eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2024
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Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau – CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten

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2024
Tomas Vardijan
Claudia Klotz
Die Ökobilanzierung als Methode zur Bewertung der umweltbezogenen Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren für den infrastrukturellen Baubereich immer stärker in den Fokus gerückt. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die grundlegenden Aspekte für die ganzheitliche Quantifizierung des CO2 -Fußabdrucks im Infrastrukturbau im Allgemeinen, und im speziellen für temporäre Bauhilfsmaßnahmen erläutert. Im Vortrag wird deutlich, welche Überlegungen im Sinne der DIN EN 17472 unter Einhaltung der beiden Nachhaltigkeitszielen „Treibhausgasreduktion und Ressourcenschonung in Infrastrukturprojekten einhergehen und wie Verarbeitungsprozesse der Bilanzierung von Materialien und Bauteilen strukturiert hinzugefügt werden können. Der Vortrag zeigt darüber hinaus gehend, dass nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben aus vielen Einzelbetrachtungen besteht, und stellt die Vergleichbarkeit von Berechnungen innerhalb von Variantenuntersuchungen als wichtige Voraussetzung für die Planung unter Nachhaltigkeitsaspekten in den Vordergrund.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 25 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO 2 -Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Dipl.-Ing. (FH) Tomas Vardijan Ed. Züblin AG, Direktion Zentrale Technik, Technisches Büro Tiefbau Stuttgart Dr.-Ing. Claudia Klotz Ed. Züblin AG, Direktion Zentrale Technik, Technisches Büro Tiefbau Stuttgart Zusammenfassung Die Ökobilanzierung als Methode zur Bewertung der umweltbezogenen Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren für den infrastrukturellen Baubereich immer stärker in den Fokus gerückt. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die grundlegenden Aspekte für die ganzheitliche Quantifizierung des CO 2 -Fußabdrucks im Infrastrukturbau im Allgemeinen, und im speziellen für temporäre Bauhilfsmaßnahmen erläutert. Im Vortrag wird deutlich, welche Überlegungen im Sinne der DIN EN 17472 unter Einhaltung der beiden Nachhaltigkeitszielen „Treibhausgasreduktion und Ressourcenschonung in Infrastrukturprojekten einhergehen und wie Verarbeitungsprozesse der Bilanzierung von Materialien und Bauteilen strukturiert hinzugefügt werden können. Der Vortrag zeigt darüber hinaus gehend, dass nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben aus vielen Einzelbetrachtungen besteht, und stellt die Vergleichbarkeit von Berechnungen innerhalb von Variantenuntersuchungen als wichtige Voraussetzung für die Planung unter Nachhaltigkeitsaspekten in den Vordergrund. 1. Einleitung 1.1 State of the art „Die Welt von morgen bauen“ - diese Vision hat eine klare Nachhaltigkeitsperspektive. Etwa 50 % des Gesamtenergieverbrauchs und rund 38 % der weltweiten CO 2 - Emissionen entfallen auf die Bauindustrie. Vor diesem Hintergrund braucht die Welt von morgen eine dauerhafte, CO 2 -arme und klimaresiliente Infrastruktur, die in möglichst nachhaltiger Weise gebaut wird. Aktuell sehen wir uns als Gesellschaft einer ganzen Reihe von Herausforderungen gegenüber. Zum einen ist der Klimawandel eine omnipräsente und langfristige Gefahr, die nur mit Mitarbeit aus allen Bereichen abgefangen werden kann. Zum anderen machen kurzfristigere Krisen wie Lieferengpässe und Inflation vielen Branchen Probleme. Man kann diesen Aspekten mit gezielten Maßnahmen begegnen, die kurz- oder mittelfristig Entlastung schaffen - wirkliche Lösungen finden wir jedoch nur, wenn wir das große Ganze betrachten und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gefahren sehen. Es gilt, nicht nur auf Probleme zu reagieren, sondern direkt so zu handeln, dass Krisen gar nicht erst entstehen. Mit dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist es möglich Produkte und Materialien solange wir möglich zu nutzen, Abfälle und Umweltverschmutzung zu vermeiden und die Ressourcen zu schonen. 1.2 Sichtbarmachen der Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau Im Entwurf eines Gebäudes sind eine Vielzahl von Parametern zu beachten: Neben gestalterischer Qualität, Raumprogramm, Genehmigungsfähigkeit oder Investitionskosten rückt die Umweltqualität ins Zentrum. Ausgelöst durch die Klimakrise und steigender Ressourcenknappheit ist es notwendig, Ressourcen- und Energieverbrauch sowie Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Die Umweltqualität von Gebäuden stellt die ökologische Dimension im nachhaltigen Planen und Bauen dar. Sie beinhaltet die Ermittlung, Bewertung und Beeinflussung von Treibhausgasemissionen sowie weiterer Umweltindikatoren. Doch wie können diese gemessen und qualifiziert gemindert werden? Eine planungsbegleitende angewandte Ökobilanzierung hilft, Materialien und Konstruktionsweisen zu optimieren. Die Ökobilanzierung baut auf sog. Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration - EPD) für Bauprodukte und Baumaterialien gemäß DIN EN 15804 [1] auf. EPDs sind auf wissenschaftlicher Basis abgeleitete Kennzahlen für Umweltauswirkungen, die den Lebenszyklus des Materials oder Produkts explizit betrachten. Die hier primär relevante Kenngröße ist das globale Erwärmungspotenzial (Global Warming Potential - GWP global) als Maßzahl des relativen Beitrags zum Treibhauseffekt in kg CO 2 -Äquivalent. Die hier verwendeten Angaben wurden der vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zur Verfügung gestellten Datenbank ÖKOBAUDAT [2] entnommen. Der Lebenszyklus wird nach DIN EN 17472 [3] in vier Module A-D eingeteilt, mit A „Herstellung und Errichtung“, B „Nutzung“, C „Ende der Nutzung“ und D „Vorteile und Belastungen außerhalb der Systemgrenze“, siehe [Abb.1]. 26 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Abb. 1: Darstellung modularer Informationen für die verschiedenen Phasen der Bewertung von Ingenieurbauwerken [3] Im Beitrag werden die beiden Nachhaltigkeitsziele fokussiert: • Reduzierung der CO 2 - Emissionen • Ressourcenschonung Die Verfolgung mehrere Ziele birgt immer die Gefahr von Zielkonflikten. Im hier gegebenen Beitrag kann z. B. die Herstellung von Recyclingmaterial als Beitrag zur Ressourcenschonung Emissionen freisetzten, die bei der Verwendung natürlicher Ressourcen ggf. nicht, oder nicht in dieser Größe anfallen würden. Von den Autoren wird zur Abbildung der Auswirkungen und zur Bewertung der Zielerreichung aus mehreren Handlungsoptionen, die Anwendung mehrerer Kennzahlen vorgeschlagen. Anhand eines fiktiven Beispiels werden die vier Kennzahlen diskutiert, mit denen die Nachhaltigkeit für Projekte des Spezialtief baus sichtbar gemacht und Varianten hinsichtlich der gesetzten Nachhaltigkeitszielen qualifiziert verglichen werden können: 1. Materialeinsatz im Projekt (gemessen in kg CO 2 Äq. für die Module A1- A3). 2. CO 2 -Bilanz im gesamten Lebenszyklus (gemessen in kg CO 2 Äq für die Module A - D). 3. Bewertung der Kreislaufpotentiale des Materialeinsatzes (gemessen mit der Noten 0 - 10). 4. Energieverbrauch erneuerbar / nicht erneuerbar (gemessen in MJ). 2. Beispiel -Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau 2.1 Einführung Als Ziel der Bewertung der umweltbezogenen Nachhaltigkeit werden wie bereits erläutert festgelegt: • Reduzierung der CO 2 -Emissionen • Ressourcenschonung Weitere Ziele sind denkbar, z. B. im Rahmen von Zertifizierungen. Diese werden hier jedoch nicht weiter thematisiert. Das Nachweiskonzept für die Zielereichung folgt der Gleichung [Gl.1]: (1) mit: NHI i - Nachhaltigkeitsindikator i [i = 1 bis 4]. Ref - Referenzvariante (z. B. „übliche“ Bauweise, Ausschreibungsentwurf). Var - Optimierungsvariante. Die Nachhaltigkeitsindikatoren i werden in diesem Beitrag untereinander nicht gewertet. Im Rahmen von Bauprojekten hat dies jedoch zu erfolgen. Die Gewichtung der Nachhaltigkeitsindikatoren untereinander kann von Bauherrn, Gesetzeslage, Lokalität, Ressourcenverfügbarkeit abhängig sein. Für das fiktive Beispiel wird folgendes funktionale Äquivalent gewählt: • Baugrube mit gegebenem Grundriss mit einem Untergeschoss, Baugrubentiefe 4,5m. • keine Anforderungen an Gebrauchstauglichkeit und Wasserundurchlässigkeit des Verbaus. Räumliche Systemgrenze: Aus dem Ingenieurbauwerk „Baugrube“ wird die Verbaukonstruktion sowie die Herstellung des Verbaus herausgelöst betrachtet. Weitere Bauaktivitäten, wie z. B. Baugrubenaushub, Wasserhaltung oder Betrieb sind nicht Teil der Betrachtung. Die Zulässigkeit dieser Einschränkung der Systemgrenzen ist projektbezogen in Abhängigkeit der untersuchten Optimierungsvarianten stets zu prüfen. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 27 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Zeitliche Systemgrenze: Nur temporäre Nutzung des Verbaus, Standzeit < 2 Jahre. Austauschhäufigkeit der Komponenten wird zu 1,0 festgelegt. Im hier gegebenen fiktiven Beispiel werden zwei Bauvarianten einer zusammengesetzten Verbauwand berechnet und verglichen: • Variante 1 (Referenz): Trägerbohlwand (TBW) und aufgelöste Bohrpfahlwand (BPW): freiauskragend [Abb.2]. • Variante 2: Trägerbohlwand (TBW) und aufgelöste Bohrpfahlwand (BPW): einfach rückverankert [Abb.3]. Abb. 2: Beispiel Variante 1aufgelöste BPW freiauskragend Abb. 3: Beispiel Variante 2- TBW einfach rückverankert 2.2 Materialeinsatz im Projekt Die Evaluierung des Materialreinsatzes kann grundsätzlich hinsichtlich der Masse oder dem Volumen erfolgen. Aufgrund unterschiedlicher Dichten im Materialeinsatz kann es hier aber zu Verschiebungen in der Bewertung kommen. In Anbetracht der gesellschaftlichen CO 2 -Reduzierungsziele und im Sinne einer einheitlichen Kennzahl erfolgt im Weiteren die Evaluierung des Materialeinsatzes abweichend anhand des CO 2 -Fußabdrucks für die Herstellungsphase, Lebenszyklusmodule A1-A3 (Rohstoffversorgung, Transport und Herstellung). Ziel ist es, den Einsatz von Ressourcen und Materialien zu hinterfragen und evtl. Optimierungspotentiale zu benennen, um den Materialeinsatz, gemessen in CO 2 -Äquivalenten zu minimieren. Folgenden Eingangsdaten und weitere Spezifikationen wurden für den Ressourceneinsatz betrachtet, siehe [Tab.1] und [Tab.2]. Tab. 1: Eingangsdaten Variante 1 Tab. 2: Eingangsdaten Variante 2 28 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Die Berechnung erfolgt nach DIN EN 17472 für die Nachhaltigkeitsbewertung von Ingenieurbauwerken. Für die CO 2 -Bilanzierung sind in [Tab.3] die Emissionsfaktoren für das globale Erwärmungspotenzial (GWP) zusammengestellt. Tab. 3: Verwendeten Werte GWP für Produktionsstadium Die Ergebnisse für beide Varianten sind in [Tab.4] zu finden. Tab. 4: CO 2 -Fußabdruck für beide Varianten [kg CO 2 Äq/ m²] Der CO 2 -Fußabdruck für die Herstellungsphase (Baustoffe) für Variante 1 (Referenzvariante) beträgt 179,15 tCO 2 Äq. In Variante 2 (Optimierungsvariante) reduziert sich der CO 2 - Fußabdruck zu 97,11 tCO 2 Äq. Die Berechnungen zeigen, dass der Materialeinsatz in Variante 2 mit dem Faktor 0,54 optimiert und damit das gesetzte Nachhaltigkeitsziel erreicht werden konnte, [Gl.2]. (2) 2.3 CO 2 Bilanz im gesamten Lebenszyklus Für eine vollständige CO 2 -Bilanzierung wird ein Ingenieurbauwerk in seinem gesamten Lebenszyklus, d. h. von der Entstehung über die Errichtungs- und Nutzungsphase bis zum Abriss und sogar darüber hinaus bei der Verwertung und dem Recycling der verwendeten Baustoffe bilanziert. Des Weiteren ist der CO 2 -Fußabdruck unter Berücksichtigung aller relevanten Emissionsquellen zu ermitteln. Bauaktivitäten lassen sich insbesondere unterteilen in: • Baustoffe (A1-A3) • Baustofftransporte (A4) • Geräteeinsatz (A5) • Geräteabnutzung (A5) In begründeten Fällen kann es legitim sein auf die Betrachtung einzelner Emissionsquellen zu verzichten, z. B. in Variantenuntersuchungen mit immer gleichen Emissionen. Die Bilanzierung von Herstellprozessen muss darüber hinaus erfassen können, dass Transport und Verarbeitung mehrfach auftreten können. Für eine qualifizierte Auswertung der Berechnung ist es unerlässlich, dass die einzelnen Emissionen ihrem Verursacher zugeordnet werden können. Als Verursacher kommen z. B. Bauteile, Lebenszyklusabschnitt, Gerät oder Herstellvorgang in Frage. Zur Berücksichtigung aller obigen Anforderungen an eine CO 2 - Berechnung hat sich ein hierarchisches System (Baumstruktur) bewährt, siehe [Abb.4]. Die Baumstruktur umfasst in diesem Beispiel fünf Ebenen und summiert die Umweltauswirkungen einzelner Produkte bzw. Bauteile auf; ausgehend von der untersten Ebene 5 (Baustoff) bis zur obersten Ebene 1 (Baumaßnahme). Im gegebenen Beispiel werden die Herstellungsphase (Modul A1-A3) sowie die Errichtungsphase (Modul A4 und Modul A5) bilanziert, siehe [Tab.5] und [Tab.6]. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 29 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Abb. 4: Struktur CO 2 - Bilanz (Baumstruktur) Für den Baustofftransport vom Hersteller zum Verwendungsort (Modul A4) sind folgenden Transportentfernungen berücksichtigt: • Transport Beton: 10km. • Transport Bewehrungsstahl/ Profilstahl: 100km. • Transport Bauholz: 50km. • Transport Spannstahl: 200km. Die Gesamtemissionen, die durch Transporte entstehen, lassen sich mit nachfolgend zusammengestellten Faktoren ermitteln: • Treibstoffverbrauch in Liter, den das Transportmittel für einen Kilometer der jeweiligen Strecke verbraucht. Der Verbrauch unterscheidet sich in Abhängigkeit der Beladung; hier wird zwischen voller Beladung und Leerfahrt unterschieden. • Die Emissionen für den Transport ergeben sich durch Multiplikation der Gesamtstrecke mit dem Gesamttreibstoffverbrauch und Emissionsmenge je Liter des Treibstoffs. Tab. 5: Variante 1 - CO 2 -Fußabdruck für Herstellung und Transportphase Tab. 6: Variante 2 - CO 2 -Fußabdruck für Herstellung und Transportphase Für die Montage und den Herstellungsprozess (Modul A5) sind folgenden Bauprozesse berücksichtigt: • Herstellung Bohrungen für Pfähle und Träger, Verbrauch: 6,0l Diesel/ m. • Herstellung Verpressanker, Verbrauch: 2,5l Diesel/ m. Die Ermittlung der Umweltwirkungen der Geräte (Modul A5) erfolgt anhand der technischen Datenblätter sowie eigener Annahmen, wie beispielsweise dem Leergewicht, sowie der Lebensdauer des Geräts für die Verarbeitung der Hauptmaterialien. In [Abb.5] und [Abb. 6] sind die CO 2 Emissionen für Herstellung der Baustoffe, Abnutzung Geräte, Gerätebetrieb und Transport der Materialien zur Baustelle für Variante 1 und Variante 2 zusammengefasst. 30 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Abb. 5: CO 2 Emissionen für Variante 1 (Module A1-A3, A4 und A5) Abb. 6: CO 2 Emissionen für Variante 2 (Module A1-A3, A4 und A5) In der [Tab.7] sind beide Variante in Bezug zu den Lebenszyklusmodulen A1-A3, A4 und A5 gesetzt. Tab. 7: Vergleich Gesamt GWP Variante 1 und Variante 2 Der gesamtheitliche CO 2 -Fußabdruck für Variante 1 (Referenzvariante) beträgt 203,09 tCO 2 Äq und für Variante 2 (Optimierungsvariante) 122,3 tCO 2 Äq Die Berechnungen zeigen, dass der Materialeinsatz, Transport und Herstellungsprozess in Variante 2 (Optimierungsvariante) mit dem Faktor 0,6 gegenüber der Referenz optimiert und damit das gesetzte Nachhaltigkeitsziel erreicht werden konnte, [Gl. 3]. (3) 2.4 Bewertung der Kreislaufpotentiale des Materialeinsatzes und der Bauteile Für temporär genutzte Materialien gilt es insbesondere ressourcenschonende und recyclingfähige Konstruktion zu wählen. Im Wesentlichen kann der verantwortungsvolle Einsatz von Materialien gemessen werden unter Angabe von: • Recyclinganteilen. • Darstellung von Mehrfachnutzungen, Weitergabe von Materialien/ Bauteilen. • Nutzung von Sekundärrohstoffen, geringer Anteil an verlorenen Materialien und Abfall. Mit dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist es möglich Produkte, Materialien und Bauteile so lange wie möglich zu nutzen, Abfälle und Umweltverschmutzung zu vermeiden und so Ressourcen zu schonen. Temporäre Baumaßnahmen, z. B. Baugruben zeichnen sich vor allem aus durch die Leistungsfähigkeit der ausführenden Firma bzgl. Logistik und verfügbarer Ressourcen (z. B. Lagerhaltung). Im Falle von Bau grubenverbauten wird jede ausführende Firma trotz immer gleicher Bauherrenvorgaben in Abhängigkeit ihrer eigenen Ressourcen immer andere Bewertungen anstellen. Für die Bewertung der temporären Baumaßnahme sind insbesondere folgende Informationen relevant: • Herkunft der Materialien und Bauteile (Pre-Life) • Optimale Nutzung während Ausführung (Use- Stage) • End of Life der Bauteile und Materialien (End-of-Life) Ausgehend von der Bauausführung als Zentrum der Betrachtung werden im Pre-Life die Herkunft der temporär genutzten Materialien und Bauteile für das auszuführende Projekt bewertet. Materialien können Sekundärrohstoffen oder natürliche Ressourcen entstammen. Bauteile können gebraucht der neuwertig sein. Die Ausführungsphase eines Projektes entspricht hier der Nutzungsphase (Use-Stage). In dieser Phase kann die ausführende Firma die Austausch- und Einsatzhäufigkeit der eingesetzten temporären Bauteile optimieren. Im End-of-Life wird am Projektende die Verwertung der eingesetzten temporären Bauteile und Materialien gesteuert, z. B. schonender Rückbau und Weitergabe der Bauteile an eine neue Baustelle. Weitere Detaillierungen in der Bewertung, wie sie z. B. im Hochbau bei der Bewertung der Kreislaufwirtschaft gängig sind, werden hier nicht weiter vorgeschlagen, z. B. die Trennbarkeit zusammengesetzter Materialien sowie der monetäre Aufwand zur kreislaufgerechten Verwertung. Im Falle temporärer Maßnahmen ist die Verwertung am Lebensende (Projektende) oftmals Bestandsteil des Bauvertrags und damit technisch und monetär im Angebot der ausführenden Firma berücksichtigt. Die obigen Kriterien können nach einem Punktesystem bewertet und zu einer Kennzahl aggregiert werden, siehe [Abb.7] (Skala: 0 bis 10 mit 10 erreicht man das ungünstigste Szenario im Sinne der Kreislaufwirtschaft). 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 31 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Abb. 7: Kennzahl für die qualitative Bewertung der Kreislaufwirtschaft Die qualitative Bewertung der Kreislaufwirtschaft erfolgt anhand von vier Berechnungen: • Variante 1 -Referenzvariante. • Variante 1- Optimierungsvariante. • Variante 2 -Referenzvariante. • Variante 2- Optimierungsvariante. Aufgrund von Massenverschiebungen zwischen Variante 1 und 2 und damit unterschiedlicher Gewichtung der Materialien, können die Varianten 1 und 2 nicht unmittelbar miteinander verglichen werden. Jede Variante ist für sich betrachtet zu optimieren. Für die Referenzvarianten wurde folgendes Szenario berücksichtigt: • Der Zuschlagsstoff für den Beton der Pfähle, Fußplombe und Spritzbeton (Pre-Life) besteht aus natürlichen Ressourcen. • Die Stahlprofile sind neuwertig (Pre-Life). • die Stahlprofile und Holz werden auf der aktuellen Baustelle nur ein mal eingesetzt (Use - Stage). • die Stahlprofile sind im Baugrund verloren (Post-Life bauliche Nutzung). • Beton / Stahl und Holz werden in End -of- Life des Materials nicht recycelt oder energetischen verwertet. Für die Optimierungsvarianten wurde folgendes Szenario berücksichtigt: • Materialien mit Recyclinganteilen für die Herstellung die Pfähle, Fußplombe, Spritzbeton und Zementmörtel (Pre-Life). • 50 % der eingesetzten Stahlprofile sind von einer anderen Baustelle übertragen worden (Pre-Life). • die Stahlprofile und das Holz werden zu 50 % auf der aktuellen Baustelle wieder eingesetzt (Use - Stage). • Beton / Stahl und Holz werden in End -of- Life des Materials gemäß EPDs recycelt oder einer energetischen Verwertung zugeführt. In [Abb.8] sind die Ergebnisse der Auswertung der Kreislaufwirtschaft für Variante 1 dargestellt. Variante 1-Optimierungsvariante zeigt durch einen optimierten Materialeinsatz eine Verbesserung in der Kreislaufwirtschaft. Abb. 8: Kennzahl für die qualitative Bewertung der Kreislaufwirtschaft Variante 1 In [Abb.9] sind die Ergebnisse der Auswertung der Kreislaufwirtschaft für Variante 2 dargestellt. Variante 2-Optimierungsvarainte zeigt durch einen optimierten Materialeinsatz eine Verbesserung in der Kreislaufwirtschaft Abb. 9: Kennzahl für die qualitative Bewertung der Kreislaufwirtschaft Variante 2 In [Tab. 8] sind die Spezifikationen in Bezug auf das Pre- Life und der End-of-Life Phasen für Variante 1-Referenzvariante und Optimierungsvariante abgebildet. 32 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten Tab. 8: Informationen für die Auswertung der Kennzahl-Kreislaufwirtschaft für Variante 1 In [Tab. 9] sind die Spezifikationen in Bezug auf das Pre- Life und der End-of-Life Phasen für Variante 2-Referenzvarainte und Optimierungsvariante abgebildet. Tab. 9: Informationen für die Auswertung der Kennzahl- Kreislaufwirtschaft für Variante 2 Die Kennzahl „Kreislaufwirtschaft“ liefert für Variante 1-Referenzvariante einen Wert von 9,84, für Variante 1-Optimierungvariante den Wert 8,21. Die Berechnungen zeigen, dass in der Bewertung der Kreislaufpotentiale für die Materialien / Bauteile in Variante 1 - Optimierungsvariante eine Verbesserung in der Note zur Variante 1-Referenzvariante erreicht und damit das gesetzte Nachhaltigkeitsziel erreicht wird, [Gl.4]. (4) Die Kennzahl „Kreislaufwirtschaft“ liefert für Variante 2-Referenzvariante einen Wert von 9,93, für Variante 2-Optimierungvariante den Wert 8,54. Die Berechnungen zeigen, dass in der Bewertung der Kreislaufpotentiale für die Materialien/ Bauteilen in Variante 2 -Optimierungsvariante eine Verbesserung in der Note zur Variante 2- Referenzvariante erreicht und damit das gesetzte Nachhaltigkeitsziel erreicht wird, [Gl.5]. (5) Die Optimierungsvarianten 1 und 2 bringen eine Verbesserung im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen haben jedoch Einfluss auf den CO 2 -Fußabdruck die Varianten. So ist der CO 2 -Fußabdruck von R-Beton in Abhängigkeit seiner Herstellung ggf. schlechter zu bewerten als der Einsatz von natürlichen Zuschlagsstoffen. Die Berücksichtigung von Mehrfachverwendung in der CO 2 - Bilanz ist abhängig von den gewählten Systemgrenzen und mit dem Auftraggeber explizit zu vereinbaren. Berücksichtigung kann dieses Potential z. B. im Modul D finden. 2.5 Energieverbrauch erneuerbar/ nicht erneuerbar Die vierte Kennzahl für die Auswertung von nachhaltigen Infrastrukturprojekte ist der Energieverbrauch. Die Energie wird als schützenswerte Ressource, unabhängig ob erneuerbar oder nicht erneuerbar, betrachtet. Die Unterteilung in erneuerbar und nicht erneuerbar birgt die Chance zur Optimierung des Energiemixes. Als Primärenergieinhalt (abgekürzt PE) wird der zur Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung erforderliche Gesamtbedarf an energetischen Ressourcen bezeichnet und ist die Summe aus PERT und PENRT. Im PERT wird der Primärenergieinhalt aller erneuerbaren Ressourcen (Biomasse) aufgeteilt in: PERE: erneuerbare Primärenergie als Energieträger enthält nur die energetisch genutzten Ressourcen (Wind/ Sonnenenergie) und PERM: erneuerbare Primärenergie zur stofflichen Nutzung (Biomasse). PENRT bildet die totale nicht-erneuerbare Primärenergie ab und ist aufgeteilt in: PENRE: nicht-erneuerbare Primärenergie als Energieträger: Erdöl, Braunkohle, Steinkohle und Uran. PENRM: nicht-erneuerbare Primärenergie zur stofflichen Nutzung. In den folgenden Tabellen sind die Berechnungen für Variante 1 und Variante 2 für PERT und PENRT zu finden. Tab. 10: Energie erneuerbar/ nicht erneuerbar für Variante 1 Tab. 11: Energie erneuerbar/ nicht erneuerbar für Variante 2 Für die Herstellungsprozesse wurde die nicht erneuerbare (PENRT) Energie anhand des Treibstoffverbrauchs (Diesel) wie folgt berechnet: 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 33 Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau - CO2-Bilanzierung von Infrastrukturprojekten • Herstellung Pfähle: 66.624,77 MJ-Variante 1 und 50.077,44 MJ für Variante 2. • Herstellung Träger: 74.088,0 MJ-Variante 1 und 44.755,2 MJ für Variante 2. • Herstellung Verspressanker: 56.700,0 MJ-Variante 2. In [Abb. 10] sind die Werte für den Energieverbrauch für die beide Varianten graphisch dargestellt. Der Energiebedarf für Variante 1 (PE) hat ein Wert von 2.392.359,0 MJ und für Variante 2 (PE) 1.659.871MJ. Abb. 10: Energieverbrauch- Variante 1 und Variante 2 Die Berechnungen zeigen, dass der Energieverbrauch für Materialeinsatz, Transport und Herstellungsprozesse in Variante 2 (Optimierungsvariante) mit dem Faktor 0,7 optimiert und damit das gesetzte Nachhaltigkeitsziel erreicht werden konnte, [Gl. 6]. (6) 2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse In einem fiktiven Beispiel wurden die CO 2 -Fußabdrücke sowie weitere Nachhaltigkeitsindikatoren von zwei Bauvarianten einer Verbauwand berechnet und miteinander verglichen. Die Nachweise haben gezeigt, dass die optimierten Varianten im Sinne der gewählten Nachhaltigkeitsziele eine Verbesserung darstellen. Dies wurde im Wesentlichen erreicht durch die Optimierung des statischen Systems und des gewählten Szenarios für die Kreislauwirtschaft. 3. Ausblick Anhand unterschiedlicher Bauvarianten für ein und dieselbe Bauaufgabe wird quantifizierend aufgezeigt, welche Möglichkeiten zur Reduktion von Treibhausgasen und Ressourcenschonung bereits heute für die Planung und Ausführung zur Verfügung stehen und wie Nachhaltigkeit abgebildet werden kann. Die aus einer Ökobilanzierung gewonnenen Erkenntnisse sind aber erst dann erfolgreich, wenn sie auch in der Praxis umgesetzt werden. Zur Optimierung des Projektziels, durch größtmögliche CO 2 -Reduktion und minimiertem Ressourceneinsatz, sollte die Einbindung der geeigneten Planungs- und Baupartner durch den Bauherrn so früh wie möglich erfolgen. Literatur [1] DIN EN 15804: 15804: 2012+A2: 2019, Nachhaltigkeit von Bauwerken-Umweltproduktdeklarationen-Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte. [2] Ökobaudat: Datenbank, Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. [3] DIN EN 19472: 2022, Nachhaltigkeit von Bauwerken -Nachhaltigkeitsbewertung von Ingenieurbauwerken - Rechnenverfahren.