Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum
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Max Kewel
Martin Sekulla
Der Einsatz erdwärmegekoppelter Wärmepumpensysteme zur Wärme- und Kälteproduktion hat das Potential, ein wichtiger Baustein der Wärmewende zu werden. Aus diesem Grund entschied sich die MAGURA Bosch Parts & Services GmbH beim Neubau ihrer Firmenzentrale in Nürtingen dafür, eine Geothermieanlage zu errichten, welche sowohl den Wärme- als auch große Teile des Kühlbedarfs decken sollte. Mithilfe von numerischen Simulationen wurden verschiedene Konfigurationen von Erdwärmesonden (kurz EWS) auf ihr Langzeitverhalten hin untersucht und miteinander verglichen.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 75 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum Geothermie als ressourcenschonender Wärme- und Kältelieferant Dr. Max Kewel Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbh, Witten Martin Sekulla, M. Sc. Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbh, Witten Zusammenfassung Der Einsatz erdwärmegekoppelter Wärmepumpensysteme zur Wärme- und Kälteproduktion hat das Potential, ein wichtiger Baustein der Wärmewende zu werden. Aus diesem Grund entschied sich die MAGURA Bosch Parts & Services GmbH beim Neubau ihrer Firmenzentrale in Nürtingen dafür, eine Geothermieanlage zu errichten, welche sowohl den Wärmeals auch große Teile des Kühlbedarfs decken sollte. Mithilfe von numerischen Simulationen wurden verschiedene Konfigurationen von Erdwärmesonden (kurz EWS) auf ihr Langzeitverhalten hin untersucht und miteinander verglichen. 1. Einführung Die MAGURA Bosch Parts & Services GmbH & Co. KG plant den Neubau einer Logistikhalle mit einem 2-geschossigen Bürotrakt im Gewerbegebiet Am Großen Forst in 72622 Nürtingen. Die Wärme- und Kälteversorgung soll unter anderem durch Nutzung von Erdwärme erfolgen. Als Wärmetauscher wird ein Erdwärmesondenfelds im Bereich der geplanten Logistikhallen und den angrenzenden Freiflächen geplant. Die Sonden werden aufgrund limitierender geologischer Verhältnisse eine Endteufe von 135 m nicht überschreiten. Um eine effiziente geothermische Wärme- und Kühlleistung zu realisieren, wurden deshalb im Vorfeld der Baumaßnahme sowohl umfangreiche numerische Simulationen als auch ein in-situ Test zur Bestimmung der thermischen Eigenschaften des Untergrunds durchgeführt. 2. Bauprojek Magura Bosch Abb. 1: Computer generiertes Luftbild des fertiggestellten 1. Bauabschnitt. Die Logistikhalle ist mit einer Grundfläche von ca. 10.000 m² geplant. Im Süden, an die Logistikhalle anschließend, wird in einem späteren Bauabschnitt eine Erweiterung der geplanten Logistikhalle um einen ca. 25 m breiten und ca. 75 m langen Hallenkomplex in Erwägung gezogen. Weiterhin sollen auf dem Gelände ein Logistikhof und ca. 200 Stellplätze für LKW und PKW entstehen. Das Baugelände wird derzeit landwirtschaftlich als Ackerfläche genutzt. 2.1 Energiekonzept Gemeinsam mit dem Auftraggeber und dem Planer der technischen Gebäudeausrüstung wurde entschieden, unterschiedliche Anteile des Wärme- und Kältebedarfs durch das geothermische Reservoir bereitzustellen. Die Geothermie in Kombination mit Wärmepumpen wird 100 % der benötigten Wärme liefern. Demgegenüber werden nur 60 % der in Folge Kühlung anfallenden Wärme passiv, das heißt ohne Verwendung der Wärmepumpe, zurück in den Untergrund geleitet. Der restliche Kühlbedarf wird mittels freier Kühlung, also unter Verwendung der kälteren Außenluft, gedeckt. Zur weiteren Effizienzsteigerung wird die Abwärme der Kühlung im Falle von simultanem Wärme- und Kältebedarf direkt der Wärmepumpe zugeführt. 2.2 Bedarfsermittlung Der Jahresbedarf wird mithilfe einer thermischen Simulation bestimmt. Hierbei zeigt sich, dass die maximale Heizleistung ca. 650 kW und die maximale Kühlleistung ca. 260 kW beträgt. Weiterhin werden ca. 5000 Arbeitsstunden Heizung und ca. 4000 Arbeitsstunden Kühlung prognostiziert. Aus dem höheren Leistungsniveau und der längeren Arbeitszeit ergibt sich insgesamt, dass ca. 4,6-mal mehr Heizenergie (719 MWh) als Kühlenergie 76 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum (155 MWh) benötigt wird. Wichtig ist hier, dass, wenn auch in unterschiedlichen Mengen, immer sowohl Kühl-, als auch Wärmebedarf besteht. Abb. 2: Prognose des monatlichen Heiz- und Kühlbedarfs. 3. Geologische Voruntersuchungen Zu Beginn galt es festzustellen, ob die Nutzung von oberflächennaher Geothermie unter den gegebenen geologischen Standortbedingungen grundsätzlich möglich ist. Dazu wurde auf geologisches Kartenmaterial sowie auf das online abruf bare Informationssystem oberflächennahe Geothermie zurückgegriffen [1]. Hierzu wurde ein vorläufiges geologisches Profil des Baugrunds bis in eine Tiefe von 300 m unterhalb der Geländeoberfläche (GOF) erstellt, welche folgend in Tab. X zusammengefasst werden. 3.1 Allgemeine Geologie Das Projektgebiet befindet sich auf der Filderfläche, einer Ebene im Vorland der Schwäbischen Alb auf Gesteine des Keupers sowie des unterersten Juras aufgeschlossen sind. Abb. 3: Verteilung der Wärmeleitfähigkeit auf Basis des Enhanced Geothermal Response Tests. Tab. 2: Prognostiziertes Bohrlochprofil für die Filderfläche bis in eine Tiefe von 300 m Schicht Gesteins-/ Bodenart Teufenlage (m UGOK) Oberboden und Quartär Schluff, trocken 0-10 Schwarzer Jura Tonstein 10-60 Kalk-/ Sandstein Knollenmergel Schluffstein 60-100 Stubensandstein Sandstein 100-165 Schlufftonstein Obere Bunte Schluffstein 165-300 Für die Auslegung der Geothermieanlage sind vor allem die Anhydridführenden Schichten des Oberen Bunten Mergels relevant, da diese quellfähigen sind und somit zu Hebungen und damit einhergehenden bohr undausbautechnischen Schwierigkeiten führen können. Das Landesamt für Geologie Rohstoffe und Bergbau (LGRB) empfiehlt deshalb, die Bohrtiefe auf 146 m UGOK zu beschränken, um ausreichend Abstand zu den o.g. Schichten zu bewahren. Aus Sicherheitsgründen wurde entschieden, die Endteufe der Erdwärmesonden auf 135 m uGOK zu limitieren. Die Untergrundverhältnisse sind nach [2] der hydrogeologischen Einheit III „Unterjura“ und V „Höherer Mittelkeuper“ zuzuordnen mit einem geringen, in Hanglage mittleren Grundwasserdargebot. 3.2 Geothermische Bedingungen Der geothermische Gradient, also die Zunahme der Temperatur mit der Tiefe, ist zentral, da dieser Parameter das initiale Temperaturprofil angibt. Die durch Wärmeentzug bzw. Kälteeintrag hervorgerufene Änderung des Temperaturfeldes gilt es vorherzusagen. Weiterhin bestimmt der Gradient, wie viel Energie aus Tieferen Schichten geliefert wird. Je höher der Gradient desto stärker wird das Erdwärmesondenfeld aus tieferen Schichten mit Energie versorgt und desto größer ist maximale Temperatur, die die Sole annehmen kann. Eine hohe Soletemperatur korreliert wiederum direkt mit einem effizienteren Wärmepumpenbetrieb. Der Energieaustausch zwischen Erdwärmesonden und dem Untergrund findet ausschließlich konduktiv statt. Dies bedeutet, dass der Temperaturänderung mathematisch durch die (inhomogene) Diffusionsgleichung (1) beschrieben wird. Der Proportionalitätsfaktor, welcher die zeitliche mit der räumlichen Temperaturänderung in Gl. (1) linear in Beziehung setzt, ist die Temperaturleitfähigkeit (2) 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 77 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum Abb.4: Linke Spalte: Die drei Varianten nach denen die EWS zu Arrays zusammengefasst wurden. Rechte Spalte: Das zu den Varianten gehörende Betriebsschema der einzelnen Arrays. Diese wiederum setzt sich aus der Dichte ρ, der spezifischen Wärmekapazität c und der Wärmeleitfähigkeit λ zusammen. Das Produkt aus Dichte und spez. Wärmekapazität ist für Geomateriale im Gegensatz zur Wärmeleitfähigkeit fast konstant, sodass λ der Parameter ist, welcher die Temperaturänderung maßgeblich beeinflusst. Die zu erwartenden thermischen Eigenschaften der anstehenden geologischen Schichten lassen sich dem Internetportal des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württembergs (LGRB) entnehmen (Tabelle 3). Auf dieser Basis wurden zu Projektbeginn erste Berechnungen durchgeführt. Allerdings sollten laut VDI 4640 [4] die thermischen Eigenschaften von Anlagen mit einer Leistung von mehr als 30 kW, die aus einer Vielzahl von EWS bestehen, mithilfe eines Geothermal bzw. Enhanced Geothermal Response Test (EGRT) [5] gemessen werden. Der EGRT liefert standortgenaue und tiefenaufgelöste thermische Leitfähigkeiten, welche notwendig sind um etwaige kostspielige Fehlplanungen zu vermeiden. Der EGRT wurde an einem 140 m tiefen Bohrloch im Zentrum des zukünftigen Sondenfeldes durchgeführt. Während des Tests wird Wärme durch heißes Wasser in die Erdwärmesonde eingespeist. Durch Messung der Heizleistung lässt sich die insgesamt eingetragene Wärmemenge quantifizieren. Der Vergleich der zeitlichen Temperaturänderung beim Auf heizen mit einer analytischen Lösung der Diffusionsgleichung, ermöglicht die Berechnung der Wärmeleitfähigkeit. Weiterhin kann das Temperaturabklingverhalten nach Beendigung der Heizphase zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit verwendet werden. Die Temperaturmessung erfolgt mithilfe eines entlang des Bohrlochs verlegten Glasfaserkabels, welches die Temperatur als Funktion der Teufe misst. Generell zeigt sich, dass die Tiefenverteilung der Wärmeleitfähigkeit großen Schwankungen unterworfen ist, was die abwechslungsreiche Geologie der Region widerspiegelt (siehe Abbildung 3). Die durchschnittliche Wärmeleitfähigkeit beträgt ca. 3 W/ m/ K. Tabelle 3 zeigt, dass die vorläufigen Wärmeleitfähigkeiten die tatsächlich gemessenen, mit Ausnahme des Knollenmergels, zum Teil deutlich unterschätzen. Ohne den EGRT wäre das geothermische Potential dementsprechend ebenfalls unterschätzt worden. Tab. 3: Vergleich der durchschnittlichen Wärmeleitfähigkeit aus Literaturwerten und dem Resultat des EGRT für die anstehenden Gesteinsformationen Schicht Wärmeleitfähigkeit (W/ m/ K) Literatur EGRT Oberboden und Quartär 0,5 1,59 Schwarzer Jura 2,3 2,95 Knollenmergel 1,85 1,74 Stubensandstein 2,0 2,97 Obere Bunte Mergel 1,7 1,7 Die ungestörte Durchschnittstemperatur der relevanten Tiefenlagen betrug laut EGRT 15.39 °C und der geothermische Gradient beträgt ca. 0.057 K/ m, was ein vergleichsweise hoher Wert ist (normal sind 0.025-0.03 K/ m), auch wenn in Voruntersuchungen ein noch höherer Gradient von 0,07 k/ m prognostiziert wurde. Die relativ hohen Wärmeleitfähigkeiten und der ebenfalls überdurchschnittliche geothermische Gradient, ergeben ein hohes Potential für ein Erdwärmesondenfeld. 78 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum 4. Das Erdwärmesondenfeld Als potentielle Fläche für das Erdwärmesondenfeld kommen sowohl die Grundfläche des zukünftigen Logistikhalle als auch die angrenzende Be- und Entladungsfläche in Frage. So ergibt sich eine Gesamtfläche von 120 m x 80 m. Limitierend ist hierbei ein Mindestabstand der Sonden zueinander von i.d.R. 10 m, um mögliche Einflüsse bzw. Wechselwirkungen zu verhindern bzw. zu minimieren. Außerdem sollte ein Randabstand zur Grundstücksgrenze von 6 m eingehalten werden. Unter Berücksichtigung der aufgeführten Einschränkungen sowie der anfallenden Wärme- und Kältebedarfe für den Neubau, wird ein Raster von je 12 Erdwärmesonden in nahezu von Ost nach West verlaufender Achse und je 8 Erdwärmesonden in ungefährer Nord-Süd-Richtung erstellt. Die Sonden werden mit einem Abstand von jeweils 10 m zueinander angeordnet. Es ergibt sich so im genannten Raster ein Erdwärmesondenfeld mit insgesamt 96 Sondenstandorten. Aufgrund von im Sondenraster liegenden Gründungselementen im Bereich der Lagerhalle, ergeben sich im Raster geringfügige Verschiebungen für einzelne Sonden aus dem regelmäßigen Raster heraus. Die Erdwärmesonden bestehen jeweils aus Doppel-U- Rohren, welche über ein thermisch gut leitendes Hinterfüllmaterial mit der Bohrlochwand in Kontakt stehen (Abbildung 5). Abb. 4: Schematischer Auf bau einer Erdwärmesonde in Ausführung als Doppel-U-Rohr (verändert nach [6]) 4.1 Variantenstudie Nachdem die generelle Eignung des Baugrunds bestätigt werden konnte, wurde versucht, eine optimal an das Anforderungsprofil angepasste Konfiguration des Erdwärmesondenfelds (aus dem Englischen oft Array genannt) zu finden. Wichtig war sowohl einen effizienten Wärmeals auch Kühlbetrieb zu gewährleisten. Weiterhin sollte die Anordnung eine gewisse Flexibilität ermöglichen, so dass man auf zukünftige Bedarfsänderungen reagieren und Optimierungen in der Anlagensteuerung implementieren kann. Aus der Anforderung, gleichzeitig zu kühlen und zu heizen, ergibt sich, dass das Erdwärmesondenfeld in mehrere Kreisläufe unterteilt werden muss, die jeweils mit einer Wärmepumpe verknüpft sind. Abbildung 3 zeigt, die 3 Varianten, welche im Rahmen dieses Projektes näher untersucht wurden. In der einfachsten Variante für ein gleichmäßiges Raster wird jede zweite EWS miteinander verbunden, sodass ein schachbrettartiges Muster entsteht (Variante 1). In den Wintermonaten entziehen beide Arrays gleichzeitig Wärme, wobei der geringe Kühlbedarf, wenn nötig, über eines der Arrays gedeckt wird. Das Reservoir wird gleichmäßig beansprucht. Eine zweite Variante (Variante 2), teilt das Sondenfeld in ein innen- und ein außenliegendes Array auf. Nur in das innere, aus 24 Sonden bestehende Array wird Kühlenergie eingeleitet. Man erhofft sich dadurch eine höher effiziente Heizperiode, da die sommerliche Wärmeenergie im Zentrum der Erdwärmesonde gespeichert wird und sich dann diffusiv, also langsam, auf den Bereich der 72 Sonden des äußeren Arrays ausbreitet. Die letzte Variante (Variante 3) sieht vor, das Erdwärmesondenfeld in 4 Arrays zu unterteilen, welche jeweils aus 2 parallel verlaufenden EWS-Reihen á 24 Sonden bestehen. Jedes Array erfüllt Jahreszeit abhängig unterschiedliche Aufgaben, was sich im vergleichsweise komplexen Betriebsschema in Abbildung 3 erkennen lässt. Die Besonderheit dieser Anordnung ist, dass sich je Array alle Phase (Heizen, Kühlen, kein Betrieb) innerhalb eines Jahres gezielt abwechseln. So können die Arrays individuell optimal für die im Jahresverlauf anfallenden Wärme- und Kältebedarfe optimiert werden. Ein Array, welches im Sommer die Hauptkühllast tragen soll, wird dafür im Herbst und Winter stärker herabgekühlt. So kann die die passive Kühlung effizienter Wärme abführen. Gleichzeitig tragen die anderen 3 Arrays die Grundlast und werden weniger „aggressiv“ herabgekühlt bzw. erhitzt. Im Hinblick auf die vom Auftraggeber geforderte Flexibilität der Betriebssteuerung des Erdwärmesondenfeld, bietet Variante 3 die größten Anpassungsmöglichkeiten. Um das Langzeitverhalten der hier diskutierten Varianten zu untersuchen und miteinander zu vergleich, ist es notwendig numerische Simulationen durchzuführen. 4.2 Berechnungen Feflow Für die thermische Modellierung komplexer Untergrundmodelle wird von FEFLOW die Wärmeleitungsgleichung herangezogen und mithilfe von Rand- und Anfangsbedingungen unter Anwendung der Finiten-Elemente-Methode (FEM) gelöst [5]. Feflow bietet den Vorteil, dass es die zwei grundlegenden Prozesse, welche bei der Wärmeübertragung durch EWS auftreten, getrennt rechnet. Das lokale Problem im Bohrloch wird durch eine analytische Lösung berechnet, wohingegen die Wärmeausbreitung im Sondenfeld durch die Finite-Elemente-Methode approximiert wird. Würde man auch das geometrisch komplexe System aus Doppel-U-Rohr und Hinterfüllmaterial für jede EWS einzeln rechnen, vervielfachte sich der Re- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 79 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum chenaufwand und Fragestellungen wie die in diesem Artikel betrachtet, wären praktisch nicht zu untersuchen. 4.3 Zielwerte der Simulation Das Ziel der Simulation ist grundsätzlich ein möglichst hoher Entzugsanteil des Wärme- und insbesondere des Kältebedarfs. Innerhalb einer Simulationsdauer von 50 Jahren soll sich ein stationärer Zustand der lokalen Untergrundtemperatur einstellen bzw. abzeichnen, d. h. bei jahreszeitlich variierenden Entzugszyklen erfolgt nach einigen Jahrzehnten eine Ausbalancierung des lokalen Temperaturniveaus, welches in den Beobachtungspunkten abzulesen ist. Schlussendlich ist die technische Durchführbarkeit, insbesondere hinsichtlich der angesetzten Durchflussraten und der korrespondierenden Spreizung zwischen Ein- und Ausgangstemperatur des Sondenfluids, zu prüfen. Die Einschränkungen durch die VDI 4640 betrifft insbesondere die Eingrenzung eines gewissen Temperaturniveaus des Erdkörpers. Gemäß VDI 4640 darf die Fluideintrittstemperatur im Dauerbetrieb den Bereich ± 10 K relativ zur Temperatur des ungestörten Untergrunds nicht überschreiten, bei Spitzenlast ± 15 K. Weiterhin sollte die Temperatur des zur Sonde zurückkehrenden Fluids im Dauerbetrieb den Grenzbereich ± 11 K Temperaturänderung nicht überschreiten. Im Spitzenbetrieb sind ± 17 K Temperaturänderung gegenüber der Ursprungstemperatur zulässig, min. -3 °C und max. 21 °C. Die Temperatur des Untergrunds sollte grundsätzlich zwischen 0 und 20 °C betragen. Die Temperaturspreizung des Fluids zwischen Ein- und Austritt aus der Erdwärmesonde sollte erfahrungsgemäß 5 K nicht überschreiten. 5. Ergebnisse Die Daten der Finite-Element Berechnungen werden für alle Modelle an den gleichen Stützpunkten des Modells in derselben Tiefe von 5m ausgelesen (siehe Abbildung 5). In dieser Tiefe sind die größten Temperaturschwankungen zu erwarten. Hier geben Beobachtungspunkte BP2, BP4, BP6 und BP8 die Bedingungen in unmittelbarer Nähe einer EWS wieder. Beobachtungspunkte BP1, BP3, BP5 und BP9 liegen im Zentrum des von den vier umliegenden EWS aufgespannten Quadrats und repräsentieren somit die Bedingungen innerhalb des geothermischen Reservoirs. In Bezug auf die Variante 2 sind die Daten von BP1, BP2, BP3 und BP4 dem inneren und BP5, BP6, BP8 und BP9 dem äußeren Array zuzuordnen. Für die Variante 3 sind BP5 und BP6 Array 1, BP3 und BP4 Array 2, BP1 und BP2 Array 3 und BP8 und BP9 Array 4 zuzuordnen. Beprobungspunkt BP7 liegt mehrere 10er Meter außerhalb des Sondenfeldes und dient zu Überprüfung der Auswirkung auf die weitere Umgebung. Abb. 5: Lage der Beobachtungspunkte mit Referenz zur Aufteilung der Sondenfelder in Variante 2 (roter gestrichelter Kasten) und Variante 3 (schwarze gestrichene Kästen) Abb. 6: Obere: Temperaturverlauf innerhalb eines Jahres für die Arrays in Variante 1,2 und 3. Untere Spalte: Netto monatliche Energiebilanz (negative bedeutet Wärmeentzug) der einzelnen Arrays. 80 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum 5.1 Vergleich der Jahreslinien Je nach Unterteilung des Erdwärmesondenfeldes wurde der Gesamtbedarf verschieden aufgeteilt, sodass sich mitunter stark voneinander differenzierende Temperaturverläufe herausbilden (siehe Abbildung 6). Dennoch ist die netto Energiebedarf pro Monat in allen Modellen identisch. Der hohe Energiebedarf zu Beginn des Jahres sorgt dafür, dass die Temperaturen im Reservoir bei allen Varianten um mehrere Grad sinken. Die gleichmäßigere Aufteilung von Kühl- und Wärmelast der Schachbrettvariante zeigt sich in der gleichmäßigeren Temperaturentwicklung zwischen beiden Arrays. Da das innere Array in Variante 2 im Sommer für die Kühlung benutzt wird, heizt es sich wesentlich stärker auf. Weiterhin erkennt man, dass sich auch das äußere Array im Laufe des Sommers erwärmt, sogar dann noch wenn ihm Energie entzogen wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Energie vom inneren in den äußeren Bereich nachströmt. Somit erzielt man mit dieser Variante einen tatsächlichen Speichereffekt. Der zuerst durchaus chaotisch anmutende Jahresgang der einzelnen Arrays der Variante 3 spiegelt die komplexe Verteilung der Heiz- und Kühllasten wider. Es ist gut zu erkennen, dass es möglich ist, die 4 Arrays des Erdwärmesondenfeldes zeitgleich, zumindest für Zeiträume einiger Wochen, auf sehr unterschiedlichen Temperaturniveaus zu fahren. Das generelle Temperaturniveau vor Beginn der für die Gesamteffizienz wichtigen Heizperiode von November bis März ist bei Variante 3 am höchsten. 5.2 Vergleich des Langzeitverhaltens Abbildung 7 gibt Aufschluss über die Temperaturentwicklung über den Betrachtungszeitraum von 50 Jahren. Innerhalb dieses Zeitraumes blieb das in Abbildung 4 dargestellte Betriebsschema unverändert. Generell lässt sich sagen, dass sich in keinem Szenario nach 50 Jahren ein Gleichgewicht zwischen Energieentzug und durch der aus der Umgebung nachgelieferten Energie einstellt, da die zeitliche Änderung aller Temperaturkurven nach 50 Jahren kleiner 0 ist (stationär: dT/ dt = 0). Allerdings unterschreitet keine Variante die vorgeschriebenen Temperaturuntergrenzen (und wird dies auch über den Betrachtungszeitraum hinaus nicht tun). Anhand des Verlaufs der beiden Arrays in Variante 1 lässt sich sehr gut darstellen, dass die monatlichen Entzugsmengen auf den Gesamttrend keinen Nennenswerten Einfluss haben. Vielmehr ist es so, dass die Nettoenergie, welche einem Array entzogen wurde bestimmt, wie stark sich, auf der Skala von Jahrzenten, dieses Array abkühlt. Aus diesem Grund kühlt sich das innere Array in Variante 2 wesentlich weniger stark ab als das äußere Array. In Variante 3 ist wird Kühlenergie hauptsächlich nach Array 4 geleitet, wodurch es sich über den Betrachtungszeitraum signifikant schwächer abkühlt. Abb. 7: Obere Spalte: Langezeitverhalten der verschiedenen Arrays. Untere Spalte: Temperaturspreizung innerhalb der Arrays der verschieden Varianten. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 81 Planung und Optimierung des Sondenfeldes einer oberflächennahen Geothermieanlage für ein Logistikzentrum Bei gleichmäßig über das gesamte Erdwärmesondenfeld aufgeteilter Energieentnahme zeigt sich weiterhin, wenn auch nicht stark ausgeprägt, dass sich der innere Bereich gegenüber dem äußeren Bereich eines Arrays stärker abkühlt, da Wärmetransport von außerhalb des Sondenfeldes weniger effektiv dem Energieentzug entgegenwirkt. Markant ist, dass die Temperaturspreizung zwischen ein- und austretender Sole in allen Fällen über den gesamten Betrachtungszeitraum konstant ist, jedoch untereinander sehr stark schwankt (Abbildung 7, unten). Anhand der Spreizung lässt sich erkennen, dass die vorgegebene Fließrate der Sole reduziert werden kann. Eine hohe Spreizung steigert generell die Effizienz einer Sole-Wasser Wärmepumpe und ist, im Rahmen der Vorgaben der VDI 4640, zu begrüßen. Abb.8: Durchschnittliche Abkühlung innerhalb des Betrachtungszeitraums für die 3 betrachteten Varianten Errechnet man für jedes Variante die mittlere Temperaturabsenkung über den Berechnungszeitraum aller Beobachtungspunkte, die im Sondenfeld liegen, lässt sich abschätzen, wie stark sich das Sondenfeld als ganzes entwickelt hat (Abbildung 8). Hier zeigt sich, dass sich das Sondenfeld in Variante 1 am wenigsten (ca. 8.1 K) und in Variante 3 am stärksten abgekühlt hat (9.1 K). Über den Gesamtzeitraum betrachtet, scheint sich in der simplen Anordnung die dem System entzogene Energie am besten zu regenerieren. 6. Fazit Für das Heizen und Kühlen einer Logistikhalle mittels Geothermie, wurden verschiedene Erdwärmesondenanordnung sowohl für ihren Betrachtungszeitraum von 50 Jahren als auch auf ihr Verhalten innerhalb eines Jahres untersucht. Variante 3, in der das Sondenfeld in 4 parallel verlaufende Arrays aufgeteilt wurde, bietet Flexibilität in der Steuerung und präzisen Konditionierung der Arrays, so dass jedes einzelne Array zeitgleich optimal zu Kühl oder Heizzwecken eingesetzt werden kann. Vor allem die Tatsache, dass ein Großteil des Sondenfeldes zu Beginn der wichtigen Heizperiode seine Maximaltemperatur erreicht, trägt zur Effizienzsteigerung bei. Zusammen mit dem Auftraggeber wurde entschieden, die komplexe aber flexibel anpassbare Variante 4 als endgültige Sondenkonfiguration zu wählen. Auf diese Weise ist man auch noch nach Bau des Erdwärmesondenfeldes in der Lage, weitreichende Anpassungen in der individuellen Steuerung der Arrays vorzunehmen. Literatur [1] Daten- und Kartendienst der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, http: / / www.lubw.baden-wuerttemberg.de, Abfrage vom 05.11.2021. [2] Geologische Karte von Baden-Württemberg, Maßstab 1 : 50.000, Internetpräsenz des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg, Abfrage vom 19.01.2022. [4] Thermische Nutzung des Untergrunds: Grundlagen, Genehmigungen, Umweltaspekte (VDI 4640), VDI-Gesellschaft Energietechnik Fachausschuss Regenerative Energien (FARE), Düsseldorf, Juni 2008. [5] FEFLOW 3 Finite Element Subsurface Flow & Transport Simulation System: White papers Vol. V, DHI-WASY GmbH, Berlin, 2010. [6] Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e. V. Empfehlungen Oberflächennahe Geothermie - Planung, Bau, Betrieb und Überwachung - EA Geothermie, 2015
