen Entstehung auf Grund der Erosionsneigung des SW im Vergleich zu LV1 (SE) deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Bodendurchgangsmenge und der Bodeneintrag zeigt sich zu LV1 affin und kann über eine längere Versuchsdauer beobachtet werden. Demnach kann auch hier von Clogging gesprochen 276 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau werden. Eine stärkere Abnahme der Anfangsdurchlässigkeit entwickeln hingegen die Versuche LV7 und LV8 (untere Grenze O 90, min , SW) mit einer Filterdicke von 3 mm, die auch mit zunehmender Versuchsdauer weiter abnimmt. Ein filterstabiles System lässt sich auch hier final nicht erkennen. Die Gefahr von Clogging und demnach ein folgendes Filterversagen durch eine stärkere Abnahme der Durchlässigkeit ist analog zum SE durch den Einsatz von Geotextilien an der unteren Grenze O 90, min im Vergleich zur oberen Grenze O 90, max erhöht. Es werden bedingt durch das größere Porenvolumen der filterdicken Geotextilien, mehr Feinanteile in das Geotextil eingelagert. Zusätzlich zu den Effekten aus dem Einsatz von Geotextilien geringerer Öffnungsweiten, wird der Bodendurchgang durch größere Filterdicken minimiert (Abb. 6). Die Versuche in Abb. 5 c) UL zeigen eine starke Neigung zu Piping-Prozessen im Bodenkörper, wodurch insbesondere bei den Versuchen LV9 (obere Grenze O 90, max , UL, Filterdicke 3 mm) und LV11 (untere Grenze O 90, min , UL, Filterdicke 3 mm) deutlich mehr Spielraum bei der Auswertung, der durch die extremen Piping-Prozesse stark beeinflussten und verzerrten Ergebnisse, entsteht. Die deutlich erhöhten Bodendurchgänge aber auch Einlagerungen in das Geotextil im Vergleich zu den anderen Versuchsböden SE und SW lassen sich durch die größere Feinteilmenge im verwendeten Versuchsboden erklären. LV10 (untere Grenze O 90, min , UL, Filterdicke 1 mm) beweist jedoch eindrücklich, dass beim Einsatz von Geotextilien mit einer charakteristischen Öffnungsweite der unteren Grenze O 90, min im Zusammenspiel mit einem leicht plastischen Schluff UL kein Durchfluss mehr stattfindet, was demnach zum vollständigen Verlust der hydraulischen Filterwirksamkeit führen kann. Demgegenüber steht die finale Durchlässigkeit beim Filtersystem mit einer charakteristischen Öffnungsweite des Geotextils der oberen Grenze O 90, max , die auch bei Versuchsende gegeben ist: Bei der Betrachtung von Abb. 5 d) ST* LV12 (obere Grenze O 90, max , ST*, Filterdicke 1 mm) lässt sich kein Rückgang der Durchlässigkeit über die Zeit feststellen. Die Durchlässigkeit variiert um einen Mittelwert, der um ein Vielfaches geringer ist, als die Durchlässigkeiten der Versuche mit den anderen Versuchsböden. Auch der Bodendurchgang sowie der Bodeneintrag in das Geotextil sind minimal. Clogging ist hier nicht zu erwarten und es kann von einem filterstabilen System gesprochen werden. Der Bodeneintrag ist indessen höher als bei dem SE und bei dem SW, was wiederrum auf einen erhöhten Feinanteil und die Konsistenz des ST* zurückzuführen ist. Piping-Prozesse lassen sich bei den Versuchen LV13 (untere Grenze O 90, min , ST*, Filterdicke 1 mm) und LV14 (untere Grenze O 90, min , ST*, Filterdicke 3 mm) erkennen. Nach anfänglichem Zuwachs der Durchlässigkeit und dem Erreichen des Maximums, nehmen die Durchlässigkeiten kontinuierlich ab, erreichen aber keine finale und konstante Enddurchlässigkeit. Der Vorgang des Bodeneintrags und der des Bodendurchgangs ist deshalb noch nicht abgeschlossen. Die erhöhte Filterdicke in LV14 und das dadurch erhöhte Porenvolumen sorgen auch im ST* für ein langsameres Zusetzen des Geotextilfilters und wirken somit dem Filterversagen entgegen. Die Bodeneintragsmenge ist im dickeren Filter zwar absolut gesehen größer, prozentual betrachtet allerdings nicht. 5.2 Zyklische Durchlässigkeitsversuche Die durchgeführten zyklischen Versuche sollen in der Realität auftretende, aufeinanderfolgende Regenereignissen mit wechselnden Trockenperioden simulieren. Dazu wird der hydraulische Gradient i des oberen und unteren Druckgefäßes während der Versuchsdurchführung abwechselnd verringert und wieder erhöht. Durch wechselnde hydraulische Belastungen werden infolgedessen mehr Feinteile in der Bodenprobe mobilisiert. Abb. 4 zeigt das Schema des hydraulischen Gradienten in Abhängigkeit der Zeit einer Einzelnen der insgesamt fünf Zyklen. Eine Übersicht über die durchgeführten Versuche bietet Tab. 3. Die zyklische hydraulische Belastung der Filtersysteme aus Boden/ Geotextil bestätigt die gewonnenen Erkenntnisse aus den Langzeitversuchen. Die Verwendung eines Geotextils an der unteren Grenze O 90, min der charakteristischen Öffnungsweite O 90 zeigt einen deutlich stärkeren langfristigen Rückgang der Durchlässigkeit als ein Geotextil der oberen Grenze O 90, max und weißt somit eine deutlich erhöhte Gefahr des Verlusts der Filterwirksamkeit auf. Die Bodeneinlagerungen in das Geotextil sind in kurzer Zeit teilweise bei der Verwendung von Geotextilien der unteren Grenze O 90, min um den Faktor 2,5 größer, wohingegen der Bodendurchgang sich deutlich reduziert. Durch die zyklische hydraulische Belastung konnte tatsächlich ein höherer Feinteileintrag im Geotextilfilter erreicht und die Auswirkungen der unterschiedlichen Belastungsintensitäten auf das Clogging Potential nachgewiesen werden. Die Versuche im SW beweisen zudem, dass durch die zyklische Belastung Erosionserscheinungen im Prüfboden deutlich zunehmen und die Gefahr von Clogging zusätzlich erhöht wird. Insbesondere bei suffosions- und erosionsgefährdeten Böden wird die Neigung zu Clogging aufgrund der erhöhten Feinteilmobilisierung zur Gefahr für das Filtersystem. 5.3 Suspensionsversuche Durch Suspensionsversuche zum Materialtransport in geotextilen Filtern sollen ebenfalls extreme Regenereignisse und die damit einhergehende immense zusätzliche Belastung des Geotextils durch ein Auswaschen von Böden mit Feinanteil simuliert werden. Die sehr hohe Anzahl an frei beweglichen Feststoffteilchen im Wasser ist eine extreme Belastung für die hydraulische und mechanische Filterwirksamkeit. Kolmation und Clogging von geotextilen Filtern werden durch die entstehende Feinteilbeaufschlagung stark verstärkt und die auftretenden 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 277 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Abb. 7 : Ergebnisse der zeitlichen Veränderung der Durchflüsse bei den Versuchen mit Suspensionsbeaufschlagung [16] Problematiken der Geotextilfilter sollen so besser in den Systemversuchen sichtbar gemacht werden. Abb. 7 zeigt die Permittivitäten der Systemversuche mit Suspensionsbeaufschlagung. (Tab. 3). Die Durchflüsse in Abb. 7 des Filtersystems mit einem Geotextil der oberen Grenze O 90, max (SV1) und unteren Grenze O 90, min (SV2) in enggestuftem Sand nehmen nach der ersten Kaolinzugabe nach 30 Minuten analog zueinander ab. Der einzige Unterschied hinsichtlich der Systemdurchlässigkeiten auf Grund der unterschiedlichen charakteristischen Öffnungsweite des Geotextils macht sich in den Anfangsdurchlässigkeiten der Filtersysteme bemerkbar. Die zweite Kaolin-Zugabe nach 60 Minuten und die daraus folgende erneut stärkere Abnahme des Durchflusses ist ebenfalls signifikant. Je länger der Versuch dauert, desto weniger Einfluss hat eine erneute Beimischung an Kaolin auf den Durchfluss, da eine deutlich geringere Durchströmung und somit Materialtransport stattfindet. Die erste Zugabe von Kaolin hat die größten Auswirkungen auf die Permittivität. Das Kaolin lagert sich im gesamten Bodenkörper ein und füllt die Porenräume aus. Infolgedessen entsteht durch die Suspensionszugabe in SE ein dichter und somit undurchlässiger Bodenblock. Dieses Phänomen war auch visuell sichtbar. Zudem zeigten sich deutliche Kaolinablagerungen auf dem Bodenkörper. Der Unterschied bei der Bemessung des Geotextils nach der oberen Grenze O 90, max (SV3) und der Bemessung nach der unteren Grenze O 90, min (SV4) hinsichtlich der Anfangsdurchlässigkeiten zeigt sich im SW signifikanter. Wohingegen sich der Durchfluss vor der ersten Zugabe an Kaolin in SV4 schon halbiert, ist bei der Verwendung des Geotextils der oberen Grenze O 90, max (SV3) nur ein schwacher Abfall des Durchflusses zu erkennen. Darüber hinaus lässt sich im SW ebenfalls eine starke Reduktion des Durchflusses direkt nach Zugabe des Kaolins feststellen. Im Gegensatz zum SE verhält sich der Verlauf der Permittivitäten bei der Geotextilfilterbemessung nach oberer O 90, max und unterer Grenze O 90, min gemäß M Geok E nicht analog zueinander. Nach Ende des Versuchs (300 Minuten) und acht Zugaben an Kaolin (700 g) verzeichnet das Filtersystem mit dem gewählten Geotextil an der oberen Grenze O 90, max des Bemessungsgrenzbereichs der charakteristischen Öffnungsweite O 90 nach M Geok E noch eine Permittivität von 0,35 ⋅ 10 -3 1/ s auf. Auf der anderen Seite zeigt SV4, dass der Einsatz eines Geotextilfilters an der unteren Grenze von O 90 zum Verlust der Permittivität und somit Filterversagen führt. Der unterschiedliche Potentialabbau in den Versuchen bestätigt, dass sich bei der Bemessung des Geotextils an der oberen Grenze O 90, max nach M Geok E (SV3 und SV1), das Kaolin gleichmäßig im Bodenkörper verteilt. Bei der Dimensionierung an der unteren Grenze O 90, min (SV2 und SV4) lagert sich das Kaolin in sichtbaren undurchlässigen Schichten ab. Die Bodendurchgänge und die Bodeneinlagerungen in Tab. 4 verdeutlichen, dass im System mit dem Geotextil an der unteren Grenze O 90, min deutlich mehr Feinteil im Geotextil eingelagert wird. Die Durchgangsmenge hingegen ist beim Filtersystem mit dem Geotextil der oberen Grenze O 90, max inbesondere bei größeren Durchlässigkeiten deutlich erhöht. Tab. 4: Bodendurchgang mSoil [g] und Bodeneintrag im Geoextil mdiff [g] der Suspensionsversuche SV. 6. Auswertung der Ergebnisse Die Ergebnisse der Forschung am Institut für Geotechnik der Universität Stuttgart der Systemversuche mit Langzeit-Durchlässigkeitsuntersuchungen, zyklischen Durchströmungsversuchen und Durchlässigkeitsprüfungen mit Suspensionsbelastung weisen ein erhöhtes Clogging-Potential und damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der 278 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Filtern mit Geokunststoffen: Überprüfung der Anwendung der Filterregeln für Geokunststoffe im Erd- und Straßenbau Verstopfung des Geotextils (Kolmation) nach, wenn Geotextilfilter mit einer charakteristischen Öffnungsweite an der unteren Grenze O 90, min gemäß M Geok E verwendet werden. Deshalb sollte stets der Einsatz eines Geotextils an der oberen Grenze O 90, max zur Sicherstellung einer dauerhaft ausreichenden hydraulischen Durchlässigkeit angestrebt werden. Das Risiko des Filterversagens erhöht sich demnach nachweislich bei Filtersystemen mit einer aus der Geotextilfilterbemessung resultierenden geringen Öffnungsweite O 90 des verwendeten Geotextils signifikant. Zyklische Belastungen des Filtersystems aus Boden/ Geokunstoffs führen dazu, dass Erosionserscheinungen im Prüfboden deutlich zunehmen und die Gefahr von Clogging (Kolmation) zusätzlich erhöht wird. Insbesondere bei suffosions- und erosionsgefährdeten Böden wird infolgedessen die Neigung des Geotextils zu Clogging aufgrund der erhöhten Feinteilmobilisierung problematisch. Die Ergebnisse der Suspensionsversuche zeigen, dass ein hoher Betrag von hydraulisch mobilisierten Feinpartikeln im System eine besondere Belastung für das Filtersystem darstellt. Der Einsatz von Geotextilien mit größeren Filterdicken ermöglicht gegenüber dünnen Geotextilfiltern ein langsameres Zusetzen des Filters bei gegebenen Feinteilbelastungen. Insbesondere bei der Bemessung von geotextilen Filtern in filtertechnisch schwierigen Böden und unter extremen hydraulischen Belastungen sollte eine individuelle Filterdimensionierung auf Grundlage eines Bemessungsverfahrens erfolgen, dass zusätzliche Parameter wie die Ungleichförmigkeitszahl C U, weitere Referenzkorndurchmesser und die Lagerungsdichte in situ berücksichtigt. Eine Bemessung der Geotextilfilter auf Basis von ausgedehnten zulässigen Grenzbereichen der charakteristischen Öffnungsweite O 90 in Abhängigkeit von drei hydraulischen Sicherheitsfällen und einer Einteilung von grob gefassten Einsatzgebieten wird der Komplexität der Wechselwirkung zwischen dem anstehenden Boden und dem Geotextilfilter nicht gerecht. Dies sollte nicht mehr dem heutigen Stand der Technik entsprechen und die bestehenden Empfehlungen deshalb auf Grundlage der neuen Erkenntnisse angepasst und weiterentwickelt werden. Die Anforderungen an eine mechanische Filterstabilität auf der einen Seite und an eine langfristige hydraulische Filterwirksamkeit auf der anderen Seite sind immer als Optimierungsprozess bei der Bemessung zu sehen. Auch der Einsatz von Kornfiltern als Filtermedium stellt stets eine weitere Option dar und sollte deshalb insbesondere unter schwierigen Randbedingungen als Alternative geprüft werden. Literatur [1] FGSV: Merkblatt über die Anwendung von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus - M Geok E. Köln: FGSV Verlag GmbH 2016 [2] Holtz, Robert D.: Geosynthetic Engineering. Richmond: BiTech Publishers Ltd. 1997 [3] Lafleur, J.; Eichenauer, T.; Werner, G.: Geotextile filter retention criteria for well graded cohesionless soils. Montreal: Ecole Polytechnique 1996 (Lafleur, J; Rollin, A.L. (Eds.): Geofilters’96 - Proceedings.) [4] CFEM: Canadian Foundation Engineering Manual. Canadian Geotechnical Society 2006 (4th Edition) [5] Giroud, J. P.: Filter criteria for geotextiles. Vol. 1. 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Bergisch Gladbach: Schlussbericht zum Forschungsvorhaben FE 05.0198/ 2017/ AGB der BASt, 2021 [17] DIN EN ISO 12956: 2020-05, Geotextilien und geotextilverwandte Produkte - Bestimmung der charakteristischen Öffnungsweite (ISO 12956: 2019)