eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2024
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Bewertung der Funktionsfähigkeit und Lebensdauer von geotextilen und mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung

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2024
Lukas Tophoff
Holger Schüttrumpf
Frank Heimbächer
Norbert Kunz
In den letzten Jahrzehnten sind vereinzelt schwere Schäden an geotextilen Filtern infolge von Verockerung durch ausgeflockte ockerhaltige Produkte aufgetreten. Durch eine starke verockerungsbedingte Verminderung der Durchlässigkeit der Geokunststoffe in Kombination mit einem hohen hydrostatischen Druck wurden unter anderem die Deckschichten verschiedener Deckwerke von tidebeeinflussten deutschen Nordseeästuaren beschädigt. Zum besseren Verständnis der Verockerung der Filter wurden experimentelle Untersuchungen an mineralischen und geotextilen Filterkonstruktionen durchgeführt [2]. Zusätzliche in-situ Untersuchungen von verockerten Filtern und dessen Milieubedingungen ließen erstmalig eine detaillierte Analyse der Durchlässigkeitsreduktion infolge Verockerung und mechanischer Filterkolmation zu. Es konnte festgestellt werden, dass die Durchlässigkeitsreduktion geotextiler Filter durch den Verockerungsprozess beschleunigt werden kann. Durch eine ausreichende Baugrunderkundung und Grundwasseruntersuchung kann die Verockerungsgefahr jedoch im Vorfeld anhand von Grenzwerten bewertet werden.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 231 Bewertung der Funktionsfähigkeit und Lebensdauer von geotextilen und mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung Lukas Tophoff, M. Sc. FH Münster, Fachbereich Bauingenieurwesen Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf RWTH Aachen, Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Prof. Dr.-Ing. Frank Heimbecher FH Münster, Fachbereich Bauingenieurwesen Dipl.-Ing. Norbert Kunz Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Zusammenfassung In den letzten Jahrzehnten sind vereinzelt schwere Schäden an geotextilen Filtern infolge von Verockerung durch ausgeflockte ockerhaltige Produkte aufgetreten. Durch eine starke verockerungsbedingte Verminderung der Durchlässigkeit der Geokunststoffe in Kombination mit einem hohen hydrostatischen Druck wurden unter anderem die Deckschichten verschiedener Deckwerke von tidebeeinflussten deutschen Nordseeästuaren beschädigt. Zum besseren Verständnis der Verockerung der Filter wurden experimentelle Untersuchungen an mineralischen und geotextilen Filterkonstruktionen durchgeführt [2]. Zusätzliche in-situ Untersuchungen von verockerten Filtern und dessen Milieubedingungen ließen erstmalig eine detaillierte Analyse der Durchlässigkeitsreduktion infolge Verockerung und mechanischer Filterkolmation zu. Es konnte festgestellt werden, dass die Durchlässigkeitsreduktion geotextiler Filter durch den Verockerungsprozess beschleunigt werden kann. Durch eine ausreichende Baugrunderkundung und Grundwasseruntersuchung kann die Verockerungsgefahr jedoch im Vorfeld anhand von Grenzwerten bewertet werden. 1. Einführung Das Netz der deutschen Bundeswasserstraßen umfasst ca. 7.350 km Binnenwasserstraßen, von denen ca. 340-km unter dem Tideeinfluss der Nordsee stehen. An schiffbaren Binnenwasserstraßen in Deutschland bestehen schwere technische Deckwerke im Regelfall aus einer Deckschicht, einer Filterschicht und ggf. einer Dichtung [3]. Deckwerke sind als Teil der Wasserstraße insbesondere für den Schutz der Ufer notwendig. Sie sind über die gesamte Lebensdauer unterschiedlichen mechanischen und instationären hydraulischen Einwirkungen, wie z. B. wind- und schifffahrtsinduzierten Wellen, Wasserstandsschwankungen und daraus resultierenden Erosionsprozessen ausgesetzt. Daher werden Deckwerke an Binnenwasserstraßen für eine Lebensdauer von mindestens 50 Jahren bemessen [7]. Deckwerke von Küstenschutzbauwerken werden hingegen für eine Lebensdauer von bis zu 100 Jahren bemessen [4]. Die Abb.-1 zeigt einen Querschnitt durch ein typisches Uferdeckwerk mit den wichtigsten Elementen und den maßgebenden hydraulischen Einwirkungen. Ein wesentlicher Bestandteil eines Deckwerks ist die Filterschicht, die zur Stabilität des Deckwerks beiträgt. Sie hält das feinere Material des Untergrundes zurück, während die hydraulische Durchlässigkeit erhalten bleibt, um den Aufbau eines Porenwasserüberdrucks zu vermeiden [3]. Die Durchlässigkeit eines Filters kann mit fortschreitender Alterung durch mechanische und chemisch-biologisch induzierte Prozesse abnehmen [2,5,6]. Dabei wird in diesem Artikel der Fokus auf die Verockerung gelegt. Die Verockerung beschreibt die Verstopfung von Filtern infolge ockerhaltiger Produkte wie z. B. ausgefälltem Eisen oder ausgefälltem Mangan und kann biologisch und/ oder chemisch induziert sein. Der natürliche Prozess der Verockerung geschieht fortlaufend und kann nach derzeitigem Stand der Technik nicht aufgehalten werden. Diese Verhältnisse können dort vorliegen, wo infolge exfiltrierender Strömungsrichtung eisenhaltiges Grundwasser mit dem Luftsauerstoff bzw. dem sauerstoffreichen Oberflächenwasser in Kontakt kommt. Das kann hier der geotextile und mineralische Filter in einem Deckwerk einer tidebeeinflussten Wasserstraße sein [1,2]. Dies kann zu Schäden am Deckwerk führen, wenn dieses infolge des Aufblähens des Filters aufbricht (vgl. Abb. 2). Die in den letzten Jahrzehnten dokumentierten Schadensfälle sind lokal stark begrenzt und ausschließlich bei geotextiler Filterbauweise in tidebeeinflussten Wasserstraßen aufgetreten. Da die Schäden lokal auftreten und in näherer Distanz zu den Schadstellen vollständige intakte Deckwerke auffindbar sind, sind neben baulichen und filtertechnologischen Eigenschaften die Milieubedingungen der Filter maßgeblich für die Initiierung der Verockerung. 232 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung Abb. 2: Lokaler Deckwerksschaden an der Tideweser im Bereich Neuenkirchen mit aufgebrochener Schutzschicht. Im geotextilen Filter wurden Verockerungsprodukte nachgewiesen (eigene Aufnahme, 2021). Die Milieubedingungen und zulässigen Grenzwerte wurden anhand externer Datenquellen in den Vorstudien untersucht und festgelegt [1]. Der Anlagerungsprozess der Verockerungsprodukte an die Filterstruktur konnte als Verstopfung klassifiziert werden und die filtertechnologischen Eigenschaften zur verlangsamten Anlagerung der Verockerungsprodukte konnten in den experimentellen Untersuchungen beschrieben werden [2]. Somit leisten die hier aufgeführten experimentellen und in-situ Untersuchungen zur Einordnung der Ergebnisse in den Kontext der Vorstudien einen wesentlichen Beitrag. 2. Vorstudie Teile des 2. Kapitels sind Tophoff et al. (2022) [7] entnommen. 2.1 Filterverstopfung durch Verockerungsprodukte Als Verockerung bezeichnet man den chemischen und/ oder biologischen Prozess der Ausfällung von Eisen, Mangan und anderen Stoffen in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Die wichtigste Grundvoraussetzung für die Ockerbildung, die durch Oxidation initiiert wird, ist das Vorhandensein von Sauerstoff im Boden, Grund- oder Bodenwasser [8] sowie gelöstem Eisen oder gelöstem Mangan. Verockerung kann in den Geo-textilien und Kornfiltern oder auch im natürlich gewachsenen Boden auftreten und ist im Wesentlichen von den Milieubedingungen des Filtersystems abhängig. Durch die Anlagerung von Ocker Abb. 1: Querschnitt eines Ufers mit maßgebenden hydraulischen Einwirkungen infolge natürlicher und anthropogener Einflüsse (nach [1]) 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 233 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung an die Bodenmatrix oder das Geotextil wird die Porosität des Bodens in der Nähe des Filters bzw. die Porosität der Filter selbst herabgesetzt, sodass sich die hydraulische Durchlässigkeit des Bodens oder des Filters verringert. Die Ausfällungen treten überwiegend in der Kontaktzone zwischen Luft und Grundwasser auf. Die Kontaktzone ist hierbei der Übergang vom Grundwasserleiter zu den durch die Tide oder durch Wellengang beeinflussten Filterschichten. Mendonca et al. (2003) [9] beschreiben die Problematik und den Prozess als Anstieg des Porenwasserdruckes im Boden oder im Filterelement, verbunden mit einer Instabilität des Bodengefüges des Uferbereichs oder einer Änderung der Fließrichtung. Das infolge chemischer und/ oder biologischer Verockerung ausgefällte Eisen oder Mangan kann sich in geotextilen oder mineralischen Filtern anlagern. Dieser Anlagerungsprozess wird als Adsorptionsprozess bewertet, der entweder chemisch geprägt ist oder auf intermolekularen Kräften zwischen der Feststoffmatrix und den Verockerungsprodukten beruht [1,7]. Demzufolge kolmatieren die Verockerungsprodukte die Filter nicht als bewegliche Partikel, sondern haften an der Filterstruktur an und verstopfen diesen. Entsprechend haften die Verockerungsprodukte immobil an den Filamenten des Vliesstoffes an, anstatt beweglich als Partikel die Porenräume zwischen den Filamenten zu kolmatieren (siehe Abb. 3). Daher wird auch der Begriff der Verstopfung („internal clogging“) anstelle von Kolmation verwendet. Abb. 3: REM-Aufnahme eines Geotextils aus der Weser mit eisenhaltigen Anhaftungen (eigene Aufnahme, 2023). 2.2 Grundwasser- und Oberflächenwasserbeschaffenheit Zur Beschreibung der Milieubedingungen wurden umfassende theoretische Untersuchungen der Oberflächenwasserbeschaffenheit der großen Nordsee-Ästuare sowie deren lokaler Grundwasserbeschaffenheiten durchgeführt. Dazu wurden die in der Vorstudie [1] definierten maßgeblichen Verockerungsparameter des Grundwassers (DOCP) Sauerstoffgehalt, Eisen- und Mangangehalt, Redoxpotential, pH-Wert und Temperatur betrachtet. Die Ergebnisse werden hier mit Verweis auf die Vorstudie und Tab. 3 nicht weiter beschrieben. 3. Experimentelle Untersuchungen Teile des 3. Kapitels sind Tophoff et al. (2023) [2] entnommen. Das Ziel der experimentellen Untersuchungen war es, verschiedene nach RPG (BAW Richtlinie Prüfung von Geokunststoffen im Verkehrswasserbau) grundgeprüfte Geotextilien hinsichtlich der Verockerungsneigung zu prüfen und den Anlagerungsprozess und die Beschaffenheit der Verockerungsprodukte besser zu verstehen. Dazu wurde eine bidirektionale laminare Durchströmung vorgesehen sowie eine rein chemische Verockerung (ausschließlich Eisen/ Fe 2+ -Ionen) ohne gleichzeitige mechanische Kolmation und Biofilmbildung initiiert. Zur Beschleunigung der Reaktionskinetik wurden stark reduzierende Grundwasser im Prozesswasser abgebildet, um ein Überangebot an gelöstem Eisen zu gewährleisten. Gleichzeitig wurde ein Überangebot an (Luft-)- Sauerstoff in der Kontaktzone sichergestellt, um die Oxidation zu beschleunigen. Um möglichst repräsentative Ergebnisse aber auch eine beschleunigte Ver-ockerungsreaktion zu erhalten, wurden die hydrochemischen Parameter sowohl an die in-situ Bedingungen als auch an die Reaktionskinetik angepasst. 3.1 Versuchsaufbau Zum besseren Verständnis des Modellschemas (Abb. 4) ist der Versuchsauf bau in einen Strömungs- und in einen Regelungskreislauf unterteilt. Hauptaufgabe des Regelungskreislaufes ist die Auf bereitung des Prozesswassers, wohingegen im Strömungskreislauf die Verockerung in der Kontaktzone initiiert wird. Somit können unterschiedliche Filterkonstruktionen untersucht werden, während der Regelungskreislauf unverändert bleibt. Für die hydraulische Regelung wurden zwei Kreiselpumpen (P1 und P2) sowie zwei Durchflussmesser (Q) installiert. Die Durchflussrate wurde basierend auf FEFLOW-Simulationen verschiedener repräsentativer Deckwerke mit unterschiedlichen Durchlässigkeiten und Wasserstandsschwankungen ermittelt. Daraus resulierend wurde ein Durchfluss von 1.0 l/ min (0.6÷1.2) festgelegt. Mittels verschiedener Schlauchpumpen wurden an zwei Zugabepunkten die Chemikalien hinzugegeben, um das Prozesswasser auf die Zielparameter einzustellen (siehe Abb. 5). Für eine bessere Vermischung wurden nach den Zugabepunkten Statikmischer in den Kreislauf integriert. Die maßgebenden DOCP können in den Messzellen (MZ) gemessen werden. Um die zu Beginn der Versuchsdurchführung im Kreislauf entstehenden Verockerungsprodukte dem Prozesswasser zu entziehen, wurden Filtersäulen und Feinfiltersäulen an zwei Stellen angeordnet. Durch den Einsatz einer UV-Lampe zur Desinfektion und die hohe Chloridkonzentration infolge der Zugabe von FeCl2 wurde eine Biofilmbildung ausgeschlossen. Um eine gleichmäßige Prozesswasserqualität zu gewährleisten, wurde ein flexibler Wassertank vor dem Strömungskreislauf angeordnet. Mittels verschiedener Magnetventile konnten die zwei Strömungskanäle alternierend durchströmt bzw. entwässert werden. Damit wurden die tideinduzierten Wasserstandsschwankun- 234 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung gen nachgebildet und ausreichend gelöstes Eisen sowie Sauerstoff zur Verfügung gestellt. Der Strömungskanal besteht aus einer Einlaufkammer, einer Aquiferkammer und je nach Versuchsauf bau aus verschiedenen Filterstufen. In der Einlaufkammer wird der Durchfluss vergleichmäßigt. Für die Untersuchungen wurde das natürliche Ufermaterial (0,1 - 0,4 mm; Prüf boden BT A gemäß TLG 2018) mit einer Dicke von 20 cm in der Aquiferkammer nachgebildet. Das Material wurde im Unterwassereinbau (sehr dichte Lagerung) eingebracht. Darauf wurde entweder ein Geotextil (Detail a, Abb. 4) oder ein mineralischer Filter (Detail b, Abb. 4) im Originalmaßstab verbaut. Der Übergang vom Aquifermaterial zum Filter und der Filter selbst, stellt die Kontaktzone dar, in der die Verockerung initiiert wurde, da hier Luftsauerstoff zur Verfügung steht. Dies wird durch die alternierende Fließrichtung gewährleistet. Um exfiltrierende Verhältnisse bzw. Niedrigwasserbedingungen zu simulieren, wird das Prozesswasser von unten nach oben durch den Strömungskanal geleitet. Das Aquifermaterial und der Filter sind dann weitgehend gesättigt mit dem Prozesswasser. Die infiltrierenden Verhältnisse bzw. Hochwasserbedingungen werden durch eine Schwerkraftentwässerung simuliert. Während der Entwässerung ist das Aquifermaterial teilweise und der Filter voll sauerstoffgesättigt. Zur Beschleunigung gegenüber den in-situ-Bedingungen wurde in den Untersuchungen die Fließrichtung alle 20 min umgekehrt. Auf dem Filter ist ein Deckwerk angeordnet, welches das nach [3] empfohlene Flächengewicht abbildet. Die im Strömungskanal vorliegenden Drücke wurden während des Versuchs mithilfe einer Druckmesseinrichtung kontinuierlich aufgezeichnet. Diese wurden an verschiedenen Stellen (bis zu 11 Messstellen pro Strömungskanal) ermittelt, sodass sich aus den Messwerten Durchlässigkeiten ableiten lassen. 3.2 Versuchsdurchführung Aus Abb. 4 ist zu entnehmen, dass das Prozesswasser aus entlüftetem Wasser, Natronlauge (NaOH) und Eisen(II)- Chlorid-Tetrahydrat (FeCl 2 ∙ 4H 2 O; kurz: FeCl 2 ) gemischt wird. An einem Zugabepunkt (ZP2) wird ausschließlich NaOH hinzugegeben. Dieser Zugabepunkt dient der pH-Wert-Regulierung. An einem anderen Zugabepunkt (ZP1) werden NaOH und FeCl 2 hinzugegeben. Dieser Zugabepunkt dient ebenfalls der pH-Wert- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 235 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung Abb. 4: Schematische Darstellung des Versuchsauf baus Regulierung, sowie je nach Versuchsphase dem chemischen Sauerstoffentzug (Phase 1, Abb. 5), der Eisenanreicherung (Phase 2, Abb. 5) oder beidem während der Versuchsdurchführung (Phase 3; Abb. 5). Abb. 5: Phasen der Versuchsdurchführung und Zielparameter (Schema) Zu Beginn des Sauerstoffentzugs ist das Redoxpotential des Prozesswassers an MC3 positiv (E H > 0 mV), der pH-Wert liegt im Zielbereich zwischen 7,8 und 8,0 und gelöster Sauerstoff liegt vor (DO > 0,1 mg/ l). Mit Verweis auf die Stabilität der Fe(II)- und Fe(III)-Spezies fällt bei diesen Bedingungen das gelöste Eisen sofort als Fe(OH) 3 aus [10] und wird im Anschluss in der Filtersäule dem Prozesswasser entnommen. Dabei verringert sich der Gehalt an gelöstem Sauerstoff durch die Oxidation, wodurch ebenfalls das Redoxpotential absinkt. Der pH-Wert sinkt ebenfalls ab, wird aber an ZP2 wieder auf den Zielbereich eingestellt. Dieser Prozess läuft so lange, bis der gelöste Sauerstoff dem Prozesswasser entzogen (DO < 0,1 mg/ l) und das Redoxpotential negativ ist (E H < 0 mV). Danach kann das Eisen gelöst vorliegen [10] und der Zielwert an gelöstem Eisen (Fe 2+ > 20 mg/ l) eingestellt werden. Während der Versuchsdurchführung (Phase 3) wird sowohl Sauerstoff entzogen, als auch Eisen angereichert, um die Zielparameter (siehe Abb. 5) in MC1 zu erreichen. In der Kontaktzone zum Luftsauer-stoff (geotextiler oder mineralischer Filter) wird dann während der Phase 3 die Verockerung initiiert. 3.3 Versuchsprogramm Tab. 1 gibt einen Überblick über die durchgeführten Versuche. Durch die Anordnung von zwei Strömungskanälen wurden jeweils zwei Versuche gleichzeitig durchgeführt. Eine „Test Nr.“ beschreibt entsprechend den Mittelwert aus zwei Strömungskanälen. Tab. 1: Versuchsprogramm und zu prüfende Filterkonstruktionen Test Nr . Filteraufbau und verwendete Filtermaterialien Versuchsdauer [h] Gr1 Einstufenfilter (SSF): 0,5 - 8 mm 10 Gr2 Zweistufenfilter (Unterwassereinbau), FS1: 0,2 - 6 mm, FS2: 2 - 63 mm Gr3 Zweistufenfilter (Trockeneinbau), FS 1: 0,2 - 6 mm, FS 2: 2 - 63 mm G1-G7 Geotextil A, B, C, D, E, F, G G1-LT Geotextil A 50 Weidner (2015) [6] stellte fest, dass im Hinblick auf mineralische Filter der Kies (3 Kiesarten; SiO 2 : 93,6 - 96,1 wt.-%) keinen Einfluss auf die Verockerungsneigung hat und auch durch Glaskugeln keine signifikante Verbesserung erzielt werden kann. Materialtechnologische Einflüsse verschiedener mineralischer Oberflächen sind nach derzeitigem Stand als weniger relevant einzuordnen. Daher steht ausschließlich die Prüfung verschiedener Bauweisen im Fokus der vorliegenden Untersuchungen (Gr1- Gr3). Mithilfe der Untersuchungen wurde der Einfluss unterschiedlicher materialtechnologischer Parameter der Geotextilien auf die Verockerungsneigung der geotextilen Filter analysiert. Dazu wurden verschiedene Vliesstoffe (G1-G6) und eine geotextile Sandmatte (G7) verwendet und untersucht. Um den zeitlichen Einfluss der Verockerung auf geotextile Filter besser nachvollziehen zu können, wurden zudem Versuche mit unterschiedlicher Versuchsdauer bei gleichen Randbedingungen durchgeführt (G1 and G1-LT). Die verwendeten Materialien sind in Tab. 2 zusammengefasst. Bei der Wahl der Textilien sind ausschließlich Textilien verwendet worden, die den Anforderungen an Böschungs- und Sohlensicherungen und anderen baulichen Anlagen an Wasserstraßen als Filter entsprechen. 236 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung 3.4 Versuchsergebnisse Insgesamt wurden zehn Verockerungsversuche mit einer Versuchsdauer von 10 h und zwei Kolmationsversuche mit vergleichbaren Randbedingungen sowie ein Langzeitversuch mit einer Versuchsdauer von 50 h durchgeführt. Während dieser Untersuchungen wurden die maßgebenden Verockerungsparameter (DOCP) aufgezeichnet und sämtliche Elemente der Filterkonstruktionen systematisch vor und nach Versuchsdurchführung untersucht. Der Fokus lag hierbei auf den geotechnischen und materialtechnologischen Parametern der Filterstoffe, insbesondere der Durchlässigkeit und begleitenden physikalisch-optischen Untersuchungen sowie chemischen Analysen. Tab. 2: Verwendete Geotextilien und relevante Materialparameter Versuch Nr. Textil Polymer [%] Innere Oberfläche [m² Oberfläche / m² Textil] V H50 nach DIN EN ISO 11058 [mm/ s] O 90 nach DIN EN ISO 12956 [µm] Flächengewicht [g/ m²] G1 A PP [100] 63,1 52 88 464 G2 B PP [100] 100,5 32 71 739 G3 C PET/ PP [70/ 30] 89,5 36 68 723 G4 D PET/ PP [70/ 30] 104,2 30 65 845 G5 E PET/ PP [70/ 30] 119,5 25 61 966 G6 F PES/ PP [50/ 50] 111,9 18 56 744 G7 G 1) PP [100] (+Sand) 101,6 + Sand 4 2) 80 3) 5.500 3) G1-LT A PP [100] 65,2 52 88 479 1) Filtertechnisch wirksames Textil ist das Textil A gemäß Herstellerangabe 2) Durchflussrate nach DIN EN ISO 16416 bestimmt und umgerechnet auf mm/ s 3) gemäß Herstellerangaben Bei allen Verockerungsversuchen zeigte sich, dass das Aquifermaterial sowohl bei den 10 h Versuchen als auch bei dem Langzeitversuch vergleichbare Restdurchlässigkeiten aufwies und keine negativen Auswirkungen aus der Verockerung auf die Durchlässigkeit des Aquifermaterials resultiert. Dies ist auf Umlagerungen im Korngerüst und daraus resultierenden Anpassungen der Fließwege zurückzuführen. Die filtertechnologischen Eigenschaften (aus Korngrößenverteilung) blieben nach Versuchsdurchführung unverändert gegenüber den unbelasteten Werten. Gleiches gilt für die mineralischen Filterauf bauten (Gr1 - Gr3), bei denen keine relevante Veränderung der Durchlässigkeit und der filtertechnologischen Eigenschaften (aus Korngrößenverteilung) gemessen werden konnte. Eine Verringerung der Durchlässigkeit der geotextilen Filter durch eine Verockerung konnte bei den Verockerungsversuchen (G1-G7) nicht bei allen Geotextilien ermittelt werden. Es wurden unveränderte oder verringerte Durchlässigkeiten festgestellt (siehe Abb. 6). Beim Langzeitversuch (G1-LT) konnte eine eindeutige Abnahme der Durchlässigkeit infolge der Verockerung ermittelt werden. Außerdem zeigt sich, dass in der Sandmatte (G7) deutlich mehr Eisen ausfällt als bei reinen Geotextilien. In den durchgeführten Untersuchungen zeigten Geotextilien mit einer großen Öffnungsweite und großer Wasserdurchlässigkeit bei geringer innerer Oberfläche aus einem sich hydrophil verhaltenden Materialmix (PET/ PP oder PES/ PP) geringere Verluste der Wasserdurchlässigkeit als andere Textilien aus reinem Polypropylen (PP) [2]. Abb. 6: Restdurchlässigkeit des Geotextils [%] in Abhängigkeit des Eisengehaltes [mg Fe / m² Textil] 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 237 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung Zur Untersuchung der Anhaftungen wurden Analysen mittels Rasterelektronenmikroskop (REM) sowie Energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) durchgeführt. In Abb. 7 ist eine geotextile Probe in bis zu 450-facher Vergrößerung dargestellt. In dieser Vergrößerung sind Eisenoxidkonglomerate erkennbar. Diese Anhaftungen sind ebenfalls bei den mineralischen Materialien zu erkennen. Mittels EDX konnte nachgewiesen werden, dass die Strukturen, welche die Filamente teilweise umhüllen, stark eisenhaltig sind. Es wurden in den Geo-textilien aus den experimentellen Untersuchungen hauptsächlich die Elemente Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O) und Eisen (Fe) sowie Spuren von Silicium, Aluminium und Chlor nachgewiesen. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die vorgefundenen Verockerungsprodukte nicht aus reinen Eisenoxiden, sondern zusätzlich aus Feinstpartikeln (u. a. Si und Al), die im Aquifermaterial vorhanden sind, bestehen. Abb. 7: REM Aufnahmen der Geotextilien nach Versuchsdurchführung (Textil A (G1-LT); eigene Aufnahmen, 2023) 4. In-situ Untersuchungen Ziel dieser Untersuchungen war die Untersuchung der chemischen (abiotischen) und (mikro-) biologischen Verockerungsparameter, der hydraulischen und bautechnischen Randbedingungen in Bereichen mit Verockerungserscheinungen an Bundeswasserstraßen, um die Milieubedingungen von verockerten Filtern zu erfassen. 4.1 Untersuchungsgebiete und Untersuchungsprogramm Anhand von Literaturrecherche, Abfrage bezüglich bekannter Schadstellen bei allen Wasserstraßen- und Schifffahrtsämtern, deren Zuständigkeitsbereich tidebeeinflusste Wasserstraßen umfasst, und Sichtung von vorhandenen Gutachten konnten sämtliche bekannte Schadstellen infolge Verockerung zusammengefasst werden. Diese sind ausschließlich im Bereich der Tideems nördlich von Herbrum und im Bereich der Tideweser bei Neuenkirchen zu finden. Resultierend wurde ein Untersuchungsgebiet für weitere Untersuchungen an der Ems und ein weiteres Untersuchungsgebiet an der Weser vorgesehen. Es wurden Untersuchungen des Grundwassers und Oberflächenwassers über einen Zeitraum eines Jahres durchgeführt. Zusätzlich wurden verockerte Filter und das natürliche Ufermaterial ausgebaut und untersucht. Folgende Messstellen wurden an der Ems definiert/ verwendet: - 2 Grundwassermessstellen (GW1-E und GW2-E) - 1 Oberflächengewässermessstelle (OG-E) - 3 Feststoffprobenahmestellen (E1, E2 und E3) An der Weser wurden folgende Messstellen definiert/ verwendet: - 4 Grundwassermessstellen (GW1a/ b-W, GW2a/ b-W) - 1 Oberflächengewässermessstelle (OG-W) - 2 Feststoffprobenahmestellen (W1 und W2) 4.2 Ergebnisse In Tab. 3 sind die Mittelwerte der aktuellen Messkampagne (2. Quartal 2022 - 1. Quartal 2023) der Grundwasser- und Oberflächenwasserparameter zusammengefasst. Die Beträge gelöster Fe 2+ -Ionen sind sehr unterschiedlich. In den OG-Messstellen und in Messstelle GW2-E konnten nur geringe Beträge an gelöstem Eisen gefunden werden. Die Beträge an Mn 2+ -Ionen im Grundwasser der Ems sind deutlich geringer als die Beträge des gelösten Mangans in der Weser. In den OG- Messstellen sind die Beträge des gelösten Sauerstoffs erwartungsgemäß deutlich höher als in den GW-Messstellen. In Tab. 4 sind maßgebende Parameter der Geotextilproben zusammengefasst. Das Alter der ausgebauten Geo-textilien beträgt zwischen 35 und 39 Jahren. Die Proben wurden einer Reinigung unterzogen, um bewegliche Partikel aus der Filterstruktur zu entfernen. Die Eisen- und Mangangehalte der Geotextilien in der Ems (E1, E2, E3) sind deutlich höher als die in der Weser (W2). Zusätzlich haben sich die 238 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung Flächengewichte deutlich erhöht gegenüber den unbelasteten Werten. Vom Betrag ist der Anstieg deutlich höher als der Betrag an Mangan- und Eisen, sodass von erheblichen weiteren mineralischen und organischen Anhaftungen und immobilen Einlagerungen ausgegangen werden muss. Infolge der Anhaftungen und immobilen Anlagerungen hat sich die Durchlässigkeit um etwa 3 Zehnerpotenzen reduziert, sodass nur noch eine Restdurchlässigkeit von 0,03 - 0,06 % vorhanden ist. Tab. 3: Zusammenfassung der bisherigen GW-/ OG- Probenahmen (2022/ 23) Messstelle Eisengehalt [mg/ l Fe 2+ ] Mangangehalt [mg/ l Mn 2+ ] Gel. Sauerstoff [mg/ l] rH- Wert [-] GW1-E 10,1 0,5 3,8 13,0 GW2-E < 0,1 < 0,1 3,3 19,8 OG-E < 0,2 < 0,1 9,2 23,1 GW1- W 24,6 4,1 3,0 15,3 GW2- W 17,7 3,1 3,2 15,8 OG-W < 0,1 < 0,1 10,0 n.b. Tab. 4: Zusammenfassung der der bisherigen Filterprobenahmen (2022/ 23) Parameter E1 E2 E3 W2 Flächengewicht (v) [g/ m²] 1700 1800 1800 1400 k-Wert (v) [m/ s] 4,1 E-03 2,6 E-03 2,6 E-03 3,9 E-03 Standzeit (b) [a] 35 39 35 39 Flächengewicht (b) [g/ m²] 3408 3470 2316 1527 k-Wert (v) [m/ s] 1,3 E-06 1,1 E-06 1,4 E-06 1,0 E-06 Eisengehalt (b) [g/ m²] 51,1 55,4 60,9 12,6 Mangangehalt (b) [g/ m²] 87,9 109,5 n.b. 3,5 (v) = virgin / unbelastet (b) = belastet Anhand der REM-Aufnahmen und zugehöriger EDX- Spektren ist es möglich, die Anhaftungen besser zu qualifizieren (vgl. Abb. 8). In der Ansicht in Abb.-8a sind umhüllende Strukturen erkennbar. Es sind sowohl Filamente der Filterschicht (dünnere Filamente; ca. 20-30 µm), als auch der Zusatzschicht (dickere Filamente; ca. 150-200 µm) erkennbar. Im Querschnitt (Abb. 8b) sind die Filamente der Zusatzschicht als „schwarze Punkte“ zu erkennen. Die Verockerungsprodukte sind hier als unregelmäßige Struktur erkennbar. Auffallend ist, dass nur vereinzelte Partikel vorhanden sind, die größer als die Öffnungsweite der Geotextilien (80 µm) sind. Die Verockerungsprodukte scheinen entsprechend hauptsächlich aus verschiedensten Feinstpartikeln (< 2µm) zu bestehen. Das EDX-Spektrum (Abb. 8b) zeigt qualitativ die Elementverteilung innerhalb des Messbereichs (MP). Neben Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O), Eisen (Fe) und Mangan (Mn) wurden vor allem größere Anteile an Silicium (Si) gefunden. Zusätzlich konnte Aluminium-(Al), Phosphor (P), Kalium (K) und Calcium (Ca) in geringen Mengen detektiert werden. Abb. 8: REM-Aufnahmen und EDX-Spektrum der Geotextilien nach Ausbau (Entnahmestelle: E1; eigene Aufnahmen, 2023) 5. Diskussion Tab. 5 zeigt die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse aus der Datenauswertung verschiedener GW- Messstellen aus den Jahren 2000 - 2020 [1] und der neu erhobenen Daten unmittelbar hinter dem Deckwerk. Für die Parameter gelöstes Eisen und gelöstes Mangan sowie den rH-Wert wurden Grenzwerte der Grundwasserbeschaffenheit definiert. Die Grenzwerte aus der Vorstudie [1] wurden auf Grundlage der Ergebnisse der Probenahmen empirisch angepasst und können zur 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 239 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung Bewertung der Verockerungsneigung herangezogen werden. Gemäß Tab. 3 und Tab. 5 sind die Filter im Bereich der Messstellen GW1-E, GW1-W und GW2-W einer Ver-ockerungsgefahr ausgesetzt, wohingegen für den Bereich um die Messstelle GW2-E keine Verockerungsgefahr besteht. Diese Grenzwertbetrachtung kann dadurch unterstützt werden, da unmittelbar um die Messstelle GW2-E keine Schadensfälle sichtbar sind und keine verockerten Filtermaterialien gefunden wurden. Tab. 5: Grenzwerte des Grundwassers zur Bewertung der Verockerungsneigung Untersuchungsergebnisse Grenzwert (neu) GW a) GW b) Eisengehalt [mg/ l Fe 2+ ] 18,2 (0,1÷52,5) 15,6 (0,1÷33,2) > 0,2 Mangangehalt [mg/ l Mn 2+ ) 1,7 (0,2 ÷ 5,4) 2,4 (0,1 ÷ 4,5) > 0,2 Gelöster Sauerstoff [mg/ l] 0,5 (0÷11,7) 3,2 (0,2÷8,9) n.m. Redoxpotential [mV] -42 (-191÷200) 52 (-119÷260) n.m. rH-Wert [-] 12,1 (3,3÷22,2) 15,7 (10,3÷22,8) < 17 a) Daten aus [1] b) Daten aus neuen Probenahmen Im direkten Vergleich zwischen mineralischem und geotextilem Filter zeigen die experimentellen Untersuchungen deutliche Unterschiede. In den mineralischen Filtern treten hohe Eisengehalte, aber keine relevanten Einschränkungen in Bezug auf die erforderliche Filterleistung auf. Sie haben eine deutlich größere Oberfläche pro m² Filterfläche als die geotextilen Filter. Dementsprechend haben die mineralischen Filter eine viel größere Adsorptionsfläche. Dies bedeutet, dass die Kontaktzone in einem mineralischen Filter viel größer ist und mehr Fe 2+ -Ionen ausgefällt werden können. Allerdings kann es in mineralischen Filter zu lokalen Umlagerungen kommen und die Fließwege können sich immer wieder anpassen. In den geotextilen Filtern treten unterschiedliche Eisengehalte mit teilweise erheblichen Einschränkungen bei der Durchlässigkeit auf. Aufgrund der hohen Robustheit und Zugfestigkeit der Geotextilien können verstopfte oder verengte Fließwege nicht lokal auf brechen. In den durchgeführten Untersuchungen zeigten Geotextilien mit einer großen Öffnungsweite und großer Wasserdurchlässigkeit bei geringer innerer Oberfläche aus einem sich hydrophil verhaltenden Materialmix (PET/ PP oder PES/ PP) geringere Verluste der Wasserdurchlässigkeit als andere Textilien aus reinem Polypropylen (PP). Diese Beobachtungen stützen die von Kuntze [8] gemachten Beobachtungen. Andere Autoren haben bei biologischer Verockerung keine wesentlichen Unterschiede der Verockerungsneigung bei verschiedenen Polymeren festgestellt [9,11]. Abb. 8 zeigt eine epoxidharzgetränkte Probe des Geotextils aus einem Deckwerk an der Ems. Die Kohlenstoff-, Chlor- und Sauerstoffanteile (C, Cl und O) können nicht vollständig auf die Geotextilprobe zurückgeführt werden, da diese Elemente im Epoxidharz vorkommen. Ein Teil des detektierten Sauerstoffs (O) ist in den Eisen- und Manganoxiden gebunden. Sauerstoff, Silicium, Aluminium, Kalium und Calcium kommen hingegen natürlicherweise im Boden, z. B. als Tonminerale, vor. Nach derzeitigem Stand bilden diese Feinstpartikel zusammen mit den Eisen- und Manganoxiden die Verockerungsprodukte, die den Porenraum der Geotextilien verkleinern. Somit ist die verockerungsbedingte Reduktion der Filterdurchlässigkeit in der Wasserstraße nicht ausschließlich auf eine reine Eisen- oder Manganoxidausfällung zurückzuführen. Abb. 9 zeigt den qualitativen Verlauf der Durchlässigkeit verockerter geotextiler Filter über die Lebensdauer. Dieser Verlauf konnte aufgrund eigener Studien und weiterer Studien [6,12] beschrieben werden und soll noch weiter quantifiziert werden. Abb. 9: Verlauf der Wasserdurchlässigkeit mit zunehmender Versuchsdauer / Lebensdauer (grüne Linie; neu gezeichnet und modifiziert nach [6]) Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen und einer rein chemischen Verockerung konnte eine Restdurchlässigkeit von min. 59 % ermittelt werden (Abb.- 6). Der Eisengehalt betrug dabei ca. 11,9 (±1,0) g Fe/ m² Geotextil. Mechanische Einlagerungen konnten nicht in relevanter Menge gefunden werden. Die insitu Proben hingegen zeigten eine deutliche Reduktion der Durchlässigkeit über 35 bis 39 Jahre (Restdurchlässigkeit 0,03 - 0,06 %) infolge der Verockerungsprodukte. Das Alter der Geotextilien liegt nahe der erwarteten Lebensdauer von 50 Jahren [7]. Aufgrund der Beschaffenheit der Verockerungsprodukte kann angenommen werden, dass die initiale Durchlässigkeitsreduktion aus der Verstopfung resultiert (vgl. [1]), die dann eine weitere Kolmation begünstigt. Entsprechend ist die Wahl einer den Filterregeln entsprechend möglichst großen Öffnungsweite und Wasserdurchlässigkeit zur Reduzierung der Verockerung und Kolmation empfehlenswert. 240 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Bewertung d. Funktionsfähigkeit u. Lebensdauer von geotextilen u. mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung 6. Fazit und Ausblick Um den Prozess der Verockerung mineralischer und geotextiler Filter bei tidebeeinflussten Wasserstraßen besser zu verstehen und Schadensfälle an diesen Stellen zu vermindern oder zu vermeiden, wurden theoretische, experimentelle und in-situ Untersuchungen durchgeführt. Die Schwerpunkte lagen in der Verbesserung des Prozessverständnisses und andererseits in der Prüfung verschiedener Filterkonstruktionen und -materialien. Sowohl an mineralischen Komponenten als auch am Geotextil haften die Verockerungsprodukte an. Die Verockerungsprodukte sind physikochemisch und damit bei laminarer Durchströmung immobil an die Oberfläche gebunden. Die Verockerung von bidirektional durchströmten wasserbaulichen geotextilen Filtern stellt somit eine Verstopfung („internal clogging“) dar. Es zeigte sich, dass die Verockerungsprodukte keine reinen Eisenoxide darstellen, sondern der Hauptanteil aus Feinstpartikeln aus dem Aquifermaterial besteht. Eine klassische Kolmation durch Einlagerungen von Feststoffen im geotextilen Filter wird durch die Verockerung nach derzeitigem Stand der Forschung begünstigt, da Feinstpartikel, die in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit durchgängig wären, nun als Einlagerungen in den Verockerungsprodukten die Filterstruktur mit verstopfen können. Zur einfacheren Bewertung der Milieubedingungen hinsichtlich einer Verockerungsgefahr konnten Grenzwerte des Grundwassers definiert werden (Tab. 5). Eine Überbzw. Unterschreitung der Grenzwerte kann auf eine Verockerungsgefahr hindeuten, wohingegen bei Einhalten der Grenzwerte eine Verockerungsgefahr sehr unwahrscheinlich ist. Demnach wäre es denkbar, auch in tidebeeinflussten Wasserstraßen geotextile Filter zu verwenden, wenn die Verockerungsneigung ausgeschlossen werden kann. Mineralische Filter können auch bei Verockerungsneigung eingesetzt werden. Der zeitliche Aspekt bzw. die Reaktionsgeschwindigkeit der experimentellen Untersuchungen ist gegenüber den Realbedingungen zukünftig noch zu quantifizieren und zu vergleichen. Aus den zusammengefassten Ergebnissen wird zukünftig eine genauere Prognose der Lebensdauer geotextiler Filterkonstruktionen bei Verockerungsneigung möglich. Danksagung Die Autoren bedanken sich bei der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und die fachlichen und methodischen Hinweise. Diese Arbeit wurde von der BAW finanziell unterstützt. Darüber hinaus danken wir Herrn Dr. Christian Vollmer vom Institut für Mineralogie der Universität Münster für seine Unterstützung bei den rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen und der energiedispersiven Röntgenanalyse. Literatur [1] Tophoff, L.; Kreyenschulte, M.; Schüttrumpf, H.; Heimbecher, F.: Verockerung wasserbaulicher Filteranlagen: Stand der Wissenschaft und notwendige Untersuchungen. In: Grundwasser - Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 27 (4) 2022. S. 295- 308. [2] Tophoff, L.; Finklenburg, B.; Schriewer, E.-L.; Schüttrumpf, H.: Planung und Durchführung der physikalischen Modellversuche zur Prüfung der Funktionstüchtigkeit von mineralischen und geotextilen Filtern bei Verockerungsneigung. Bericht B2022017 vom 25.09.2023. Aachen. 2023. (unveröffentlicht). [3] Bundesanstalt für Wasserbau (Hg.): BAWMerkblatt Anwendung von Regelbauweisen für Böschungs- und Sohlensicherungen an Binnenwasserstraßen (MAR). Karlsruhe. 2008. [4] Kuratorium für Forschung im Küsteningenieurwesen (Hg.): Die Küste, Heft 88, EAK 2002, Empfehlungen für Küstenschutzwerke, 3. korrigierte Ausgabe. 2020. [5] Correia, L.G.C.S.; Ehrlich, M.; Mendonca, M.B.; Keim, C.N.: Laboratory studies on ochre formation and removal from geotextile filters. In: Can. Geotech. J. 60 (1) 2023. S. 31-43. [6] Weidner, C.: Experimental modelling and prevention of chemical Fe-clogging in deep vertical wells for open-pit dewatering. Dissertation. RWTH Aachen. 2015. [7] Tophoff, L.; Schüttrumpf, H.; Heimbecher, F.; Kunz, N.: Einsatz von geotextilen und mineralischen Filtern in tidebeeinflussten Wasserstraßen bei Verockerungsneigung. Tagungsband zur 18. FS-KGEO 2023. S. 470-475. [8] Kuntze, H.: Verockerungen. Diagnose und Therapie; nach KWK-Versuchen 1956-1976. Schriftenreihe des Kuratoriums für Wasser und Kulturbauwesen, 32. Hamburg, Parey. 1978. [9] Mendonca, M.B.; Ehrlich, M.; Cammarota, M.C.: Conditioning factors of iron ochre biofilm formation on geotextile filters. Canadian Geotech. Journal 40 (6). 2003. [10] Hem, J.D.: Study and Interpretation of the Chemical Characteristics of Natural Water. U.S. Geological Survey Water-Supply Paper 2254, 3. Ausgabe 1985. S. 76-89. [11] Zhang, Y.; Tang, Q.; Shi, P.; Katsumi, T.: Influence of bio-clogging on permeability characteristics of soil. Geotextiles and Geomembranes (3), S. 707- 721. 2021. [12] Liu, S.; Wang, Y.; Di, F.: Influence of polyurethane foam on chemical clogging of nonwoven geotextile and tailings caused by ferrous iron. In: Textile Research Journal 91 (9-10), S. 1094-1103. 2021.