eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
131
2024
141

Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken

131
2024
Kerstin Ratz
Für den Nachweis der Tragfähigkeit von geplanten Wasserbauwerken, wie bspw. Wehranlagen oder Schleusen, sind charakteristische Einwirkungen zu ermitteln, die nach DIN 19702 in ständige, veränderliche und außergewöhnliche Einwirkungen unterschieden werden. Für die Festlegung der aus dem Grundwasser resultierenden Einwirkungen bzw. Beanspruchungen in den unterschiedlichen Bemessungssituationen werden charakteristische Grundwasserstände benötigt. Die charakteristischen Grundwasserstände dienen zur Ermittlung der auf das Bauwerk einwirkenden charakteristischen Wasserdrücke (charakteristische Einwirkungen) oder der daraus resultierenden charakteristischen Kräfte und Momente (charakteristische Beanspruchungen des Bauwerks). Da das Grundwasserpotential im Bereich von Wasserbauwerken meist mit den Gewässerwasserständen korreliert, sind für die Ermittlung der maßgebenden Grundwasserstände die abflussabhängig variierenden Gewässerwasserstände im Ober- und Unterwasser der Bauwerke zu berücksichtigen. Aufgrund des signifikanten Einflusses der charakteristischen Grundwasserstände auf die Bemessung der Wasserbauwerke sind vereinfachte konservative Ansätze zur Bestimmung der charakteristischen Grundwasserstände oftmals im Hinblick auf wirtschaftliche Bauweisen nicht möglich. In dem Beitrag wird daher die grundsätzliche Vorgehensweise zur Bestimmung charakteristischer Grundwasserstände für verschiedene Bemessungssituationen in Abhängigkeit der zu führenden Nachweise anhand von vorliegenden Grund- und Oberflächenwasserstandsmessungen aufgezeigt.
kbbf1410241
14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 241 Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken Ermittlung am Beispiel einer Schleuse Dipl.-Ing. Kerstin Ratz Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Zusammenfassung Für den Nachweis der Tragfähigkeit von geplanten Wasserbauwerken, wie bspw. Wehranlagen oder Schleusen, sind charakteristische Einwirkungen zu ermitteln, die nach DIN 19702 in ständige, veränderliche und außergewöhnliche Einwirkungen unterschieden werden. Für die Festlegung der aus dem Grundwasser resultierenden Einwirkungen bzw. Beanspruchungen in den unterschiedlichen Bemessungssituationen werden charakteristische Grundwasserstände benötigt. Die charakteristischen Grundwasserstände dienen zur Ermittlung der auf das Bauwerk einwirkenden charakteristischen Wasserdrücke (charakteristische Einwirkungen) oder der daraus resultierenden charakteristischen Kräfte und Momente (charakteristische Beanspruchungen des Bauwerks). Da das Grundwasserpotential im Bereich von Wasserbauwerken meist mit den Gewässerwasserständen korreliert, sind für die Ermittlung der maßgebenden Grundwasserstände die abflussabhängig variierenden Gewässerwasserstände im Ober- und Unterwasser der Bauwerke zu berücksichtigen. Aufgrund des signifikanten Einflusses der charakteristischen Grundwasserstände auf die Bemessung der Wasserbauwerke sind vereinfachte konservative Ansätze zur Bestimmung der charakteristischen Grundwasserstände oftmals im Hinblick auf wirtschaftliche Bauweisen nicht möglich. In dem Beitrag wird daher die grundsätzliche Vorgehensweise zur Bestimmung charakteristischer Grundwasserstände für verschiedene Bemessungssituationen in Abhängigkeit der zu führenden Nachweise anhand von vorliegenden Grund- und Oberflächenwasserstandsmessungen aufgezeigt. 1. Einleitung Einen wesentlichen Einfluss auf die Bemessung von Wasserbauwerken haben zumeist die aus Grund- und Oberflächenwasser resultierenden Druck- und Strömungskräfte. Dies betrifft sowohl die im Betriebszustand auf das Bauwerk und den Baugrund einwirkenden Kräfte als auch die während des Bauzustands auf die Baugrube und deren Verbau einwirkenden Kräfte. Diese Kräfte sind i. d. R. sowohl räumlich als auch zeitlich veränderlich und weisen oft einen erheblichen Schwankungsbereich auf. Um einerseits eine ausreichende Sicherheit des Bauwerks zu gewährleisten und andererseits eine wirtschaftliche Bemessung zu ermöglichen, sind die aus Grund- und Oberflächenwasser resultierenden Kräfte und Beanspruchungen unter Berücksichtigung der Schwankungsbereiche und deren Unsicherheiten sowie der gegenseitigen Abhängigkeiten festzulegen. Nachstehend wird anhand des Beispiels einer Schleuse die Ermittlung von charakteristischen Grundwasserständen für die Tragfähigkeitsnachweise von Massivbauwerken im Wasserbau erläutert. Insbesondere wird auf die Schwierigkeiten bei der Festlegung charakteristischer Werte für die Einwirkungen eingegangen, die sich aus der Abhängigkeit der Grundwasserverhältnisse von den Oberflächenwasserständen ergeben. 2. Normative Grundlagen Die für ein Massivbauwerk zu führenden Nachweise gliedern sich auf in: - bautechnische Tragfähigkeitsnachweise und - geotechnische Standsicherheitsnachweise (bspw. Gleiten, Kippen, Aufschwimmen) Der Eurocode DIN EN 1990 (2021) ist die europäische Grundlagennorm für die Tragwerksplanung und stellt zusammen mit dem nationalen Anhang DIN EN 1990/ NA (2010) auch die Grundlage für die statische Bemessung von massiven Wasserbauwerken der deutschen Bundeswasserstraßen dar. Die auf dem Eurocode basierende DIN 19702 (2013) legt die ergänzenden, grundlegenden Anforderungen an die Zuverlässigkeit (Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit) für Massivbauwerke im Wasserbau fest. Eine detaillierte Zusammenstellung der wesentlichen Regelungen dieser Normen für den Ansatz von Einwirkungen aus Grund- und Oberflächenwasser enthält Odenwald (2012). Grundlage der geotechnischen Standsicherheitsnachweise und der Bestimmung der charakteristischen Einwirkungen bildet in der WSV DIN EN 1997-1 (2009) in Verbindung mit DIN 1054 (2021). Für die Festlegung der charakteristischen Grundwasserstände für den Nachweis der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit von Massivbauwerken im Wasserbau bildet die DIN 19702 die normative Grundlage. Hier heißt es: 242 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken - Die zu erwartenden Änderungen der Grundwasserverhältnisse sind für alle maßgebenden Bau- und Betriebszustände zu prognostizieren. - Die Wasserstände sind unter der Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der Auswertung der hydrologischen und hydrogeologischen Verhältnisse festzulegen. - Der Wasserdruck ist als veränderliche Einwirkung zu betrachten. Nur bei einer Begrenzung durch geometrische Randbedingungen kann er als ständige Einwirkung angesetzt werden. - Eine Verminderung des Wasserdrucks durch bauliche Maßnahmen, z. B. durch Dräns, darf nur berücksichtigt werden, wenn ihre Wirkung kontrolliert wird. - Der charakteristische Wert veränderlicher Einwirkungen ist in der Regel mit einem Wiederkehrintervall von T-=-100-a und für außergewöhnliche Einwirkungen mit einem Wiederkehrintervall von T-= 1000 a festzulegen. - Zu den einzelnen Wasserständen auf der einen Seite eines Bauwerks (z. B. Oberwasser) gehört ein Spektrum möglicher Wasserstände auf der anderen Seite des Bauwerks (z. B. Unterwasser) sowie ein Spektrum möglicher, zugehöriger Grundwasserstände. (Bestimmung der Korrelationen zwischen Oberflächen- und Grundwasserständen und der maßgebenden Wasserstandsdifferenzen zur Festlegung charakteristischer Werte der Einwirkungen) Zusammenfassend bedeutet das, für bautechnische Tragfähigkeitsnachweise ist nach DIN 19702 der Wasserdruck als veränderliche Einwirkung zu betrachten. Nur bei Begrenzung durch geometrische Randbedingungen kann er als ständige Einwirkung angesetzt werden. Zudem ist keine Verrechnung der Wasserdrücke vorgesehen, da die Berücksichtigung von ungünstigen und günstigen Einwirkungen vorzunehmen ist. Eine Ausnahme bildet der Fall der direkten Abhängigkeit der Wasserstände bei um- oder unterströmten Bauwerken. Für geotechnische Standsicherheitsnachweise gelten die Regelungen aus EC 7-1. Hier wird eine Verrechnung der Wasserdrücke zu einer Einwirkung vorgesehen und die Einwirkungen aus Wasserdruck werden wie ständige Einwirkungen angesetzt. Es sind somit obere und untere charakteristische Werte aus Wasserdrücken für folgende Bemessungssituationen (BS) festzulegen: - ständige BS (BS-P) (Wasserstandskombinationen bis BHQ 1 (HQ 100 )) - vorübergehende BS (BS-T) (Bau- und Revisionszustände / Wasserstandskombinationen bis vorgegebenem Schutzziel) - außergewöhnliche BS (BS-A) (Ausfall Sicherungselemente, BHQ 2 (HQ 1000 )) 3. Vorstellung des betrachteten Bauwerks Zur Veranschaulichung der Vorgehensweise wird die Festlegung charakteristischer Grundwasserstände am Beispiel einer Schleuse an einem staugeregelten Fluss gezeigt. Die Schleuse ist Teil einer Staustufe, die aus einer Schleuse mit einer Kammer, einer Wehranlage und einem direkt daran anschließenden Kraftwerk (Abb. 1 ) besteht, wie es für Bundeswasserstraßen üblich ist. Gegründet ist die Schleuse auf geklüftetem Festgestein, am Ufer steht oberhalb des Festgesteins Lockergestein in Form von Auffüllung und quartären Sedimenten an. Abb. 1: Foto einer Schleusenanlage an einer Bundeswasserstraße 4. Festlegung charakteristischer Grundwasserstände 4.1 Allgemeine Zusammenhänge Bei der Bemessung maßgebende Einwirkungen auf Schleusen sind neben den Erddrücken Belastungen aus Wasser. Dies sind zum einen Wasserstände im Gewässer (Oberwasser und Unterwasser) und zum anderen der Grundwasserstand. Die Wasserstände entlang einer Schleuse sind i. d. R. nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich veränderlich und weisen oft einen erheblichen Schwankungsbereich auf. Für die fachgerechte Festlegung ist es somit erforderlich, dass sowohl Grundals auch Oberflächenwasserstandsmessungen in ausreichender räumlicher und zeitlicher Auflösung vorhanden sind. Hierzu gehören Grundwassermessstellen (GWM) entlang der Schleuse (Abb. 2 ) und Pegel im Ober- und im Unterwasser im Gewässer. Sind unterschiedliche Grundwasserleiter vorhanden, sollten diese separat z.- B. mit flachen (im Lockergestein verfilterten) und tiefen (im Festgestein verfilterten) Grundwassermessstellen erkundet werden. Im vorliegenden Anwendungsbeispiel sind keine getrennten Grundwasserleiter vorhanden. Abb. 2: Schleuse mit GWM 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 243 Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken Infolge der Stauregelung sind im Oberwasser einer Schleuse meist nur geringe Wasserstandsschwankungen vorhanden. Der Unterwasserstand schwankt jedoch meist deutlich in Abhängigkeit des vorhandenen Abflusses. I. d. R. ist der Grundwasserstand abhängig vom Gewässerwasserstand, wobei eine landseitige Umströmung der Schleuse von Oberwasser nach Unterwasser stattfindet. Oberwasserseitig gelegene GWM zeigen einen Grundwasserstand in etwa auf Höhe des Oberwasserstands (siehe auch GWM 1 in Abb. 2). Hingegen weisen am unterwasserseitigen Ufer gelegene GWM einen Gang ähnlich dem Unterwasserstand auf (GWM 4 in Abb. 3 ). Entlang der Schleuse ist ein deutliches Grundwassergefälle zu sehen. Der Grundwasserstand liegt je nach vorhandenen Fließhindernissen und entsprechendem Potenzialabbau zwischen dem Ober- und dem Unterwasserstand und weist meist eine deutliche Korrelation mit dem Unterwasserstand auf. D. h. der Grundwasserstand neben einer Schleuse steigt und fällt mit steigendem und fallendem Unterwasserstand, jedoch zeitlich verzögert und leicht gedämpft. Zur Veranschaulichung der Korrelation zwischen Grund- und Unterwasserstand sowie der auftretenden Wasserstandsdifferenz ist in Abb. 4 ein Abschnitt der Wasserstandsganglinien der Grundwassermessstelle GWM 2 und des Unterwassers dargestellt. Dargestellt ist die zum jeweiligen Messzeitpunkt ermittelte Differenz zwischen dem im Unterwasser und dem in der Grundwassermessstelle gemessenen Wasserstand. Die Abbildung umfasst sowohl den Zustand für Unterwasser bei Niedrigwasserstand als auch für ein Hochwasser. Die Darstellung erfolgt exemplarisch für die Grundwassermessstelle GWM 2. Die anderen Grundwassermessstellen zeigen ein ähnliches Verhalten, die Grundwasserstandsganglinien sind jedoch zumeist geringer gegenüber dem Unterwasserstand gedämpft, d.-h. sie steigen stärker an als die Ganglinien der GWM-2. Abb. 3: Ganglinien von Grund- und Gewässerwasserstandsmessungen Es sind grundsätzlich zwei Arten von Wasserstandsdifferenzen zu unterscheiden: - Der Grundwasserstand (GW) liegt über dem Gewässerwasserstand (grüner Bereich in Abb. 4) oder - der Gewässerwasserstand liegt über dem Grund-wasserstand (roter Bereich in Abb. 4). Abb. 4: Wasserstandsdifferenzen Für Unterwasser (UW) auf Niedrigwasserstand liegen die gemessenen Grundwasserstände oberhalb des Unterwasserstandes (GW > UW). Die maximale im Bereich der Schleuse ermittelte Differenz für GW > UW wurde an den Grundwassermessstellen bei Niedrigwasser gemessen. Bei ansteigendem Hochwasser kehren sich die Verhältnisse um und der Unterwasserstand steigt über den Grundwasserstand an. Der Grundwasserstand steigt zeitlich verzögert an und der Anstieg ist je nach Lage der Messstelle deutlich geringer als der Anstieg des Wasserstands im Unterwasser. Die Grundwasserstandsspitze wird bei kurz anhaltenden Hochwasserwellen erst bei bereits abklingenden Wasserständen im Gewässer erfasst. Unter Berücksichtigung der Schleusungsvorgänge kann der Wasserstand in der Schleuse in folgenden Situationen höher als der Grundwasserstand sein: - Wasserstand in der Schleuse auf Oberwasser (Abb.- 5 links) oder - Wasserstand in der Schleuse auf Unterwasser bei einem schnellen Anstieg des Gewässerwasserstands während eines Hochwasserereignisses (Abb.- 5 rechts). Die größte Differenz ergibt sich in diesem Fall bei einem Wasserstand in der Schleuse auf Oberwasser und einem Grundwasserstand, der sich bei Niedrigwasser einstellt. Abb.-5: Schematische Darstellung der möglichen Wasserstandsdifferenz für den Fall GW < Schleusenwasserstand Für die Standsicherheit der Schleuse maßgebender ist jedoch der Fall, dass der Grundwasserstand höher ist als Schleusenwasserstand. Dies tritt ein bei: - Wasserstand in der Schleuse auf Unterwasser bei ablaufender Hochwasserwelle (Abb. 6 rechts) oder 244 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken - Wasserstand in der Schleuse auf Unterwasser bei Mittelbis Niedrigwasserständen (Abb. 6 links). Hierbei treten die größten Differenzen bei niedrigen Wasserständen im Unterwasser auf. Abb. 6 : Schematische Darstellung der möglichen Wasserstandsdifferenz für den Fall GW > Schleusenwasserstand Die für die Bemessung maßgebenden Wasserstandsdifferenzen in der ständigen Bemessungssituation (BS-P) ergeben sich für die Schleuse aus der Kombination „Schleuse auf Oberwasserstand - tiefer Grundwasserstand“ und „Schleuse auf Unterwasserstand hoher Grundwasserstand“ und sowie „trockengelegte Schleuse zugehöriger maximaler Grundwasserstand“ in der vorübergehenden Bemessungssituation (BS-T). Zudem sind noch Wasserstände in der außergewöhnlichen Bemessungssituation (BS-A) anzugeben. Diese Wasserstandskombinationen können unter Berücksichtigung ausreichender Sicherheitszuschläge bei kurzen Messreihen anhand der beobachteten Abhängigkeiten durch Auswertung der Ganglinien festgelegt werden. Liegen Grundwasserstandsganglinien der Messstellen über einen ausreichend langen Zeitraum vor (min. 5 Jahre) kann zur Bestimmung charakteristischer Grundwasserstände jedoch eine statistische Auswertung der jährlichen Grundwasserhochstände herangezogen werden. Dazu werden für die im Unterwasser gemessenen, maximalen jährlichen Hochwasserstände die zugehörigen maximalen Grundwasserstände in den einzelnen Messstellen ermittelt (jeweils innerhalb hydrologischer Jahre vom 1.-November bis zum 31.-Oktober) und grafisch dargestellt (Abb. 7 ). Auf Grundlage der ermittelten Daten werden Regressionsgraden für die Beziehung zwischen Hochwasserstand und Grundwasserstand bestimmt. Diese Regressionsgeraden sind ebenfalls in Abb. 7 mit den zugehörigen Geradengleichungen sowie dem Bestimmtheitsmaß R² dargestellt. Das Bestimmtheitsmaß gibt an, wie gut die durch die Regressionsgerade beschriebenen Werte mit den Messwerten übereinstimmen. Aus dieser Auswertung kann für bestimmte Unterwasserstände der zugehörige Grundwasserstand ermittelt werden. Abb. 7: Grafische Darstellung der jährlichen Maximalwerte der Grund- und Unterwasserstandsmessungen Um Unsicherheiten bei der Ermittlung der Grundwasserstände für vorgegebene Unterwasserstände über die lineare Regression zu berücksichtigen, kann für die Bestimmung der oberen charakteristischen Grundwasserstände der aus der Regression ermittelte Grundwasserstand um die Standardabweichung s Reg der Messwerte von der jeweiligen Regressionsgeraden erhöht werden. In den nachfolgenden Kapiteln werden die für die Ermittlung der Bemessungswerte der Schnittgrößen benötigten (charakteristischen) Grundwasserstände in Abhängigkeit von der Höhe der zugehörigen Gewässerwasserstände angegeben. Entsprechend der Vorgabe nach EC 0 werden obere und untere Werte ermittelt. Die charakteristischen Grundwasserstände können für die einzelnen Bemessungssituationen für das Ober- und das Unterhaupt der Schleuse angegeben werden. Liegen keine zusätzlichen Angaben über künstliche Grundwasserstauer (z.-B. senkrecht zur Schleuse verlaufende Spundwand) zwischen Oberhaupt und Unterhaupt vor, kann bei dazwischen liegenden Bemessungsschnitten zwischen den angegebenen Werten linear interpoliert werden. 4.2 Ständige Bemessungssituation Als charakteristische Einwirkungen sind nach DIN 19702 in der ständigen Bemessungssituation die Auswirkungen von Wasserständen bis zu einem 100-jährlichen Hochwasser (entsprechend der rechnerischen Nutzungsdauer des Bauwerks) anzusetzen. Das höchste im Messzeitraum erfasste Hochwasser entspricht meist einem Hochwasser mit einer deutlich geringeren Auftretenswahrscheinlichkeit. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Schleusen Teil einer Staustufe sind, in denen der Wasserstand im Oberwasser durch ein Wehr geregelt wird. DIN 19700-13 unterscheidet dabei in vollregelnde und teilregelnde Wehre. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein teilregelndes Wehr, d.-h. bei einem 100-jährlichen Hochwasser findet keine Stauregelung mehr statt und der Wasserstand im Oberwasser steigt ebenfalls mit an. Kommt es dadurch zu einer Überflutung der Vorländer, wird der Grundwasserstand im Porengrundwasserleiter, vor allem bei einem Hochwasser mit einem relativ lang anhaltenden Hochwasserscheitel, bis nahezu auf Hochwasserniveau ansteigen. Bei einer schnell ablaufenden Hochwasserwelle wird 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 245 Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken der Grundwasserstand, wie oben gezeigt, deutlich nachlaufen, so dass sich eine relativ große Potenzialdifferenz zwischen dem Grundwasserstand und einem Wasserstand in der Schleuse auf Unterwasser ergibt. Die maximal auftretende Differenz zwischen Grund- und Unterwasserstand ist jedoch deutlich geringer als die maximal mögliche Differenz zwischen dem maximal möglichen Grundwasserstand (z. B. Oberkante Gelände neben der Schleuse) und dem minimalen Unterwasserstand. Dieser Ansatz liegt für die Bemessung einer Schleuse somit zu sehr auf der sicheren Seite. Nach DIN 19702 kann ein durch geometrische Randbedingung begrenzter Wasserstand als ständige Einwirkung angesetzt werden. Es ist somit bei der Ermittlung charakteristischer Grundwasserstände zu untersuchen, ob dieser Fall bei einem 100-jährlichen Hochwasser eintreten kann. Die ermittelte maximale Differenz zwischen Unterwasserstand und Grundwasserstand tritt im Schleusenbereich nicht während des Hochwassers sondern während Niedrigwasser auf. Daher sind auch für diesen Fall charakteristische Grundwasserstände anzugeben. Für die Standsicherheitsnachweise in der ständigen Bemessungssituation (BS-P) wird demnach unterschieden in: Ablaufende HW-Welle (Abb. 8, links): - Grundwasserstand hoch anstehend (evtl. aus linearer Regression ermittelt). - Maximal durch Oberkante Schleusenwand begrenzt. - Gewässerwasserstand bereits abgesunken. - Auf der sicheren Seite liegend kann die Differenz der Wasserstände aus den Niedrigwasserzeiträumen angesetzt werden. Alternativ kann eine maßgebende Wasserstandsdifferenz anhand der Auswertung der gemessenen Wasserstandsdifferenzen nach beobachteten Hochwässern angegeben werden. Niedrigwasser (Abb. 8, rechts): - Schleusenwasserstand auf Unterwasser bei Niedrigwasser und Grundwasserstand entlang der Schleuse entsprechend der gemessenen Differenzen (aus Ganglinien ermittelt). Abb. 8 : Darstellung charakteristischer Wasserstände in der BS-P (links oberer Wert: ablaufende HW-Welle, rechts unterer Wert: NW) 4.3 Vorübergehende Bemessungssituation Als vorübergehende Bemessungssituation ist der Revisionszustand mit Trockenlegung der Schleusenkammer zwischen den Revisionsverschlüssen zu betrachten. Die Revision der Schleusenkammer wird bis zu einem vorgegebenen Hochwasserstand, der maximal der Oberkante des Revisionsverschlusses im Unterwasser entspricht, durchgeführt. Daher ergeben sich als obere charakteristische Grundwasserstände entlang der Schleuse die Grundwasserstände bei einem Hochwasser, welches der Höhe des Revisionsverschlusses im UW entspricht (Abb. 9 , links). Diese Grundwasserstände können wie oben beschrieben mittels linearer Regression ermittelt werden. Als unterer charakteristischer Wert wird der Grundwasserstand bei Niedrigwasser (NW) im UW angesetzt, der anhand der Ganglinien ermittelt werden kann (Abb. 9 , rechts). Revision: - Trocken gelegte Schleusenkammer in Kombination mit - GW bei HW (OK Revisionsverschluss) als oberer charakteristischer Wert und - GW bei NW als unterer charakteristischer Wert. Abb. 9 : Darstellung charakteristischer Wasserstände in der BS-T (links obere Wert: HW, rechts unterer Wert: NW) Dieses Vorgehen lässt sich auch auf einen eventuell geplanten Bauzustand übertragen. Hier wäre der obere charakteristische Grundwasserstand durch die Oberkante der geplanten Baugrubenverbauwand bzw. den Hochwasserstand vorgegeben, bis zu dem die Baugrube trocken gehalten werden soll. 4.4 Außergewöhnliche Bemessungssituation In der außergewöhnlichen Bemessungssituation ist zusätzlich zu jeweils maßgebenden ständigen und veränderlichen Einwirkungen eine außergewöhnliche Einwirkung aus Wasser- und Grundwasserständen zu berücksichtigen, die über die in der ständigen oder der vorübergehenden Bemessungssituation angesetzten Hochwasserstände hinausgehen oder die durch ein hydraulisches Versagen von baulichen Sicherungselementen hervorgerufen werden. Nach DIN 19702 ist für die außergewöhnliche Einwirkung der Wasserstand mit BHQ 2 nach DIN 19700-13 anzugeben. Dies entspricht bei Bundeswasserstraßen meist einem HQ 1000 . Ist die Schleusenanlage bereits bei HQ 100 überströmt, sind die auftretenden Wasserstandsdifferenzen beim Ablaufen der Hochwasserwelle entsprechend den Wasserstandsdifferenzen in der ständigen Bemessungssituation anzusetzen. Somit ergeben sich daraus die gleichen Einwirkungen wie in der ständigen Bemessungssituation und es ist keine weitere Angabe von charakteristischen Grundwasserständen in dieser Bemessungssituation erforderlich. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob ein bauliches Sicherungselement existiert, dessen hydraulisches Versagen berücksichtigt werden muss. 246 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Festlegung charakteristischer Grundwasserstände für Tragfähigkeitsnachweise von Wasserbauwerken 5. Zusammenfassung Für die Festlegung von charakteristischen Grundwasserständen und die Ermittlung von Einwirkungen aus dem auf die Schleuse einwirkenden Wasserdruck lässt sich folgendes festhalten: - Grundwasserstand und Schleusenwasserstand sind nicht entkoppelt, d.-h. eine Verrechnung ist auch nach DIN 19702 zulässig. - Die maximalen Wasserstandsdifferenzen zwischen Grund- und Gewässerwasserstand treten meist bei Niedrigwasserständen und nicht bei ablaufender Hochwasserwelle auf. - Zu einem charakteristischen Grundwasserstand ist immer auch der zugehörige Kammerwasserstand anzugeben. - Es ist darauf zu achten, ob es eine räumliche Begrenzung für die Höhe des möglichen Grundwasserstandes gibt. - Gibt es keine stauenden Einbauten (z. B. Spundwände quer zum Fließweg) kann zwischen den angegebenen Wasserständen entlang der Schleuse interpoliert werden. Zur Festlegung der maßgebenden charakteristischen Wasserstände (mit einer Überschreitungs-wahrscheinlichkeit von einem Mal pro Lebensdauer des Bauwerks) sind ausreichend Messungen erforderlich. Dies gilt insbesondere für Grundwasserstandsmessungen, bei denen sowohl eine ausreichende Anzahl von Messstellen als auch ein ausreichender Messzeitraum sowie ein geeignetes Messintervall benötigt werden. Bei einem frei fließenden oder staugeregelten Gewässer ist zumeist ein Messzeitraum von mindestens fünf Jahren mit einem geeigneten Messintervall zur Erfassung hochwasserbeeinflusster Grundwasserstände erforderlich. Dies ist insbesondere notwendig, wenn Aussagen über die Korrelation zwischen Grund- und Oberflächenwasserständen und eine daraus resultierende, maßgebende Wasserstandsdifferenz getroffen werden sollen. Um eine ausreichende zeitliche Auflösung der Grundwassermessungen mit einer Erfassung der Wasserstandsdifferenzen bei Hochwasserereignissen zu erhalten, bietet sich die Ausstattung der Messstellen mit Druckaufnehmern und Datenloggern an. Diese sollten regelmäßig (etwa halbjährlich) über händische Messungen mit dem Lichtlot überprüft werden. Aus diesen Gründen ist bei geplanten Baumaßnahmen von massiven Wasserbauwerken eine frühzeitige Erstellung eines geeigneten Grundwassermesssystems mit entsprechender Messdatenerfassung und Messdatenauswertung erforderlich. Literatur [1] DIN EN 1990: 2021-10: Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung. Deutsche Fassung EN 1990: 2002 + A1: 2005 + A1: 2005/ AC: 2010. Beuth Verlag, Berlin [2] DIN EN 1990/ NA: 2010-12: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung. Beuth Verlag, Berlin. [3] DIN EN 1997-1: 2009-09: Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln. Beuth Verlag, Berlin [4] DIN EN 1997-1/ NA: 2010-12: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln. Beuth Verlag, Berlin. [5] DIN 1054: 2021-04: Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau - Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1. Beuth Verlag, Berlin [6] DIN 19702: 2013-02: Massivbauwerke im Wasserbau - Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit. Beuth Verlag, Berlin. [7] DIN 19700-13: 2019-06: Stauanlagen - Teil 13: Staustufen. Beuth Verlag, Berlin. [8] Odenwald, Bernhard (2012): Einwirkungen und Beanspruchungen aus Grundwasser und Oberflächenwasser. In: Bundesanstalt für Wasserbau (Hg.): Neue Normen und Regelwerke in der Geotechnik. Karlsruhe: Bundesanstalt für Wasserbau. S. 11-26.