Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena
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Annette Lächler
Niklas Franzius
Bauen im Bestand stellt in der Regel eine Herausforderung in der Planung und Bauausführung dar. Beim vorliegenden Projekt waren neben den üblichen Randbedingungen insbesondere die baulichen Einschränkungen durch die wasserrechtlichen Randbedingungen, der zeitliche Rahmen der Fertigstellung aber auch der teilweise eingeschränkte Bauablauf auf Grund des parallel laufenden Spielbetriebes zu beachten. Die Planung und Ausführung dieser komplexen Baumaßnahme hat gezeigt, dass nur im Team und in enger Zusammenarbeit aller Beteiligten diese Herausforderungen zu bewerkstelligen sind.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 283 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena Dr.-Ing. Annette Lächler Smoltczyk & Partner GmbH, Stuttgart Dr. Jan Niklas Franzius, Dipl.-Ing. DIC CEng MICE Ed. Züblin AG, Stuttgart Zusammenfassung Bauen im Bestand stellt in der Regel eine Herausforderung in der Planung und Bauausführung dar. Beim vorliegenden Projekt waren neben den üblichen Randbedingungen insbesondere die baulichen Einschränkungen durch die wasserrechtlichen Randbedingungen, der zeitliche Rahmen der Fertigstellung aber auch der teilweise eingeschränkte Bauablauf auf Grund des parallel laufenden Spielbetriebes zu beachten. Die Planung und Ausführung dieser komplexen Baumaßnahme hat gezeigt, dass nur im Team und in enger Zusammenarbeit aller Beteiligten diese Herausforderungen zu bewerkstelligen sind. 1. Einführung Bis zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland im Jahr 2024 wird die Arena und Heimspielstätte des VfB Stuttgart umfassend modernisiert [1] Der Fokus der Umbauarbeiten ist der Teil-Neuauf bau und die Erweiterung der Haupttribüne, die noch aus dem Jahr 1974 stammt. Neue Sport- und Funktionsräume, ein modernisiertes, erweitertes Business Center, eine Produktionsküche und neue Kioske sowie technische Anlagen für eine nachhaltigere Arena-Nutzung entstehen während des laufenden Arena-Betriebs. Der Zeitplan gibt vor den Umbau im Vorfeld der Europameisterschaften 2024 zu realisieren. Danach wird Stuttgart über eines der modernsten Fußballstadien in Europa verfügen, mit einer Zuschauerkapazität von über 60.000. Neben den geologischen und insbesondere den wasserrechtlichen Randbedingungen war eine der Herausforderungen, die bestehende Gründung auf die neue Einwirkungssituation zu ertüchtigen, aber auch die neue Gründungselemente aus dem Bestand heraus herzustellen. Hierfür kamen, angepasst an die geologischen, wasserrechtlichen und baulichen Randbedingungen, verschiedene Gründungsvarianten zum Einsatz. Hierbei war stets eine maximale Setzung von 10-mm vorgegeben. Die Gründung wurden teilweise während der Ausführung an die aus den vergangenen Bauphasen vorgefundenen Gründungselementen angepasst aber auch zum Teil optimiert. Trotz immensen Zeitdrucks konnten Lösungen im Planungsteam zusammen mit der ausführenden Baufirma gefunden werden. Nachfolgend werden zunächst die geologischen und hydrogeologischen Randbedingungen in Bezug auf die wasserrechtlichen Randbedingungen erläutert und im Anschluss daran einige Beispiele der verschiedenen Gründungselementen sowie technisch und baubetrieblichen Herausforderungen vorgestellt. 2. Geologische und hydrogeologische Randbedingungen 2.1 Geologie Für die Erstellung des geologischen Modells stand dem Geotechnischen Sachverständigen (Smoltczyk & Partner, S & P) eine Vielzahl an Erkundungsbohrungen zur Verfügung. Des Weiteren konnten auf die von S & P durchgeführten Erkundungen aus den vergangenen Jahren, die für den Umbau der Cannstatter und Untertürkheimer Kurve sowie für die Tieferlegung des Spielfeldes durchgeführt wurden, zurückgegriffen werden. Somit konnte das bereits vorhandene geologische Modell durch Kleinbohrungen und Rammsondierungen detailliert und bestätigt werden. Das Modell zeigt vereinfacht einen bis zu vierschichtigem Auf bau aus künstlicher Auffüllung, Auelehm, Neckarkies sowie den Dunkelroten Mergeln des Gipskeupers (Abbildung 1). Zuoberst liegt im gesamten Untersuchungsgebiet künstliche Auffüllung, die beim Bau des Stadions aufgebracht wurde. Die Mächtigkeit der Auffüllung beträgt im Baufeld größtenteils wenige Dezimeter bis rund 1-m. Darunter folgt Auelehm, feinkörnige Ablagerungen, die sich bei Hochwasser auf der Talbodenfläche als Sinkstoffe des Neckars absetzten. Dieser besteht vornehmlich aus einem braunen bis braugrauen, zum Teil auch grauen, tonigen bis stark tonigen, be-reichsweise sandigen Schluff in dem einzelne Kalkstein- und Quarzgerölle eingebettet sind. Seine Konsistenz ist vorwiegend weich und steif, untergeordnet auch sehr weich. Bereichsweise sind sowohl Kiesals auch Sandlagen sowie organische Schlick- und Tonlagen im Auelehm zwischengeschaltet. Der Auelehm wurde nahezu im gesamten Baufeld teilweise abgetragen, lokal auch vollständig und durch Auffüllung ersetzt. Seine Restmächtigkeit beträgt rund 0,2 m und bis knapp 3 m. 284 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena Unter dem Auelehm - bzw. wo dieser fehlt, direkt unter den Auffüllungen - folgt Neckarkies. Dieser besteht aus kiesgroßen Kalksteingeröllen, vereinzelt auch aus Quarzgeröllen, mit wechselnden Sandgehalten. Die Lagerungsdichte der Neckarkiese ist vornehmlich locker. Die Mächtigkeit des Neckarkieses liegt im Südosten, im Norden, und Nordwesten des Baufeldes zwischen 4-m und 6-m, und nimmt zur Baufeldmitte auf meist 2-m bis 3-m ab. Den tieferen Untergrund bilden in Tiefen zwischen 5-m und 8-m unter Gelände die sog. Dunkelroten Mergel des Gipskeupers (Grabfeld-Formation). Entsprechend unseren früheren Bohrungen sowie den Fremdbohrungen bestehen diese aus violettbraunen und rotbraunen, zum Teil zu Schluff zersetzten Schlufftonsteinen. In Anlehnung an die DIN EN ISO 14 689-1 sind diese der Verwitterungsstufe VS3 zuzuordnen. Die Schichten des Gipkeupers setzen sich noch etwa 20-m zur Tiefe hin fort und lagern dort dem Letten-keuper (Erfurt-Formation) auf. 2.2 Hydrogeologie Hauptgrundwasserleiter ist der Neckarkies. Vorfluter ist der rund 500 m südwestlich vom Bauvorhaben fließende Neckar. Bereichsweise kann der Grundwasserspiegel unter dem gering durchlässigen Auelehm gespannt sein. Die von S & P in der Vergangenheit während der Erkundung gemessenen Grundwasserstände und der aktuell gemessene Grundwasserstand liegen auf einem nahezu einheitlichen Niveau zwischen 218,13- mNN und 218,20-mNN. Da auf Grund der wasserrechtlichen Randbedingungen keine Wasserhaltung betrieben werden darf (siehe Abschnitt 2.3) spielt der Grundwasserstand eine wesentliche Rolle beim Bauvorhaben. Für die Planung des Bauablaufs wurde empfohlen einen bauzeitlichen Grundwasserstand von 218,3- mNN anzunehmen. Der Bemessungswasserstand wurde bei 219-mNN festgelegt. Der Grundwasserdruckspiegel des Oberen Muschelkalks, der den Aquifer der Heil- und Mineralwasservorkommen bildet, liegt entsprechend dem Amt für Umweltschutz, Stuttgart, im Baufeld bei etwa 226,4 mNN, also rund 8-m über dem quartären Grundwasserstand im Neckarkies bzw. etwa 5-m über dem anstehenden Geländeniveau. Das Grundwasser ist entsprechend früherer Analysenergebnissen aus Proben, die aus Grundwassermessstellen entnommen wurden wegen seines hohen Sulfatgehaltes von teilweise knapp über 1000-mg/ l als mäßig betonangreifend einzustufen. Abb. 1 Geologischer Geländeschnitt 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 285 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena 2.3 Heilquellenschutzverordnung - Wasserrechtliche Randbedingungen Zum Schutz dieser Heilquellen trat 2002 die „Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart zum Schutz der staatlich anerkannten Heilquellen in Stuttgart- Bad Cannstatt und Stuttgart-Berg“ in Kraft. Mit dieser wurde ein ca. 300 km 2 großes Quellenschutzgebiet festgesetzt, welches, ausgehend von den Fassungsbereichen, von innen nach außen in die Kern-, Innen- und Außenzone gegliedert ist. Das Bauvorhaben liegt in der sogenannten Kernzone. Zur Kernzone zählen die eigentlichen Aufstiegsbereiche der Stuttgarter Heil- und Mineralwässer im Cannstatter Becken und im unteren Nesenbachtal; hier ist das Mineralwasser artesisch gespannt. Entsprechend der Heilquellenschutzverordnung sind erhebliche bauliche und wasserrechtliche Einschränkungen festgelegt. Ein Anschneiden oder ein Eingriff der unter dem Quartär liegenden Keuperschichten, also bei diesem Bauvorhaben die Dunkelroten Mergel, ist verboten. Des Weiteren ist ein Betreiben einer Wasserhaltung ebenfalls untersagt, sowie das Freilegen von Grundwasser in einer Fläche >500 m 2 verboten [2] und [3]. 3. Bauliche Umsetzung der Baumaßnahme Die Haupttribüne der MHP-Arena liegt an der süd-westlichen Seite des Spielfelds entlang der Mercedesstraße. Dabei gliedert sich die Haupttribüne in den Unterrang und den Oberrang. Bei dem Unterrang handelte es sich um eine Stahlbeton-Konstruktion aus den 1960er Jahren, wobei Teile bis in die 30er Jahre zurückdatiert werden können. Der Oberrang wurde erst für die Fußball-WM 2006 errichtet und besteht aus einer Stahlkonstruktion mit aufgesetzten Beton-Fertigteil-Tribünenstufen. Während der gesamten Umbaumaßnahme musste der Oberrang bei Spieltagen weitgehend im Betrieb bleiben, was zahlreiche Einschränkungen in den Baumaßnahmen im darunterliegenden Unterrang zur Folge hatte. Zusätzlich erfolgte die gesamte Baumaßnahme unterhalb des zur Leichtathletik-WM 1993 errichteten Membrandach - auch hieraus ergaben sich etliche Einschränkungen v.a. hinsichtlich Kranbarkeit während der Baumaßnahme. Die Baumaßnahme kann grob in drei Teilbereiche gegliedert werden: 3.1 Abriss und Neubau des Tribünenbereiches des Unterrangs Die Stahlbetonkonstruktion des Unterrangs wurde komplett abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Hierdurch stehen nach dem Umbau im Inneren des Tribünenbereichs zeitgemäße Räumlichkeiten zur Spielvor- und nachbereitung (Umkleidekabinen, Pressekonferenzräume etc.) sowie ein „Tunnel-Club“ für VIP-Gäste zur Verfügung. Die Abbruchkante folgte ungefähr der Vorderkante des Oberrangs, welcher während der gesamten Maßnahme im Betrieb blieb. Dieser Bereich wurde mittels einer statisch wirksamen Bodenplatte gegründet, örtlich kamen zusätzliche Brunnengründungen zum Einsatz. 3.2 Erweiterung der VIP-Bereiche entlang der Mercedesstraße Die Fassade entlang der Mercedesstraße, bestehend aus markanten Bullaugen-Fenstern, wurde abgerissen und das Gebäude in diesem Bereich zur Mercedesstraße hin vergrößert. Die Erweiterung erstreckt sich ungefähr bis hin zu den bestehenden Stützen des Membrandachs und vergrößern den Stadionbau im größten Querschnitt um bis zu 18-m. Das Projekt beinhaltete auch zahlreiche Umbauten innerhalb des verbleibenden Stadionbereiches, direkt unter der zu erhaltenen Erschließungsebene für den Oberrang. So mussten 2 komplett neue Treppenhäuser inkl. Aufzüge in den bestehenden Bau integriert werden, was umfangreiche Einschnitte auch in die Bestandsbodenplatte mit entsprechenden Unterrüstungsmaßnahmen zur Folge hatte. Die Gründung in diesem Teil erfolgte primär durch Ortbetonrammpfähle. In Bereichen, in denen die Zugänglichkeit für das Pfahlgerät nicht gegeben war, wurde eine Tieferführung der Fundamente bis zum Neckarkies mittels Düsenstrahlverfahren (DSV) oder Brunnengründung vorgenommen. Zusätzlich mussten in diesem Gebäudeteil Unterfangungsarbeiten unter bestehenden Fundamenten vorgenommen werden. 3.3 Neubau der Technikbereiche Im Übergang zu den Kurvenbereichen (Cannstatter Kurve und Untertürkheimer Kurve) wurde der bestehende Bau einschließlich der Zugangsebene für den Oberrangs komplett abgerissen und neu errichtet. Da der Oberrang auch diesen Bereich überspannt, musste dieser während der Baumaßname durch eine Stahlfachwerkkonstruktion hochgehängt werden und die daraus resultierenden Lasten über den Bestand abgetragen werden. Auch dieser Bereich gründet auf Ortbetonrammpfählen, wobei zusätzliche Einzelfundamente entweder per DSV oder per Brunnengründung tiefergeführt wurden. 4. Verwendete Gründungsvarianten 4.1 Gründung mittels statisch wirksamer Bodenplatte Diese Gründungsvariante kam hauptsächlich unterhalb der neu erstellten Tribünenbereiche, in direkter Angrenzung an das Spielfeld zum Einsatz. Der Grundwasserspiegel lag nur wenige Dezimeter unter der geplanten Baugrubensohle. Im westlichen Bereich war entsprechend der Erkundungsergebnisse in der Baugrubensohle mit den Schichten des Neckarkies zu rechnen, der Richtung Osten abtauchte, so dass im östlichen Bereich Auelehm auf der Gründungssohle angetroffen wurde. In den Teilbereichen, auf denen auf der Baugrubensohle der Auelehm vorhanden war, wurde ein Bodenaustausch mit Schotter im Bereich der bindigen Bodenschichten hergestellt. Dieser Bodenaustausch mit sogenannten „Schroppen“ diente der Vermeidung einer Verschlammung und Stabilisierung der Baugrubensohle. Hierzu wurde der Boden rund 0,3-m unter dem Grundwasserspiegel gegen den Grobschotter ausgetauscht und über- 286 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena höht eingebaut, mit einer schweren Rüttelplatte mit vier Übergängen verdichtet und anschließend auf die Solltiefe der Baugrubensohle ausgehoben. Darauf wurde dann geplante Bodenplattenunterbau (Sohlfilter, Dämmung und Sauberkeitsschicht) aufgebracht. Der Bodenlattenunterbau wurde in mehreren Teilabschnitten hergestellt und kontinuierlich durch S & P begleitet (Abbildung 2). Dies erforderte engmaschige Abnahmen. Entsprechend den wasserrechtlichen Auflagen mussten arbeitstäglich bei freigelegten Flächen, in denen Grundwasser angetroffen wurde, die Vor-Ort-Parameter, pH-Wert, die elektrische Leitfähigkeit sowie CO 2 -Messungen durchgeführt werden. Überschreitungen der Grenzwerte wurden nur beim pH-Wert gemessen, was jedoch auf die umliegenden Betonierarbeiten zurück zuführen war. Abb. 2 Herstellung des Bodenplattenunterbaus, Einbau der Schroppen bei einem letzten Teilabschnitt Nur in einzelnen, örtlich begrenzten Bereichen, musste für Aufzugsunterfahrten (siehe Abbildung 3) oder für die Verlegung von Grundleitungen im Grundwasser gearbeitet werden. Hierzu wurde mit Hilfe eines sogenannten Krings Verbaus der Aushub unter Wasser durchgeführt, eine Ausgleichschicht aus Unterwasserbeton eingebracht und die Fertigteile mit Hilfe eines Autokrans eingestellt. Abb. 3 Herstellung einer Aufzugsunterfahrt und von Grundleitungen im Grundwasser 4.2 Gründung mittels Ortbetonrammpfählen mit Innenrammung Auf Grund der hohen Punktlasten im Bereich der Stadionerweiterung in Richtung Mercedesbenzstraße sowie im Bereich der neu zu errichtenden Technikzentralen wurde eine Gründung mittels Orbetonrammpfähle mit Innenrammung gewählt. Eine Tiefgründung mit Hilfe von Bohrpfählen war auf Grund der geringmächtigen Neckarkiese von 3-m bis 4-m sowie des geringen Pfahlwiderstandes auf Grund der lockeren Lagerung nicht möglich, um die Einwirkungen in den Baugrund abzutragen. Das Gründungssystem mittels Ortbetonrammpfählen wurde bereits für die Baumaßnahmen in der Cannstatter und Untertürkheimer Kurve eingesetzt. Für die Bemessung der Pfahlgründung konnte auf die Erfahrungswerte der Proberammung an der Untertürkheimer Kurve zurückgegriffen und auf Grundlage der Probebelastung die Pfahlwiderstände empfohlen werden. Auf Grund der lockeren Lagerung der Neckarkiese war eine Kiesvorverdichtung notwendig. Die Ortbetonrammpfähle wurden bis auf die Oberfläche der Dunkelroten Mergel abgeteuft. Hierzu war eine Befreiung von der Heilquellenschutzverordnung notwendig, da der Sicherheitsabstand zur Basis der quartären Schichten nicht eingehalten wurde. Bautechnisch war die Herstellung der Pfähle eine Herausforderung, da diese unter dem vorhandenen Membrandach und in einigen Bereichen auch unterhalb der Zugangsebene zum Oberrang hergestellt werden musste (Abbildung 4). Das Rammgerät musste für dieses Bauvorhaben umgebaut werden, teilweise waren nur wenige Dezimeter zwischen Mast und dem Dach vorhanden. Eine weitere Herausforderung war die Erstellung der Pfähle direkt neben den flach gegründeten Fundamenten des Membrandaches. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 287 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena Abb. 4 Herstellung von Ortbetonrammpfählen Die Rammarbeiten wurden messtechnisch überwacht (siehe Abbildung 5). Insgesamt wurden 71 Pfähle abgeteuft, wobei die Rammarbeiten in mehreren Phasen, abhängig vom parallellaufenden Abriss durchgeführt werden mussten. Abb. 5 Messtechnische Überwachung der Herstellung 4.3 Gründung mittels Tieferführungen Im südlichen Teil der Baumaßnahme (Richtung Untertürkheimer Kurve) mussten neu zu bauende Einzelfundamente bis auf den Neckarkies tiefergeführt werden. Die Oberkante des Neckarkies lag dort rund 4-m unter der Arbeitsebene und teilweise bis zu 2-m unterhalb des Grundwasserspiegels, was zur Folge hatte, dass eine konventionelle Flachgründung nicht ausgeführt werden konnte. Teilweise waren die neuen Fundamente in unmittelbarer Nähe zu Bestandsgründungen, deren Tiefenlage nicht in den alten Schalplänen hinterlegt war. Die neuen Fundamente waren Großteils im Bestand notwendig, so dass eine geringe Arbeitshöhe zur Verfügung stand. Sofern es die Arbeitshöhe zuließ, wurden diese Tiefergründungen mittels Brunnengründung ausgeführt (Abbildung 6). Teilweise wurde ein Voraushub durchgeführt. Die Brunnen wurden mit einem Durchmesser von 1,2m hergestellt. Abb. 6 Brunnengründungen 288 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena Für zwei neu zu erstellenden Treppenhäusern mit Aufzugsunterfahrt stellte sich die Situation bautechnisch komplizierter dar: Hier war auf Grund des Platzbedarfs unterhalb der bestehenden Zugangsebene für den Oberrangs ein Einsatz der Ortbetonrammpfähle nicht möglich. Gleichzeitig behinderte ein Bestandsfundament, welches erst zu einem späteren Zeitpunkt abgebrochen werden konnte, den Einsatz größerer Gerätschaften. Für eines der beiden Treppenhäuser wurde die Gründung mittels 32 DSV Säulen auf den Neckarkies geführt, welcher in diesem Bereich unterhalb des Grundwassers lag. Hierbei musste mittels Schrägbohrungen der DSV-Gründungskörper nach unten hin vergrößert werden, um die Sohlspannungen auf dem Neckarkies und damit die Setzungen auf den zulässigen Grenzwert zu begrenzen. Beim anderen Treppenhaus war zwar die Platzsituation vergleichbar eng, jedoch wurde hier der Neckarkies oberhalb des Grundwasserspiegels angetroffen. Aus diesem Grund war es möglich, auf eine DSV-Gründung zu verzichten und stattdessen das Einzelfundament mittels eines tiefer geführten bewehrten Fundamentkörpers auf die benötigte Aufstandsfläche zu vergrößern. Diese Umplanung wurde kurzfristig nach erfolgten Schürfungen gemeinsam zwischen Tragwerksplaner, geotechnischem Sachverständigen und ausführender Baufirma geplant und erfolgreich umgesetzt. Abb. 7a Blick auf das freigelegte Fundament - Ausgangssituation Abb. 7b Bestandsfundament mit Anschlussbewehrung für die Erweiterung 4.4 Unterfangungsarbeiten Auf Grund der Tieferlegung des Tribünenbereichs und der Technikbereiche, waren Unterfangungsarbeiten der bestehenden Fundamente notwendig. Folgende Unterfangungsarbeiten waren für verschiedene bauliche Eingriffe notwendig: i. Im Bereich der neuen Technikzentralen liegen die neuen Bodenplatten tiefer als die benachbarten Bestandsbereiche. Der daraus resultierende neue Bodenplattensprung musste entweder durch konventionelle Unterfangung oder mittels DSV gesichert werden. ii. An einigen Stellen konnten erhöhte Lasten aus dem Neubau nicht mehr über bestehende Fundamente abgetragen werden. Diese mussten daher durch tieferliegende bewehrte Fundamente ertüchtig werden. Im Folgenden werden die Unterfangungsarbeiten im Detail erläutert. 4.4.1 Konventionelle Unterfangungen Je nach den vorliegenden baulichen Randbedingungen wurden Unterfangungen konventionell im Pilgerschrittverfahren unter bestehenden Streifen-fundamenten durchgeführt. Bei diesen Arbeiten kam es jedoch häufig zu Kollisionen mit bestehenden, nicht in der Bestandsplanung verzeichneten, Objekten. Sofern durch Schürfungen nachgewiesen werden konnte, dass es sich hierbei um bereits im Bestand vorhandenen (meist unbewehrte) Tieferführungen auf den Neckarkies handelte, konnte in diesen Bereichen auf einen zusätzlichen Unterfangungskörper verzichtet werden. Nicht immer konnte eine Tieferführung eindeutig nachgewiesen werden, so dass statt einer konventionellen Unterfangung DSV-Säulen durch den unerwarteten Fundamentkörper eingebracht werden mussten, um eine verlässliche Gründung bis unter die neu zu erstellenden Bodenplatte zu gewährleisten. Abb. 8 Unterfangenes Fundament nach Teilfreilegung 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 289 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena 4.4.2 Unterfangung mittels DSV Die Unterfangungsarbeiten mussten nicht nur bei Streifenfundamenten, sondern auch bei Einzelfundamenten ausgeführt werden. Teilweise war ein Ablasten nicht möglich, so dass die Fundamente noch eine tragende Funktion im Bestandsgebäude hatten, die in der Regel durch den Teilrückbau reduziert war. Für die Fundamente mussten Nachweise der Tragfähigkeit zum Zeitpunkt der Herstellung der DSV durchgeführt werden. Es wurde möglichst versucht, die Säulen so herzustellen, dass keine Kernbohrung durch das Bestandsfundament notwendig wurde. Wenn dies aufgrund geometrischer Randbedingungen nicht möglich war, musste die Bohrung durch den Bestand vom Tragwerksplaner im Voraus untersucht und freigegeben werden. Teilweise waren hohe Druckfestigkeiten der DSV-Körper bis zu f m,k -=-6-N/ mm², insbesondere auch im Auelehm notwendig. Diese wurden in den vorab hergestellten Probesäulen und der Probezylindern bestätigt. Abb. 9 Herstellung von DSV-Körpern mit eingeschränkter Arbeitshöhe 4.4.3 Bewehrtes Fundament An einer Stelle des Gebäudes war ein bestehendes Streifenfundamten durch einen darunterliegenden bewehrten Fundamentkörper zu ertüchtigen. Da dieser Fundamentkörper unter einem der Auflagerpunkte der temporären „Hochhängung“ des Oberrangs lag, musste dieser bereits im Bauzustand höhere Lasten aufnehmen. In Konsequenz waren diese Arbeiten vor der Hochhängung des Oberrangs auszuführen und waren daher zeitkritisch für die Gesamtfertigstellung des Projektes waren. Die Arbeiten wurden in enger Abstimmung zwischen Tragwerksplaner, geotechnischem Sachverständigen und der ausführenden Baufirma geplant und die Arbeiten wurden in folgender Reihenfolge durchgeführt: iii. Ertüchtigung bzw. Tieferführung der seitlichen Fundamentkörper mittels DSV-Säulen. Einbringung zusätzlicher DSV-Säulen im Bereich unterhalb der Unterfangung (mit Leerbohrung in Höhe der eigentlichen Unterfangungsmaßnahme). iv. Abbruch der Bodenplatte und Erstellung einer Baugrube vor dem zu unterfangenen Fundament. v. Unterfangung des Fundamentkörpers im seitlichen Schutz der zuvor hergestellten DSV-Körper vi. Einbringen des Bewehrungskorbs mit seitlichen Anschlussmuffen für die spätere seitliche Fortführung der Bewehrung. vii. Betonage des neuen Fundamentkörpers unterhalb des Fundaments. Einbringung des Betons über die Zugangsbaugrube. Betonage bis ca. 5 cm unterhalb des Bestandsfundaments. viii. Verguss des Zwischenraums mit Pagel (Emcrete 50A) über die DSV-Bohrungen. Während der Arbeiten wurde die Baugrube belüftet und hinsichtlich CO 2 -Konzentration überwacht. Die zuvor seitlich eingebrachten DSV-Körper dienten zur Lastabtragung der benachbarten Fundamente während des Bauzustands und sicherten damit die Unterfangung zur Seite hin gegen Grundbruch. Abb. 10 Händischer Aushub unter dem zu unterfangenden Fundament Die Bewehrungsführung wurde in Zusammenarbeit zwischen ausführender Firma und Tragwerksplaner auf die engen Platzverhältnisse hin angepasst. Im Zuge des Weiteren Abriss wurden die benachbarten Fundamentkörper inklusiv der DSV-Säulen abgebrochen und der tiefliegende Fundamentkörper zu beiden Seiten hin mit dem Neubau bewehrungstechnisch verbunden. 5. Fazit Projekte im Bauen im Bestand erfordern häufig komplexe Gründungskonstruktionen, die sich aus den Randbedingungen der bereits bestehenden Fundamente ergeben. Bei solch komplexen Bauvorhaben muss die Planung der Gründung häufig während der Bauphase angepasst werden, was im vorliegenden Fall aufgrund der guten Zusammenarbeit aller Beteiligter und in einer guten Teamarbeit realisiert wurde. 290 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Stadionumbau unter laufendem Spielbetrieb: Mercedes-Benz Arena 6. Dank Der Dank gilt an dieser Stelle allen Projektbeteiligten, insbesondere den Teamkollegen von asp Architekten Stuttgart, schlaich bergermann und partner (sbp) Stuttgart, der Projektsteuerung Ernst & Young Real Estate GmbH und zu guter Letzt dem Bauherrn, der Stadion NeckarPark GmbH & Co. KG. Referenzen [1] E. Becker, T. Dölle & W. Rothenbacher (2023): Ressourcenschonender Umbau der Mercedes-Benz Arena. In: 19. Symposium Baustoffe und Bauwerkserhaltung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 9. 3. 2023, S. 37-47 [2] G. Wolff: Technischer Heilquellenschutz in Stuttgart Fortschreibung 2021. In: Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz 1/ 2021, 257 S. [3] Regierungspräsidium Stuttgart: Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart zum Schutz der staatlich anerkannten Heilquellen in Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart-Berg vom 11. Juni 2002. In: Gesetzblatt für Baden-Württemberg 7/ 2002, S. 255-260.