eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2022
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Stabilisierung von organischen, arsenbelasteten Erdstoffen zur bautechnischen Verwertung

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Olaf Düser
Im oberen Donautal ist die Erweiterung eines Industriegebiets um 50÷100 ha vorgesehen. Zur Herstellung der Hochwassersicherheit und Schaffung von Retentionsräumen im Erweiterungsbereich sind diverse wasserbauliche Maßnahmen (Gewässerverlegungen, Speicherkaskaden etc.) geplant. Durch umfangreiche geotechnische und geochemische Voruntersuchungen wurde festgestellt, dass die bindigen, gering tragfähigen Deckschichten (Oberboden, Aueablagerungen, Anmoor) starke Arsenbelastungen geogenen Ursprungs aufweisen. Diese Erdstoffe sind vor Ort zu verwerten; eine Deponierung bzw. Verwertung außerhalb des Erweiterungsgebietes kommt wegen der Arsenbelastung nicht in Betracht. Es wurde untersucht, ob mit einer Bindemittelstabilisierung derartige Erdstoffgemische stabilisiert und nachfolgend als tragfähigen Unterbau Verwendung finden können.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 283 Stabilisierung von organischen, arsenbelasteten Erdstoffen zur bautechnischen Verwertung Dr.-Ing. Olaf Düser Dr. Ebel & Co. Ingenieurgesellschaft für Geotechnik und Wasserwirtschaft mbH, St.-Ulrich-Straße 21, 88410 Bad Wurzach - Arnach Zusammenfassung Im oberen Donautal ist die Erweiterung eines Industriegebiets um 50÷100 ha vorgesehen. Zur Herstellung der Hochwassersicherheit und Schaffung von Retentionsräumen im Erweiterungsbereich sind diverse wasserbauliche Maßnahmen (Gewässerverlegungen, Speicherkaskaden etc.) geplant. Durch umfangreiche geotechnische und geochemische Voruntersuchungen wurde festgestellt, dass die bindigen, gering tragfähigen Deckschichten (Oberboden, Aueablagerungen, Anmoor) starke Arsenbelastungen geogenen Ursprungs aufweisen. Diese Erdstoffe sind vor Ort zu verwerten; eine Deponierung bzw. Verwertung außerhalb des Erweiterungsgebietes kommt wegen der Arsenbelastung nicht in Betracht. Es wurde untersucht, ob mit einer Bindemittelstabilisierung derartige Erdstoffgemische stabilisiert und nachfolgend als tragfähigen Unterbau Verwendung finden können. 1. Allgemeines zum Baugrund und zur Geochemie Im oberen Donautal ist die Erweiterung eines bestehenden Industriegebietes geplant. Der Erweiterungsbereich wurde zuvor landwirtschaftlich (Wiesen und Weiden, Ackerbau) genutzt. Unter dem Oberboden stehen vorwiegend organische Böden in Form von Aueablagerungen an, in die anmoorige Böden und Torfe eingebettet sind. Die Mächtigkeit der organischen Schichten pendelt zwischen wenigen Dezimetern und über zwei Metern. Darunter folgt eine mehrere Meter mächtige Talkiesschicht, die wiederum von der Unteren Süßwassermolasse unterlagert wird. Beim Talkies handelt es sich um einen sehr leistungsfähigen Grundwasserleiter. Der Grundwasserspiegel ist bei niedrigen und mittleren Verhältnissen frei entwickelt. In niederschlagsreichen Perioden sind auch gespannte Grundwasserverhältnisse zu erwarten. Ab Talkiesniveau steht aus geotechnischer Sicht zur Tiefe hin tragfähiger Untergrund an. Die organischen Deckschichten sind hingegen zur Gründung nicht geeignet. In den bindigen, organischen Deckschichten wurden im Rahmen von geochemischen Voruntersuchungen im Feststoff Arsengehalte im Bereich von 12,5÷80 mg/ kg festgestellt. In den zugehörigen Eluaten nach DIN EN 12457-4 lag die Arsenkonzentration unter der Nachweisgrenze von 10 µg/ l. Gemäß der VwV Baden-Württemberg [U2] legen die festgestellten Arsengehalte im Feststoff (Bodenart „Lehm/ Schluff“) die Einstufung in den Zuordnungsklassen Z0 (≤ 15 mg/ kg) bis Z2 (≤150 mg/ kg) und die Eluatwerte die Z0 (< 14 µg/ l) nahe. In den Talkiesen wurden im Feststoff Arsenkonzentrationen im Bereich von 3,5÷6 mg/ kg und im Eluat solche von < 10 µg/ l ermittelt. Die Talkiese (Bodenart „Sand“) sind generell in die Zuordnungsklasse Z0 zu stellen. Eine Entsorgung der über dem Talkies lagernden gering tragfähigen organischen Deckschichten kam aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Es wurden Verwertungswege im Zuge von Geländemodellierungen, aber auch zur Stabilisierung mit hydraulisch wirkenden Mischbindemitteln im Erweiterungsbereich entwickelt. Dabei ist behördlich ausdrücklich genehmigt worden, dass in die Stabilisierungsmaßnahmen bei Überschuss auch Oberboden mit verwertet werden darf. 2. Bodenmechanische Laboruntersuchungen Es wurden umfangreiche klassifizierende Untersuchungen sowohl an den organischen Deckschichten als auch an den Talkiesen vorgenommen. In Abb. 1 sind typische Korngrößenverteilungen der untersuchten Erdstoffe dargestellt. Tabelle 1 enthält die mittleren Werte für den natürlichen Wassergehalt und für den organischen Anteil, ausgedrückt als Glühverlust. Ein Großteil des Oberbodens kann im Bereich des Industriegebietes verwertet werden. Für die weiteren organischen Deckschichten kommen ohne stabilisierende Zusatzmaßnahmen Geländeaufhöhungen außerhalb von geplanten Bauwerken in Betracht. 284 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Stabilisierung von organischen, arsenbelasteten Erdstoffen zur bautechnischen Verwertung Abb. 1: Charakteristische Korngrößenverteilungen der Deckschichten und des Talkieses Tab. 1: Spannen der Wassergehalte und des Glühverlusts der Deckschichten. Oberboden Aueablagerungen Anmorr Wassergehalt M.-% 25 ÷ >40 23 ÷ >35 40 ÷ >50 Glühverlust M.-% > 10 <5 ÷ 10 10 ÷ >15 Dort, wo Tragfähigkeitsanforderungen an den Untergrund gestellt werden (Verkehrswegebau, Unterbau von Hallentragwerken o.Ä.), sollten die bindigen organischen Erdstoffe alternativ zu einem Bodenersatz mit Kies/ Sand durch Zugabe von hydraulisch wirksamem Mischbindemittel ertüchtigt werden. Ziel der Untersuchungen war, die feinkörnigen, teils stark organischen Erdstoffe (Oberboden, Aueablagerungen und Anmoor; alles Erdstoffe mit geogener Arsenbelastung) derart zu verfestigen, dass diese in ihrem Verformungsverhalten mit einer verdichtet eingebauten Kiestragschicht (Bodengruppe GW gemäß DIN 18196, Verdichtungsgrad DPr 100 %) vergleichbar sind. Gemäß ZTV E-StB 17 [U1] sind die Anforderungswerte im statischen Plattendruckversuch für eine mit 100 % der einfachen Proctordichte eingebaute Kiestragschicht wie folgt: Ev2 ≥ 100 MN/ m²; Ev2/ Ev1 ≤ 2,3; Ev1 ≥ 43,5 MN/ m². Zur Festlegung von Dosierung und Mischbindemittelart wurden zunächst kleinmaßstäbliche Laborversuche ausgeführt. In diesem Zusammenhang wurden die Angaben in [U3] bis [U5] berücksichtigt. Es wurden aus den bindigen Erdstoffen, teils mit Zugabe von Talkies, drei Grundmischungen MI, MII und MIII entwickelt. MI: je zur Hälfte Oberboden und Aueablagerungen MII: je zu einem Drittel Oberboden, Aueablagerungen und Anmoor MIII: 20 % Oberboden / 20 % Aueablagerungen / 20 % Anmoor / 40 % Talkies Die Angaben beziehen sich auf Vol.-%. Als Bindemittel wurden zwei unterschiedliche Bodenbinder der Fa. Schenk, Ulm, eingesetzt: B500 (50 M.-% Kalk / 50 M.-% Zement), B300 ( 30 M.-% Kalk / 70 M.-% Zement), Dosierung des Bindemittels: 6, 9 und 12 M.-%. Es wurden Versuchszylinder zur Festigkeitsprüfung nach Proctor hergestellt. Die Probenzylinder wurden vor der Druckfestigkeitsprüfung für sieben und 28 Tage im Feuchtraum gelagert. Weitere Proben wurden für sechs und 27 Tage ebenfalls im Feuchtraum und danach über 24 Stunden im Wasserbad gelagert. In Abb. 2 sind einige Ergebnisse der Druckfestigkeitsuntersuchungen zusammengestellt. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 285 Stabilisierung von organischen, arsenbelasteten Erdstoffen zur bautechnischen Verwertung Abb. 2: Ergebnisse zu den einaxialen Druckprüfungen an bindemittelstabilisierten Erdstoffen. Mischung II, Bindemittelzugabe 9 M.-%, Bodenbinder 300. MW: Mittelwert; WL: Wasserlagerung. Ergebnisse aus den Laboruntersuchungen • Bindemittel mit 30 M.-% Kalk und 70 M.-% Zement (z.B. DOROSOL C30 oder Bodenbinder B300) bringt im Vergleich zu einer höheren Kalkdosierung bessere Festigkeitseigenschaften. • Alle Mischungen lassen sich stabilisieren. • Je nach dem Ausgangswassergehalt des Grundgemischs muss Wasser zugegeben werden. • Die Bindemittelzugabe (deutliche Erhöhung des pH- Werts) führt nicht zu einer Erhöhung des Arsenaustrags. 3. Felduntersuchungen Basierend auf den Erkenntnissen der Laboruntersuchungen wurden großmaßstäbliche Feldversuche ausgeführt. Es wurde ein 40 m x 50 m großes Versuchsfeld in einem Bereich mit möglichst geringer Mächtigkeit der bindigen Deckschichten angelegt. Zunächst wurde der Oberboden abgeschoben und seitlich auf Miete gelagert. Die unter dem Oberboden vorhandenen bindigen Deckschichten wurden bis in den Übergang zum Talkies ebenfalls ausgebaut und seitlich gelagert,. Der freigelegte Kieshorizont wurde nachverdichtet, und darauf wurden die drei o.g. Grundmischungen aufgebaut. Kurzfristig wurde ein zusätzliches Probefeld mit der Grundmischung MIV, bestehend aus gleichen Anteilen Oberboden und Verwitterungskies, aufgebaut. Jedes Probefeld besaß eine Gesamtbreite von 7,5 m und wurde in drei Streifen zu je 2,5 m unterteilt. In diese Streifen wurde Bindemittel mit 6, 9 bzw. 12 M.-% eingearbeitet; anschließend wurde verdichtet. Grundlage zur für die Ermittlung der Ausstreumenge waren eine geplante Einbaustärke von 0,5 m (entsprechend der Wirktiefe einer leistungsfähigen Bodenfräse) und eine mittlere Trockendichte von 1,6 g/ cm³. In Abb. 3 sind die wesentlichen Arbeitsgänge wie Bindemitteldosierung mit einem Streufahrzeug, Homogenisierung mit einer großen Bodenfräse und Vorverdichtung sowie Einebnung mit einer Planierraupe dargestellt. Abb. 3: Arbeitsgänge mit Streuen, Fräsen und Planieren auf einem Testfeld. In Abb. 4 ist das Testfeld mit den unterschiedlichen Grundgemischen und den varierenden Bindemitteldosierungen in einem Übersichtsplan dargestellt. Abb. 4. Probefeld mit den Grundmischungen MI, MII, MIII und MIV sowie streifenweise unterschiedlicher Bindemitteldosierung. Aus den einzelnen Probefeld- und Streifenbereichen wurden nach dem Fräsvorgang Proben entnommen, und im Feldlabor wurden mit Proctorenergie jeweils mehrere Probenzylinder hergestellt. Ein Teil der Proben wurde im Feuchtraum über 28 Tage gelagert. Ein anderer Teil wurde nach der Feuchtraumlagerung einen Tag unter Wasser gelagert. An den Proben wurde die einaxiale Druckfestigkeit bestimmt. Beispielhaft sind in Abb. 5 die Ergebnisse einaxialer Druckversuche aus dem Probefeld MII mit 6 bzw. 9 M.-% Zugabe an Bindemittel bestehend aus 30 M.-% Kalk und 70 M.-% Zement dargestellt. 286 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Stabilisierung von organischen, arsenbelasteten Erdstoffen zur bautechnischen Verwertung Abb. 5: Ergebnisse zu den einaxialen Druckfestigkeitsprüfungen an Probenkörpern aus dem Probefeld, Mischung MII. Die Ergebnisse zu den Druckfestigkeiten in den Abbildungen 2 (Labomischung) und 5 (Feldmischung) beziehen sich auf die Mischung MII. Beim Vergleich der Ergebnisse kann festgestellt werden, dass die Festigkeitswerte der Proben die gleiche Größenordnung erreichen und die Ergebnisse aus dem Probefeld über denjenigen der Laborproben liegen. Auf den Probefeldern wurden u.a. statische Plattendruckversuche nach DIN 18134 ausgeführt. Die Prüfungen wurden nach einer Liegezeit der Felder von einer und von vier Wochen ausgeführt. Ein Teil der Versuchsergebnisse ist in Abb. 6 dargestellt. Abb. 6: Ergebnisse der Erstbelastung Ev1 von statischen Plattendruckversuchen auf den Probefeldern mit unterschiedlicher Liegezeit. Die Vorgabe einer Druckfestigkeit bei der Erstbelastung von Ev1 ≥ 43,5 MN/ m² wure bei einer Bindemittelzugabe von 9 M-% (Bindemittelmenge: 72 kg/ m²) bei allen Prüfungen erfüllt.Auch die Verhältniswerte Ev2/ Ev1 lagen bei allen Prüfungen teils deutlich über dem höchst zulässigen Wert von 2,3. 4. Erkenntnisse aus den Untersuchungen Folgende wesentlichen Aspekte waren unabhängig von der gewählten Grundmischung für weitere Planungen zur Stabilisierung zu berücksichtigen: Bindemittel Es ist ein Mischbindemittel aus 30 % Kalk und 70 % Zement, z.B. Dorosol C30 der Fa. Georock, Dotternhausen, oder Bodenbinder B300 der Fa. Schwenk, Ulm, einzusetzen. Bindemitteldosierung Die Dosierung ist mit 9 Massen-%, bezogen auf eine Trockendichte von durchschnittlich 1,55 t/ m³ des verdichteten Erdstoffgemischs, vorzunehmen. Arbeitsweise Um sicherzustellen, dass im Untergrund im Übergang zum Talkies keine gering tragfähigen Bereiche verbleiben, sind die Deckschichten zunächst auszubauen und anschließend lagenweise mit Bindemittelstabilisierung wieder einzubauen. Fräsübergänge Es sind mndestens drei Übergänge zur Erlangung ausreichender Homogenität und guter Krümelstruktur auszuführen. Literatur [U1] ZTV E-StB 17; Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau, Nr. 599, Ausgabe 2017, FGSV-Verlag, Köln [U2] Umweltministerium Baden-Württemberg: Verwaltungsvorschrift für die Verwertung von als Abfall eingestuftem Bodenmaterial (VwV); 14.03.2007 - Az.: 25-8980.08M20 Land/ 3 [U3] Merkblatt über die Behandlung von Böden und Baustoffen mit Bindemitteln zur Reduzierung der Eluierbarkeit umweltrelevanter Inhaltsstoffe,FGSV-Verlag, Heft Nr. 560, Köln 2009 [U4] Merkblatt zur Herstellung, Wirkungsweise und Anwendung von Mischbindemitteln, FGSV-Verlag, Heft Nr. 564, Köln 2012 [U5] Merkblatt über Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau (MTSE), FGSV-Verlag, Köln 2009