eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz

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2022
Ralf Plinninger
Klaus Keilig
Judith Festl
John Singer
Die im 11. Jahrhundert gegründete Benediktinerabtei Plankstetten liegt im fränkischen Jura, südlich von Neumarkt in der Oberpfalz. Die an der Talflanke des Sulztals gelegene Klosteranlage liegt am Fuß eines rd. 150 m hohen Hangs, der aus Gesteinen des Braunjura (Dogger) und Weißjura (Malm) aufgebaut wird. Im Januar 2018 wurde mit den Aushubarbeiten für einen Anbau begonnen, der hangseitig der Bestandsgebäude des Klosters etwa 10 m in das bestehende Gelände einbinden sollte. Bereits während des Voraushubs traten deutliche Verformungen im Hang oberhalb der Baugrube auf, woraufhin die Aushubmaßnahmen umgehend eingestellt und eine Vorschüttung zur provisorischen Stabilisierung der Bewegung hergestellt wurde. Der Beitrag stellt im Gesamtkontext der hochdynamischen Hangbewegung und deren Erkundung die verschiedenen Messverfahren und Messergebnisse vor, die zur Untersuchung der Hangbewegung, zur Planung der Stabilisierungsverfahren und schließlich auch für die Überwachung der Aushubarbeiten eingesetzt wurden.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 397 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz Dr. Ralf Plinninger Dr. Plinninger Geotechnik, Bernried, Deutschland Klaus Keilig, Dr. Judith Festl Baugeologische Büro Bauer, München, Deutschland Dr. John Singer AlpGeorisk, Unterschleißheim, Deutschland Zusammenfassung Die im 11. Jahrhundert gegründete Benediktinerabtei Plankstetten liegt im fränkischen Jura, südlich von Neumarkt in der Oberpfalz. Die an der Talflanke des Sulztals gelegene Klosteranlage liegt am Fuß eines rd. 150 m hohen Hangs, der aus Gesteinen des Braunjura (Dogger) und Weißjura (Malm) aufgebaut wird. Im Januar 2018 wurde mit den Aushubarbeiten für einen Anbau begonnen, der hangseitig der Bestandsgebäude des Klosters etwa 10 m in das bestehende Gelände einbinden sollte. Bereits während des Voraushubs traten deutliche Verformungen im Hang oberhalb der Baugrube auf, woraufhin die Aushubmaßnahmen umgehend eingestellt und eine Vorschüttung zur provisorischen Stabilisierung der Bewegung hergestellt wurde. Der Beitrag stellt im Gesamtkontext der hochdynamischen Hangbewegung und deren Erkundung die verschiedenen Messverfahren und Messergebnisse vor, die zur Untersuchung der Hangbewegung, zur Planung der Stabilisierungsverfahren und schließlich auch für die Überwachung der Aushubarbeiten eingesetzt wurden. 1. Situation im Frühjahr 2018 1.1 Geographie und Geologie des Projektareals Die im 11. Jahrhundert gegründete Benediktinerabtei Plankstetten (Abb. 1) liegt im fränkischen Jura, südlich von Neumarkt in der Oberpfalz. Die an der Talflanke des Sulztals gelegene Klosteranlage liegt am Fuß eines rd. 150 m hohen Hangs, der im unteren Bereich aus tonig-mergeligen Gesteinen des Braunjura (Dogger) und im oberen Bereich aus massigen Kalken des Weißjura (Malm) aufgebaut wird. Abb. 1: Luftaufnahme des Benediktinerklosters Plankstetten im Sommer 2018. Im Hintergrund der mit Vorschüttung gesicherte Voraushub der Baugrube (Foto: Dr. Singer). 398 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz 1.2 Aktivierung der Rutschung 2018 Im Januar 2018 wurde mit den Aushubarbeiten für einen Anbau begonnen, der hangseitig der Bestandsgebäude des Klosters etwa 10 m in das bestehende Gelände einbinden sollte. Bereits während des Voraushubs traten deutliche Verformungen und Bodenrisse im Hang oberhalb der Baugrube auf (Abb. 2), woraufhin die Aushubmaßnahmen umgehend eingestellt und eine Vorschüttung zur provisorischen Stabilisierung der Bewegung hergestellt wurde. Abb. 2: Frische Bodenrisse und gespannten Wurzeln im bewaldeten Hang oberhalb der Baugrube, Frühjahr 2018 (Foto: BBB). 2. Erkundung und Überwachung 2018/ 2019 Zur weiteren Erkundung der Rutschungssituation und zur Erhebung geologischer und geotechnischer Grundlagen für eine Böschungsstabilisierung wurde im Frühjahr 2018 die Baugeologisches Büro Bauer GmbH, München eingebunden. Durch die Geologen des BBB wurde unmittelbar eine Kartierung und Vermessung der Oberflächensituation sowie eine Planung geotechnischer Messungen begonnen. 2.1 Oberflächenkartierung und -monitoring Noch vor Beginn der detaillierten Geländeaufnahme, wurde u. a. in der Georisk-Datenbank des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) nach Informationen zu bereits bekannten Massenbewegungen in der Umgebung des Klosters recherchiert. In der Georisk-Datenbank finden sich mehrere Einträge in unmittelbarer Umgebung, wobei ein Objekt direkt oberhalb des Klosters verortet ist. Hierbei handelt es sich um einen kombinierten Prozess aus Driftbewegungen und Rotationsrutschungen, die als Teil eines größeren Rutschhangs zu deuten sind. Während sich die Abrisskante im Weißjura (Malm α/ β) befindet, wird der Gleithorizont im Ornatenton (Dogger ξ) vermutet. Im Zuge der Kartierung wurde der gesamte Hang, von der Baugrube am Kloster bis hinauf zur Steilstufe der Malmkalke und Teile des Plateaus des Tafelbergs detailliert ingenieurgeologisch aufgenommen. Basierend auf der Kartierung, der Auswertung verfügbarer Bestandsbohrungen und -daten sowie der Vermessungsergebnisse konnte ein erstes Modell der Massenbewegung aufgestellt werden (Abb. 3). Auf dieser Grundlage erfolgte die weitere Planung und Erkundung erfolgen. Hierbei zeigte sich, dass das Kloster am Fuße einer alten prähistorischen Großrutschung liegt, bei der eine Großscholle der Juragesteine abgebrochen und talwärts gerutscht ist. Die Gleitbahn dieser Großrutschung wurde in mind. 16-18 m Tiefe vermutet. Bei der Geländeaufnahme wurde der gesamte Hang in Abhängigkeit der Bewegungen in insgesamt 4 Zonen unterteilt: • In Zone 1, am obersten Ende des Hanges, wurden helle anstehende Malmkalke dokumentiert, die keinerlei Ablösung vom Felsverbund oder Verkippungen erkennen lassen. • Direkt unterhalb, in Zone 2, befinden sich, intern noch weitgehend intakte, aber bereits nachgebrochene und/ oder abgerutschte Felsformationen, an denen eine Verkippung von ca. 5-12° beobachtet wurde. • In der hangabwärts folgenden Zone 3 beginnt die eigentliche Hauptrutschmasse, in der rotierte und verstellte Schollen „intakter“ Felsformationen zu finden sind. Hier weisen die Schollen eine sehr deutliche Verkippung von 20-35° auf. • In Zone 4 liegen die alten Rutschmassen in zunehmend aufgelöstem Zustand vor. Es handelt sich hierbei überwiegend um Gesteinsschuttmassen (gemischtkörnige Böden), in denen Steine und Blöcke unterschiedlicher Größe eingebettet sind. Die im Zuge des Baugeschehens 2018 aktivierten Bewegungen haben sich in Zone 4 ereignet. Dies wird zum einen durch die frischen Zerrspalten (offene Spalten bis 1 m Tiefe, siehe Abb. 2) an der Oberfläche in diesem Bereich, aber auch durch die Ergebnisse der an der Oberfläche eingerichteten Beobachtungslinien zur Vermessung von Hangdeformationen bestätigt (bis zu 75 cm im Zeitraum Februar 2018 bis Dezember 2018). Es ist davon auszugehen, dass eine zumindest bis mehrere Meter mächtige Schicht des Hangs reaktiviert wurde. Auf Grundlage der Felderkundungen wurden im Rahmen einer verdichtenden Erkundung zusätzliche Schwere Rammsondierungen durchgeführt, geoelektrische Widerstandstomografie entlang mehrerer Profile hangquer und hangparallel erfasst, die Vermessungsprofile ausgebaut, Konvergenzmessstrecken ergänzt sowie eine detaillierte hydrogeologische Bestandsaufnahme bestehender Schächte, Pegel und Quellen durchgeführt. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 399 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz Abb. 3: Erstes ingenieurgeologisches Übersichtsprofil des Jurahangs. Im Zuge des Aushubs 2018 wurden Bereiche (rote Linie) in Zone 4 aktiviert (Grafik: BBB). 2.2 Einrichtung kombinierter Inklinometer-/ Porenwasserdruck-Messstellen Zusätzlich zu den verdichtenden Erkundungsmaßnahmen wurde ein geotechnisches Überwachungsprogramm geplant, das folgende Ziele erreichen sollte: 1. Erfassung der Tiefenlage des (oder der? ) Abscher- Horizonte; 2. Ermittlung von Bewegungsrichtung, Bewegungsgeschwindigkeit und -geschwindigkeitsveränderungen der Rutschmasse; 3. Erfassung der Porenwasserdrücke im Hang zur Identifizierung möglicher Triggerfaktoren; 4. sowie ggf. Monitoring der nachfolgenden Sanierungs- und Bautätigkeiten. Durch das Büro Dr. Plinninger Geotechnik, Bernried wurden daraufhin im August 2018 drei rd. 30-35 m tiefe, kombinierte Inklinometer- und Porenwasserdruck-Messstellen installiert. Die Messstellen wurden in zunächst wöchentlichem, später zweiwöchentlichen Turnus gemessen. Die Porenwasserdruckgeber wurden später mit einem Datenlogger für eine kontinuierliche Messdatenerfassung nachgerüstet. Der Einsatz des innovativen „fully grouted“-Verfahrens (siehe auch Priesack, et al., 2016) erlaubte hierbei die Messung von Verformungen und Porenwasserdrücken in verschiedenen Teufenniveaus in nur einer Messstelle. Mithilfe dieser Messtellen konnten Teufenlage, Bewegungsbeträge, Richtung, sowie Porenwasserdruckverhältnisse in verschiedenen Hangniveaus erfasst werden. 2.3 Ergebnisse der geotechnischen Messungen Aufgrund der nach wie vor bestehenden Dynamik des Rutschkörpers lieferten die kombinierten Messstellen innerhalb weniger Monate eindeutige, wenn auch besorgniserregende Ergebnisse (Abb. 4, Abb. 5). 400 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz Abb. 4: Messergebnisse der Inklinometer in A-Achse; Messstellen B30 und B31 im Zeitraum September bis Dezember 2018 (Grafik: PG). Abb. 5: Ergebnis einer Videobefahrung in Messstelle B32 bei ca. 3,1 m u. GOK: Das Inklinometer-Messrohr wurde aufgrund der hohen Verformungsbeträge an der Scherfuge bis zur Unbrauchbarkeit deformiert (Foto: PG). Die Inklinometermessungen konnten bis Dezember 2018, an einer Messstelle bis Januar 2019 durchgeführt werden, bevor die Messstellen durch Abscherung zerstört wurden. Die im Zeitraum von nur 3 Monaten erhobenen Messdaten wiesen auf eine Scherfuge bei rd. 2,5-4,5 m unter GOK und eine weiterhin hohe Bewegungsrate von bis zu rd. 12 mm/ Monat hin (Abb. 4, Abb. 5). Auch die Messergebnisse der Piezometer (siehe Abb. 7) zeigten eindrucksvolle Ergebnisse, die eine erhebliche Beeinflussung der Bewegung durch das Bergwasserregime nahelegten. Sie reagierten unabhängig von ihrer Tiefenlage innerhalb 1-3 Tagen auf den Eintrag von Niederschlägen. Die Verformung des Hangs korreliert mit den Porenwasserdrücken. Als Auslöser für stärkere Bewegungszunahmen reichen bereits Niederschläge geringer bis mittlerer Intensität aus. Abb. 6: Ganglinien der Porenwasserdruckmessungen im Vergleich mit den Niederschlagsdaten der Station Berching (CDC 2019; Grafik: BBB). 2.4 Rekonstruktion der Rutschung Auf Basis der vorliegenden Erkundungsergebnisse wurde vom BBB im Frühjahr 2019 ein ausführliches Gutachten erstellt, das erstmals eine zusammenfassende Bewertung der Hangbewegung und ihrer Ursachen, sowie eine Modellbildung für Sanierungszwecke erlaubte. Abb. 7: Deformation in einem Entwässerungsschacht (Foto: BBB). Die weiteren Erkundungsmaßnahmen, wie Bohrkerndokumentation, geoelektrische Widerstandstomografie, Inklinometer- und Piezometermessungen sowie die Oberflächenvermessung bestätigten insgesamt das zu Beginn 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 401 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz aufgestellte geologische Modell der Massenbewegung am Kloster Plankstetten, konnten aber zu einer deutlichen Verfeinerung des Untergrundmodells beitragen. All diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass sich eine ca. 3-6 m mächtige Schicht der prähistorischen Rutschmasse im unteren Hangbereich (Abb. 8 bzw. Zone 4, Abb. 3) reaktiviert hat. Zwar ist die Tiefenlage der Scherbahn der reaktivierten Rutschmasse nur punktuell (in Inklinometermessstellen) definitiv nachgewiesen, jedoch unterstützen das Auftreten einer feinkörnigen Tonschicht in vielen der Aufschlüsse, die Beobachtungen aus der geoelektrischen Widerstandstomografie, abgescherte Grundwasserpegel sowie das Auftreten von Grund- und Böschungsbrüchen an der Oberfläche diese Annahme der Mächtigkeit und Tiefenlage (Abb. 8). Abb. 8: Vereinfachtes Hangmodell mit Darstellung des aktiven Rutschkörpers, den als Gleitbahn wirkenden Ton- Schluff-Horizonten sowie den dokumentierten Grund- und Böschungsbrüchen. Neben der individuellen Auswertung sämtlicher erhobener Messdaten wurden insbesondere die Verformungsmessungen, sowie die klimatischen und hydrologischen Daten gesamtheitlich als Zeitreihen dargestellt und weitergehend analysiert, um so das Verhalten und die Zusammenhänge potenzieller „Triggerfaktoren“ genauer zu untersuchen. Als „Trigger“ sind hier insbesondere Niederschlag (erhöhter Porenwasserdruck) aber auch Bautätigkeiten, insb. am Fuß, zu sehen. Wie bereits in Kap. 2.3 beschrieben, reagieren die Piezometer unabhängig ihrer Tiefenlage in etwa zeitgleich mit einer Reaktionszeit von 1-3 Tagen auf vorangegangene Niederschläge (Abb. 9). Und auch Bewegungen bzw. eine Beschleunigung der Bewegungen konnte nach Perioden erhöhter Niederschläge beobachtet werden. In Abb. 10 sind die Niederschläge im Zeitraum Februar 2018 bis Mai 2019 sowie die Deformationen an der Oberfläche an ausgewählten Profillinien dargestellt. Im April 2018, im Juli 2018 und von Dezember 2018 bis Mitte Januar 2019 war in allen Deformationsmessungen an der Oberfläche eine deutliche Beschleunigung festzustellen. Im Juli 2018 bzw. im Dezember 2018/ Januar 2019 versteilt sich die Summenkurve (Starkregen bzw. ergiebige Niederschläge). In diesen Perioden ist jeweils überdurchschnittlich viel Niederschlag (ca. 150-200 % des 30-jährigen Monatsmittel) gefallen. Anders sieht es im April 2018 aus. Hier kann dieser Zusammenhang nicht hergestellt werden. Vielmehr waren die Niederschläge im April 2018 unterdurchschnittlich gering. Hier sind die Bewegungen in Zusammenhang mit den Bautätigkeiten zu erklären. Nach der Einstellung der ersten Bautätigkeiten in Folge von deutlichen Bewegungen im Januar 2018 wurde etwa Mitte April damit begonnen die geplante Baugrube auszuheben. Daraufhin kam es mehr oder weniger unmittelbar mit dem Aushub und der damit einhergehenden Fußentlastung zu einer deutlichen Beschleunigung der Bewegungen (bis zu 63 cm zw. Messung vom 5. April und 24. April 2018). 402 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz Abb. 9: Zusammenhang zwischen Niederschlag (Summenkurve) und Deformationen an der Oberfläche (Niederschlagsdaten: CDC 2019; Grafik: BBB). Aufgrund sämtlicher Beobachtungen und den hier dargestellten Zusammenhängen zwischen Niederschlägen und Bewegungsverhalten ist davon auszugehen, dass der Rutschhang seit der ursächlichen Ingangsetzung der Bewegungen durch die Baumaßnahmen im Januar und April 2018 (Fußentlastung) sehr sensibel auf Niederschläge und/ oder Schneeschmelze reagiert. Zwar konnte keine konkrete Reaktionszeit zwischen Niederschlagsereignis und Einsetzen der Bewegungen auf Basis der vorliegenden Daten ermittelt werden, allerdings ist aufgrund der relativ geringen Tiefenlage der Scherbahn (3-6 m) und der kurzen Reaktionszeit zwischen Niederschlag und Anstieg im Porenwasserdruck von einer ebenso kurzen Reaktionszeit auszugehen. Insgesamt ist anzunehmen, dass sich der Hang vor Beginn der Bauarbeiten im Januar 2018 nahe dem Grenzgleichgewicht befand. Durch den begonnenen Aushub und die damit einhergehende Hangfußentlastung wurde der Ausnutzungsgrad deutlich in den instabilen Bereich verschoben (Ursache) und es wurde infolgedessen eine sehr stark erhöhte Sensitivität des Hanges auf Niederschläge beobachtet (Abb. 10). Abb. 10: Schematische Darstellung des Ausnutzungsgrades des Rutschhangs über die Zeit (Grafik: BBB). Ziel einer Sanierung musste es daher sein, die Hangbewegung nachweisbar (messtechnische Überwachung) wieder in einen Zustand zu überführen (Sicherungsmaßnahmen) und den destabilisierenden Einfluss von Niederschlagsereignissen zu reduzieren (Drainierung). 3. Sanierung des Rutschkörpers Auf Basis der Erkundungsergebnisse wurde im Sommer 2019 eine Stabilisierung des Rutschhangs mit Erdbeton- Stützlamellen (sog. HZV-Verfahren) ausgeführt. Ausgeführt wurden insgesamt 10 HZV-Stützscheiben mit einem Gesamtvolumen von 6.900,00 m³. Eine umfassende Darstellung der Bemessung und Ausführung der Sanierung ist dem Beitrag von Krüger & Stöger (2020) zu entnehmen, der auf dem 12. TAE-Kolloquium „Bauen in Boden und Fels“ vorgestellt wurde. Auf die Darstellung der Sanierungsmaßnahme selbst wird daher mit Verweis auf diesen Aufsatz verzichtet. Abb. 11: Messergebnisse der Inklinometerkette im Zeitraum des Baugruben-Aushubs vom 24.9.2021 bis 11.10.2021 (Grafik: AlpGeorisk). 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 403 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz 4. Überwachung des Baugrubenaushubs Nach der Ausführung der Erdbeton-Stützlamellen trat eine Beruhigung der Situation ein und oberflächliche Bewegungen konnten danach nur noch in nicht signifikanter Größenordnung nachgewiesen werden. Da dennoch nicht auszuschließen war, dass es im prähistorisch vorbeanspruchten Rutschhang zu einer Aktivierung weiterer tieferliegender Scherhorizonte gekommen war, wurde der Aushub im Schutz einer Bohrpfahlwand und mit Fortführung des geotechnischen Monitorings wiederaufgenommen. Ziel des Monitorings war dabei die frühzeitige Erkennung einer erhöhten bergseitigen Last auf die Bohrpfahlwand aufgrund von weiterer Rutschungsaktivität. Dazu wurden drei Bohrpfähle im Bereich der Baugrubenwand im Herbst 2019 mit innenliegenden Inklinometer-Messrohren ausgestattet, wovon eine Messstelle mit einer Messkette aus neun hochgenauen, einaxialen Ketteninklinometer-Gebern bestückt wurde. Um eine sich ggf. einstellende Aktivierung des Hanges unmittelbar erkennen zu können, wurde das System mit einer Datenerfassungseinheit ausgestattet, die eine sofortige Übertragung der Daten in ein webbasiertes Datenmanagementsystem ermöglichte. Die im 30-Minuten-Takt erhobenen Daten konnten so jederzeit über das Internet abgerufen und bewertet werden. Die von der Messkette im Zeitraum des Baugrubenaushubs von Ende September bis Mitte Oktober erfassten Daten sind in Abb. 11 dargestellt. Diese zeigen deutlich die mit fortschreitendem Aushub der Baugrube sich einstellende talwärts gerichtete Verformung des überwachten Bohrpfahls. Dabei nahmen die Verformungen von unten nach oben inkrementell zu. Die beobachteten Gesamtverformungen (über die überwachte Länge aufsummiert) liegen maximal im niedrigen einstelligen Millimeterbereich und waren damit unkritisch. Nach Beendigung des Aushubs wurde das Monitoring weitere 4 Monate bis Mitte Februar 2020 fortgesetzt. In diesem Zeitraum konnten keine weiteren signifikanten Verformungen festgestellt werden. Abb. 12: Ausbau der Inklinometerkette aus der Bohrpfahlwand nach Beendigung der Überwachung im Februar 2020. Die batteriebetriebene Datenerfassung befindet sich in dem schwarzen Messkoffer am Fuß der Messstelle (Foto: Dr. Singer). 5. Schlussfolgerungen Am Kloster Plankstetten haben geringfügige Eingriffe in den Hangfuß eine flachgründige Rutschung mit hoher Dynamik ausgelöst. Der Rutschungskörper ist als eine Teil-Reaktivierung eines prähistorischen viel größeren Rutschhangs am Abbruch des Jura-Tafelbergs zu sehen. Durch ein Zusammenspiel aus klassischer geologischhydrogeologischer Grundlagenarbeit (Kartierung, Geländeaufnahme, Bohrkernaufnahme) mit modernen Erkundungsmethoden (geoelektrische Widerstandstomographie) und einer engen und innovativen messtechnischen Überwachung (Inklinometer, „fully-grouted“ Piezometer) mit detaillierter Analyse (Zeitreihenanalyse) konnte ein plausibles und detailliertes Untergrundmodell sowie schlüssige Hypothesen für Ursache und Auslösung der Rutschung aufgestellt werden. Damit konnten die Grundlagen für eine erfolgreiche Sanierung des Rutschkörpers und eine letztlich sichere und erfolgreiche Ausführung des Bauprojekt geschaffen werden. 404 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Mehrphasige messtechnische Überwachung eines Rutschhangs an der Benediktinerabtei Plankstetten / Oberpfalz Literatur [1] DWD Climate Data Center (CDC): Tägliche Stationsmessungen Niederschlagshöhe in mm für Deutschland,Version v19.3, abgerufen am 28.04.2019. [2] Krüger, B. & Stöger, J. (2020): Nachhaltige Stabilisierung von Kriechhängen mittels HZV-Verfahren: Bemessung und Ausführungspraxis.in Moormann, C. & Vogt-Breyer, C. (Hrsg., 2020): Tagungshandbuch zum 12. Kolloquium „Bauen in Boden und Fels“ der TA Esslingen, 21. und 22. Januar 2020, S. 97-104 (expert Verlag, Tübingen). [3] Priesack, T., Plinninger, R.J., Alber, M. & Salcher, B. (2016): Systematische Analyse innovativer Installationsverfahren für Porenwasserdruckgeber.in: Vogt, C. & Moormann, C. (Hrsg., 2016): Tagungshandbuch zum 10. Kolloquium „Bauen in Boden und Fels“ der TA Esslingen, 19. und 20. Januar 2016, S. 143-150 (Technische Akademie Esslingen).