eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
131
2024
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Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz, Stuttgart

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2024
Tomas Vardijan
Fabian Seidel
Das Bauvorhaben Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz ist ein Folgeprojekt der Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgarts infolge des Projekts Stuttgart 21. Die bestehende Unterfahrung des Gebhard-Müller-Platzes wird in offener Bauweise um rund 130 m nach Norden in Richtung Neckartor verlängert. An den Straßentunnel schließt eine 110 m lange Rampe als Stahlbetontrog an. Das neue Bauwerk quert oberhalb des DB-Tunnels Südkopf (S21) und wird nördlich des DB-Tunnels durch die teilabgebrochene und verdämmte Haltestelle Staatsgalerie geführt. Für das Bauvorhaben wurden verschiedenste Verbausysteme geplant und ausgeführt; stets unter Berücksichtigung des Bestandes, verschiedener Verkehrsphasen und beengten Platzverhältnissen. Die innerstädtische Baugrube bietet eine Großzahl an anspruchsvollen Randbedingungen und geotechnischen Lösungen welche nachfolgend vorgestellt werden.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 303 Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz, Stuttgart Schwierigkeiten beim Planen und Bauen im Bestand Dipl.-Ing. (FH) Tomas Vardijan Ed. Züblin AG, Stuttgart Fabian Seidel, M. Sc. Ed. Züblin AG, Stuttgart Zusammenfassung Das Bauvorhaben Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz ist ein Folgeprojekt der Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgarts infolge des Projekts Stuttgart 21. Die bestehende Unterfahrung des Gebhard-Müller-Platzes wird in offener Bauweise um rund 130 m nach Norden in Richtung Neckartor verlängert. An den Straßentunnel schließt eine 110 m lange Rampe als Stahlbetontrog an. Das neue Bauwerk quert oberhalb des DB-Tunnels Südkopf (S21) und wird nördlich des DB-Tunnels durch die teilabgebrochene und verdämmte Haltestelle Staatsgalerie geführt. Für das Bauvorhaben wurden verschiedenste Verbausysteme geplant und ausgeführt; stets unter Berücksichtigung des Bestandes, verschiedener Verkehrsphasen und beengten Platzverhältnissen. Die innerstädtische Baugrube bietet eine Großzahl an anspruchsvollen Randbedingungen und geotechnischen Lösungen welche nachfolgend vorgestellt werden. 1. Überblick über Baumaßnahme Im Zuge der Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart sind neben der Umgestaltung des Hauptbahnhofs (PFA1.1) auch Folgemaßnahme geplant. So wird nach der Herstellung des DB-Tunnels Südkopf die bestehende Unterfahrung des Gebhard-Müller-Platzes in Richtung Norden verlängert. Die Baumaßnahme schließt an die bestehende Unterfahrung an. Im Portalbereiches werden zwei der bestehenden Tunnelblöcke abgebrochen und das neue Rahmenbauwerk an den Bestand angeschlossen. Das Baufeld quert anschließend oberhalb des vorab hergestellt DB- Tunnels Südkopf und führt durch die verdämmte und teilabgebrochene bestehende Haltestelle Staatsgalerie. Die neue Haltestaatsgalerie grenzt auf der Nordseite an das Baufeld an. Zur Aufrechterhaltung des Verkehrs ist die Hilfsbrücke 17 (HB17) in Betrieb, die bereits über die Baugrube zur Herstellung des DB-Tunnels Südkopf hergestellt wurde. Abb. 1: Überblick über Baumaßnahme. Darstellung der bestehenden Unterfahrung, DB-Tunnels Südkopf, neue und alte Haltestelle Staatsgalerie und HB17. 304 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz, Stuttgart 2. Baugrund und Grundwasserverhältnisse Der Baugrund setzt sich wie nachfolgend beschrieben zusammen: Die oberste Schicht bilden künstliche, inhomogene Auffüllungen, die im Zuge der Bestandsbebauung eingebracht wurden. Der natürlich gewachsene Boden beginnt mit den Talablagerungen des Nesenbachs. Je nach Bereich schließen sich Hanglehm/ -schutt oder eiszeitlicher Wanderschutt an. Den tieferen Untergrund bilden die Schichten des Gipskeupers insbesondere der Dunkelrote Mergel. Das Grundwasser fällt von Südwest nach Nordosten um ca. 1,5 m über das Baufeld ab. Der Grundwasserstand liegt ungefähr auf dem für die Baumaßnahme notwendigen Aushubsniveau. Südöstlich der Willy-Brandt-Straße wurde im Baufeld eine Doline erkundet. Hier sind unter den Deckschichten, Schichten des Gipskeupers und anschließend quartäre Sedimente wie Tonstein, Dolomitstein und Sandsteinbrocken eingelagert. Im Bereich des bestehenden Portals wurde im Zuge der Bauausführung festgestellt, dass die Oberfläche des Gipskeupers tiefer ansteht als erwartet. Hier mussten Zusatzbetrachtungen zur Ertüchtigung der Flachbettung durchgeführt werden. Das Baufeld liegt in der Innenzone des Quellenschutzgebiets für die staatlich anerkannten Heilquellen in Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart-Berg. Für die Planung sind die Anforderungen der Heilquellenschutzverordnung zu berücksichtigen. 3. Vorabmaßnahmen 3.1 Herstellung des DB-Tunnels Südkopf (S21) Der Baumaßnahme vor- und übergeordnet und auch Auslöser sind die Baumaßnahmen infolge des Projekts Stuttgart 21 PFA1.1. Insbesondere die Herstellung des DB- Tunnels Südkopf ist hervorzuheben. Das herzustellende Straßentunnelbauwerk der Verlängerung des Gebhard- Müller-Platzes kreuzt oberhalb des DB-Tunnels und der herzustellende Tunnelrahmen wird auf dem DB-Tunnel gegründet. Der Lückenschluss der Vorabmaßnahme bildet die Baugrube des Bauabschnitts 23 (BA23). Der Aushub ist nachfolgend dargestellt. Abb. 2: Baugrube BA23 zur Herstellung des DB-Tunnels Südkopf (S21). 3.2 Neue Haltestelle Staatsgalerie Im Zuge der Herstellung des neuen Hauptbahnhofs wurde ebenfalls eine neue Lage und Gestaltung für die Haltestelle Staatsgalerie erforderlich. Das neue Haltestellenbauwerk wurde vor der hier beschriebenen Maßnahme hergestellt als halbseitig offene Schalenkonstruktion. Das Bauwerk grenzt an die bestehende, verdämmte und teilabgebrochene im Baugrund verbliebene alte Haltestelle Staatsgalerie an. Abb. 3: Auszug BIM-Model mit Darstellung der neuen Haltestelle Staatsgalerie 3.3 Verdämmung der bestehenden Haltestelle Staatsgalerie Die bestehende U-Bahn-Haltestelle Staatsgalerie wird im Zuge der Baumaßnahme teilweise verdämmt und teilweiße abgebrochen. Der verdämmte Bereich verbleibt im Baugrund. Für die Findung des Verdämmaterials gab es folgende Randbedingungen zu beachten. Zum einen wurde zur Begrenzung der Setzungen der benachbarten, zu diesem Zeitpunkt bereits hergestellten, neuen Haltestelle Staatsgalerie gefordert, die Wichte auf 12,5 kN/ m 3 zu begrenzen. Andererseits ist neben der Wichte eine Anforderung aus Wasserbeständigkeit in der Innenzone des Quellenschutzgebiet gegeben. Das Material hat Kontakt zum Grundwasser und muss entsprechend beständig sein. Darüber hinaus ergeben sich Anforderungen aus den Verbaumaßnahmen: Die in die Verdämmung einbindenden Verbauten erfordern eine definierte Druckfestigkeit. Die Herausforderung bestand darin ein entsprechendes Material zu finden. Insbesondere, da Druckfestigkeit und Wasserbeständigkeit durch eine geringe Wichte verringert werden. Zum Einsatz kam ein Schaummörtel (Sorte L212A-Schaum) der die Anforderungen erfüllte. 3.4 Verkehrsführung B14 Die B14 ist eine der meistbefahrenen Straßen in Stuttgart. Die Aufrechterhaltung der Verkehrsführung ist bei der gesamten Baumaßnahme entscheidend. So ergeben sich über die Bauzeit eine Vielzahl an verschiedenen Verkehrsführungen und Umverlegungen. Sperrzeiten wie zum Abbruch des Portals mussten so weit wie möglich minimiert werden. Für die Querung der Baugrube zur Herstellung des DB- Tunnels Südkopf waren zwei Hilfsbrücken erforderlich (HB14 und HB17). Im Zuge der Herstellung der Verlän- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 305 Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz, Stuttgart gerung der Unterfahrung des Gebhard-Müller-Platzes ist ein Teilrückbau der Hilfsbrücke 17 erforderlich. 4. Bauablauf Ursprünglich war vorgesehen die Baumaßnahme erst nach Fertigstellung des DB-Tunnels Südkopf auszuführen. Dies konnte optimiert werden und die Baumaßnahme konnte bereits angestoßen werden, vor der Finalisierung des DB-Tunnels Südkopf. Der Bauablauf sieht eine Herstellung in zwei Teilabschnitten vor. Zuerst wird die Weströhre der Verlängerung der Unterfahrung des Gebhard-Müller- Platzes hergestellt. Das Hauptverkehrsaufkommen wird dabei über die Hilfsbrücke HB17 welche über den DB-Tunnel Südkopf führt geleitet. Für die Herstellung der Weströhre sind eine Vielzahl an Verbaumaßnahmen vorgesehen. Nach Herstellung der Weströhre kann das Hauptverkehrsaufkommen in diese Röhre umverlegt werden und es ergibt sich Platz zur Herstellung der Oströhre. Die Verbauten und Baugrubensicherungen, die zur Herstellung der Weströhre mittig im späteren Tunnelquerschnitt hergestellt wurden, müssen rückgebaut werden. Weitere Verbaumaßnahmen östlich des Tunnelquerschnitts sind erforderlich. 5. Baugrubenumschließung Für die Baumaßnahme sind verschiedene Verbau- und Sicherungssysteme wie rückverankerte Trägerbohlverbauten, Bohrpfahlwände (ausgesteift, frei auskragend und rückverankert), Winkelstützwände und Bestandssicherungen vorgesehen. Ebenfalls mussten bestehende Stützwände teilweise für tiefer Aushubsniveaus nachgewiesen werden. Abb. 4: Auszug BIM-Model mit Darstellung der Planungsbereiche Der Abbruch und Anschluss an den Bestand im Portalbereich erfolgt im Schutze einer tangierenden, einfach ausgesteiften Bohrpfahlwand. Als Aussteifung sind Stahlrohrprofile und zwei Kopf balken vorgesehen. Die westliche Bohrpfahlwand bindet dabei in verdämmte und teilabgebrochen U-Bahnblöcke ein, die im Baugrund verblieben sind. Abb. 5: Auszug BIM-Model - tangierende, ausgesteifte Bohrpfahlwand im Portalbereich Nördlich des DB-Tunnels Südkopf wird die teilabgebrochene, bestehende Haltestelle Staatsgalerie zur Baugrubensicherung herangezogen. Der Restquerschnitt wird mit Beton ergänzt und mittels Verpressanker rückverankert. Die Herstellung der Verpressanker erfolgt dabei von Geländeniveau. Hierzu müssten Kernbohrungen durch die Bestandsdecken vorgesehen werden. Neben den Kernbohrungen wurden in der Schwergewichtsergänzung ebenfalls Leerrohre vorgesehen. An die Bestandssicherung mittels Schwergewichtsergänzung schließen verschieden Verbautypen an. Einerseits ein einfach rückverankerter Trägerbohlverbau mit Fußeinbindung in die bestehende Stahlbetondecke der bestehenden Haltestelle Staatsgalerie. Herausfordern bei der Planung waren insbesondere die Berücksichtigung der Bestandsbauwerke wie Gewölbekeller und Schachten sowie Leitungen und der bestehende Kanal bei der Anker- und Trägerherstellung. 306 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Verlängerung Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz, Stuttgart Abb. 6: Planausschnitt mit Darstellung der Nutzung der teilabgebrochenen, bestehenden Haltestelle Staatsgalerie zur Baugrubensicherung Abb. 7: Planausschnitt mit Darstellung des einfach rückverankerten Trägerbohlverbaus mit Fußeinbindung in die bestehende Haltestelle Staatsgalerie