Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2024
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Ausbau der A8 bei Pforzheim
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Lukas Riedl
Sabrina Kirsch
Stephan Böker
Der vorliegende Beitrag behandelt die Planung einer in etwa 280 m langen und über 20 m hohen als Lisenenwand ausgeführten Hangsicherung, welche im Zuge des Ausbaus der A8 bei Pforzheim hergestellt wird. Bei einer Lisenenwand werden vertikale Stahlbetonpfeiler (Lisenen) hergestellt und diese dauerhaft in den Baugrund verankert. Im Lockergestein oder im verwitterten Fels ist für die Herstellung der Lisenen eine zusätzliche temporäre Hangsicherung erforderlich, welche bei dem hier vorgestellten Bauwerk als Spritzbetonvernagelung ausgeführt wird. Der Beitrag gibt einen Einblick in die Ausführungsplanung eines solchen Bauwerks und geht auf ausgewählte Besonderheiten und Fragestellungen ein. Dies sind beispielsweise Themen wie die kleinräumig stark wechselnden geologischen Randbedingungen oder die Besonderheit, dass zwei unterschiedliche Sicherungssysteme (Verankerung und Spritzbetonvernagelung) auf gleichem Raum und zur gleichen Zeit hergestellt werden. Des Weiteren wird auf die Optimierung des Bauwerks im Zuge der Ausführungsplanung eingegangen.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 103 Ausbau der A8 bei Pforzheim Ausführungsplanung einer verankerten Lisenenwand zur Sicherung eines ca. 20 m tiefen Einschnitts Lukas Riedl, M. Eng. Ed. Züblin AG, Stuttgart Sabrina Kirsch, M. Eng. Züblin Spezialtiefbau GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Stephan Böker Ed. Züblin AG, Stuttgart Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag behandelt die Planung einer in etwa 280 m langen und über 20 m hohen als Lisenenwand ausgeführten Hangsicherung, welche im Zuge des Ausbaus der A8 bei Pforzheim hergestellt wird. Bei einer Lisenenwand werden vertikale Stahlbetonpfeiler (Lisenen) hergestellt und diese dauerhaft in den Baugrund verankert. Im Lockergestein oder im verwitterten Fels ist für die Herstellung der Lisenen eine zusätzliche temporäre Hangsicherung erforderlich, welche bei dem hier vorgestellten Bauwerk als Spritzbetonvernagelung ausgeführt wird. Der Beitrag gibt einen Einblick in die Ausführungsplanung eines solchen Bauwerks und geht auf ausgewählte Besonderheiten und Fragestellungen ein. Dies sind beispielsweise Themen wie die kleinräumig stark wechselnden geologischen Randbedingungen oder die Besonderheit, dass zwei unterschiedliche Sicherungssysteme (Verankerung und Spritzbetonvernagelung) auf gleichem Raum und zur gleichen Zeit hergestellt werden. Des Weiteren wird auf die Optimierung des Bauwerks im Zuge der Ausführungsplanung eingegangen. 1. Einführung Derzeit wird die A8 bei Pforzheim auf einer Länge von ca. 4,8 km von bisher vier auf sechs Fahrstreifen (plus Standstreifen) ausgebaut. Der Ausbauabschnitt befindet sich zwischen den Anschlussstellen Pforzheim-Nord und Pforzheim-Süd und wird aufgrund der Durchfahrung des Enztals als Enztalquerung bezeichnet. Auftraggeber ist die Autobahn GmbH des Bundes. Aufgrund der Trassenverbreiterung sowie der Anpassung der Gradiente ist der Neubau einer Reihe von Ingenieurbauten erforderlich. Zur Verbesserung des Lärmschutzes werden zudem eine ca. 400 m lange Lärmschutzeinhausung sowie mehrerer Lärmschutzwände- und wälle hergestellt. Im Jahr 2021 erfolgte die Vergabe der Arbeiten an die Strabag GmbH, Direktion Baden-Württemberg, wobei der Ingenieurbau von der Ed. Züblin AG und der Spezialtief bau von der Züblin Spezialtief bau GmbH übernommen wurde. Für die Aufstellung der Ausführungsstatiken- und Pläne für das Gewerk Spezialtief bau wurde das konzerneigene Technische Büro Tief bau (TBT) von Züblin beauftragt. Von Stuttgart in Richtung Karlsruhe fahrend, steigt die Gradiente der Bestandsfahrbahn nach der Überquerung der Enz im Bereich des sogenannten Karlsruher Hangs deutlich steiler an als es nach dem heutigen Standard für Autobahnneubauten üblich ist. Aufgrund der im Zuge des Ausbaus reduzierten Längsneigung und vergrößerten Fahrbahnbreite wird ein Hangeinschnitt erforderlich, welcher auf der Seite der Fahrtrichtung Stuttgart zum Teil über 20 m unterhalb des Bestandsgeländes liegt. Durch den Bauherrn wurde zur Sicherung dieses Höhensprungs eine Lisenenwand ausgeschrieben. Abb. 1 zeigt die Lage des Bauwerks zum Zeitpunkt des Baubeginns im Frühjahr 2023 (Blickrichtung Süd-Ost). Der Endaushub liegt in etwa 10 m unterhalb der ursprünglichen Fahrbahnoberkante. Im Folgenden wird das Konzept des Bauwerks erläutert und auf ausgewählte Aspekte der Ausführungsplanung eingegangen. Abb. 1: Lage des Bauwerks [1] 104 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Ausbau der A8 bei Pforzheim 2. Konzeption des Bauwerks Als Lisenenwand (auch Rippenwand) wird ein System zur Hangsicherung bezeichnet, bei welchem vertikale, verankerte Stahlbetonpfeiler (Lisenen) hergestellt werden. Diese dienen der vertikalen Lastverteilung der Ankerkräfte. Die Oberfläche des Untergrunds zwischen den Lisenen kann je nach Beschaffenheit ungesichert bleiben (kompakter Fels), muss oberflächlich mit Spritzbeton vergütet oder zusätzlich gesichert werden. Falls erforderlich, bestehen für die Sicherung der Oberfläche zwischen den Lisenen verschiedene Möglichkeiten, welche in [2] beschrieben werden. In Abb. 2 ist das Prinzip des an der A8 auszuführenden dauerhaften Systems im horizontalen Schnitt dargestellt. Abb. 2: Prinzip Lisenenwand in der Draufsicht [2] Die Entwurfsbearbeitung für das Bauwerk erfolgte durch die Ingenieurgemeinschaft A8 Pforzheim. Der Entwurf sieht eine 1: 5 (79 ° zur Horizontalen) geneigte Wand mit Spritzbetonsicherung der Oberfläche vor. Die Lisenen werden im Zuge des Aushubs abschnittsweise in Schritten von ca. 5 m in Ortbetonbauweise hergestellt. Im Entwurf vorgesehen waren Lisenen mit je zwei bzw. einem Litzenverpressanker (unterste Lage). In Summe waren 9- Ankerlagen (mit einem vertikalen Abstand von ca. 2,50-m) und 5 Lisenenabschnitte geplant. Um die Standsicherheit eines Lisenenabschnitts mit ca. 5 m Höhe sicherzustellen, wurde eine temporäre Hangsicherung mittels Spritzbetonvernagelung vorgesehen. Die Nägel wurden als temporäre Bauteile ausgeschrieben und können daher nicht im Endzustand berücksichtigt werden. Die Ausführungsplanung für die temporäre und dauerhafte Hangsicherung vom TBT aufgestellt, während die Massivbauplanung der Lisenen an ein externes Büro vergeben wurde. Die in Abb. 3 dargestellte Skizze zeigt die tragenden Elemente der oberen drei Abschnitte der Lisenenwand im Querschnitt (entsprechend Ausführungsplanung). Folgender Arbeitsablauf ergibt sich für das dargestellte System: 1. Abschnittsweise Herstellung Spritzbetonvernagelung bis zur UK des 1. Lisenenabschnitts. BGS. Nagelwand (Aushub, Spritzbeton und Nagelherstellung). Parallel erfolgten das Bohren und der Einbau der Anker. 2. Herstellen der Lisenen und Festlegen der Anker im 1.-Lisenenabschnitt 3. Weitere abwechselnde Herstellung von Nagelwand und Lisenen bis zum Erreichen des Endaushubs. Abb. 4 zeigt die Lisenenwand nach Fertigstellung des zweiten Abschnitts und die Fortsetzung des Aushubs zur Herstellung des dritten. Für den horizontale Achsabstand zwischen den Lisenen und somit auch der Anker wurden 2,50 m festgelegt. Die Wand wird durch eine Zwischenberme unterteilt. In Längsrichtung erstreckt sich das Bauwerk über 280 m, wobei die Höhe im Endzustand im Mittleren Bereich ca. 20 m und an den Randbereichen ca. 10 m beträgt. Beidseitig schließen massive Schwergewichtsstützwände an. Abb. 3: Skizze Querschnitt Lisenenwand Abb. 4: Fertiggestellter 2. Abschnitt Lisenenwand 3. Baugrund Während auf der Stuttgarter Seite (südliche Seite) des Enztals oberflächennah die Buntsandsteinformation ansteht, wird diese auf Seiten des Karlsruher Hangs (nördliche Seite) von den Gesteinen des Muschelkalks überlagert. Es treten hier die Schichten des Oberen, Mittleren und Unteren Muschelkalks auf. Da der geotechnische Bericht vor der Festlegung auf die Sicherung des Hanganschnitts mittels Lisenenwand erstellt wurde, enthielt dieser keine spezifischen Informationen in Bezug auf das Bauwerk. Hangseitig lag lediglich ein Bohrprofil zur Ableitung der Schichtenfolge entlang der Abwicklung der Wand über 280 m vor. Da innerhalb des Bereichs auch mehrere Verwerfungen vermutet wurden, war es zwingend erforderlich, Nacherkundungen auszuführen, um eine belastbare Bemessung durch- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 105 Ausbau der A8 bei Pforzheim führen zu können. In Abstimmung zwischen Auftragnehmer, Auftraggeber und dem Aufsteller des geotechnischen Berichts, wurden, unter Berücksichtigung der Bauwerksabmessungen und der vorgesehenen Lage der Anker, acht zusätzliche Bohrungen abgeteuft. Unterhalb des in geringer Mächtigkeit aufgeschlossenen Hanglehms steht zunächst der verwitterte und in tieferer Lage der unverwitterte Oberer Muschelkalk an. Darunter folgt die Verwitterungszone des Mittleren Muschelkalks. In Abb. 5, a) bis c), ist der angetroffene Muschelkalk in unterschiedlichen Verwitterungszuständen erkennbar. Die Gesteine des Muschelkalks sind in unterschiedlicher Ausprägung verkarstet. In Tab. 1 sind die für die Bemessung herangezogenen Kennwerte aufgelistet. Diese entsprechen im Allgemeinen den Mittelwerten der im Geotechnischen Bericht angegebenen Bandbreiten. Tab. 1: Mittlere bodenmechanische Kennwerte Schicht Verwitterungsstufe Reibungswinkel j‘ Kohäsion c‘ Wichte (feucht) g ‘ Wichte (Auftrieb) g ‘ [°] [kN/ m 2 ] [kN/ m 3 ] [kN/ m 3 ] Verwitterungszone Oberer Muschelkalk 3-4 30 5 21 11 Oberer Muschelkalk 1-2 45 - 27 17 Verwitterungszone Mittlerer Muschelkalk 3-5 27,5 10 21 11 a) b) c) Abb. 5: Muschelkalk: a) Kalksteinbruchstücke als Verwitterungsprodukt; b) Tone/ Schluffe als Verwitterungsprodukt; c) Schwach verwitterter Oberer Muschelkalk Abb. 6: Ausschnitt aus Abwicklung Ausführungsplanung 106 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Ausbau der A8 bei Pforzheim Entsprechend den Angaben im geotechnischen Bericht wurden aufgrund der Höhenversprünge der Schichtgrenzen im Bereich der Lisenenwand sechs die Bauwerksachse schneidende, Verwerfungen vermutet, wobei der vertikale Versatz zwischen 2 m und 30 m beträgt. Dies hat zur Folge, dass für die Festlegung der Bemessungsschnitte Annahmen auf der sicheren Seite getroffen werden müssen, da trotz der durch die Nacherkundungen reduzierten Abstände zwischen den Aufschlüssen, erhebliche Unsicherheiten bzgl. des Verlaufs der Schichtgrenzen bestehen. Abb. 6 zeigt einen Ausschnitt aus der Abwicklung des Ausführungsplans, in welchem die vermuteten Schichtgrenzen farblich gekennzeichnet sind. Der Übergang der Schichtgrenzen ist jedoch nicht immer eindeutig bestimmbar und verläuft fließend. Da die Schichtmächtigkeit der verwitterten oder unverwitterten Bereiche einen erheblichen Einfluss auf die zu führenden Standsicherheitsnachweise hat (vgl. Scherparameter), besteht die Gefahr, dass eine zu einfach und zu sehr auf der sicheren Seite gewählte Schichtfolge, zu einer unwirtschaftlichen Bemessung führt. Entsprechend dem vermuteten Verlauf der Schichtgrenzen, wurden über die Abwicklungslänge der Lisenenwand fünf geologische Bemessungsprofile festgelegt. Für die Bemessung der Verankerung wurden im geotechnischen Bericht Ankerkräfte für eine Verpresskörperlänge von 6,0 m angegeben (s. Tab. 2). Die Werte entsprechen den maximalen charakteristischen Gebrauchskräften und nicht den maximalen Herausziehwiderständen. Aufgrund der wechselhaften Schichtenfolge ist eine seriöse Vorhersage, in welcher Schicht der Verpresskörper eines Ankers zum liegen kommt, kaum möglich. Würde ein Verpresskörper fälschlicherweise dem unverwitterten Oberen Muschelkalks zugeordnet werden, so würde die Gefahr bestehen, dass der Herausziehwiderstand des Ankers um 100 % überschätzt wird. Aus diesem Grund wurde die maximale Gebrauchskraft konservativ für alle Anker auf 500 kN beschränkt. Tab. 2: Max. Gebrauchskräfte Verankerung Schicht Max. Gebrauchskraft [kN] 5a - Verwitterungszone Oberer Muschelkalk 500 5b - Oberer Muschelkalk 1000 6 - Verwitterungszone Mittlerer Muschelkalk 500 4. Planung der Hangsicherung Im folgenden Kapitel soll ein Einblick in die Erstellung der Ausführungsplanung der Hangsicherung gegeben werden. Hierbei wird im Besonderen auf die maßgebenden Komponenten Vernagelung, Verankerung und Spritzbetonsicherung eingegangen. 4.1 Allgemein Die Besonderheit bei der Planung der Lisenenwand liegt darin, dass zwei unterschiedliche Sicherungsmethoden eingesetzt werden, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Zwecke erfüllen. Die Sicherungen können jedoch nicht unabhängig voneinander geplant werden, da die Wahl der Arbeitsebenen für die Herstellung eines Lisenenabschnitts bzw. die Lisenenlänge und -lage einen maßgebenden Einfluss auf die Ausbildung beider Elemente haben. Unter anderem müssen folgende Punkte bei einer durchdachten Wahl der Arbeitsebenen aufeinander abgestimmt werden: • Vertikale Nagelabstände • Vertikale Ankerabstände • Lage der Arbeitsebenen für Anker- und Nagelherstellung • Einfluss auf die Arbeitsabläufe auf der Baustelle • Berücksichtigung bereits festgelegter Anker bei der Bemessung nachfolgend auszuhebender Nagelwandabschnitte. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit, die Höhe der Lisenenabschnitte etwas zu vergrößern, um dadurch einen Abschnitt und eine Arbeitsfuge einzusparen, was sowohl für die Planung als auch für den Massivbau einen reduzierten Arbeitsaufwand bedeuten würde. Im Gegenzug führt dies jedoch dazu, dass die mittels Spritzbetonvernagelung zu sichernde Höhe größer wird und in der Folge engere Nagelraster längere Nägel erforderlich werden. Weiter führt die größere Arbeitshöhe zu Mehraufwand bei Betonage und Festlegung der Anker. Diese Fragestellungen wurden im vorliegenden Fall vorab zwischen Planer und Baustelle abgestimmt, wobei als Entscheidungsgrundlage verschiedenste Varianten untersucht und berechnet wurden. Beim vorliegenden Bauwerk wurde an der Stelle mit der maximalen Höhe und der ungünstigsten Baugrundschichtung eine Anordnung mit fünf Lisenenabschnitten, welche jeweils mit zwei Ankern bestückt sind, gewählt. Diese teilen sich auf in drei Abschnitte oberhalb (Abschnitt 1.1 bis 1.3) und zwei unterhalb (Abschnitt 2.1 bis 2.2) der vorgesehenen Berme. Abb. 7 zeigt einen Querschnitt der Ausführungsplanung, wobei die genannten Abschnitte gekennzeichnet sind. Der Abschnitt 2.3 liegt unterhalb der untersten Lisene und dient als temporäre Baugrubensicherung für die Herstellung der Straßenentwässerung. In Bereichen mit günstigerer Baugrundschichtung und etwas geringerer Wandhöhe wurde abweichend zum dargestellten System beispielsweise eine Anordnung mit zwei Lisenenabschnitten mit fünf Ankerlagen oberhalb der Berme sowie ein Lisenenabschnitt mit drei Ankerlagen unterhalb der Berme gewählt. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 107 Ausbau der A8 bei Pforzheim Abb. 7: Querschnitt mit Abschnitten Lisenen/ Nagelwand Abb. 8: Verlauf Wandoberkante im Randbereich Die Oberkante des Bauwerks folgt, wie in Abb. 8 zu erkennen, dem Gelände, was unterschiedliche, zu berücksichtigende Wandhöhen zur Folge hat. Bei der Festlegung der statischen Schnittbereiche waren nun neben der Geometrie auch die wechselnden geologischen Randbedingungen zu berücksichtigen. Um deshalb nicht unzählige statische Schnitte mit hohem zeittechnischem Aufwand berechnen zu müssen, sind Vereinfachungen auf der sicheren Seite erforderlich. Für die Lisenenwand ergaben sich allerdings trotz Vereinfachungen insgesamt 12 statische Schnitte. Je nach Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit der Planung wurde jedoch maßgebende Bemessungen geführt, welche auf der sicheren Seite für mehrere Schnitte gültig sind. 4.2 Vernagelung Nach der Herstellung der ersten Voraushubebene folgt zunächst der Einbau der Bodennägel. Diese bestehen aus einem Zugglied aus Stahl (hier Gewindestahl) und weisen über die gesamte Länge durch Verpressen mit Zementsuspension einen kraftschlüssigen Verbund mit dem Boden auf. Die Wirkungsweise entspricht daher einer Bewehrung des Bodens. Hinweise zur Bemessung von Hangsicherungen mit Bodennägeln gibt die DIN 1054, Abs. 11.5.4 (Einwirkungen und Beanspruchungen) [3]. Da keine detaillierten normativen Vorgaben für die Bemessung existieren, sind diese in den bauaufsichtlichen Zulassungen für das System Bodenvernagelung enthalten (s. Tab. 3). Inhaltlich bestehen zwischen den Zulassungen der verschiedenen Hersteller in Bezug auf die Bemessung keine Unterschiede. Für Felsnägel existieren keine entsprechenden Zulassungen oder eng gefasste Richtlinien für die Bemessung. Für weiterführende Informationen bzgl. der Bemessung von Nagelwänden sei auf [4] verwiesen. Die Planung der temporären Vernagelung erfolgte anhand der Vorgaben der bauaufsichtlichen Zulassung für Bodennägel [5]. Da im Bereich des Bauwerks vorwiegend zu Lockergestein verwitterter Fels erwartet wurde, war eine Zuordnung zum System Bodenvernagelung geboten. Für die Planung der in Abb. 7 dargestellten fünf Lisenenabschnitte (1.1 bis 2.2) waren pro Berechnungsschnitt fünf verschiedene Nagelwände zu bemessen. Bei 12 statischen Schnitten ergäbe sich theoretisch eine Ge- 108 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Ausbau der A8 bei Pforzheim samtzahl von 60 Berechnungen. Trotz erheblichen Vereinfachungen und Zusammenfassung von Bereichen mit nur gering unterschiedlichen Randbedingungen verblieben immer noch 16 separate Berechnungen für die Vernagelung. Für die Bemessung wurde das Programm DC-Nagel verwendet. Das Programm bietet die Möglichkeit, alle in Tab. 3 aufgelisteten Nachweise automatisiert zu führen, genutzt wurde es allerdings nur für die Nachweise im Grenzzustand GEO-2 und GEO-3. Die Software ermittelt hierbei automatisiert sämtliche Lasten und zu untersuchenden Bruchkörper. Bei der Berechnung von zusammengesetzten Bruchmechanismen mit gerader Gleitlinie, welche meist maßgebend für die Festlegung der Nagelparameter sind, kann der Anwender allerdings keinen Einfluss auf die Auswahl der zu untersuchenden zusammengesetzten Bruchmechanismen mit gerader Gleitlinie und kreisförmigen Gleitlinien nehmen und diese auch nur bedingt prüfen (Tabelle mit allen untersuchten Körpern vorhanden). Es wurden daher einzelne Vergleichsberechnungen mit der Software GGU Stability durchgeführt, welche diesbezüglich einen größeren Funktionsumfang bietet. Die Ergebnisse zeigten bei der Untersuchung von zusammengesetzten Bruchmechanismen eine gute Übereinstimmung zwischen beiden Programmen. Bei der zusätzlich üblichen Untersuchung von kreisförmigen Gleitlinien erwies es sich als problematisch, dass kein Einfluss auf die Wahl der zu untersuchenden Bruchkörper genommen werden kann, worauf im folgenden Absatz nochmals eingegangen wird. Abb. 9 zeigt beispielhaft den Berechnungsausdruck der Nagelwand für die Herstellung des dritten Lisenenabschnitts (Abschnitt 1.3 entsprechend Abb. 7). Dargestellt ist hierbei der maßgebende zusammengesetzte Bruchmechanismus mit gerader Gleitlinie sowie der maßgebende Gleitkreis. Da die oberen Lisenen zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt sind, können die ersten vier Ankerlagen mit der zugehörigen Festlegekraft in der Berechnung berücksichtigt werden. Es ist zu erkennen, dass der maßgebende zusammengesetzte Bruchmechanismus durch die Verankerung so weit in bergseitige Richtung verschoben wird, dass dieser aufgrund der flach geneigten unteren Begrenzungslinie unproblematisch ist. Der Nachweis wäre in diesem Fall auch ohne die zusätzlichen Nägel im unteren Bereich erfüllbar. Erforderlich sind diese demzufolge lediglich zur Aufnahme des auf die Wandschale wirkende Erddrucks. Betrachtet man den Ausnutzungsgrad der maßgebenden kreisförmigen Gleitfläche, so entsteht bei einem Ausnutzungsgrad von 1,02 zunächst der Eindruck einer sportlichen Bemessung. Tatsächlich zeigt sich hier jedoch beispielhaft die Problematik einer mangelnden Steuerungsmöglichkeit der zu untersuchenden Bruchkörper. Die Tangente des dargestellten Gleitkreises erreicht in der oberen Hälfte der Wandhöhe die Senkrechte und wird daher ab dieser Stelle durch eine vertikale Gerade abgeschnitten. Entlang dieser Geraden wirken rechnerisch keine rückhaltenden Scherkräfte und die Anker sind aufgrund des Schnittwinkels von Anker und Gleitlinie wirkungslos bzw. müssten sogar abtreibend angesetzt werden. Tatsächlich wirken entlang der Geraden, insbesondere aufgrund der erhöhten Normalspannung infolge der Ankerkräfte, Scherkräfte, weshalb der dargestellte Gleitkreis tatsächlich nicht maßgebend ist. Der maßgebende Gleitkreis müsste in etwa den geraden Gleitlinien des zusammengesetzten Bruchkörpers folgen und einen zumindest ähnlichen Ausnutzungsgrad ergeben. Als Folge der mangelnden Kontrollmöglichkeiten über die untersuchten Bruchkörper besteht somit das Risiko einer Überbemessung der Nägel. Tab. 3: Erforderliche Nachweise für Bodenvernagelung aus [5] Nachweis Grenzzustand/ Nachweisverfahren Abschnitt in vernagelte Stützkonstruktion Grundbruch GEO-2 DIN EN 1997-1 DIN 1054 Gleiten GEO-2 6.5.2 6.5.2 Stark exzentrische Belastung GEO-2 6.5.3 6.5.3 Gesamtstandsicherheit GEO-3 6.5.4 6.5.4 Nägel Materialversagen STR 11.5.1 11.5.1 Herausziehen GEO-3 A 11.5.4.2 Außenhaut Teilflächenbelastung, Durchstanzen etc. A 11.5.4.1 Anmerkung: Die Teilsicherheitsbeiwerte sind DIN 1054, Tabellen A 2.1 bis A 2.3 zu entnehmen. Abb. 9: Bemessung Vernagelung Abschnitt 1.3 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 109 Ausbau der A8 bei Pforzheim Abb. 10: Nagelabstände in der Ansicht Entsprechend den bauaufsichtlichen Zulassungen ist bei Bodenvernagelungen ein maximaler Nagelabstand von 1,5 m in vertikaler und horizontaler Richtung zulässig. Größere Abstände werden jedoch erlaubt, wenn ein „räumlicher Standsicherheitsnachweis“ geführt wird. Eine konkrete Definition oder ein Verweis, wie solch ein räumlicher Nachweis zu führen ist, liegt jedoch nicht vor und ist auch in weiterführenden Quellen nicht zu finden. Aufgrund der temporären Funktion der Nägel und da der Boden über weite Bereiche felsige bzw. felsähnliche Eigenschaften aufweist, war es naheliegend, in Teilbereichen eine Vergrößerung der Nagelabstände anzustreben, um den geforderten „räumlichen Nachweis“ zu erfüllen. Die Forderung aus der bauaufsichtlichen Zulassung wurde in diesem Fall so interpretiert, dass lediglich die Spritzbetonschale als räumliche Platte zu bemessen ist (s. Abs. 4.4). Hierdurch wird sichergestellt, dass der Boden zwischen den Nägeln gehalten ist und die Last aus Erddruck „räumlich“ zu den punktuellen Auflager der Nagelköpfe abgetragen wird. Die Rückhängung der Lasten am Nagelkopf in den Baugrund ist durch die erforderlichen Nachweise sichergestellt. Bei größer werdendem Abstand der Nägel kann allerdings hierbei kritisiert werden, dass das System nicht mehr der Definition einer Bodenvernagelung entspricht, da die Dichte der Nägel zu gering ist, um einem monolithischen Bodenblock (bewehrter Erdkörper) aufgrund des Verspannungseffekts der Nägel zu entsprechen. Vielmehr geht das System über in eine mittels Verpresspfählen rückverankerte Spritzbetonschale. Die Anwendung der für die Bodenvernagelung erforderlichen Nachweise auf dieses System ist jedoch nach wie vor mechanisch schlüssig. Aufgrund der unklaren Regelung in den Zulassungen wurde das genannte Vorgehen mit dem bautechnischen Prüfer und dem geotechnischen Sachverständigen abgestimmt und daraufhin umgesetzt. Die gewählten Nagelabstände betragen in vertikaler Richtung zwischen 1,50 m und 2,20 m. In horizontaler Richtung müssen die Nägel in Abhängigkeit der Lisenen positioniert werden, weshalb lediglich sinnvolle Abstände von 2,50 m und 1,25 m im Mittel (1,00 m und 1,50 m) möglich sind. Abb. 10 zeigt einen Ausschnitt der Wandansicht mit unterschiedlichen Nagelabständen. Die vertikalen Abstände am Übergang der Lisenenabschnitte von über 2,50 m sind keine rechnerisch berücksichtigten Werte, da die oberen Nägel beim Nachweis der unteren nicht berücksichtigt werden. Stattdessen wird berücksichtigt, dass die Spritzbetonschale an den oberhalb fertiggestellten Lisenen gestützt wird (s. Abs. 4.4). Aufgrund des erläuterten Vorgehens war es möglich, einen erheblichen Anteil der ursprünglich vorgesehenen Nagelmengen eingespart. Ursächlich dafür sind hauptsächlich die über überlegte Anordnung der Lisenenabschnitte, die Vergrößerung der Nagelabstände sowie der Mehraufwand für eine kleinteilige, den lokalen Randbedingungen angepasste Bemessung. 4.3 Verankerung Die Bemessung der Verpressanker erfolgte für den Endzustand in der Bemessungssituation BS-P. Die Anker wurden in den Voraushubzuständen zwar berücksichtigt, allerdings maximal mit der Bemessungslast im Endaushub. Die Ermittlung der maßgebenden Bemessungsankerkraft der Anker erfolgt durch folgende Betrachtungen: • Erddruckermittlung mit aktivem Erddruck • Nachweis der Gesamtstandsicherheit (GEO-3) Die Ermittlung des Erddrucks erfolgte mit der Software DC-Baugrube. Bei der Erddruckermittlung ist vor allem die Festlegung einer Umlagerungsfigur relevant. Gemäß DIN 1054, Abs. A 11.5.4 [3] darf der Erddruck bei vernagelten und verankerten Stützkonstruktionen im Allgemeinen rechteckförmig angenommen werden. Bei einer Wandhöhe von über 20 m und Zwischenberme ist es jedoch fraglich, ob der Erddruck im unteren Bereich nicht deutlich unterschätzt wird. Wird hingegen die klassische Dreiecksverteilung angenommen, so werden die Ankerkräfte im unteren Bereich übermäßig groß. Gewählt wurde schließlich das Vorgehen, den Erddruck für die Wandbereiche ober- und unterhalb der Berme separat zu ermitteln und nur innerhalb der zwei Bereiche eine konstante Erddruckumlagerung anzunehmen (somit über maximal ca. 14 m Höhe). Abb. 11: Nachweis der Gesamtstandsicherheit im Endzustand Für den Nachweis der Gesamtstandsicherheit der Verankerung wurde wieder das Programm DC-Nagel verwendet. Auch wenn es aus der Benennung nicht hervorgeht, 110 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Ausbau der A8 bei Pforzheim so eignet sich dieses auch, um für Verpressanker kreisförmige und zusammengesetzte Bruchmechanismen zu untersuchen sowie zur Bestimmung der erforderlichen Ankerkräfte und -längen. In Abb. 11 ist ein Berechnungsausdruck für den Nachweis der Gesamtstandsicherheit dargestellt. Analog zur Erläuterung für den Nachweis der Vernagelung ist auch an dieser Stelle der vom Programm gefundene maßgebende Gleitkreis zu hinterfragen und liegt tendenziell auf der sicheren Seite. Bei der Festlegung der Lage der Ankerköpfe wurde der Horizontalabstand aus der Entwurfsplanung mit 2,5 m beibehalten. Vertikal ergaben sich Abstände von ca. 2,0 m bis 3,5 m. Die innere Bemessung der Verpressanker erfolgte entsprechend den normativen Vorgaben. Aufgrund der Bemessungsankerkräfte im Bereich von 400 bis 625 kN ergab sich eine erforderliche Anzahl von vier bis fünf Litzen (0,6“, St 1570/ 1770) pro Anker. Die gewählten Ankerlängen liegen zwischen 18 m (untere Lagen) und 30 m (obere Lagen). In den unteren Lagen können kürzere Anker verbaut werden, da in diesem Bereich die maßgebenden Gleitlinien näher an der Wandschale verlaufen und somit die Verpresskörper kürzerer Anker bereits außerhalb der Bruchkörper liegen. 4.4 Spritzbetonschale Die bewehrte Spritzbetonschale wird mit fortlaufendem Aushub hergestellt und dient während der Bauphase als Außenhaut für die Vernagelung und im Endzustand als Sicherung des offenen Bereichs zwischen den Lisenen. Es handelt sich demnach um zwei unterschiedliche statische Systeme, wobei in beiden Fällen die maximale Nagelbzw. Ankerkraft aus der Erddruckbetrachtung und dem Nachweis der Gesamtstandsicherheit zu berücksichtigen ist. Für die Bemessung der Spritzbetonschale auf die Beanspruchung aus der Vernagelung wird innerhalb eines statischen Schnitts für jeden Lisenenabschnitt eine FE-Plattenbemessung durchgeführt (s. auch Abs. 4.2 in Bezug auf den geforderten räumlichen Nachweis). Als Berechnungsmodell wurde ein vertikaler Streifen der Spritzbetonschale mit der Breite eines halben Nagelabstands gewählt. Da die Wand horizontal als unendlich durchlaufend angesehen werden kann, werden die vertikalen Ränder als eingespannt angenommen. Abb. 12 zeigt schematisch die Ansicht des entsprechenden Berechnungsausschnitts und die angenommenen statischen Randbedingungen für horizontale Nagelabstände von 2,50 m. Die Platte wird durch eine flächige Last aus Erddruck beansprucht und ist auf den Nagelköpfen und den bereits hergestellten Lisenen aufgelagert (nicht bei der Herstellung des ersten Lisenenabschnitts). Für die Lastermittlung wurden die beim Nachweis der Gesamtstandsicherheit ermittelten Nagelkräfte in Reaktionslasten an der Spritzbetonschale entsprechend der Einzugsfläche eines Nagels umgerechnet. Abb. 12: Berechnungsausschnitt Spritzbetonbemessung Abb. 13: Lastfigur Spritzbetonbemessung Die so ermittelten Flächenlasten wurden mit den berechneten Erddrücken verglichen und das Maximum für die Spritzbetonbemessung angesetzt. Da zu erwarten ist, dass sich der Lastabtrag zwischen Boden und Spritzbetonschale im Bereich der Nagelköpfe konzentriert, wird eine Umwandlung in eine pyramidenförmige Flächenlast vorgenommen (s. Abb. 13). Es wird demnach eine Gewölbebildung im Baugrund angenommen, wie es auch bei der Bemessung der Ausfachung von Trägerbohl- oder Bohrpfahlwänden, allerdings in einaxialer Richtung, üblich ist (s. EAB EB 47, Abs.3 [6]). Im Bereich der fertiggestellten Lisene wurde der berechnete Erddruck vereinfacht in eine prismatische Lastfigur umgewandelt. Das erläuterte Vorgehen wurde vorab mit dem bautechnischen Prüfer und dem geotechnischen Sachverständigen abgestimmt. Für die Bemessung der Platte wurde das Programm Dlubal RFEM verwendet. Ausgewertet wurden die maximal erforderlichen Bewehrungsmengen im Feld- und Stützbereich je Nagelreihe, woraus sich die einzubauende Mat- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 111 Ausbau der A8 bei Pforzheim tenbewehrung an Erd- und Luftseite ergibt. Aufgrund der bis zu fünf übereinanderliegenden Wandabschnitte und der unterschiedlichen geometrischen Randbedingungen sowie Beanspruchungsgrade in Wandlängsrichtung ergaben sich auch an dieser Stelle unzählige Berechnungsvarianten, welche sinnvoll zu reduzieren waren. Gleichzeitig musste jedoch darauf geachtet werden, die Bewehrungs- und Spritzbetonmassen möglichst gering zu halten. Eine zusätzliche äußere Beanspruchung erfährt die Spritzbetonschale dadurch, dass die Schalung für die Stahlbetonlisenen in dieser verankert wird. Daher erfolgte eine zusätzliche Plattenbemessung unter Berücksichtigung des Frischbetondrucks und der Rückhängung über den Schalungsanker. Die erforderlichen Bewehrungsmengen aus Erddruck und Nagelkraft sowie aus Frischbetondruck und Schalungsanker wurden zur Berücksichtigung des ungünstigsten Falls (Schalungsanker liegt im Feld zwischen zwei Nägel) addiert. Abb. 14: Schalungsanker in Spritzbetonschale verankert Im Endzustand ist die Spritzbetonhaut durchgehend auf den Lisenen aufgelagert, weshalb eine Bemessung als Durchlaufträger ausreichend war. Hierbei wurde ebenfalls eine Gewölbebildung zwischen den Lisenen angenommen und eine dreiecksförmige Lastverteilung gewählt. 5. Aspekte der Ausführung Die Herstellung der Lisenen findet trotz Unterteilung in kleinteilige Abschnitte in bis zu 7,7 m Höhe (maximale Lisenenhöhe) statt. Arbeiten in dieser Höhe sind mit großem zeitlichem Aufwand verbunden. Die Verpressanker werden daher bereits im Zuge des Aushubs von Zwischenaushubebenen aus hergestellt. Um die Arbeiten in der Höhe weiter zu minimieren, wurde von Seiten der Baustelle angestrebt, die Abnahmeprüfung vor der Herstellung der Lisenen durchzuführen. Da zu diesem Zeitpunkt noch kein Ankerauflager vorhanden ist, wurde die in Abb. 15 sichtbare Lastverteilungsplatte hergestellt und die erforderlichen Nachweise für eine ausreichende Lastverteilung und -abtragung geführt. Nach Fertigstellung der Lisenen werden die Anker nur noch festgelegt. Abb. 15: Abnahmeprüfung der Anker auf Spritzbeton Abb. 16: Eingeschalte Lisene Für die Herstellung der Lisenen wird eine dreiseitige Schalung verwendet, wobei an der Rückseite die Spritzbetonwand als Negativschalung dient. Dies hat zur Folge, dass für die Oberfläche des Spritzbetons erhöhte Anforderungen an die Herstellungsgenauigkeit definiert werden mussten. Um die dreiseitige Schalung während der Betonage an der Spritzbetonwand zu fixieren, wurde vonseiten der Baustelle eine Verankerung der Schalung in den Spritzbeton vorgesehen. Die Verankerung erfolgt durch in den Spritzbeton integrierte Einbauteile (s. Abb. 14). Die Beanspruchung der Spritzbetonschale aufgrund des über die Schalungsanker kurzgeschlossenen Frischbetondrucks erforderte eine zusätzliche statische Bemessung (s. Abs. 4.4). In Abb. 16 sind die im Spritzbeton verankerten Schalungsanker an den Seiten der eingeschalten Lisene zu erkennen. Ein nicht unerheblicher Anteil des Arbeitsaufwands für die Herstellung der Spritzbetonvernagelung ergibt sich aus dem Einbau der Mattenbewehrung. Da die Spritz- 112 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Ausbau der A8 bei Pforzheim betonschale in der Bemessung als zweiachsig gespannte Platte berücksichtigt wurde, sind die Matten durchgehend in horizontale und vertikale Richtung zu Übergreifen. In Abb. 17: Spritzbetonschale ist zum Beispiel die Ausführung eines dreimaschigen Stoßes zu erkennen. Da die Stöße in der luft- und bergseitigen Lage versetzt angeordnet werden und der Arbeitsraum nach unten aufgrund der Arbeitsebene begrenzt ist, ergeben sich erhebliche Zwänge, was den Einbau der Matten betrifft. Eine Stückelung der Matten führt stets zu einem unerwünschten Mehraufwand. Es ist daher sinnvoll, dass während der Planung solche Überlegungen bei der Festlegung von Nagelabständen und zulässigen Abschlagshöhen unterhalb der letzten Nagelreihe miteinbezogen werden. Eine vollumfängliche Planung unter Berücksichtigung aller auf der Baustelle vorhandenen Zwänge ist allerdings bei Vernagelungen kaum möglich und auch nicht zielführend. Vielmehr sollte vorab abgestimmt werden, welche Belange planerisch berücksichtigt und welche bauseitig gelöst werden. Abb. 17: Spritzbetonschale In Teilbereichen mit hohen Nagelkräften wurden im Bereich des Nagelkopfs erdseitig größere Bewehrungsmengen erforderlich, als durch eine Listenmatte (Q-Matte) abgedeckt werden kann. Damit nicht großflächig eine zweilagige Bewehrung inklusive Stoß ausgeführt werden muss, wurden lediglich Zulagen im Bereich der Nagelköpfe vorgesehen. In Abb. 17 ist der Übergang zwischen fertiggestellter Spritzbetonvernagelung und dem noch einzuspritzendem Abschnitt unterhalb dargestellt. Zu erkennen sind hierbei die Nägel mit Kalottenplatte (a), der bereits hergestellte Verpressanker (b), die eingebauten Schalungsanker hinter der Bewehrung (c1) und an der Spritzbetonoberfläche (c2) sowie die erforderlichen Drainageöffnungen (d). Für die Nagelköpfe wurden an dieser Stelle Kalottenplatten verwendet, da diese parallel zur Wand eingebaut werden können und nicht zwingend orthogonal zur Nagelachse ausgerichtet sein müssen. 6. Fazit Im vorliegenden Beitrag wurde eine im Bau befindliche, als Lisenenwand ausgebildete Hangsicherung an der A8 bei Pforzheim vorgestellt und Einblicke in verschiedene Aspekte der Ausführungsplanung gegeben. Da für die Herstellung der Lisenen in Ortbetonbauweise eine temporäre Sicherung der bereits abgeschlagenen Wandhöhe erforderlich ist, war im vorliegenden Fall eine Kombination aus temporärer Spritzbetonvernagelung und dauerhafter Verankerung mit Lisenen auszuführen. Die Kombination der beiden konstruktiven Sicherungselemente und deren Abhängigkeit zueinander sowie die Dimensionen des Bauwerks führten dazu, dass es sich nicht um eine ganz alltägliche Planungsaufgabe handelte. Es wurde gezeigt, dass eine kritische Prüfung der vorhandenen geotechnischen Grundlagen durch den Aufsteller der Ausführungsplanung unumgänglich ist und im Zweifel zusätzliche Informationen gewonnen werden müssen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn wie im hier gezeigten Fall die aufeinanderfolgenden Bodenschichten stark unterschiedliche Scherfestigkeiten aufweisen. Bei der Bemessung der Hangsicherung mussten stark wechselnde geologische und geometrische Randbedingungen berücksichtigt werden. Diese hatten wiederum Einfluss auf die aufeinander abzustimmenden Bauteile Vernagelung, Verankerung, Lisenen und Spritzbeton. Die Planung einer sinnvollen und wirtschaftlichen Konstruktion erforderte ein iteratives Vorgehen bei der Berechnung der einzelnen Komponenten. Eine enge Abstimmung mit der bauausführenden Seite ist hierbei unerlässlich. Der Aufwand für die Planung solch einer Konstruktion mit den üblichen analytischen Berechnungsansätzen sollte nicht unterschätzt werden, da die Führung aller erforderlicher Nachweise nicht von den üblichen verfügbaren Softwarelösungen im Gesamtpaket abgedeckt ist und zum Teil für einen Berechnungsschnitt eine Vielzahl von Berechnungsdateien angelegt werden muss. Die Diskussion einer alternativen, in Bezug auf den Berechnungsaufwand Aufwand wahrscheinlich lohnenden, Nachweisführung mithilfe der FEM wurde an dieser Stelle nicht geführt, wäre jedoch sicherlich interessant. Im Zuge der Planung war stets abzuwägen, ob sich eine aufwendige kleinteilige Bemessung lohnt oder vereinfachte Annahmen zu qualitativ ähnlichen Ergebnissen führt. Aufgrund der gewählten Herangehensweise wurden erhebliche Optimierungen ermöglicht. Konkret war dies vorwiegend aufgrund einer überlegten Anordnung der abschnittsweise herzustellenden Lisenen, durch welche die für den Endzustand erforderlichen Daueranker auch für bauzeitliche Zustände sinnvoll herangezogen werden konnte, möglich. Des Weiteren spielte es eine maßgebende Rolle, dass größere Nagelabständen als die in den technischen Zulassungen spezifizierten 1,50 m in horizontale und vertikale Richtung geplant wurden. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 113 Ausbau der A8 bei Pforzheim Sollen die Abstände von Bodennägeln über das Raster von 1,50 × 1,50 m hinaus vergrößert werden, so ergibt sich die Problematik, dass die bauaufsichtlichen Zulassungen dies zwar erlauben, für diesen Fall jedoch einen räumlichen Standsicherheitsnachweis fordern, welcher nirgends definiert ist. Unter der Prämisse, nachhaltige Bauweisen zu fördern, wäre es dringend erforderlich, für diese Fragestellung anerkannte Regeln der Technik zu schaffen. In der aktuellen Situation empfiehlt sich aufgrund der unklaren Regelung, wie im vorliegenden Fall geschehen, eine Vorabstimmung mit dem bautechnischen Prüfer und dem geotechnischen Sachverständigen durchzuführen. Zusammenfassend stellte die Planung der Lisenenwand eine herausfordernde Aufgabe dar, bei welcher viele Abhängigkeiten zu berücksichtigen und auf die Bauausführung abzustimmen waren. In Bezug auf die Nachweisführung mussten zahlreiche Überlegungen über die üblichen Standardvorgehensweisen hinaus angestellt werden. Abb. 18: Panoramaaufnahme Lisenenwand Literatur [1] „AdB, Projektseite Enztalquerung,“ [Online]. Available: https: / / www.autobahn.de/ die-autobahn/ projekte/ detail/ enztalquerung#aktueller-baufortschritt. [Zugriff am 13 11 2023]. [2] H. Brandl, „Stützbauwerke und konstruktive Hangsicherungen,“ in Grundbautaschenbuch, Teil-3, 8. Aufl., Berlin, Ernst und Sohn, 2018. [3] DIN 1054: 2021-04, Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau - Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1. [4] L. Wichter und W. Meiniger, Verankerungen, Vernagelungen und Mikropfähle in der Geotechnik, Ernst und Sohn, 2022. [5] Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, Bodenvernagelung System „Spantec“, Deutsches Institut für Bautechnik, 2022. [6] Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben - EAB, 6. Auflage, Ernst und Sohn, 2021.
