eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten

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Yannick Scherpereel
Luca Fischer
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 93 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Dipl.-Ing. Yannick Scherpereel, B. Sc. Züblin Spezialtiefbau GmbH, Wien, Österreich Luca Fischer, M. Eng. Züblin Spezialtiefbau GmbH, Wien, Österreich 1. Einleitung 1.1 Projekt A63 Castle Street Improvement Das Projekt A63 Castle Street Improvement ist ein Infrastrukturprojekt in der Stadt Kingston Upon Hull (kurz „Hull“) im Vereinigten Königreich. Hull hat etwa 300.000 Einwohner und zählt zu den größeren Städten in Großbritannien. Mitten durch die Innenstadt verläuft die Autobahn A63, die einen wichtigen Versorgungshafen im Osten mit dem Großraum Manchester, Liverpool und Leeds (genannt „Northern Powerhouse“) im Westen verbindet, in dem mehr als 10-Millionen Menschen leben. Abb. 1: Mytongate-Barriere (eigene Aufnahme) Zu Stoßzeiten ist die bestehende Mytongate-Kreuzung einem sehr hohen Verkehrsaufkommen von über 45,000 Fahrzeugen pro Tag ausgesetzt. Um die Mytongate-Barriere (Abb. 1) zu beseitigen, wird geplant, die A63 über eine Länge von etwa 400 m um 6 m in Ost-West-Richtung abzusenken und eine niveaufreie Nord-Süd-Verbindung über eine Brücke zu schaffen. Das fertige Projekt ist in den Visualisierungen in Abb. 2 und Abb. 3 zu sehen. Das Projektgebiet ist gekennzeichnet durch einen sehr hohen Grundwasserspiegel von bis zu 0,8 m unter GOK (abhängig von den Gezeiten). Bei der Absenkung der A63 ist somit einerseits eine dichte Baugrubenumschließung mithilfe einer Schlitzwand gegen das horizontale Einströmen von Grundwasser, als auch eine DSV-Dichtsohle gegen das vertikale Einströmen von Grundwasser notwendig. Um den dynamischen Belastungen durch die Schwankungen des Grundwassers entgegenzuwirken, wird die gesamte Unterführung mit Zugpfählen in den tieferen tragfähigen Kreidekalk (in einer Tiefe zwischen 21,0 m und 26,0 m unter GOK) rückverankert. Im nahegelegenen Albert Dock wird ein Tidenhub von bis zu 6,0- m gemessen. Diese Gezeiten sind in direkter Kommunikation mit dem tieferen Kreidekalk. In den oberen Bodenschichten wurden bei Grundwasser-Messtellen Porenwasserdruckschwankungen von bis zu 3,2 m (Druckhöhe) gemessen. Abb. 2: A63 Castle Street Improvement - Mytongate Junction (National Highways, et al., 2017) 94 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Abb. 3: Mytongate Junction - Absenkung der A63 (links) (National Highways, et al., 2017) Abb. 4: Regelquerschnitt der geplanten Unterführung (rechts) (National Highways, et al., 2017): Schlitzwand (blau), Zugpfähle (rot) und horizontale DSV-Sohle (grün) In Abb. 4 ist ein Regelquerschnitt des Projektes sichtbar, in dem beidseitig die Schlitzwand dargestellt ist (blau). Am unteren Ende ist die horizontale DSV-Sohle (grün) mit integrierten Auftriebspfählen (rot) sichtbar. 1.2 Geologie Die Böden entlang der englischen Ostküste, vor allem entlang der Überschwemmungsgebiete des Humbers (Abb. 5 und Abb. 6), sind seit Generationen für ihre schlechten Eigenschaften bekannt. Diese weichen marinen Sedimente brachten in der Vergangenheit bereits mehrere Auftraggeber, Planer und ausführende Firmen zum Verzweifeln. Abb. 5: Überschwemmungsgebiete des Humbers (links) (Fischer, 2021) Abb. 6: Flugaufnahme der Überschwemmungsgebiete (rechts) (eigene Aufnahme) Beeinflusst durch die Gezeiten (bis zu 6 m Unterschied zwischen Ebbe und Flut) wurden im Laufe der Jahre sehr feine schluffige, sandige und tonige marine Sedimente abgelagert. Diese feinkörnigen Sedimente („Cohesive Alluvium“ in Abb. 7) liegen in breiiger bis weicher Konsistenz vor, reichen am Projektstandort bis in eine Tiefe von 15 m und haben einen veränderlich hohen organischen Anteil. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 95 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Abb. 7: Geologischer Längenschnitt (Arup, et al., 2017) - schraffiert dargestellt ist die horizontale DSV-Sohle der Unterführung Zusätzlich befinden sich in diesen feinkörnigen Ablagerungen enggestufte Sandlinsen („Granular Alluvium“ in Abb. 7), die in der Vergangenheit ebenfalls zu Problemen führten, da sie mit den Gezeiten kommunizieren und sich der Porenwasserdruck mehrmals täglich ändert. Der Grundwasserspiegel im kohäsiven Alluvium schwankt somit zwischen 0,8 m unter GOK und 4,0 m unter GOK. Das kohäsive Alluvium kann noch einmal unterschieden werden zwischen: • C3 - 1,0 m bis 2,5 m mächtige Deckschicht aus sandigem Ton in steifer Konsistenz • C1 - Unter der Deckschicht schluffiger sandiger Ton bzw. toniger Schluff in durchwegs breiiger bis weicher Konsistenz (jedoch wurden einzelne Lagen bis zu einer halbfesten Konsistenz erkundet) mit einer Mächtigkeit von etwa 6,0 m bis 12,0 m • C2 - Unter 7,0 m unter GOK bis zur Oberfläche der Grundmoräne („Glacial Till“ in Abb. 7) nimmt der organische Anteil zu. Nicht selten wird in dieser Schicht Torf („Peat“) angetroffen. Die Bodenwichte variiert in der Regel zwischen 17,5 und 19,0 kN/ m³, wobei ab einer Tiefe von etwa 7,0 m unter GOK mit zunehmendem Wassergehalt Werte zwischen 14,0 und 16,0 kN/ m³ festgestellt wurden. Torfschichten haben eine typische Wichte zwischen 11,0 und 12,5 kN/ m³ (Arup, et al., 2017). Auf alle tieferen, dem Alluvium unterlagerten Schichten, wird nicht im Besonderen eingegangen. Sie spielen zwar eine Rolle unter Betrachtung des Gesamtprojektes, jedoch eine untergeordnete Rolle für das Deep-Dry- Mixing zur Ermöglichung der Schlitzwandherstellung in den weichen marinen Sedimenten. 1.3 Erfahrungen aus der Vergangenheit bei ähnlichen Böden Erfahrungen bei ähnlichen Böden liegen aus mehreren Projekten vor. Ein Schlitzwand-Projekt an der Nordsee (locker gelagerte Sande in Wechsellagerung mit Schluff-, Ton- und Torfschichten) zeigte während der Herstellung bei einer Schlitz-Öffnungsweite von bis zu 8,0 m und einer Tiefe von 40,0 m horizontale Verformungen von über 25 mm sowie vertikale Verformungen von über 10 mm in einem Abstand von 4,5 m zur Schlitzwandachse. Selbst bei einem größeren Abstand ab 10 m zur Schlitzwandachse wurden noch über 4 mm vertikale Verformungen gemessen (Lächler, et al., 2006). Beim Betonieren wurde in diesen Böden zwar beobachtet, dass die Verformungen (während des Aushubs zum offenen Schlitz hin) wieder zurückgehen, jedoch wurde auch beobachtet, dass die Wichte des Frischbetons ausreicht, um den weichen Boden zu verdrängen. Beachtliche Kubaturen an Überprofil von bis zu 40 % Mehrverbrauch wurden an manchen Projekten gemessen. Abb. 8: Horizontale Verformungen über die Tiefe in einem Abstand von 4,5 m zur Achse des offenen Schlitzes (links) (Lächler, et al., 2006) in ähnlichen Böden 96 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Abb. 9: Vertikale Verformungen in einem Abstand von 4,5 m zur Achse des offenen Schlitzes (rechts) (Lächler, et al., 2006) in ähnlichen Böden 2. Planung Da man wusste, dass man aufgrund der vorherrschenden Bodenverhältnisse mit erheblichen Verformungen bereits bei der Herstellung der Schlitzwand rechnen musste, und die Umgebung aufgrund der Einbauten (Gasleitungen, Glasfaserleitungen, Kanäle) und der innerstädtischen Bebauung sehr sensibel auf kleinste Verformungen reagieren wird, hat man aus folgenden Gründen eine vorauseilende Bodenstabilisierung vor der Herstellung der Schlitzwand gewählt: • Äußere Standsicherheit des offenen Schlitzes Basierend auf den Bodenkennwerten und dem hohen Grundwasserspiegel konnte die äußere Standsicherheit des offenen Schlitzes nur mit einer Bodenstabilisierung (Erhöhung der undrainierten Scherfestigkeit) nachgewiesen werden. Die natürliche undrainierte Scherfestigkeit von min. 8-kN/ m² musste dadurch für einen Einzelstich (3,4-m) auf 30-kN/ m² sowie für einen größeren offenen Schlitz (7,5 m) auf 40 kN/ m² erhöht werden. • Verringerung der vertikalen sowie horizontalen Verformungen während der Herstellung Die Innenstadt von Hull hatte bereits vor dem Projekt mit erheblichen Setzungen zu kämpfen. Nachdem der Großteil der Setzungen am Projekt während des Aushubs prognostiziert wird, musste die zulässige horizontale und vertikale Bodenverformung während der Herstellung der Schlitzwand auf 10 mm beschränkt werden. • Verringerung des Überprofils Ein Überprofil der Schlitzwand hat nicht nur einen Mehrverbrauch an Beton zur Folge, sondern kann auch eine Nachbearbeitung (Abstemmen, Abfräsen) der Schlitzwand bedeuten, sofern das Überprofil die erlaubten Toleranzen überschreitet. Die flächige Bodenstabilisierung wurde beidseitig der Schlitzwandachse in einem Korridor von 4,0 m Breite geplant (Abb. 10 und Abb. 11). Sechs tangierende Säulenreihen (mit 80 cm Durchmesser) in einem Dreiecksraster sorgen für die flächige Abdeckung. Aufgrund der sehr detaillierten geologischen Erkundung konnte die notwendige Stabilisierungstiefe an die tatsächliche Lage der Grundmoräne angepasst werden (Abb. 12). Abb. 10: Trockene Bodenstabilisierung im Querschnitt (links) - gelb: DDM-Säulen; blau: Schlitzwand (Züblin Spezialtief bau Ges.m.b.H., 2021) Abb. 11: Trockene Bodenstabilisierung im Lageplan (rechts) - gelb: DDM-Säulen, blau: Schlitzwand (Züblin Spezialtief bau Ges.m.b.H., 2021) 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 97 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Nach Herstellung der Schlitzwand (inklusive Bodenstabilisierung) und der Zugpfähle ist es notwendig, die horizontale DSV-Abdichtung kraftschlüssig mit den Zugpfählen und der Schlitzwand zu verbinden. Wie in Abb. 10 ersichtlich, ist es somit erforderlich, dass der stabilisierte Boden mit dem Düsenstrahlverfahren wieder erodiert werden kann. Somit werden an diesem Projekt folgende Bedingungen wirksam: • Minimale undrainierte Scherfestigkeit: 30 kN/ m² / 40 kN/ m² (3,4 m offener Schlitz / 7,5-m offener Schlitz) • Maximale undrainierte Scherfestigkeit: 150 kN/ m² (im Projekt festgelegte Grenze, innerhalb dieser das Düsenstrahlverfahren noch möglich ist) Abb. 12: Trockene Bodenstabilisierung im geologischen Längsschnitt - hellgrau: Bodenstabilisierung (Züblin Spezialtief bau Ges.m.b.H., 2021) In der Ausführung zeigten sich diese engen Schranken als sehr großes Risiko, da man es mit sehr heterogenen Bodenverhältnissen zu tun hatte. Die Ziel-Scherfestigkeit muss einerseits hoch genug sein, um nicht zu überproportionalen Verformungen oder zu einem Versagen der äußeren Standsicherheit des offenen Schlitzes zu führen, andererseits nicht zu hoch, sodass die Bodenstabilisierung nicht mehr mit dem Düsenstrahlverfahren erodiert werden kann und keine kraftschlüssige Verbindung gewährleistet werden kann. Frühzeitig einigte man sich deshalb auf die Ausführung eines Probefeldes vorab, um die Verfahren zu verifizieren. 3. Probefeld 3.1 Überblick Am Probefeld am westlichen Ende des Projektgebiets sollten alle Verfahren, die am Hauptprojekt angewendet werden, erprobt werden und daraus wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Mitunter sollten folgende Fragen beantwortet werden: • Welche Bindemittel sind für eine trockene Bodenstabilisierung in diesen Böden zweckmäßig und welcher Bindemittelgehalt ist notwendig? • Wie funktioniert die Schlitzwandherstellung im stabilisierten Boden? Welche Erkenntnisse hinsichtlich Verformungen und Überprofil können gewonnen werden? • Welche Mantelreibung kann zwischen Zugpfählen und DSV-Sohle erreicht werden? (nicht Gegenstand dieses Beitrags) • Welche Mantelreibung kann zwischen Zugpfählen und Kreidekalk bzw. Zugpfählen und Grundmoräne erreicht werden? (nicht Gegenstand dieses Beitrags) • Welchen DSV-Durchmesser erreicht man im natürlichen Boden bzw. im stabilisierten Boden? (nicht Gegenstand dieses Beitrags) Durch intelligente Instrumentierung und Messysteme wie z. B. Dehnmessstreifen, thermische Integritätsprüfung (TIP-Testing), faseroptische Messsysteme, Inklinometer, Messketten oder Cross-Hole-Sonic-Logging konnte auf alle diese Fragen eine Antwort gefunden werden. Am rechten unteren Rand ist in Abb. 13 (gelb/ schwarz) das Probefeld der Schlitzwand durch den stabilisierten Boden sichtbar. 98 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Abb. 13: Probefeld; Bodenstabilisierung (gelb); DSV (blau); Pfahl-Zugversuche (rot-grün); Schlitzwand (schwarz) (eigene Aufnahme) 3.2 Deep-Dry-Mixing (DDM) Deep-Dry-Mixing ist ein Trockenmischverfahren, bei dem ein Trockenpulver aus Kalk, Zement, eine Mischung aus beidem oder in seltenen Fällen auch Gips oder Hüttensand in den Boden untergemischt wird. Dieses Verfahren wurde ursprünglich in Skandinavien zur Stabilisierung von sehr weichen organischen Tonen entwickelt. Die üblichen Säulendurchmesser liegen bei 0,6 m - 1,0 m (maximal 2,5 m), die Ausführungstiefe liegt in Skandinavien traditionell etwas seichter, mit entsprechender Gerätetechnik können die Säulen aber bis zu 25-m tief ausgeführt werden (Fischer, 2021). Charakteristischerweise bieten sich für das Trockenmischverfahren weiche Böden mit einem natürlichen Wassergehalt von mehr als 40 % an. In diesen Böden ist das Verfahren sehr effektiv und es können typischerweise mit einem Bindemittelgehalt von 100-400 kg/ m³ Scherfestigkeiten von 150-500 kN/ m² erreicht werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass nahezu kein Überschussmaterial durch den Mischprozess entsteht (Kirsch & Bell, 2013). 3.2.1 Gerätetechnik Für das DDM wird üblicherweise ein Bohrgerät bzw. Teleskopmäkler sowie ein Pressure Feeder verwendet. Der Pressure Feeder ist ein Vorratsbehälter, der mittels Druckluft das Bindemittel über Schläuche zum Bohrgerät und zum Mischwerkzeug selbst führt. Ein mobiler Bindemittelsilo versorgt den Pressure Feeder laufend mit Bindemittel (Abb. 14). Am Werkzeug direkt wird die erforderliche Bindemittelmenge in den Boden untergemischt. Der Bohrmeister kann durch die Liveübertragung der Daten auf den Bildschirmen im Bohrgerät die Bindemittelmenge jederzeit anpassen. Damit schweres Gerät auf dem weichen kohäsiven Alluvium sich überhaupt bewegen kann, wurde eine Arbeitsplattform geschüttet. Für dieses Projekt wurde speziell ein hybrides Mischwerkzeug (Abb. 15) entwickelt, das die verdichtete Arbeitsplattform durchörtern kann, sowie gleichzeitig aber die notwendige Mischenergie auf bringt, um die weichen marinen Sedimente homogen mit dem Bindemittel zu vermischen (Fischer, 2021). Abb. 14: Gerätetechnik DDM; mobiler Bindemittelsilo (links); Bohrgerät mit Pressure Feeder (rechts) (eigene Aufnahme) 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 99 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten Abb. 15: Hybrides Mischwerkzeug (eigene Aufnahme) In Abb. 16 ist ein Herstellprotokoll einer Säule dargestellt. Die rote Linie zeigt die erreichte Tiefe der Säule, die blaue Linie den in jeder Bodenschicht eingebrachten Bindemittelgehalt, die orange Linie den Luftdruck und die schwarze Linie den hydraulischen Gerätedruck. Abb. 16: Auszug aus einem Herstellprotokoll einer DDM-Säule (eigenes Protokoll) 3.2.2 Laborversuche Zu Beginn musste das geeignete Bindemittel für die Bodenstabilisierung gefunden werden. Dazu wurden Kalk, Kalk-Zement, Zement, Zement-Hüttensand und Kalk-Zement-Hüttensand in Bindemittelanteilen zwischen 3 % und 10 % im Labor dem natürlichen Boden zugemischt und getestet. Triaxialversuche nach 7 und 28 Tagen ergaben eine erste Abschätzung über die erreichten Festigkeiten. Die Ergebnisse sind in Abb. 19 dargestellt. Im optimalen Bereich zwischen 30 kN/ m² und 150-kN/ m² wäre eigentlich ungelöschter Kalk als Bindemittel. Jedoch hat man mit Laborversuchen und schlussendlich auch am Probefeld feststellen müssen, dass es zwischen Kalk und Bentonit zu einem Ionenaustausch und somit zu einer plötzlichen Separation des Bentonits bei der Schlitzwandherstellung kommt. Abb. 17: Separation des Bentonits am Probefeld (links); funktionierende Bentonitsuspension (rechts) Abb. 18: Erhöhtes Absetzmaß im Labor durch Separation des Bentonits Das Bindemittel, das die geringste Reaktion mit Bentonit zeigte, sowie innerhalb der Grenzen war, war Hüttensand/ Zement. Dieses wurde schließlich für die Bodenstabilisierung gewählt. An den Laborproben sowie an den durchgeführten Drucksondierungen konnte man erkennen, dass es zwar schnell zu einer Sofortreaktion 100 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten (innerhalb 24 Stunden) kommt, sich die Festigkeit aber noch weiterentwickelt. In der Literatur gibt es dafür Erfahrungswerte für die Langzeitfestigkeit, die typischerweise etwa das 1,4 bis 1,5-fache der 28 Tage Festigkeit erreicht (Kirsch & Bell, 2013). Diese Langzeitfestigkeit musste für das Bauprojekt ebenfalls berücksichtigt werden, da das Düsenstrahlverfahren zeitlich deutlich 1 Jahr nach Herstellung der Schlitzwand zur Ausführung kommt. Zusätzlich gibt es in der Literatur Erfahrungswerte, dass die tatsächliche erreichte Scherfestigkeit 50-100 % der Laborergebnisse sein können. (Kirsch & Bell, 2013). Am Probefeld sowie am Hauptprojekt ausgeführte Drucksondierungen (Abb. 20) zeigten, dass es zu einer akzeptablen Erhöhung der undrainierten Scherfestigkeit im kohäsiven Alluvium gekommen ist. Durch die Erprobung im Labor als auch am Probefeld konnte das optimale Bindemittel sowie der optimale Bindemittelgehalt schon vor Beginn des Hauptprojektes gewählt und somit Risiken für das Hauptprojekt minimiert werden. Abb. 19: Ergebnisse der Laborversuche: ALV-C = kohäsives Alluvium (C1); ALV-C Organic = kohäsives Alluvium mit erhöhtem organischem Anteil (C3); in Rot hervorgehoben das gewählte Bindemittel Abb. 20: Auswertung der undrainierten Scherfestigkeiten nach 7, 14, 28, 56 und 112 Tagen mithilfe Drucksondierungen 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 101 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten 3.3 Schlitzwandaushub 3.3.1 Horizontale Verformungen Abb. 21: Horizontale Verformungen an Inklinometer IN32; dargestellt die einzelnen Inklinometermessungen während der Herstellung des Schlitzes Für den Schlitzwandaushub wurden Inklinometer in Abständen von 1,0 m und 5,0-m zur Schlitzwandachse installiert. Nach Aushub wurde der Schlitz noch eine-Woche lang offen gehalten, um Informationen zu sammeln, wie der Boden dadurch reagiert. Die horizontalen Verformungen konnten an allen Punkten innerhalb von 10 mm gehalten werden (Abb. 21): • Nach Aushub des offenen Schlitzes (in diesem Fall ein Einzelstich von 3,4-m) waren die horizontalen Verformungen an jedem Punkt unter 2 mm. • Eine Woche nach Aushub wurden bis zu 10 mm horizontale Verformungen gemessen - mit Zunahme der Zeit stiegen die Verformungen deutlich an. 3.3.2 Überprofil An den Bewehrungskörben wurden TIP-Sensoren (TIP = Thermal Integrity Profile) angebracht, um die Hydratationswärme zu messen. Diese Aufzeichnungen der Temperaturen über die Tiefe geben Auskunft über die Form des betonierten Schlitzwandelements. Eine gerade Linie zeigt gleiche Temperaturen und somit eine „geradlinige Schlitzwand“, eine Ausbauchung gibt Anzeichen auf ein Überprofil. In Abb. 22 und Abb. 23 ist jeweils ein aufgenommenes Temperaturprofil in der Schlitzwand dargestellt. Links ohne geeignete Bodenstabilisierung sowie rechts mit erfolgreicher Bodenstabilisierung. Abb. 22: Aufgenommenes Temperaturprofil in der Schlitzwand ohne geeignete Bodenstabilisierung (links) Abb. 23: Aufgenommenes Temperaturprofil in der Schlitzwand mit erfolgreicher Bodenstabilisierung (rechts) 102 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Deep-Dry-Mixing zur Ermöglichung einer Schlitzwandherstellung in weichen marinen Sedimenten 4. Fazit Durch die Planung einer geeigneten Bodenstabilisierung vor dem Schlitzwandaushub konnten horizontale und vertikale Verformungen während der Herstellung sowie das Überprofil der Schlitzwand deutlich reduziert werden. Besonderes Augenmerk muss dabei der Bindemittel-Bentonit-Interaktion geschenkt werden. Die meisten gängigen Bindemittel in der Bodenstabilisierung führen zu einer Bentonitkontamination. Durch die richtige Wahl des Bindemittels und/ oder durch entsprechende Zusatzmittel für das Bentonit kann das Risiko einer Segregation reduziert werden und diese Problematik gelöst werden. Literatur Arup, National Highways & Balfour Beatty, 2017. A63 Castle Street Improvement - Ground Investigation Report, London: Ove Arup & Partners Ltd. Fischer, L., 2021. Verfahrensanweisung Deep Dry Mixing (DDM) mit Datenanalyse der hergestellten DDM-Säulen am Bauvorhaben A63 Castle Street in Kingston Upon Hull, UK. Hochschule Karlsruhe: Fakultät für Architektur und Bauwesen. Kirsch, K. & Bell, A., 2013. Ground Improvement. Third Edition Hrsg. 6000 Broken Sound Parkway NW, Suite 300, Boca Raton, FL 33487-2742: CRC Press, Tylor & Francis Group. Lächler, A., Neher, H. P. & Gebeyehu, G., 2006. A comparison between monitoring data and numerical calculation of a diaphragm wall construction in Rotterdam. Proceedings of the International Conference on Numerical Simulation of Construction Processes in Geotechnical Engineering for Urban Environment, 23-24 März. National Highways, Arup & Balfour Beatty, 2017. A63 Castle Street - Underpass - Approval in Principle, London: Ove Arup & Partners Ltd. Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H., 2021. A63 Castle Street Improvement - Dry Deep Mixing Columns - Southern Diaphragm Wall - Longitudinal Section. Wien: Zentrale Technik. Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H., 2021. A63 Castle Street Improvement - Dry Deep Mixing Columns Ch 1340-1420 - Plan View. Wien: Zentrale Technik. Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H., 2021. A63 Castle Street Improvement - Dry Deep Mixing Columns Ch 1460 - 1660 - Typical Cross-Section. Wien: Zentrale Technik. Autor: Vorname, Name: Yannick Scherpereel Titel: Dipl.-Ing. Firma, Abteilung: Züblin Spezialtief bau Ges.m.b.H., Bereich Insond Adresse: Donau-City-Straße 1, A-1220 Wien Tel: +43 (0)676 65 94 203 Fax: +43(0)1 22422 2604 mail: yannick.scherpereel@zueblin.at internet: http: / / www.zueblin.at Co-Autor: Vorname, Name: Luca Fischer Titel: M. Eng. Firma, Abteilung: Züblin Spezialtief bau Ges.m.b.H., Bereich Insond Adresse: Donau-City-Straße 1, A-1220 Wien Tel: +49 (0)170 2003932 Fax: +43(0)1 22422 2604 mail: luca.fischer@zueblin.de internet: http: / / www.zueblin.at