eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2024
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Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21

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Axel Möllmann
Marc Raithel
Tim Kristandt
Patrick Höfler
Florian Jäger
Gebhard Bantle
Michael-Werner Bruss
Christine Reustle
Um den Maßgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und in Zukunft der Ersatzbaustoffverordnung gerecht zu werden, war es im Planfeststellungsabschnitt 1.3a des Bahnprojekts Stuttgart 21 am Stuttgarter Flughafen vorgesehen, dass beim Vortrieb des Flughafentunnels gewonnene Ausbruchmaterial des Schwarzen Juras als Baustoff für die Erstellung der Erdbauwerke der Neubaustrecke wiederzuverwenden. Die Schichten des Schwarzen Juras sind überwiegend als veränderlich festes Gestein zu bewerten und enthalten Pyrit, der durch Oxidation zu Sulfat umgewandelt und in Verbindung mit hydraulischem Bindemittel zu einer Ettringitbildung und damit zu Quellhebungen führen kann. Zur Ermittlung des Quellverhaltens schlägt die Literatur eine Prüfvorschrift hinsichtlich einer Gefährdung von sulfathaltigen Böden bei Einsatz von Zement als Bindemittel vor. Nach Durchführung von Sulfatbestimmungen und der Durchführung von Quellhebungsversuchen mit variabler Auflast und Langzeit-Quellhebungsversuchen konnte gezeigt werden, dass mit dem sulfatbeständigen Zement unter den einwirkenden Auflasten keine bautechnisch relevanten Quellhebungen erzeugt werden.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 115 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden- Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 Dr.-Ing. Axel Möllmann Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbH, Esslingen am Neckar Dr.-Ing. Marc Raithel Kempfert + Raithel Geotechnik GmbH, Würzburg Tim Kristandt, M. Sc. DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, Stuttgart Patrick Höfler M. Sc., Florian Jäger M. Eng., Dipl.-Ing. (FH) Gebhard Bantle Strabag GmbH, Dettingen unter Teck Dipl.-Ing. (FH) Michael-Werner Bruss, Sibylle Christine Reustle TPA GmbH Gesellschaft für Qualitätssicherung und Innovation, Stuttgart Zusammenfassung Um den Maßgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und in Zukunft der Ersatzbaustoffverordnung gerecht zu werden, war es im Planfeststellungsabschnitt 1.3a des Bahnprojekts Stuttgart 21 am Stuttgarter Flughafen vorgesehen, dass beim Vortrieb des Flughafentunnels gewonnene Ausbruchmaterial des Schwarzen Juras als Baustoff für die Erstellung der Erdbauwerke der Neubaustrecke wiederzuverwenden. Die Schichten des Schwarzen Juras sind überwiegend als veränderlich festes Gestein zu bewerten und enthalten Pyrit, der durch Oxidation zu Sulfat umgewandelt und in Verbindung mit hydraulischem Bindemittel zu einer Ettringitbildung und damit zu Quellhebungen führen kann. Zur Ermittlung des Quellverhaltens schlägt die Literatur eine Prüfvorschrift hinsichtlich einer Gefährdung von sulfathaltigen Böden bei Einsatz von Zement als Bindemittel vor. Nach Durchführung von Sulfatbestimmungen und der Durchführung von Quellhebungsversuchen mit variabler Auflast und Langzeit- Quellhebungsversuchen konnte gezeigt werden, dass mit dem sulfatbeständigen Zement unter den einwirkenden Auflasten keine bautechnisch relevanten Quellhebungen erzeugt werden. 1. Einführung Die Flughafenanbindung mit Tunnel samt Flughafenbahnhof sowie ihren Erd- und konstruktiven Ingenieurbauwerken ist ein elementarer Baustein von Stuttgart 21, der in Zukunft den Stuttgarter Flughafen, die Landesmesse sowie den gesamten Filderraum mit rund 250.000 Einwohnern an das Schienennetz des Fern- und des Regionalverkehrs anbindet. So entsteht auf den Fildern eine Verkehrsdrehscheibe für Baden-Württemberg. Das Projekt Stuttgart 21 steht für einen modernen und zukunftsfähigen Bahnknoten, der weitreichende Verbesserungen des Schienennetzes im Südwesten ermöglicht: neue direkte Verbindungen, Kapazität für mehr Züge und kürzere Reisezeiten im bundesweiten Fernverkehr sowie im Nahverkehr. Der Regionalverkehr profitiert zudem von vielen neuen umsteigefreien Verbindungen sowie verbesserten Anschlüssen auf den Fernverkehr. Zudem ist Stuttgart 21 die Voraussetzung für den Deutschlandtakt im Südwesten. Der neue Flughafentunnel ermöglicht gemeinsam mit dem 9,4 Kilometer langen Fildertunnel, dass sich die Fahrzeit vom Stuttgarter Hauptbahnhof zur Landesmesse und zum Flughafen von heute 27 Minuten auf sechs bis acht Minuten verkürzen wird. Die Anbindung aus beiden Richtungen (Stuttgart Hbf und Ulm) erfolgt voraussichtlich im Jahr 2027. Die Anbindung des Flughafentunnels im Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1.3a wird über ca. 5 km Bahndämme und Einschnitte, sowie sieben Brücken realisiert. Die Freie Strecke wurde für eine Entwurfsgeschwindigkeit von 250 km/ h mit einer Festen Fahrbahn als Schienenoberbau hergestellt. Um die für eine feste Fahrbahn notwendige Tragfähigkeit und Standsicherheit zu gewährleisten, wurden seit 2020 ca. 500.000 m³ Boden qualifiziert verbessert im Unterbau des Bahnkörpers verbaut. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz gibt vor, die im Bauverfahren anfallenden Böden nach Nachweis der technischen Eignung wiederzuverwenden. Aufgrund von Sulfatgehalten von 0,3 M-% (3.000 ppm) Sulfat im Feststoff, mussten gem. ZTV E-StB 2017 [1] und dem Anhang D des Merkblatts über Bodenbehandlungen mit Bindemitteln der FGSV 2021 [2] zusätzliche Untersuchungen zum Nachweis der Eignung des sulfathaltigen Bodens für den Unterbau des Bahnkörpers durchgeführt werden. Da der „Sulfatangriff“ ausschließlich für Betonbauwerke beschrieben wurde und es für die qualifizierte Bodenver- 116 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 besserung keine allgemeingültigen Regeln gibt, mussten im Rahmen des Projektes baubegleitend über standardisierte Eignungsprüfungen hinausgehende Untersuchungen zur qualifizierten Verbesserung der Böden und der Nachweisführung der Dauerhaftigkeit geführt werden. 2. Quellverhalten von sulfathaltigen Böden 2.1 Ettringit-/ Thaumasitbildung Der schädliche Einfluss von Sulfat auf Beton ist bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Hierbei wird zwischen äußerem und innerem Sulfatangriff unterschieden. Zahlreiche Literaturen beschäftigen sich mit der treibenden, äußeren Reaktion, der Ettringitbildung, wobei besonders die in jüngster Zeit durchgeführten Arbeiten von Moormann [3] und [4] von der Universität Stuttgart genannt werden müssen. Die Thaumasitbildung als lösende, innere Reaktion ist wissenschaftlich weniger gut erforscht. Hier wurde maßgeblich auf die Dissertationen von Mulenga [5] und Köhler [6] zugegriffen. Grund für die weniger starke Repräsentation von Thaumasit in der Forschung liegen vor allem an den eher spezifischen Bedingungen dieser Reaktion, da bei Thaumasit maßgeblich die Geologie bzw. Mineralogie des Gründungsmediums für die Reaktion verantwortlich ist, wohingegen die Ettringitbildung ein wichtiger Aspekt der Zementchemie darstellt. 2.2 Quellen von Boden-Bindemittelgemischen Für die Quellreaktion von Ettringit reagiert Calciumaluminat und Sulfat in Gegenwart von Wasser. Nachfolgend kann die Formel für diesen Prozess nachvollzogen werden. Die Bedingungen, welche eine solche Reaktion ermöglichen, sind somit recht spezifisch. Zunächst benötigt die Reaktion Calciumaluminat (C 3 A). Diese wichtige Komponente ist in vielen Zementen enthalten und sorgt unter anderem für eine schnelle Aushärtung. Je mehr Aluminat im Bindemittel enthalten ist, desto mehr potentielles Reaktionsmaterial ist vorhanden. Des Weiteren wird zusätzliches Sulfat benötigt. Dies kann sowohl in dem für das Bodenbindemittelgemisch verwendeten Boden vorhanden sein, aber auch das Gründungsmillieu kann Einfluss nehmen. Sulfat tritt häufig in limnisch abgelagerten Sedimentgesteinen auf. Hier kann sich unter anoxischen Bedingungen Pyrit (FeS 2 ) bilden, wie es typischerweise in vielen Sedimenten des schwarzen Juras auftritt. Unter Atmosphäreneinfluss wandelt sich dieses Mineral zu Sulfat SO 4 um. Wenn das Bodenbindemittelgemisch in wasserführenden Schichten zu liegen kommt, sind alle chemischen Bedingungen für weitere Ettringitbildungen und somit potenziell schädigenden Treibreaktionen erfüllt. Für ein Entgegenwirken der Treibreaktion ist das Entziehen von Reaktionsparametern unerlässlich, weswegen beispielsweise ein sulfatresistenter Zement (SR, früher HS-Zement) mit einem möglichst geringen Aluminat-Gehalt eine Option darstellt. 2.3 Entwicklung des Regelwerkes Die allgemeine Gefahr einer Ettringit-/ Thaumasitbildung bzw. des Sulfattreibens ist zwar im Betonbau aufgrund der dort vorhandenen Schäden seit über 100 Jahren durchaus geläufig, und auch schon lange im Regelwerk erfasst (z. B. DIN 4030-2 [11]), diese Erkenntnis wurde aber erst spät im Hinblick auf das Regelwerk für Bodenverfestigungen und Bodenverbesserungen umgesetzt. In der neueren Literatur (z. B. [12], [13], [3]) wird zwar darauf hingewiesen, dass im In- und Ausland zahlreiche Schadensfälle durch Bindemittelbehandlung sulfathaltiger Böden bekannt sind und dass in der Fachliteratur seit den 70er Jahren vor einer Bindemittelbehandlung sulfathaltiger Böden gewarnt wird. Im Wesentlichen handelt es sich dabei aber um englischsprachige Literatur aus dem angelsächsischen Raum, der Problemfälle und Schäden in den dortigen Regionen behandelt. Für den deutschsprachigen Raum waren dagegen zunächst nur wenige Veröffentlichungen vorhanden bzw. wenig Schadensfälle bekannt. Hierbei seien z. B. die Veröffentlichung insbesondere über Schäden an der A7 in [14] und der A81 in [15] genannt. Auch in den für Bindemittelstabilisierungen im Erdbau maßgebenden Regelwerken, der ZTV E-StB aus dem Jahr 1997 [16] und dem Merkblatt über Bodenverfestigungen und Bodenverbesserungen mit Bindemitteln [17] aus dem Jahr 2004 waren zunächst keine entsprechenden Hinweise, Warnungen und Regelungen zur Bindemittelstabilisierung in sulfathaltigen Böden enthalten. Im Regelwerk findet sich erst ab der ZTV E-StB 2009 [18] ein erster allgemeiner Hinweis und in der ZTV E- StB 2017 [1] dann eine spezifische Regelung, dass es bei sulfathaltigen Böden bei Zugabe von Bindemitteln zur Bildung von Ettringit und Thaumasit mit Entfestigungen und Quellhebungen kommen kann und dass daher die Eignung bei einem Sulfatgehalt > 0,3 M.-% besonders zu untersuchen ist. Im Eisenbahnbau ist diese Regelung hinsichtlich der besonderen Untersuchung bei Bindemittelzugaben in sulfathaltigen Böden im Zusammenhang mit der Begrenzung der Quellhebungen nach Ril 836 [19] (dort im Modul 4101 Anhang 07) zu beachten. Um eine Gefährdung eines Erdbauwerks mit Fester Fahrbahn durch Quellhebung einzugrenzen, sind diese nur bis maximal 3 % bzw. 5 mm zulässig. Der entsprechende Nachweis kann nach Ril 836 über Quellhebungsversuche im Oedometer, ggf. unter Berücksichtigung der Auflastspannung aus der Überbauung erbracht werden. 2.4 Geologie Im süddeutschen Schichtstufenland gelegen, umfasst der PFA 1.3a insbesondere das Schwarze Jura (Lias α 1-3), welches im Filderbereich oberflächlich verwittert und anschließend von pleistozänen, äolischen Lösssedimenten überdeckt wurde. Die anstehenden Schichten lagern annährend söhlig, mit einem Einfallen von ca. 0 bis 5 ° Richtung E-NE [20]. Die Basis des Schwarzen Jura bildet die Psilonotenton- Formation (Lias α 1), welche hauptsächlich aus dunkel- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 117 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 grauen Tonmergelsteinen und untergeordnet grauen, in der Mächtigkeit variierenden Kalk- und Sandsteinbänken besteht. Die Psilonotenton-Formation erreicht im Bereich der Fildern Mächtigkeiten von 10-12 m. Die Angulatenton- und -sandstein-Formation (Lias α 2) setzt sich in der Sandfazies vorrangig aus feinbis dickbankigen, gelben bis graugelben Sandsteinbänken zusammen, wohingegen die Tonfazies von grauen bis dunkelbraunen Tonmergelsteinen bis Mergelsteinen geprägt wird und Mächtigkeiten bis zu 15 m erreicht. Obenauf lagert die Arietenkalk- Formation (Lias α 3). Diese setzt sich aus braunen bis grauen bis gelbbraunen Tonmergelsteinen und grauen Kalksteinbänken zusammen, welche oberflächlich stellenweise angewittert, teils stark bis vollständig verwittert auftreten und steife bis halbfeste Böden bilden. Auf den Fildern sind Mächtigkeiten der Arietenkalk-Formation von über 12 m anzutreffen. Abhängig von der Verwitterung wurden die als veränderlich feste Gesteine anzusprechenden Horizonte des Schwarzen Juras, z. B. die Ton- und Mergelsteine, zu Böden umgewandelt. Insbesondere in Übergangsbereichen zwischen den quartären und jurassischen Horizonten wurden die Gesteine großteilig in Böden umgewandelt. Auf dem Schwarzjura und dessen Verwitterungsprodukten lagern Lösssedimente, hier als Filderlehm angesprochen. Die aufgeschlossenen Mächtigkeiten des Verwitterungssediments schwanken zwischen 0,1 m und 4,8 m. Die angetroffenen Filderbzw. Hanglehme sind zumeist hellbraune, schwach feinsandige bis feinsandige Schluffe/ Tone mit steifer bis halbfester Konsistenz. Hydrogeologisch wird der bautechnisch relevante Untergrund im Bereich des Bahnkörpers vorwiegend durch die Kluftwasseraquifere der Angulatensandsteine und Arietenkalke des Lias α 2 und 3 geprägt. Begrenzt durch die dichten Tonmergelsteine des Lias α 2 und 3, sind die Aquifere des Schwarzen Jura im Bereich des PFA 1.3a hydraulisch miteinander verbunden [21] . 3. Sulfatbestimmung Die Sulfatbestimmung des Probenmaterials wurde, bevor das Material bindemittelverbessert eingebaut wurde, in mehreren Schurfkampagnen durchgeführt. Zunächst wurden Haufwerke der zu untersuchenden Lithologien angelegt. Anschließend wurden entsprechend der LAGA PN 98 [20] Mischproben entnommen. Diese Mischproben wurden luftdicht verschlossen und an ein chemisches Prüflabor geschickt. Hier wurde der Sulfatgehalt im Feststoff entsprechend der DIN EN 196-2: 2013-10 [21] bestimmt. Anhand der so erlangten Erkenntnisse konnte eine Sulfatkonzentration von bis zu 0,7777 M.-% nachgewiesen werden. Während der Maßnahme wurden fortlaufend Rückstellproben entnommen und auf ihren Sulfatgehalt untersucht. So sollte überprüft werden, ob neue Extremwerte erreicht werden, die ggf. einen Handlungsbedarf nach sich ziehen würden. 4. Herstellung der Probekörper Die Herstellung der Versuchskörper erfolgte zunächst durch ein Einmischen von 3 M.-% SR-Zement als Bindemittel gemäß Eignungsprüfung und Reaktion des Bindemittels mit dem Boden für eine Stunde gemäß TP-BF-Stb B 11.1 [22]. Anschließend wurde das Boden-Bindemittelgemisch in einen kreiszylindrischen Oedometerring mit gewählten Innenabmessungen von einem Verhältnis d-/ -l-=-3,5 eingebaut, Der Oedometerring soll dabei ausreichend starr sein und aus korrosionsfreiem, poliertem Metall bestehen. Die Mantelfläche soll glatt und frei von Unregelmäßigkeiten sein. Die Endflächen wurden eben hergestellt und bildeten mit der Prüfkörperachse einen rechten Winkel. Anschließend wurde das Boden-Bindemittelgemische im Oedometer verdichtet und bei Feuchtraumbedingungen für 28 Tage gelagert. Abb. 1: Bodenprobe im Oedometerring 5. Durchführung und Auswertung der Quellhebungsversuche Aufgrund der unterschiedlichen Überdeckungen des eingebauten Boden-Bindemittelgemischs wurden Quellhebungsversuche mit variabler Auflast und kürzerer Beobachtungsdauer und Versuche mit konstanter Auflast und längerer Beobachtungsdauer durchgeführt. Im Quellhebungsversuch wird die axiale Dehnung ε unter einer vorgegebenen konstanten Druckspannung s bestimmt. Die Quelldehnung, die sich unter der versuchstechnisch notwendigen Mindestspannung von s 0 = 5-kN/ m² einstellt wird mit ε q,0 bezeichnet. Die Quellung wird nach dem Abklingen der Setzungen durch die Auflast eingeleitet. Dazu wird die Oedometerzelle langsam mit destilliertem Wasser gefüllt. Die Wasserzufuhr erfolgt über die Filterplatten, die über und unter der Bodenprobe angeordnet sind. Hierbei stellt die Probenhöhe unmittelbar vor Wasserzugabe die Anfangshöhe l 0 dar. Die sich einstellende Axial-Verformung Δl wird in regelmäßigen Abständen, bis zum Abklingen der Verformungen gemessen. 118 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 Abb. 3: Grafische Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Dehnungen im Quellhebungsversuch mit fallenden Auflasten 160 kN/ m², 120kN/ m²/ 80kN/ m², 40kN/ m², 20kN/ m², 5 kN/ m² Abb. 2: Probe in der Versuchseinrichtung Die Dehnung ε ergibt sich als Quotient aus der axialen Quellverformung Δl und der Probenanfangshöhe l 0 : Beim Quellhebungsversuch werden für alle Messungen die Dehnungen ε errechnet und über die Zeit t aufgetragen. 5.1 Quellhebungsversuche mit variabler Auflast Beim Versuch unter abfallenden Auflasten wurden die Lasten jeweils 6 Tage gehalten. Danach wurde die nächstniedrige Laststufe eingestellt. Durch die Wartezeit von 6 Tagen wurde gewährleistet, dass eine mögliche Quellung bereits abgeschlossen ist, bevor eine Laständerung vorgenommen wird. Um die Quellhebung nach erfolgter Entlastung zu ermitteln, wurde zunächst die nach der Entlastung einsetzende Hebung abgewartet. Da diese elastische Rückformung, als größter Verformungsanteil nur wenige Minuten dauert, ist dieser Prozess in Abb. 3 als Sprung zu sehen. Die Quellhebung wird bis zum Zeitpunkt kurz vor der folgenden Entlastung als Dh ermittelt und für die einzelnen Laststufen angegeben. Durch die im Versuch gewählten hohen Auflasten, wurden entsprechend hohe Setzungen hervorgerufen. Bei der Laststufe 160kN/ m² konnte somit keine Quellhebung festgestellt werden. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 119 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 5.2 Langzeit-Quellhebungsversuche Bei den Langzeit-Quellhebungsversuchen wurden zwei gleichartige Proben mit einer konstanten Auflast von 40 kPa beansprucht und zunächst über 22 h ohne Wasserzugabe konsolidiert. Diese Auflast ist repräsentativ für den ca. 2,0 m mächtigen, bindemittelstabilisierten Unterbau der Neubaustrecke. Anschließend erfolgte die Wasserzugabe und die Messung der Quellhebung mit einer Genauigkeit von 1/ 1.000 mm. Langzeit-Quellhebungsversuche wurden in zwei Versuchsreihen mit unterschiedlichen Sulfatgehalten, Bindemittelgehalten und Auflasten durchgeführt, von denen hier nur die Ergebnisse mit höherem Sulfatgehalt vorgestellt werden. In Abb. 4 sind die Ergebnisse der Quellhebungsversuche der zweiten Versuchsreihe mit dem höchsten Sulfatgehalt aufgeführt. In beiden Proben sind keine Quellhebungen zu Beginn der Wasserzugabe messbar. Im Vergleich zum Setzungsverlauf vor der Wasserzugabe ist eine leicht verlangsamte Zunahme der Setzung erkennbar. Nach ca. 5-Tagen nach Wasserzugabe ist bei beiden Proben eine kurzzeitige Hebung feststellbar, bei Probe 1 von 0,04 % und bei Probe 2 von 0,01 %. Diese sind nach ca. 5 bzw. 2 Tagen wieder abgeklungen und die Setzungen schreiten voran. Dieses Verhalten wiederholt sich bei der Probe 1 nach ca. 20 Tagen nach Wasserzugabe nochmals. Auffallend ist, vor beiden Zeitpunkten der kurzzeitigen abnehmenden Setzungen gibt es eine Phase der verstärkten Zunahme der Setzungen. Es treten über den gesamten Beobachtungszeitraum von 49 Tagen nach Wasserzugabe keine Quellhebungen auf. Die Setzungen nach Wasserzugabe liegen bei 0,20 % bzw. 0,18 %. Abb. 4: Gemessene Langzeit-Quellhebungen an zwei gleichartigen Proben im logarithmischen Maßstab Es ist festzuhalten, dass die Versuchsergebnisse der im Labor durchgeführten Langzeit-Quellhebungsversuche nach einer Dauer von 49 Tagen keine Anzeichen einer Quellhebung durch Ettringitbildung zeigen. Es können keine langfristigen, absoluten Quellhebungen festgestellt werden. Die Verwendung eines Zements mit hohem Sulfatwiderstand zeigt sich hiernach als geeignet. Nach Witt [8] geht einer Thaumasitbildung eine Ettringitbildung mit vorangegangenem Quellen voraus. Da in den durchgeführten Langzeit-Quellhebungsversuchen jedoch keine zeitverzögerte Quellhebung zu erkennen ist, die auf eine Ettringitbildung hindeutet, wird auch die beobachtete Setzung nicht auf eine Thaumasitbildung zurückgeführt. Eine Entfestigung der Böden ist in den vorliegenden Versuchsergebnissen nicht zu beobachten. Es ist festzuhalten, dass die hier für den Wiedereinbau vorgesehene Stratigraphie des Psilonotentons den Versuchen folgend nicht zu den anfälligen Geologien gehört, für die ein schädigender Einfluss durch Sulfate zu erwarten ist. Der durch Versuche ermittelte höchste Sulfatgehalt aus 5 Proben des Tunnelausbruchmaterials liegt mit 0,7777 M.-% oberhalb des Grenzwerts von 0,3 M.- %, für den gemäß ZTV E-StB 17 [1] die Eignung besonders zu untersuchen ist, und oberhalb des Grenzwerts von 0,5 M.-%, für den gemäß Knopp [23] von einem mittleren bis hohen Risiko einer Sulfatschädigung auszugehen ist. Dennoch zeigen die Versuche keine relevanten Quellhebungen. 6. Hebungsprognosen und Bauausführung Bei der Bauausführung entsteht neben den klassischen Anforderungen an eine qualifizierte Bodenverbesserung 120 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 ein zusätzlicher Aufwand beim Einbau von sulfathaltigen Böden mit einem SR-Zement. Diese Mehraufwendungen sind auf verschiedene Themenbereiche zurückzuführen. Als erstes wird es notwendig, das vorhandene Bodenmaterial mit einer repräsentativen Anzahl an Proben hinsichtlich des Sulfatgehaltes zu untersuchen. Hier gilt es zu beachten, dass der Sulfatgehalt durch die Lagerung von Haufwerken infolge der Oxidation von Pyrit mit der Zeit zunimmt. Aus diesem Grund sind die Haufwerke entweder nur sehr kurz zu lagern oder es sind große Haufwerke mit viel Volumen bei verhältnismäßig geringer Oberfläche zu bilden, um so den Oxidationsprozess einzudämmen. Ziel ist es an dieser Stelle, den größten Wert als „Worstcase“ zu ermitteln. Da zum Zeitpunkt der Probenahme für die Sulfatbestimmung noch unklar ist, mit welchem Material tatsächlich die Quellhebungsversuche mit variabler Auflast und die Langzeitquellhebungsversuche durchgeführt werden, muss an jeder Probestelle eine ausreichend große Probenmenge entnommen werden. Während des Einbaus sind fortlaufend, in vorher abgestimmter Häufigkeit weitere Proben zur Kontrolle des Sulfatgehaltes zu entnehmen. Diese Überprüfung hat stets vor dem Einbau des Materials zu erfolgen. Um Schäden zu vermeiden, darf nur ein Material eingebaut werden, bei welchem der Sulfatgehalt unter dem Material der Langzeitquellhebungsversuche liegt. Bei höheren Sulfatgehalten ist ein neuer Langzeitquellhebungs-versuch nötig. Eine exakte Vorplanung, wann welche Massen eingebaut werden und wie viele Sulfatbestimmungen deshalb notwendig werden, ist unerlässlich. Die Überprüfung der Haufwerksgrößen kann mit Hilfe von Drohnen erfolgen. Die Einbaumengen können am Einbauquerschnitt ermittelt werden. Erst nach der fortlaufenden Sulfatkontrolle kann der jeweilige Bereich des Haufwerks bzw. das jeweilige Haufwerk mit dem SR-Zement verbessert und eingebaut werden. Beim Einbau ist zwingend die reduzierte Verarbeitungszeit gegenüber einem Kalk oder Mischbindemittel zu beachten. Insbesondere warme Temperaturen erschweren durch die sehr kurze Verarbeitungszeit den Einbau des Materials. Nur ein ordnungsgemäß abgebundener Zement ermöglicht ein langlebiges Bauwerk, weshalb die Einbauzeiten zwingend einzuhalten sind. Die ermittelten Quellhebungen wurden zurate gezogen, um eine Prognose hinsichtlich des zu erwartenden Einflusses auf den finalen Bahnkörper zu treffen. Hierfür wurde ein fiktiver Querschnitt simuliert, der den Materialparametern entsprach. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Lastbedingungen konnte so die maximale zu erwartende Quellhebung bestimmt werden. Da in der höchsten Laststufe (160 kN/ m²) kein weiteres Quellverhalten festgestellt wurde, konnte gezeigt werden, dass in keinem Regelquerschnitt eine unzulässige Hebung von 5-mm zu erwarten ist. 7. Ausblick Mit der Einführung der Ersatzbaustoffverordnung im August 2023 wurden die Maßgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in eine länderübergreifende Verordnung gefasst. Hiermit soll die Schonung natürlicher Ressourcen und der Reduzierung von logistisch bedingten CO 2 -Ausstößen forciert werden. Um die Ziele einer Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müssen Lücken in der Nachweisführung der bautechnischen Eignung von Böden und veränderlich festen Gesteinen geschlossen werden. In Baden-Württemberg sind beispielsweise in den jurassischen Braun- und Schwarzjura-, sowie in den triassischen Keuper-, Muschelkalk-Gesteinsfolgen häufig Sulfatgehalte von über 0,3 M-% zu verzeichnen, so liegen etwa die dichtest besiedelten Bereiche Baden-Württembergs auf sulfathaltigen Böden und Gesteinen. Um die Wirkungsweise von Ettringit- und Thaumasit- Quellen besser zu verstehen, bedarf es weiterer Forschung. In erster Linie sollten weitere mineralogische Untersuchungen durchgeführt werden. Insbesondere die Auswirkung von unterschiedlichen pH-Werten, klimatische Bedingungen, variierenden Wassergehalten und dem Gesamtchemismus des Boden-Bindemittelgemischs sind zu betrachten. Außerdem müssen weitere bodenmechanische Untersuchungen für variierend zusammengesetzte Boden-Bindemittelgemische (diverse Bindemittelarten und -mengen, Verdichtungsgrade des Probekörpers, Permeabilität bei variierenden Sieblinien) durchgeführt werden, um die Gefährdung von Hebungen besser einschätzen zu können. Literaturangaben [1] Zusätzliche technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau: ZTVE- StB 17 Fassung 2017, FGSV-Verlag. [2] Merkblatt über Bodenbehandlungen mit Bindemitteln M BmB, FGSV 551, 2021, FGSV-Verlag. [3] Moormann, Ch., Knopp, J.: Kenngrößen zur Risikoabschätzung des Ettringittreibens von sulfathaltigen Böden in Verbindung mit Bodenbehandlungen. Fachtagung der Gütegemeinschaft Bodenverbesserung und Bodenverfestigung (GBB), 20.01.2015, Kassel, Tagungsunterlagen. [4] Knopp, J.; Moormann, Ch.: Ettringite Swelling in the Treatment of Sulfate-Containing Soils Used as Subgrade for Road Constructions, ICTG 2016, Procedia Engineering, Volume 143, Pages 128-137, 2016. [5] Mulenga, D. M.; Stark, J.; Nobst, P.: Thaumasite formation in concrete and mortars containing fly ash. Proceedings of the First Int. Conf. on Thaumasite in Cementitious Materials, BRE, 2002. [6] Köhler, S.: Thaumasitbildung in Modellsystemen und die Bedeutung des Ettringits. TU München, 2009, http: / / mediatum.ub.tum.de/ node? id=684203. [7] Göske J.; Pöllmann, H.; Wenda, R.: Ettringit- und Thaumasittreiben in Betonwerkstoffen. Beton- und Stahlbetonbau 102, 2007, Heft 5, 321-329. [8] Witt, K.-J.: Wirkungsmechanismen und Effekte bei der Bodenstabilisierung mit Bindemitteln. 8. Erdbaufachtagung, 2012. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 121 Untersuchung des Langzeitquellens an pyrithaltigen Boden-Bindemittelgemischen im Bahnprojekt Stuttgart 21 [9] Witt, K.J.: Reaktionen und Effekte bei der Bodenstabilisierung mit Bindemitteln, VSVI Seminar Nr. 2017. [10] Brameshuber, W.: Sulfatwiderstand von Beton - Auslegung, Prüfung, Ausführung; Institut für Bauforschung der RWTH Aachen. 2014. [11] DIN 4030-2, Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase -, Teil 2: Entnahme und Analyse von Wasser- und Bodenproben; Deutsches Institut für Normung e.V., Beuth-Verlag, 06/ 2008. [12] Krysta, M.; Hecht, T.: Erfahrungen mit Schäden durch Ettringit-/ Thaumasittreiben im Straßenbau. Konstruktiver Ingenieurbau 03/ 2018, S7ff. [13] Knopp, J., Moormann, C.: Ettringittreiben in bindemittelbehandelten, sulfathaltigen Böden. 10. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, TAE, Ostfildern 2016, S. 417-422. [14] Ringlein, W.: Erfahrungen mit Bodenverfestigungen und Bodenverbesserungen in Nordbayern in BAST 24. Erfahrungsaustausch über Erdarbeiten im Straßenbau, 1984, S. 25 - 48. [15] Keller, P.; Mosthof, A.; Laptev, V. und Gilde, S.: Gipskeuper: Baugrundrisiken durch Bildung von Ettringit-Thaumasit. Bauen in Boden und Fels 3. Kolloquium TA Esslingen, 2002, S. 387-400. [15] Zusätzliche technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau: ZTVE- StB 94 Fassung 1997, FGSV-Verlag. [16] Merkblatt über Bodenverfestigungen und Bodenverbesserungen mit Bindemitteln 2004, FGSV-Verlag. [17] Zusätzliche technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau: ZTVE- StB 09 Fassung 2009, FGSV-Verlag. [18] Richtlinie 836 Erdbauwerke und sonstige geotechnische Bauwerke planen, bauen und instand halten, 2013, DB Netz AG. [19] Geyer, O.F., Gwinner, M.P., Geologie von Baden- Württemberg, 5. Auflage, Schweizerbart, Stuttgart, 2011. [20] ARGE Wasser, Umwelt und Geotechnik, Großprojekt Stuttgart 21, PFA 1.3a, Filderbereich mit Flughafenanbindung, Teilabschnitt 1.3a, Neubaustrecke mit Station NBS, 5. EKP - Geologische, hydrogeologische, geotechnische und wasserwirtschaftliche Stellungnahme, Teil 2: Geotechnik (Freie Strecke), 28.12.2017. [21] LAGA PN 98; Richtlinie für das Vorgehen bei physikalischen, chemischen und biologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Verwertung/ Beseitigung von Abfällen, Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, 2004. [22] DIN EN 196-2: 2013-10, Prüfverfahren für Zement - Teil 2: Chemische Analyse von Zement; Deutsches Institut für Normung e.V., Beuth-Verlag, 06/ 2008. [23] Technische Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau, TP BF-StB B 11.1, Teil B 11.1: Eignungsprüfungen für Bodenverfestigungen mit hydraulischen Bindemitteln, FGSV-Verlag, Köln, 2012. [24] Knopp, J., Einfluss des Sulfat- und Bindemittelgehalts auf das Ettringittreiben in Zusammenhang mit Bodenbehandlungen, 34. Baugrundtagung, Beiträge der Spezialsitzung „Forum für Junge Geotechnik-Ingenieure“, Bielefeld, 15.09.2016.