Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel – Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase
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Anna-Lena Hammer
Gerold Lenz
Roman Sabata
Andreas Laudahn
Die Bahnverbindung Dresden-Prag ist eine wichtige Verbindung zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik sowie zu den Nachbarländern in Südosteuropa. Die Hauptziele dieser Eisenbahn-Neubaustrecke sind neben der deutlichen Reduzierung der Reisedauer für den Inlands- und internationalen Personen- und Güterverkehr, der Ausbau des mitteleuropäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrsnetzes bis in die Tschechische Republik. Mit diesem Projekt wird eine hochwassersichere Alternative zum Elbtal und weitere Voraussetzungen für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene geschaffen. Herzstück dieses Projekts wird der grenzüberschreitende Basistunnel unter dem Erzgebirge, der „Erzgebirgstunnel“ sein. Während der Vorplanungsphase werden zwei grundlegende Varianten (Teil- und Volltunnel) untersucht. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Vorplanung der Teil- und Volltunnel-Varianten und präsentiert den Planungsansatz und die Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Varianten.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 179 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Dr.-Ing. Anna-Lena Hammer BUNG-PEB Tunnelbau-Ingenieure GmbH, Dortmund Dr. techn. Gerold Lenz iC consulenten Ziviltechniker GesmbH, Bergheim, Österreich Roman Sabata ILF CONSULTING ENGINEERS, s.r.o., Prag, Tschechische Republik Dr. Andreas Laudahn NOMA Consulting, Melbourne, Australien (ehem. ILF Consulting Engineers Austria GmbH) Zusammenfassung Die Bahnverbindung Dresden-Prag ist eine wichtige Verbindung zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik sowie zu den Nachbarländern in Südosteuropa. Die Hauptziele dieser Eisenbahn-Neubaustrecke sind neben der deutlichen Reduzierung der Reisedauer für den Inlands- und internationalen Personen- und Güterverkehr, der Ausbau des mitteleuropäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrsnetzes bis in die Tschechische Republik. Mit diesem Projekt wird eine hochwassersichere Alternative zum Elbtal und weitere Voraussetzungen für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene geschaffen. Herzstück dieses Projekts wird der grenzüberschreitende Basistunnel unter dem Erzgebirge, der „Erzgebirgstunnel“ sein. Während der Vorplanungsphase werden zwei grundlegende Varianten (Teil- und Volltunnel) untersucht. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Vorplanung der Teil- und Volltunnel-Varianten und präsentiert den Planungsansatz und die Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Varianten. 1. Einführung Die bestehende, Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute Eisenbahnstrecke zwischen Dresden und Prag verläuft entlang der Flüsse Elbe/ Labe und Moldau/ Vltava. Im Bereich des Böhmischen Mittelgebirges und des Osterzgebirges verläuft die Elbe in einer tiefen, gewundenen Schlucht. Diesem Verlauf ist auch die bestehende Bahntrasse angepasst. Trotz Zweigleisigkeit und Elektrifizierung begrenzen die engen Kurvenradien entlang des Flusses in der Schlucht die Geschwindigkeit des Zugverkehrs. Zudem belastet der intensive Güterverkehr die Anwohner entlang des Flussufers sowie die angrenzenden Naturschutzgebiete durch Lärm, sowohl tagsüber als auch nachts. Angesichts der steigenden Zahl von Güterzügen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik, für die diese Strecke die Hauptverbindung darstellt, wird ihre maximale Kapazität in den kommenden Jahren ausgeschöpft sein. Aus diesem Grund haben die Regierungen beider Länder beschlossen, den Bau einer neuen Eisenbahnstrecke mit hoher Kapazität und Hochgeschwindigkeitspotenzial zu prüfen. Da das Erzgebirge entlang der gesamten Grenze zwischen Böhmen und Sachsen verläuft, erfordert die Realisierung dieser neuen Bahnverbindung den Bau eines tiefen Basistunnels, um den hohen technischen Anforderungen gerecht zu werden. Die Neubaustrecke ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (Korridor „Orient/ Östliches Mittelmeer“). Die Planung der Neubaustrecke (NBS) Dresden-Prag ist in die sechs Projektabschnitte PA-1.1/ PA-1.2 bis PA-5 untergliedert. Der Erzgebirgstunnel liegt im PA-2 etwa zwischen km-2,0+50 und km-32,2+45 in der Variante „Volltunnel“ bzw. km-7,5+42 und km-34,5+69 in der Variante „Teiltunnel“. Die Grundlagenermittlung und Vorplanungsleistungen wurden von der Ingenieurgemeinschaft Planung PA- 2 NBS Dresden-Prag für die DB Netz AG und die Správa železnic erbracht. Die INGE bestand aus den Ingenieurbüros ILF, BUNG , iC consulenten und Valbek. In dieser Veröffentlichung werden die Herausforderungen und Ergebnisse der Vorplanung in den zwei herausgearbeiteten Varianten „Teil-“ und „Volltunnel“ vorgestellt. Die Vorstellung der Vorzugslösung wird ergänzend im Vortrag präsentiert, da die Entscheidung bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht feststand. 2. Streckenführung der neuen Eisenbahnstrecke 2.1 Anschlusspunkte an bestehende Eisenbahnstrecken Die Trassierung der Neubaustrecke hängt im Wesentlichen von den Verknüpfungspunkten mit den bestehenden Eisenbahnnetzen auf beiden Seiten des Gebirges ab. Ein wesentlicher Faktor zur Erreichung der angestrebten Mindestgeschwindigkeit von 200-km/ h für Personenzüge ist die Eignung der Anschlussbahnen für diese Geschwindigkeiten. Aus diesem Grund wurde auf deutscher Seite der Anschlusspunkt Heidenau gewählt. Die bestehende Bahnstre- 180 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase cke in Richtung Dresden verläuft hier geradlinig und wird nach dem Ausbau einen viergleisigen Parallelverkehr mit der geforderten Geschwindigkeit ermöglichen. Die Situation auf tschechischer Seite ist aufgrund der Topografie komplexer. Das Gebiet südlich des Erzgebirges stellt sich in Form von urbanisierten Tälern mit zahlreichen Industrieansiedlungen, darunter große Braunkohletagebaue, dar. Die neue Eisenbahnstrecke wird durch das regionale Zentrum Ústí nad Labem weiter in Richtung Prag führen. Darüber hinaus ist eine Zweigstrecke geplant, die eine direkte Verbindung zwischen Deutschland und dem westlichen Teil der Region in Richtung der Stadt Teplice und weiter nach Westböhmen herstellt. Aus diesem Grund wurde als Anschlusspunkt auf tschechischer Seite eine Kurve der bestehenden Bahnstrecke Ústí nad Labem - Teplice in der Nähe des Bahnhofs Chabařovice gewählt. Diese Lage ermöglicht den Ausbau der bestehenden Bahnstrecke zwischen dem Tunnelportal und Ústí nad Labem zu einer viergleisigen Strecke mit einer geforderten Geschwindigkeit von mindestens 200-km/ h am Portal und gleichzeitig die Anbindung der für eine Geschwindigkeit von 100-km/ h ausgelegten Abzweigstrecke in westlicher Richtung. Beide Strecken sollen konfliktfrei voneinander abzweigen, weshalb die Tunnelportale auf unterschiedlichen Höhenniveaus liegen müssen. 2.2 Streckenführung zwischen den Anschluss-punkten Hauptkriterien für die Linienführung sind vor allem großzügige Kurvenradien, die die geforderten Zuggeschwindigkeiten von 200-km/ h (bereichsweise 160-km/ h bzw. bis 230-km/ h) ermöglichen, sowie Höhenprofile mit maximalen Längsneigungen von 7,2-‰ (mit Ausnahmen) und minimalen Neigungen von 4-‰ (für den Basistunnel). Diese Anforderungen ergeben sich aus den zu erwartenden Zuglasten, den Leistungsdaten der Lokomotiven und der geforderten Streckenkapazität von 150-Güterzügen und 48-Personenzügen pro Tag. Das Erzgebirge auf tschechischer Seite weist steile und hohe Hänge auf, während auf deutscher Seite das Gefälle moderater ist und sich mehrere kleinere Seitentäler erstrecken. Daher wurde zwischen dem tschechischen Tunnelportal und der Staatsgrenze eine Trasse vorgeschlagen, die beide Standorte möglichst auf dem kürzesten Weg miteinander verbindet. Auf deutscher Seite wurden im Rahmen der Machbarkeitsstudie bis zu sieben verschiedene Trassenalternativen [Abb. 1] entwickelt. Diese Alternativen wurden anschließend unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet, darunter technische Lösungen, Investitionskosten, Umweltauswirkungen, geotechnische Bedingungen und Raumplanung. Zwei dieser Alternativen wurden für die Vorplanung ausgewählt, detaillierter ausgearbeitet und umfassend miteinander verglichen. Eine dieser Alternativen wird als „Volltunnel“ bezeichnet, da die gesamte Strecke zwischen den Portalen Heidenau in Deutschland und Chlumec in der Tschechischen Republik unterirdisch verläuft. Die alternative Variante wird als „Teiltunnel“ bezeichnet, bei der ein Teil der Strecke auf deutschem Gebiet oberirdisch verläuft. Vor dem oberirdischen Streckenabschnitt in Heidenau ist ein kurzer Tunnel vorgesehen, während der restliche Teil im Anschluss an die oberirdische Strecke zwischen der Ortschaft Goes und dem tschechischen Portal als Erzgebirgstunnel verläuft. Die Linienführung beider Varianten [Abb. 2] wurde im Rahmen der Vorplanung weiter angepasst, um lokale Hindernisse zu umgehen. Für beide Varianten wurden technische Lösungen erarbeitet und die Kosten abgeschätzt, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen, welche der beiden Varianten in den weiteren Entwurfsphasen weiterentwickelt und schließlich realisiert werden soll. Abb. 1: Variantendarstellung aus der Machbarkeitsstudie [DB Netz AG / Správa železnic] 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 181 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Abb. 2: Vorzugsvarianten aus der Machbarkeitsstudie inklusive der BIM-Modellteilung [1] 3. Variantenvergleich „Teiltunnel“ und „Volltunnel“ 3.1 Variante „Teiltunnel“ Als erster Abschnitt ist von Dresden kommend der „Tunnel Heidenau“ vorgesehen, der sich über ca. 2-km in Richtung der Ortschaft Zehista erstreckt. Daran schließt sich eine offene Strecke an, die ein ca. 500-m breites Tal einschließt und den Bau von Überholgleisen in der Nähe der Ortschaft Goes vorsieht. Nach diesem Einschnitt verläuft die Strecke in einem Basistunnel unter dem Erzgebirge für etwa 27-km bis Chabařovice. 3.1.1 Tunnel Heidenau Der „Tunnel Heidenau“ ist ausschließlich in der Teiltunnelvariante vorgesehen und erstreckt sich auf einer Länge von 2,1-km von Heidenau bis zur Ortschaft Zehista in Pirna. Die Trasse verläuft in einem Bogen von Nordwesten nach Südosten und entspricht den vorgeschriebenen Trassierungsparametern. Das Gefälle im Tunnelbereich beträgt 7-‰ von Süd nach Nord. Die maximale Überdeckung beträgt ca. 47-m. Der zweiröhrige Tunnel Heidenau ist in konventioneller Tunnelbauweise geplant. In den Portalbereichen sollen die Tunnelblöcke in offener Bauweise erstellt werden. Zwischen den Tunnelröhren sind insgesamt vier Verbindungsbauwerke zu errichten. Der Tunnelquerschnitt ist auf Grundlage des erforderlichen Lichtraumprofils der deutschen und tschechischen Regularien gewählt. Randbedingungen für die Querschnittswahl sind die Entwurfsgeschwindigkeit (hier: 160 km/ h) und die Oberbauform (Feste Fahrbahn), die Betriebseinrichtungen und die geotechnischen Randbedingungen. Das Südportal, das sich in einer Dammschüttung befindet und auch den Rettungsplatz umfasst, ist in Abb.-3 dargestellt. Das Portal Heidenau-Nord wird in Kapitel 3.3.1 näher beschrieben, da es für beide Tunnelvarianten in ähnlicher Weise konzipiert wurde. Abb. 3: Ausschnitt aus dem BIM-Modell des Südportals des Tunnels Heidenau mit Rettungsplatz [1] 3.1.2 Talbrücke Seidewitz Die Neubaustrecke verläuft nördlich des Ortes Zehista und überquert das Seidewitztal an der Grenze der Ortschaften Pirna und Zehista. Unter Berücksichtigung der Gradientenhöhe beträgt die zu überspannende Talbreite etwa 500-m, während die maximale Talhöhe bei rund 24-m liegt. Die aus einer Variantenuntersuchung mit fünf verschiedenen Brückentypen als Vorzugslösung vorgeschlagene mehrfeldrige Eisenbahnbrücke verläuft parallel zur Straßenbrücke der neu ausgebauten Bundesstraße S-172n. Die Brückenkonstruktion setzt sich aus einem Brückenteil mit drei durchgehenden Trägern zusammen, welche in Serie miteinander verbunden sind. Der zentrale Teil ist als integrale Tragstruktur gestaltet und verfügt über eine Anordnung von drei V-Pfeilern, welche sich ins Landschaftsbild einfügen. In Abb. 4 wird das Design im BIM-Modell sowie die Brückenkonstruktion dargestellt. 182 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Abb. 4: BIM-Modell und 2D-Pläne der Talbrücke Seidewitz [1] 3.1.3 Einschnitt Goes Um die optimierte Trassierung der Teiltunnelvariante umsetzen zu können, ist an der Nordseite des Erzgebirgstunnels in der Nähe des Dorfes Goes ein Einschnitt von etwa 2-km Länge und maximal 40-m Tiefe erforderlich [Abb. 5]. Da sich der südliche Teil des Einschnitts unter dem Grundwasserspiegel befindet, ist ein wasserdichtes Trogbauwerk mit einer Länge von 400-m geplant, um das Eindringen von Wasser in das Gleisbett zu vermeiden und mögliche Auswirkungen auf die natürlichen Grundwasserbedingungen zu minimieren. Die Böschungen des Einschnitts bestehen hauptsächlich aus Sandsteinen, wodurch zusätzliche Maßnahmen zur Böschungsstabilisierung für die geplante Generalneigung von etwa 36° nicht erforderlich sind. Abb. 5: Ausschnitt aus dem BIM-Modell des Einschnittes Goes inkl. Nordportal des Erzgebirgstunnels [INGE PA2 Erzgebirgstunnel] 3.1.4 Erzgebirgstunnel Der Erzgebirgstunnel weist eine Länge über 20-km auf und muss daher aufgrund der eisenbahntechnischen Sicherheitsvorschriften (i.-W. TSI-SRT, EBA-Ril und SZ- Ril 73.7508) mit mindestens einem Evakuierungs- und Rettungspunkt (ERP) ausgerüstet werden. Der Entwurf des Erzgebirgstunnels sieht zwei eingleisige Tunnelröhren vor, die jeweils ≤ 500 m durch Verbindungsbauwerke miteinander verbunden sind. Die Verbindungsbauwerke ermöglichen bei Selbstrettung den Zugang zur parallelen, nicht betroffenen Tunnelröhre. Evakuierungs- und Rettungspunkte sind vor jedem Portal und Notausgangsbauwerk vorgesehen, wobei zusätzlich - aufgrund der Länge des geplanten Tunnelbauwerks von über 20-km - mindestens ein weiterer untertägiger Evakuierungs- und Rettungspunkt anzuordnen ist. Die Zugänglichkeit für Notfalldienste erfolgt über einen geländeseitig angebundenen Rettungsstollen mit maximal 10-% Gefälle, gemäß den Anforderungen der EBA-Tunnelrichtlinie. Die Standortsuche für den Evakuierungs- und Rettungspunkt erfolgte in mehreren Schritten, in Kombination mit der Identifizierung möglicher Portalstandorte und der Trassierung von Rettungsstollen von diesen Standorten aus. Eine mehrstufige Variantenuntersuchung, unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten, Herstellungsaufwand und Umweltbelangen, führte zur Auswahl der Vorzugsvariante. Diese wird aufgrund ihrer Vorteile in Bezug auf Herstellungsaufwand, Tunnelsicherheit und Zugänglichkeit berücksichtigt. Der Erzgebirgstunnel in der Teiltunnelvariante erstreckt sich über eine Länge von 27- km. Das Portal Goes befindet sich hinter dem Trogbauwerk bei km 7,5+42. Im Vergleich zur Volltunnel-Alternative bleibt die Lage des Portals Chabařovice bei km 34,5+69 unverändert. Der Tunnel wird über den Rettungsstollen von dem zentralen Evakuierung- und Rettungspunkt sowie vom südlichen Portal aus vorangetrieben. Das Gefälle im Tunnelbereich steigt von beiden Portalen aus um 4-‰ an, wobei der höchste Punkt in etwa in der Mitte des Tunnels liegt. Die maximale Überdeckung beträgt ungefähr 580-m. Die zwei Röhren des Erzgebirgstunnels werden zu etwa 80-% im TBM-Vortrieb und zu etwa 20-% im bergmännischen Vortrieb errichtet. Das Tunnelbaukonzept sieht vor, den Tunnel an der nationalen Grenze in Lose aufzuteilen. In den Portalbereichen werden die Tunnelröhren jeweils in offener Bauweise errichtet. Zusätzlich sind 56 Verbindungsbauwerke sowie der Evakuierungs- und Rettungspunkt vorgesehen. Der Abstand zwischen den Tun- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 183 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase nelröhren variiert in Abhängigkeit der baulichen Situation, der maximale Abstand befindet sich im Bereich des Evakuierungs- und Rettungspunktes. Generell unterscheidet sich die Planung des Erzgebirgstunnels in der Variante „Teiltunnel“ kaum von der Alternativlösung des „Volltunnels“, welche im folgenden Kapitel erläutert wird. 3.2 Variante „Volltunnel“ Bei der Variante „Volltunnel“ ist zu berücksichtigen, dass diese Variante jeweils für zwei Untervarianten (2- und 4-gleisig) beplant wurde. Die Untervarianten unterscheiden sich durch den Anschluss an den Bestand im vorigen Projektabschnitt PA-1.2 in Heidenau. Der Erzgebirgstunnel ist in beiden Varianten mit zwei eingleisigen Tunnelröhren geplant. Die maßgeblichen Zwangspunkte, die bei der Planung berücksichtigt wurden, sind: • Anschluss an Trasse des benachbarten Planungsabschnitt PA 1.2 • Topografische Verhältnisse • Geologische Störzonen • Beachtung vorhandener Schutzgebiete • Bahnbetriebliche Belange • Notwendige Umfahrungen • Zugangsmöglichkeiten/ Einrichtung von Evakuierungs- und Rettungspunkten (ERP) • Wirtschaftliche Randbedingungen • Trassenkorridor Weiterführung in der Tschechischen Republik (Správa železnic ) • Gleisgeometrische Vorgaben Entlang der Tunneltrasse erstrecken sich kleine Quertäler, für die eine ausreichende Überdeckung nicht gewährleistet ist. Dort sind gezielte Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich. Die herausforderndste Situation tritt im Seidewitztal auf, wo über mehrere hundert Meter hinweg eine geringe Überdeckung in kohäsionslosen Sedimenten vorliegt. Weitere Einschränkungen für die Planung stellen der barocke Garten Großsedlitz mit seinen Zugangswegen, die alten Bergwerke im Seidewitztal, der vorhandene Steinbruch in Nentmannsdorf sowie die geologischen Bedingungen, insbesondere die Haupt-Störungszonen dar. Der Erzgebirgstunnel in der Variante „Volltunnel“ besteht ebenfalls aus zwei Einzelröhren, die mit jeweils etwa 30,2 km etwas länger sind als in der Variante „Teiltunnel“. Die beiden Röhren sind alle 500-m durch Verbindungsbauwerke miteinander verbunden, die technischen Räume sind im Abstand von 1000-m platziert. An den Portalen variiert der Abstand zwischen den Tunnelachsen zwischen 23-m bzw. 46-m. Im Verlauf des Tunnels beträgt er etwa 50-m und am Evakuierungs- und Rettungspunkt etwa 70-m. Wie auch in der Variante „Teiltunnel“ wird der größte Teil der beiden Röhren maschinell aufgefahren. Der Tunnel hat einen inneren Radius von 4,45-m (inklusive eines bautechnischen Nutzraumes von 0,3-m), der den deutschen und tschechischen Eisenbahn-Lichtraumprofilen sowie dem Platz für den Fluchtweg und der eisenbahntechnischen Einbauten entspricht. Die Trassierung ermöglicht eine Mindestgeschwindigkeit von 200-km/ h, auf deutscher Seite sind Geschwindigkeiten von bis zu 230-km/ h möglich. Die Gradiente steigt von Norden nach Süden mit einer Neigung von 4-‰ bis zum Hochpunkt nahe der Staatsgrenze, um danach mit einer Neigung von 4-‰ Richtung Portal Chabařovice zu fallen. 3.3 Portalbereiche 3.3.1 Portal Heidenau Nord Das Portal Heidenau Nord stellt die Schnittstelle zum benachbarten Planungsabschnitt PA 1 dar, welches zwischen Dresden und Heidenau verläuft. Unmittelbar vor dem Tunnelportal ist eine Brücke geplant, die über die bestehende S172 führt. Die Übergangsstelle zwischen den beiden Abschnitten befindet sich am Ende dieser Brücke. An dieser Stelle führt die neue Bahnstrecke unter einem sehr spitzen Winkel durch ein steiles Gelände im FFH- Gebiet. Hier ist ein Portalbereich für alle Varianten zu planen, der einen befestigten Rettungsplatz mit Zufahrtsstraßen einschließt. Abb. 6 zeigt den Portalbereich Heidenau Nord in der Variante „Teiltunnel“. Der Einschnitt ist so geplant, dass eine Zuwegung sowohl in der Bauals auch in der Betriebsphase mit möglichst geringen Auswirkungen auf das FFH-Gebiet möglich ist. Hierzu wird der Einschnittsbereich beidseitig mit Ankerwänden gesichert. Abb. 6: Übersicht über den Portalbereich Heidenau Nord mit Gleisachsen, Rettungsplatz und zukünftiger Bahnanbindung an PA 1.2 [INGE PA2 Erzgebirgstunnel] In den beiden Planungen der Variante „Volltunnel“ ist jeweils ein Sonic-Boom-Bauwerk im Portalbereich vorgesehen, um die Mikrodruckwellen Emissionen zu minimieren. Hierzu wird auf einer Länge von 60- m eine Aufweitung der lichten Querschnittsfläche um 50-% notwendig, zusätzlich sind voraussichtlich kaminförmige Schwallöffnungen anzuordnen, die bis an die Geländeoberfläche reichen. 3.3.2 Portal Chabařovice Der Tunnelportalbereich Chabařovice auf tschechischer Projektseite bildet einen entscheidenden Bestandteil der Neubaustrecke, die sich in zwei Äste aufteilt und an die bestehende Strecke anknüpft. Die Entwurfsgeschwindigkeit der Strecke in Richtung Ústí nad LabemÚstí nad Labem liegt bei 200(230)-km/ h. Vor dem Tunnelportal auf der Strecke Dresden - Ústí nad LabemÚstí nad Labem ist eine Abzweigstelle für den Güterverkehr mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von mindestens 184 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase 100-km/ h vorgesehen. Die Position des Portals und die Notwendigkeit eines höhenfreien Abzweigs nach Westen bedingt, dass die Tunnelröhre in Richtung Deutschland in einem durchgehenden Gefälle von 4-‰ verläuft, während die Röhre in Richtung Tschechische Republik auf den letzten 900-m vor dem Portal ein Gefälle von 6- ‰ nach Norden aufweist und so ein Tiefpunkt im Tunnel entsteht. Die Gestaltung des Portaleinschnitts erfordert ein durchdachtes Entwässerungskonzept. Drei getrennte Systeme sind vorgesehen, um die unterschiedlichen Ebenen und Bereiche zu entwässern. Dies beinhaltet die Ableitung von Tunnelwässern, Rettungsplätzen und Zu-/ Abfahrtsstraßen. Darüber hinaus werden großvolumige unterirdische Löschwasserbehälter vorgesehen, um im Ernstfall von Brandbekämpfung oder Havarien im Tunnel ausreichend Löschwasser bereitzustellen. Die gewählte Portalanordnung [Abb. 7] ermöglicht bergmännische Arbeiten in sicherem Abstand zur Straße I/ 13 und reduziert somit die Auswirkungen auf die Umgebung sowohl während der Bauphase als auch im Betrieb des Tunnels. Abb. 7: Übersicht über den Portalbereich Chabařovice mit Gleisachsen, Rettungsplatz und zukünftiger Bahnanbindung an PA 3 [INGE PA2 Erzgebirgstunnel] 4. BIM im Projekt Bereits in den frühen Leistungsphasen der Grundlagenermittlung und Vorplanung wird das Projekt mit der BIM- Methodik geplant und nimmt damit eine Vorreiterrolle bei Großprojekten im Infrastrukturbereich ein. Diese wird verdeutlicht durch die Integration von BIM für Gutachterleistungen wie Baugrund, Umwelt sowie Schall- und Erschütterung, wobei die Gutachter aktiv in den BIM-Prozess eingebunden sind. [2] Die Anforderungen seitens des Auftraggebers basieren auf den unternehmensweiten BIM-Dokumenten der DB Netz AG, ergänzt um projektspezifische Besonderheiten. Die fortlaufende Anpassung der Standards anhand der gewonnenen Erkenntnisse im Projekt stellt eine Herausforderung dar. Im Neubaustreckenabschnitt werden spezifische Anwendungsfälle (AWF’s) gefordert, darunter Bestandsaufnahme, Bauwerksdatenmodellierung, Variantenvergleiche, Visualisierungen und Kosten-/ Termin-/ Bauphasenplanung. [2] Die BIM-Methodik dient als Informationsquelle in der Planung, ermöglicht frühzeitige Entscheidungen auf Grundlage von Modelldaten und eröffnet neue Möglichkeiten für effiziente Szenarien- und Variantenuntersuchungen. [2] Das Herzstück der BIM-Planung im Projekt ist das Grundlagenmodell, dessen Funktion über die beauftragten beiden Leistungsphasen hinausreichen soll. Das Ziel des Grundlagenmodells ist es demnach, eine konsistente und umfangreiche Grundlage und Informationsquelle für die weitere (BIM-) Planung darzustellen, welche zudem iterativ weiterentwickelt werden kann. Dabei wird der Bestand zumeist in Form von 3D-Volumenkörpern abgebildet, wobei z. B. auch Schutzgebiete mit Tiefenlagen berücksichtigt werden, jedoch auf relevante Bereiche begrenzt sind. Ein übergeordneter Anspruch besteht in der homogenen Datendarstellung über Staatsgrenzen hinweg. Die Teilmodelle des Grundlagenmodells basieren weitestgehend auf teilautomatisiert generierte Modelldaten. Ein klassisches Grundlagenmodell setzt sich aus verschiedenen digitalen Elementen zusammen, darunter digitale Geländemodelle (DGM), Orthofotos, digitale Baugrundmodelle, Informationen zur Bestandsbebauung (CityGML), Schutzgebiete, Liegenschaftskataster, Bestandsstraßen (GIS-Daten), Bestandsleitungen und Umweltkartierung. Im Projekt wurden darüber hinaus weitere Elemente aus externer Planung in das Grundlagenmodell einbezogen. Hierzu gehören laufende oder geplante Bauprojekte Dritter sowie Erkenntnisse aus dem Raumordnungsverfahren. Zusätzlich werden geometrisch darstellbare Hinweise, Auflagen und weitere informative Elemente integriert. Vermessungsdaten, einschließlich des digitalen Geländemodells (DGM) durch Tachymetrie und Drohnenbefliegung, Vermessungslagepläne und ALKIS-Eigentümer-Flurdaten, vervollständigen das erweiterte Grundlagenmodell. Da das Projekt zweisprachig abgewickelt wird, wurden die Modelldaten im Sinne einer konsistenten Datenhaltung (Singe Source of Truth, SSoT) in getrennten Eigenschaftensätzen (PSets) sowohl auf Deutsch als auch auf Tschechisch attribuiert. Hierbei wurde ebenfalls auf eine Teilautomatisierung zurückgegriffen, um die Datenqualität und Homogenität zu erhöhen. 5. Geotechnische Herausforderungen 5.1 Überblick über die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse am Erzgebirgstunnel Im Projektgebiet werden vier geologische Großeinheiten unterschieden (von Nord nach Süd): die Sächsische Kreidesenke, das Elbtalschiefergebirge, das Erzgebirgskristallin sowie der Erzgebirgsabbruch. Der nördliche Teil des Projektgebietes gehört zur Sächsischen Kreidesenke, die im Süden durch die Westlausitzer Störung begrenzt wird. In diesem Abschnitt weisen die Tunnelbauwerke eine Überlagerung von max. 80-m auf. Das anschließende Elbtalschiefergebirge wird nach Süden durch die Mittelsächsische 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 185 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Störung abgegrenzt, welche etwa auf der Linie von Großröhrsdorf im Nordwesten nach Bad Gottleuba im Südosten verläuft. Südlich der Mittelsächsischen Störung durchquert die Tunneltrasse zuerst das Erzgebirgskristallin mit einer Überdeckung von mehreren hundert Metern. Hier stehen überwiegend harte Festgesteine an. Im weiteren Verlauf durchörtert die Trassen den Erzgebirgsabbruch, der durch eine mehrere hundert Meter mächtige Großstörungszone gekennzeichnet ist. Der südlichste Abschnitt der Tunneltrasse verläuft in tertiären Sedimenten des Erzgebirgsbeckens mit Überdeckung von einigen Zehnermetern. Um die stark wechselhaften geotechnischen Randbedingungen und die daraus resultierende breite Anzahl an möglichen geotechnischen Parametern im Tunnelabschnitt zwischen dem Portal Chabařovice und dem Erzgebirgsabbruch vorab detailliert überprüfen zu können, ist geplant, einen Erkundungsstollen von Süden aufzufahren. Der Erkundungsstollen soll im Nachgang als Rettungsstollen genutzt werden. In den Kreideschichten fungieren die Mergel- und Tonsteine der Pläner vorrangig als Grundwasserstauer, während in den Sandsteinhorizonten Kluftwasserführung mit geringer Ergiebigkeit erwartet wird. In den Tiefengesteinen der Sächsischen Kreidesenke und auch im Bereich des Elbtalschiefergebirges und des Erzgebirgskristallins werden generell geringe Durchlässigkeiten und Wasserzutritte erwartet, wobei das Auftreten von Störungsstrukturen mit erhöhter Durchlässigkeit und teilweise hohen Wasserdrücken möglich ist. 5.2 Vortriebskonzepte Grundsätzlich wird aus Gründen der Wirtschaftlichkeit auf möglichst weiten Strecken ein kontinuierlicher Vortrieb mittels Tunnelbohrmaschinen vorgesehen. Lediglich der Bereich des Erzgebirgsabbruches wird aufgrund des stark tektonisierten Gebirges ausgehend vom Portal Chabařovice in Spritzbetonbauweise vorgetrieben. Bei der Volltunnelalternative wird darüber hinaus der Abschnitt zwischen dem Portal Heidenau und dem Seidewitztal in Spritzbetonbauweise hergestellt, zumal das Seidewitztal mit seiner geringen Überdeckung als Startpunkt der Maschinenvortriebe Richtung Süden gewählt wurde. Bei der Teiltunnelalternative erfolgt der Vortrieb auf deutscher Seite über den als Zwischenangriff genutzten Rettungsstollen mit zwei Tunnelbohrmaschinen Richtung Norden bis zum Portal Goes, sowie mit zwei Vortrieben in Spritzbetonbauweise Richtung Süden bis zur Staatsgrenze. Vom Portal Chabařovice aus erfolgt zuerst der Vortrieb des zwischen den beiden Tunnelröhren liegenden Erkundungs- und Rettungsstollens. Von diesem ausgehend werden darauf hin im Erzgebirgskristallin die Startkavernen hergestellt und es erfolgen zwei maschinelle Vortriebe Richtung Norden bis zur Staatsgrenze. Die Streckenröhren im Bereich des Erzgebirgsabbruchs werden parallel dazu in Spritzbetonbauweise vorgetrieben. Bei der Volltunnelalternative erfolgt der Vortrieb auf deutscher Seite von einem Zwischenangriff im Seidewitztal mittels zweier Tunnelbohrmaschinen Richtung Süden bis zur Staatsgrenze. Parallel dazu erfolgen zwei konventionelle Vortriebe vom Seidewitztal zum Portal Heidenau. Der Vortrieb auf tschechischer Seite entspricht der Teiltunnelalternative. 5.3 Anforderungen an den TVM-Vortrieb und den Tunnelausbau Auf Grundlage der geologischen Verhältnisse wird aus heutiger Sicht davon ausgegangen, dass die Tunnelröhren mittels Vollschnittmaschinen ohne Stützung der Ortsbrust aufgefahren werden, zumal diese die höchste Vortriebsleistung erwarten lassen. In Tunnelabschnitten, in denen Störzonen oder hohe Wasserdrücke prognostiziert sind, werden vortriebsbegleitende Vorauserkundungen mittels Bohrungen durch das Schild, sowie geophysikalische Erkundungsverfahren vorgesehen. In Bereichen, die mit der TBM nicht gefahrlos aufgefahren werden können, wird die Möglichkeit vorlaufende Injektionskörper mittels Bohrungen durch Schneidrad und Ortsbrust und/ oder mittels Bohrungen durch den Schildmantel vorgesehen. Grundsätzlich wird, soweit statisch und konstruktiv möglich, ein einschaliger, druckdichter Tübbingausbau vorgesehen. Das Risiko etwaiger hoher Bergwasserdrücke im Erzgebirgskristallin mit bis zu 500- m Wassersäule macht jedoch gegebenenfalls eine Druckbegrenzung bzw. Druckentlastung erforderlich. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird für entsprechende Risikobereiche ein zweischaliger, druckentlasteter Ausbau mit Tübbing-Außenschale und Ortbetoninnenschale geplant [Abb. 8]. Die anfallenden Bergwässer werden dabei in einem Drainagesystem gefasst und über eine Längsentwässerung abgeleitet. 186 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Abb. 8: Regelquerschnitt TBM-Vortrieb mit zweischaligem Ausbau [3] 5.4 Bereiche geringer Überdeckung In den Portalbereichen und im Seidewitztal sind Bereiche mit geringer Überdeckung festzustellen. Beispielhaft werden hier Variantenuntersuchungen für den Portalbereich Heidenau Nord näher erläutert. Der Portaleinschnitt Heidenau Nord liegt in einem FFH-Gebiet, welches möglichst geringfügig zu beeinträchtigen ist. Kurz hinter dem geplanten Portal befindet sich eine Senke, die in die geplante Tunneltrasse einschneidet. Hier sind gesonderte Maßnahmen zu berücksichtigen. Für die Ausbildung des Portals Heidenau Nord werden zwei Varianten (Variante Portal „kurz“, Variante Portal „lang“) betrachtet. Die Variante Portal „kurz“ sieht einen kurzen Einschnitt im Portalbereich mit Herstellung eines Deckels im Bereich der Senke vor. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten, insbesondere der Steigung im Gelände, ist die Anbindung zur Herstellung des Deckels jedoch ausschließlich über das FFH-Gebiet möglich. Die Variante Portal „lang“ sieht einen langen Einschnitt im Portalbereich und eine Verlegung des bergmännischen Anschlags hinter die Senke vor. Die logistische Andienung kann somit größtenteils außerhalb des FFH-Gebiets erfolgen. Abb. 9 zeigt eine Übersicht der Varianten. Abb. 9: Übergeordneter Variantenvergleich Ausbildung Portal Heidenau Nord [3] Für die Variantenbetrachtung wurden die Bewertungskriterien Flächeninanspruchnahme, technische Ausführung sowie logistische Anbindungsmöglichkeiten herangezogen. Die Bewertungsmatrix ist in Abb. 10 dargestellt. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 187 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Abb. 10: Bewertungsmatrix zum Variantenvergleich Ausbildung Portal Heidenau Nord [3] Die Varianten unterscheiden sich insbesondere in den logistischen Anbindungsmöglichkeiten und der Flächeninanspruchnahme. Die Variante Portal „lang“ ermöglicht eine günstige Anbindung an die Bundesstraße mit moderater Steigung. Dagegen ist für die Variante Portal „kurz“ die Anbindung der BE zur Herstellung des Deckels ausschließlich über große Steigungen gegeben und erfordert einen großflächigen Eingriff in das FFH-Gebiet. Daher wurde für die Vorzugsvariante die Variante Portal „lang“ gewählt. 5.5 Einschnitt Goes Bei der Teiltunnelalternative verläuft die Trasse südlich der Talbrücke Seidewitz überwiegend im Einschnitt, in welchem auch der Überholbahnhof Goes angeordnet ist. Aus der gewählten Gradiente ergibt sich am Nordportal des Erzgebirgstunnels eine Einschnitttiefe von ca. 43-m unter GOK. Der südöstliche Teil des Einschnittes am Portal kommt dabei unterhalb des Grundwasserspiegels zu liegen, wobei der Grundwasserspiegel etwa im Bereich der Firste des Sonic-Boom-Bauwerkes liegt. Im Hinblick auf eine Minimierung des Eingriffs in den Grundwasserkörper wurde als Alternative zur Ausbildung einer freien Böschung die Herstellung eines wasserdichten Trogbauwerkes mit einer Länge von ca. 400-m untersucht [Abb. 5]. Im Zuge der Variantenuntersuchungen wurden Strömungsberechnungen mittels 2D-FE-Berechnungen durchgeführt, um die Zuflussmengen in den Einschnitt und die stationären Grundwasser-Spiegellinien zu ermitteln. Der Variantenvergleich wurde unter Maßgabe eines minimalen Eingriffs in den Grundwasserkörper durchgeführt. Die Rechenergebnisse zeigen, dass bei Ausbildung eines Trogbauwerkes keine signifikanten Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel zu erwarten sind. Im Hinblick auf eine Minimierung der Aushubkubatur und des landschaftlichen Eingriffs durch den Einschnitt Goes wurden statische Untersuchungen zur Ausbildung der Böschungsneigung durchgeführt. Aufgrund der Einschnittstiefe ist grundsätzlich eine Böschung mit Bermen im Abstand von 7,5-m vorgesehen. Als Grundvariante wurde eine Generalneigung von 36 ° bei einer Bermenneigung von 2: 3 gewählt. Aufgrund der vergleichsweisen günstigen prognostizierten geotechnischen Verhältnisse, gemäß derer die Böschung überwiegend im Sandstein zu liegen kommt, wurde im Zuge einer Variantenuntersuchung die Möglichkeit eines Aufsteilens der Böschung auf eine Generalneigung von 44 ° (Bermenneigung 1: 1) statisch untersucht. Diese Aufsteilung ist zwar statisch möglich, wurde aber aufgrund der vorhandenen Ungenauigkeiten im Baugrundmodell in der Vorplanung nicht weiterverfolgt. 6. Zusammenfassung Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Vorplanung der neuen Bahnverbindung zwischen Dresden und Prag, insbesondere dem geplanten Erzgebirgstunnel als Herzstück des Projekts. In der Vorplanungsphase wurden zwei grundlegende Varianten, der Teil- und Volltunnel, eingehend untersucht. Die Streckenführung der Eisenbahnverbindung und die Herausforderungen bei der Umsetzung wurden detailliert erläutert, wobei verschiedene Anschlusspunkte, Tunnelportale und Trassenalternativen berücksichtigt wurden. Zudem wurden die geotechnischen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Erzgebirgstunnel sowie die vorgesehenen Vortriebskonzepte und Anforderungen an den Tunnelausbau als wesentliche Untervarianten der beiden Grundvarianten präsentiert. 188 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Neue Bahnstrecke Dresden-Prag: Erzgebirgstunnel - Variantenuntersuchungen in der Vorplanungsphase Weiterhin unterstreicht der Artikel die Bedeutung von BIM in der frühen Planungsphase im Projekt und gibt einen Überblick über das BIM-Modell des Projektgebiets. Der Beitrag bietet somit einen umfassenden Einblick in die Vorplanung der neuen Bahnstrecke Dresden-Prag und verdeutlicht die Komplexität sowie die technischen Aspekte, die bei der Umsetzung dieses bedeutenden Infrastrukturprojekts berücksichtigt werden müssen. Danksagung Die Autoren danken der DB Netz AG und der Správa železnic für die Genehmigung zur Veröffentlichung der Vorplanungsergebnisse sowie der produktiven und konstruktiven Zusammenarbeit in diesem Projekt. Literatur [1] Roman Sabata, Anna-Lena Hammer, Andreas Laudahn, Gerold Lenz: New Railway Dresden-Prague: Ore Mountains Tunnel - Variant Study in the Preliminary Design Stage. Underground Construction Prague 2023. [2] Stefan Hanz, Kay Müller, Christoph Kautter: Erzgebirgstunnel: „Big Open BIM“- Tunnelplanung. In: tunnel 1/ 2023, S. 12-23. [3] INGE PA2 Erzgebirgstunnel: Neubaustrecke Projektabschnitt 2 - Dresden-Prag: PA 2 Erzgebirgstunnel, Vorplanungsheft, 2023 (unveröffentlicht).
