eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2024
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Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände

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2024
Jannik Beuße
Kombinierte Spundwände spielen eine entscheidende Rolle im Bau von Kaimauern, indem sie als wesentliche Tragelemente dienen. Die Anwendung gängiger Nachweisformate zeigt jedoch, dass viele bestehende Kaimauern rechnerisch nicht mehr standsicher sind, obwohl sie den bewährten Baupraktiken entsprechen. Die bisherige Bemessung erfolgt größtenteils zweidimensional, wobei ein gewölbter Ansatz zwischen den Trägern verwendet wird. Dabei übernehmen die Träger die Last des Erddrucks, während die Zwischenbohlen lediglich den Wasserdruck absorbieren. Es gibt jedoch unzureichende Informationen zur Beschreibung des räumlichen Tragverhaltens von kombinierten Spundwänden. Um dieses Verhalten genauer zu verstehen, werden 1g-Modellversuche an einem Abschnitt der Kaimauer durchgeführt. Dabei wird untersucht, wie sich das Last-Verformungsverhalten tatsächlich entwickelt. Anschließend werden in einer Vielzahl von numerischen Simulationen die wahrscheinlich maßgebenden Parameter variiert, darunter der Systemquerschnitt, der Bauablauf (sowohl auf dem Land als auch im Wasser), die Lagerungsdichte, die Ankersteifigkeit, die Bodenschichtung und unterschiedliche Wasserdrücke. Im nächsten Schritt werden im Maßstab 1:1 Versuche an Spundbohlen durchgeführt, wobei die zuvor ermittelten Belastungen und Lagerungsbedingungen berücksichtigt werden. Dabei werden die tatsächlich auf die Träger und Spundbohlen wirkenden Lasten ermittelt, und es wird überprüft, ob die bisher in der klassischen Bemessung angenommene Gewölbeausbildung tatsächlich eintritt.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 253 Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände Dr.-Ing. Jannik Beuße GTU Ingenieurgesellschaf mbH, Hamburg Zusammenfassung Kombinierte Spundwände spielen eine entscheidende Rolle im Bau von Kaimauern, indem sie als wesentliche Tragelemente dienen. Die Anwendung gängiger Nachweisformate zeigt jedoch, dass viele bestehende Kaimauern rechnerisch nicht mehr standsicher sind, obwohl sie den bewährten Baupraktiken entsprechen. Die bisherige Bemessung erfolgt größtenteils zweidimensional, wobei ein gewölbter Ansatz zwischen den Trägern verwendet wird. Dabei übernehmen die Träger die Last des Erddrucks, während die Zwischenbohlen lediglich den Wasserdruck absorbieren. Es gibt jedoch unzureichende Informationen zur Beschreibung des räumlichen Tragverhaltens von kombinierten Spundwänden. Um dieses Verhalten genauer zu verstehen, werden 1g-Modellversuche an einem Abschnitt der Kaimauer durchgeführt. Dabei wird untersucht, wie sich das Last-Verformungsverhalten tatsächlich entwickelt. Anschließend werden in einer Vielzahl von numerischen Simulationen die wahrscheinlich maßgebenden Parameter variiert, darunter der Systemquerschnitt, der Bauablauf (sowohl auf dem Land als auch im Wasser), die Lagerungsdichte, die Ankersteifigkeit, die Bodenschichtung und unterschiedliche Wasserdrücke. Im nächsten Schritt werden im Maßstab 1: 1 Versuche an Spundbohlen durchgeführt, wobei die zuvor ermittelten Belastungen und Lagerungsbedingungen berücksichtigt werden. Dabei werden die tatsächlich auf die Träger und Spundbohlen wirkenden Lasten ermittelt, und es wird überprüft, ob die bisher in der klassischen Bemessung angenommene Gewölbeausbildung tatsächlich eintritt. 1. Einführung Ufereinfassungen spielen eine entscheidende Rolle beim Umschlag von Containerschiffen und der Handelsschifffahrt. Im Hamburger Hafen allein erstrecken sich bereits 43 Kilometer Uferbefestigungen. Die gängige Bauweise für Uferbefestigungen mit Geländesprüngen von bis zu 30 Metern sind kombinierte Spundwände. Das Tragverhalten dieser Wände ist noch nicht vollständig erforscht. Daher bedarf es einer Untersuchung der tatsächlichen Lastverteilung und ihrer Einflussfaktoren. Das Ziel dieses Beitrags ist es, das System der kombinierten Spundwand nachhaltiger zu gestalten und die Wirtschaftlichkeit durch effizienteres und ressourcenschonenderes Bauen sicherzustellen. Der Fokus liegt darauf, die räumliche Erddruckverteilung auf kombinierten Spundwänden realistisch zu berücksichtigen. Es werden Modellversuche durchgeführt, um eine mögliche Gewölbewirkung zwischen den Trägern zu identifizieren. Auf dieser Grundlage werden mit numerischen Simulationen im Realmaßstab potenzielle Einflussgrößen des räumlichen Tragverhaltens untersucht, und es wird ein vereinfachter Ansatz für die Erddruckverteilung erarbeitet. Die tatsächliche räumliche Belastung wird im Vergleich zu bestehenden Untersuchungen bewertet. Detaillierte Ergebnisse zum räumlichen Tragverhalten sind in [1] umfassend veröffentlicht. 2. Kenntnisstand zum räumlichen Einfluss 2.1 Allgemeines Kombinierte Spundwände sind infolge der unterschiedlichen Bestandteile der Kaimauer sowie der Belastung aus dem Erddruck räumlichen Einflüssen ausgesetzt. Aufgrund der Struktur, der unterschiedlich steifen Bauteile sowie des Herstellungsverfahrens von Ufereinfassungen wird das reale Tragverhalten kombinierter Spundwände durch eine räumliche Lastaufteilung geprägt. In der Praxis wird diese Lastverteilung zumeist mit zweidimensionalen Ersatzsystemen vereinfacht, ohne dass die tatsächliche Lastverteilung bekannt ist. Dennoch gibt es Erkenntnisse zu vertikalen und horizontalen Druckgewölben, wie der nachfolgenden Abb.-1 zu entnehmen ist. [2] weist darauf hin, dass die möglichen Gewölbe von Kaimauern durch die Anordnung verschiedener Bauteile im Boden beeinflusst werden. Die räumlichen Effekte, wie sie durch numerische Simulationen in [3] aufgezeigt werden, werden beeinflusst durch den Bauablauf. Eine umfassende Studie zum räumlichen Erddruck auf vertikale starre Bauwerke wurde von [4] durchgeführt. Dieser zeigt, dass die Aktivierung des aktiven räumlichen Erddrucks von der Wandverformung (zum Beispiel Parallelverschiebung oder Fußpunktdrehung), der Lagerungsdichte sowie dem Verhältnis der Bauteilverschiebung u zur freien Wandhöhe h abhängt. Bei u/ h ≥ 18-‰ tritt der aktive räumliche Erddruck bei allen Variationen auf. In [5]a series of model tests with sand fills were carried out in a two-dimensional (2D werden in Falltürversuchen die Form der Gewölbe und der Einfluss des Wandreibungswinkels untersucht. Numerisch wird die Gewölbewirkung beispielsweise mit der FEM unter Verwendung eines Lagrange-Ansatzes (vgl.-[6]), der CEL-Methode (vgl.-[7]) sowie meistens mit der DEM (vgl.-[8]-[10]) dargestellt. Derzeit ist der Einfluss der Gewölbewirkung zwischen den Trägern kombinierter Spundwände nicht wissenschaftlich bestätigt. In Bezug auf Kaimauern wird je- 254 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände doch in den Arbeiten von [2], [7], [11] gezeigt, dass es zur Ausbildung eines Druckgewölbes zwischen den Kaiplattenpfählen kommt, was zu einer anschließenden Erddruckreduktion auf die kombinierte Spundwand führt. Abb.-1: Querschnitt einer Kaimauer, aus [1] 2.2 Vertikales Gewölbe Wie in Abb.-1 mit  dargestellt, kommt es infolge einer Erddruckumlagerung bei rückverankerten, nachgiebigen Spundwänden in Kombination mit einer Rückverankerung zur Ausbildung eines vertikalen Druckgewölbes (vgl.- [12]). Nach [13] wird angenommen, dass sich bei einer mindestens mitteldicht gelagerten Hinterfüllung ein horizontales Druckgewölbe ausbildet, sodass die Träger den gesamten Erddruck aufnehmen (vgl. Abb.-1 mit  ). 2.3 Horizontales Gewölbe Bei der in Abb.- 2 gezeigten Lastverteilung dienen die Zwischenbohlen lediglich der Aufnahme des Wasserüberdrucks und der Weitergabe der Lasten an die Träger. Abb.-2: Angenommene Gewölbeausbildung bei kombinierten Spundwänden, aus [1] 2.4 Erddruckabschirmung Zusätzlich tritt nach [14] eine Abschirmwirkung durch die Kaiplattenpfähle auf. Infolge dieser wird der Erddruck auf die kombinierte Spundwand reduziert (vgl. Abb.-1 mit  ). In der Praxis hat sich das Verfahren nach [15] etabliert, welches von einer Erddruckabschirmung und einer damit einhergehenden Bodenverbesserung ausgeht. Hierbei wird ein Erhöhungsfaktor des effektiven Reibungswinkels eingeführt, der lediglich vom Geländesprung sowie der Querschnittsfläche der Kaiplattenpfähle in einem Block abhängt. 2.5 Lastverteilung Teilt man die Lasten hinter einer kombinierten Spundwand in Spannungen aus dem Erddruck und Wasserüberdruck auf, so lässt sich diese orthogonal auf die Flächen aufteilen (siehe Abb.-3). Abb.-3: Lastverteilung auf einer kombinierten Wand, aus [1] Zur Untersuchung der Lastverteilung auf die Träger und Zwischenbohlen kombinierter Spundwände wird mit Gl.-1 ein Gewölbefaktor η Gew eingeführt. Dabei wird der Erddruckanteil auf dem Träger mit der Breite B T in der Tiefe z mit e ah,T beschrieben, und der Erddruckanteil auf die Zwischenbohlen mit der Breite B ZB mit e ah,ZB beschrieben. Der Erddruckanteil der Träger wird auf die gemittelte Erddruckspannung e ah,gem bezogen, welche auf das Systemmaß b sys bezogen wird. Die Aufteilung der horizontalen Erddruckspannungen e ah und Spannungen aus Wasserüberdruck w u sind in Abb.-3 dargestellt. (1) Ein Gewölbefaktor von η Gew (Z) = 1 entspricht einer vollen Lastumlagerung auf die Träger, wobei die Zwischenbohlen unbelastet bleiben. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 255 Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände 3. Dimensionsanalyse 3.1 Grundlage Als Prototyp wird ein Regelquerschnitt in Anlehnung an das CT Altenwerder in Hamburg (vgl.-[2]) verwendet. Zur Beschreibung der Skalierung und zur Reduktion der zu variierenden Parameter, wird die Dimensionsanalyse bzw. Ähnlichkeitstheorie nach [16] angewandt, wie näher in [1] beschrieben. Zur Beschreibung dieser Gewölbewirkung mit einem Gewölbefaktor wird postuliert, dass es eine Funktion η Gew nach Gl.-2 gibt, welche die Erddruckverteilung zwischen Trägern und Zwischenbohlen beschreibt. Nach [17] kann die Gleichung von einer beliebigen Anzahl von Größen abhängen und muss damit nicht zwingend vollständig sein. (2) Dabei gehen in die Formel ein: 1. bezogene Lagerungsdichte I D 2. Abstand des Ankeranschlusses vom 3. Kaimauerkopf aA 4. Abstand zweier Träger 5. Wichte des Bodens 6. Elastizitätsmodul 7. Flächenträgheitsmoment 8. Querschnittsfläche des Ankers 9. Trägerlänge 10. Höhe des Geländesprunges 3.2 Dimensionslose Parameter Mit der Dimensionsanalyse nach [17] werden sechs maßgebende Pi-Theoreme gemäß Gl.-(3) definiert, welche es zu untersuchen gilt. (3) Diese Parameter werden sowohl in Modellversuchen als auch in numerischen Simulationen variiert. 4. Untersuchungen 4.1 Modellversuche An einem Abschnitt der Kaimauer, bestehend aus zwei einzelnen Tragbalken und einer doppelten Zwischenbohle, werden Modellversuche im Kleinmaßstab durchgeführt. Dieser Modellversuch ist in Abb.-4 dargestellt. Die Profile der Modelle werden mittels 3D-Druck erstellt. Zusätzlich werden Glasfasern exzentrisch an den Profilen angebracht, um die Dehnung faseroptisch zu messen. Die Rückrechnung der Biegespannung und -linie erfolgt auf Grundlage der Differentialgleichung des Biegebalkens durch numerische Integration bzw. Ableitung der aus der Dehnung ermittelten Krümmung. Das Ziel der Konzeption des Modellversuchs besteht darin, eine vergleichbare Biegesteifigkeit im Prototyp und im Modell zu erreichen. Der Versuchsaufbau ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Abb.-4: Modellversuch einer einfach rückverankerten kombinierten Spundwand mit Kunststoffprofilen bei der Hinterfüllung der Wand mit dem Einrieseln von Sand Durchgeführt werden insgesamt sieben Versuche an drei skalierten Profilquerschnitten der Träger-Typen HZ-630M, HZ-880M-C und HZ-1080M-C mit dem Zwischenbohlen-Typ AZ-25-800 in landseitiger Anordnung. Die Hinterfüllung ist in Abb.-3 dargestellt und ist im Video des Versuchsablaufs gezeigt. Video zum Versuchsablauf Die durchgeführten 1g-Modellversuche an einem Abschnitt der Kaimauer zeigen vor allem das von der Belastung abhängende Verformungsverhalten, sowie erste Anzeichen für vertikale und horizontale Gewölbe. Ebenfalls wird deutlich, dass insbesondere die Anker eine höhere Verformung erfahren als die kombinierte Spundwand. Da eine Übertragung der Erkenntnisse auf den Realmaßstab trotz Modellgesetzen nur begrenzt möglich ist, erfolgen nach einer Validierung von numerischen Modellen anhand der Modellversuche anschließend Simulationen im Realmaßstab. 4.2 Numerische Simulationen Nachfolgend wird numerisch analysiert, wann es zu einem horizontalen Druckgewölbe zwischen den Trägern kombinierter Spundwände kommt und wie groß die anteilige Lastverteilung ist. Hierzu wird die auftretende Lastverteilung auf das System ermittelt, um die gesuchte Funktion der Lastverteilung bzw. des Erddruckumlagerungsfaktors η Gew nach (vgl. Gl.-2) zu bestimmen. Dabei werden die sechs Π-Faktoren, die voraussichtlich den Gewölbefaktor η Gew dominieren, aus der Dimensionsanalyse 256 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände herangezogen. Zur Untersuchung dieser Π-Faktoren wird neben den sechs Faktoren auch die Bauweise (Land- und Wasserbaustelle) variiert. Dabei wird der Querschnitt, angelehnt an das System am CT Altenwerder nach [2] mit einem Geländesprung HG = 19,7-m betrachtet. Die Modellbildung, Simulation und Auswertung erfolgen automatisiert mit einem Python-Skript. Dabei wird die kombinierte Wand mit Schalenelementen, der Anker als eingebetteter Balken (embedded beam), der Boden mit Kontinuumselementen abgebildet. Für die Strukturelemente erfolgt ein elastoplastischer Material-ansatz und für den Sand wird das Stoffmodells „Hardening Soil model small-strain stiffness“ (HS-small) verwendet. Durch Ermittlung der Parameter nach [18] wird in Abhängigkeit der Eingangsparameter eine Berücksichtigung des Materialverhaltens erzielt. Validiert wird das Modell durch die Nachrechnung des Modellversuchs 5. Die Auswertung erfolgt als Gewölbefaktor η Gew aufgetragen über die Bauteilhöhe z auf Grundlage, der nach Abb.-2 bestimmten Lastverteilung für den repräsentativen Lastfall Sunk-1. Vergleichsrechnung mittels Festigkeitsreduktion zeigen, dass dieser Lastfall ein Lastbild wiedergibt, das mit dem Grenzzustand vergleichbar ist. Der Gewölbefaktor wird zusammen mit den bauteilbezogenen Erddruckverläufen für die variierte bezogene Lagerungsdichte I D (Faktor Π 1 ) in Abb.-5 gezeigt. (a) (b) Abb.-5 Bauteilbezogene Erddruckverteilung (a) und Gewölbefaktor (b) bei variierter Lagerungs-dichte für den Bauzustand Sunk-1 (WBS). Darstellung für die Träger (blau) und Zwischenbohle (rot) , aus [1] Die Darstellung zeigt, dass bei einer Erhöhung der Lagerungsdichte im Ankerbereich eine stärkere Lastumverteilung zu den Trägern erfolgt. Der Gewölbefaktor erreicht dabei einen Maximalwert von η Gew = 0,90 für eine Lagerungsdichte von I D = 0,7 und einen Minimalwert von η Gew = 0,80 für eine Lagerungsdichte von I D = 0,4. Infolge dichter Lagerung des Sands ergibt sich eine anteilige Mehrbelastung der Träger an der Gesamteinwirkung von 10-%. Qualitativ zeigt sich bei den untersuchten Variationen ein ähnlicher Funktionsverlauf des Gewölbefaktors. Daher erfolgt die Ermittlung der Approximationen für die beiden Bereiche für jeden Π-Faktor, um anschließend einen bilinearen Ansatz des Gewölbefaktors nach Gl.-4 zu bestimmen. Die Approximation ist mittels der stufenförmigen Linien in Abb.-5-(b) skizziert. (4) Unter Verwendung des Ansatzes nach Gl.-4 wird sowohl oberhalb als auch unterhalb des Wendepunkts das Integral der Kurven des Gewölbefaktors gebildet und auf die Bezugshöhe bezogen approximiert. Durch das gewählte Vorgehen in Anlehnung an die Berechnung der Erddruckumlagerung nach [13] werden Verlaufs-spitzen vernachlässigt, was unter Berücksichtigung des derzeitigen Ansatzes der alleinigen Aufnahme des Erddrucks über die Träger auf der sicheren Seite bei der Bemessung liegt. 4.3 Formelansatz für den Gewölbefaktor Die Ergebnisse der Variationsrechnungen zeigen, dass sich die Verläufe mit einem bilinearen Formelansatz beschreiben lassen. Unter Berücksichtigung der sechs variierten Pi-Theoreme und dem Produktansatz nach Bernoulli wird der Gewölbefaktor sowohl für die Landals auch für die Wasserbaustelle definiert, wie beispielhaft in Abb.-6 gezeigt. Abb.-6 Gewölbefaktor als anteilige Lastverteilung auf die Träger und Zwischenbohlen für die Variation der Tragbohlen einer kombinierten Spundwand. Die durchgezogenen Linien zeigen die gewählte Approximation im bilinearen Ansatz. Entnommen aus [1]. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 257 Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände Die Formeln sowie die Herleitung sind im Detail in [1] gezeigt. Mit [1] wird zusätzlich zur Anwendung der komplexen Formeln ein vereinfachtes Excel-Tool bereitgestellt, um der Praxis die Anwendung zu ermöglichen. Die Formeln für den Gewölbefaktor haben dabei folgende Gestalt. (5) 5. Anwendung und Potential Vergleichsrechnungen, unter Verwendung des entwickelten Formelansatzes für den Gewölbefaktor zeigen, dass die resultierende Erddruckkraft auf die Träger bei einer Wasserbaustelle um 37-% bis 57-% und bei einer Landbaustelle um 25-%-45-% reduziert wird. Die Ausbildung des Gewölbes hängt direkt von der Biegesteifigkeit der Wand, der Dehnsteifigkeit des Ankers, dem Systemmaß, dem Einspanngrad sowie der Höhe der Rückverankerung ab. Es muss jeweils die Tragfähigkeit der Zwischenbohlen infolge der tatsächlichen Erddruckbelastung sowie das Erdwiderlager, auch für die Zwischenbohlen, nachgewiesen werden. Ein weiterer förderlicher Faktor ist die Erddruckabschirmung durch die Kaiplattenpfähle, wie beispielsweise in [QIU, 2012] gezeigt. Durch die gezielte Installation der kombinierten Spundwand sowie die Berücksichtigung der Drehbettung im kombinierten Biegeknick- und Biegedrillknicknachweis können Systemreserven effektiv genutzt werden. 6. Zusammenfassung Die übliche Bauweise für Absicherung von Geländesprüngen bei Ufereinfassungen ist die kombinierte Spundwand. Diese setzt sich aus langen Doppel-T-Trägern zusammen, die über Schlösser mit Z-förmigen Zwischenbohlen verbunden sind. Trotzdem sind das Einbringen und das Tragverhalten noch nicht vollständig verstanden. Aufgrund der Anordnung der Elemente einer Ufereinfassung und der Belastung durch den Erddruck ist das Tragverhalten von räumlichen Einflüssen geprägt. In analytischen Ansätzen werden diese Einflüsse als angenommene Gewölbewirkung in zweidimensionalen Ersatzsystemen berücksichtigt. Diese Annahme ist jedoch nicht belegt, daher muss geklärt werden, wie die realistische Verteilung des Erddrucks berücksichtigt werden kann, um potenzielle Reserven im System zu nutzen. Ein 1g-Modellversuch eines Abschnitts der Ufereinfassung mit trockenem Sand und der Installation eines Kaiplattenpfahls wird entwickelt, um das räumliche Tragverhalten zu untersuchen. Das Modell besteht aus 3D-gedruckten Bauteilen und liefert qualitative Erkenntnisse zum Last-Verformungs-verhalten mittels Glasfasermessungen. Dabei werden auch die Zwischenbohlen durch den Erddruck belastet, und es kommt zu einem signifikanten Anstieg der Belastung durch das Einbringen des Pfahls. Ein validiertes numerisches 3D-Modell wird anhand der Modellversuche erstellt. Die Simulationen zeigen, dass die Zwischenbohlen insbesondere auf Höhe der Hafensohle stark durch den Erddruck belastet werden und kein durchgehendes horizontales Gewölbe entsteht. Die Lastaufteilung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Lagerungsdichte des Bodens, der Biegesteifigkeit des Trägers, der Ankerdehnsteifigkeit, der Ankeranschlusshöhe, der Geländesprunghöhe und der Einbindetiefe des Trägers. Die Ausbildung eines vertikalen Gewölbes hängt von der Systemsteifigkeit und der Bauweise ab. Die Lastaufteilung kann mit einem entwickelten Formelansatz für den Gewölbefaktor analytisch erfasst werden. Dies eröffnet Möglichkeiten zur Nutzung von Systemreserven durch den Erddruck über die Zwischenbohlen. Diese Erkenntnisse, zusammen mit früheren Untersuchungen, tragen zur Nutzung von Systemreserven bei bestehenden Ufereinfassungen bei und reduzieren die Überdimensionierung von Neubauten. Im nächsten Schritt sollten die tatsächlichen Einwirkungen auf die Zwischenbohlen und die Träger am Prototyp gemessen werden. Hier bietet sich die Integration von Erddruckmessungen in ein künftiges Kaimauerprojekt als digitaler Zwilling an, ähnlich wie es bereits teilweise für Ankerkraft-, Dehnungs- und Temperaturmessungen in niederländischen smarten Kaimauern integriert ist. Es sollte geprüft werden, wie groß die von den Zwischenbohlen mobilisierten Widerstände sind, um diese bei der Bemessung zu berücksichtigen. Dadurch könnte die rechnerische Belastung durch den Erddruck auf die Träger in der Mitte des Feldes um bis zu 80-% reduziert werden. Danksagung Der Dank des Autors gilt der FOSTA - Forschungs-vereinigung Stahlanwendung e. V., Düsseldorf, welche das IGF-Vorhaben 21438/ 1480 „Zum räumlichen Tragverhalten von kombinierten Stahlspundwänden“ über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages fördert. Das Vorhaben wird am Institut für Geotechnik und Baubetrieb (TUHH) sowie Institut für Konstruktion und Entwurf (Uni Stuttgart) durchgeführt. Ebenfalls wird Herrn Alexander Enders und Frau Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann für die Zusammenarbeit gedankt. Darüber hinaus danke ich Prof. Dr.-Ing. Jürgen Grabe sowie Prof. Dr.- 258 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Zum räumlichen Einfluss des Erddrucks auf die Belastung kombinierter Spundwände Ing. Hauke Zachert für die Unterstützung des Promotionsvorhabens. Literatur [1] J. 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