Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ – Das Physikgebäude der Zukunft
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Franz-Werner Gerressen
Alexander Blatt
Marc Freiburghaus
Daniel Sohm
David Estoppey
Der Wandel unserer Zeit und die damit einhergehenden Veränderungen und Herausforderungen zwingen die Menschheit zur Weiterentwicklung und Anpassung sowie Neuentwicklung verschiedener Technologien. Ein großer Baustein spielt hierbei die physikalische Forschung und Entwicklung. Der Neubau HPQ in Zürich beschreibt hierbei ein zukunftsweisendes Büro- und Forschungsgebäude im Bereich der Quantenphysik. Das komplexe Projekt im Auftrag der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule) wurde anfangs 2023 begonnen, wobei den Spezialtiefbauarbeiten, insbesondere die Ausführung einer permanenten Schlitzwand, große Bedeutung zukommt. Der Artikel beschreibt das komplexe Projekt und die speziellen Planungsdetails der Erstellung der Baugrube, um die hohen Anforderungen des geplanten Gebäudes zu erfüllen. Zudem werden die Herausforderungen hinsichtlich des anspruchsvollen Baugrundes und die dabei gewählten Lösungen aufgezeigt. Des Weiteren wird ein Einblick in das Schlitzwandverfahren im Allgemeinen gegeben.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 307 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft Dipl.-Ing. Franz-Werner Gerressen BAUER Maschinen GmbH, Schrobenhausen Alexander Blatt, M. Sc. BAUER Maschinen GmbH, Schrobenhausen Dipl.-Bauing. ETH Marc Freiburghaus, M. Sc. MARTI AG, Bern, Schweiz Dipl.-Bauing. FH Daniel Sohm MARTI AG, Zürich, Schweiz Dipl.-Ing. ETH David Estoppey, M. Sc. MARTI AG, Bern, Schweiz Zusammenfassung Der Wandel unserer Zeit und die damit einhergehenden Veränderungen und Herausforderungen zwingen die Menschheit zur Weiterentwicklung und Anpassung sowie Neuentwicklung verschiedener Technologien. Ein großer Baustein spielt hierbei die physikalische Forschung und Entwicklung. Der Neubau HPQ in Zürich beschreibt hierbei ein zukunftsweisendes Büro- und Forschungsgebäude im Bereich der Quantenphysik. Das komplexe Projekt im Auftrag der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule) wurde anfangs 2023 begonnen, wobei den Spezialtief bauarbeiten, insbesondere die Ausführung einer permanenten Schlitzwand, große Bedeutung zukommt. Der Artikel beschreibt das komplexe Projekt und die speziellen Planungsdetails der Erstellung der Baugrube, um die hohen Anforderungen des geplanten Gebäudes zu erfüllen. Zudem werden die Herausforderungen hinsichtlich des anspruchsvollen Baugrundes und die dabei gewählten Lösungen aufgezeigt. Des Weiteren wird ein Einblick in das Schlitzwandverfahren im Allgemeinen gegeben. 1. Einführung Für den Neubau des HPQ der ETH Zürich sind umfangreiche Spezialtief bauaufgaben notwendig. Um die hohen Anforderungen des Gebäudes (vgl. 2. Das Projekt HPQ Zürich) gerecht zu werden, muss für die Außenwände ein Baugrubenabschluss im Schlitzwandverfahren hergestellt werden. 2. Das Projekt HPQ Zürich 2.1 llgemeine Vorstellung der Schlitzwandtechnik Beim Schlitzwandverfahren werden rechteckige Lamellen in den Boden eingebracht. Durch die Verwendung einer Schlitzwandfräse wird die Möglichkeit einer überfrästen Fuge geschaffen und die Schlitzwand kann in dicht gelagerten Lockergesteinen und den anstehenden Felsen eingebunden werden. Durch das Pilgerschrittverfahren werden die sogenannten Primärlamellen, seitlich angeschnitten und die Wand wird durch einen Sekundärschlitz geschlossen. Der typische Arbeitsablauf ist in Abbildung 1 dargestellt- Abb. 1: Schematischer Arbeitsablauf Schlitzwandverfahren. Zu Beginn der Arbeiten wird ein Voraushub notwendig, welcher die Arbeitsfähigkeit der in der Fräse verbauten Pumpe gewährleistet. Die geöffneten Schlitze werden permanent mit einer Bentonitsuspension (Gemisch Wasser/ Tonmineralien) 308 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft verfüllt. Diese Suspension dient einerseits als Stützflüssigkeit indem sie verhindert, dass anstehendes Bodenmaterial in den Schlitz einbricht. Andererseits dient sie als Transportmedium zum Abführen des durch die Fräsräder gelösten Bodenmaterials. Die Bentonitsuspension wird über einen Kreislauf zwischen geöffneter Schlitzwand und Auf bereitungsanlage geführt. So kann gewährleistet werden, dass der Schlitz stets mit einer auf bereiteten Stützflüssigkeit versorgt wird. Mit der Entsandungsanlage wird das Bodenmaterial mit Hilfe von Sieben und Zyklonen von der Stützsuspension getrennt. 2.2 Vorstellung der Arbeiten am HPQ Der Wandel unserer Zeit und die damit einhergehenden Veränderungen und Herausforderungen zwingen die Menschheit zur Weiterentwicklung und Anpassung sowie Neuentwicklung verschiedener Technologien. Ein großer Baustein spielt hierbei die physikalische Forschung und Entwicklung. Mit dem Bau des HPQ in Zürich wird ein zukunftsweisendes Büro- und Forschungsgebäude im Bereich der Quantenphysik errichtet. Das Gebäude entsteht auf dem Campus Hönggerberg in Zürich und wurde mit einer Hauptnutzfläche von ca. 15.294 m² geplant. Insgesamt entstehen 13 Vollgeschosse, 6 davon liegen unter Terrain. Aufgrund der sensiblen Labortechnik besitzt das Gebäude hohe Anforderungen an den Schutz gegen Vibrationseinflüsse und an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). [1]. Abb. 2: HPQ-Gebäude am Campus Hönggerberg der ETH Zürich Unter dem Gebäude entsteht zusätzlich ein Feld aus Erdsonden, welches die nachhaltige Wärme- und Kälteversorgung sicherstellt. Insgesamt 198 Sonden mit einer Tiefe von je 200 m sorgen dabei für den nötigen Wärmeaustausch. Die Umschließung für die unterirdischen Geschosse wird als permanente Schlitzwand ausgeführt. Dabei müssen Elemente mit Tiefen im Bereich von 28 m bis ca. 38 m hergestellt werden. Durch die variierenden Tiefen muss zu Beginn der Baustelle ein Höhenversatz über eine Rampe ausgeglichen werden. Mit zunehmendem Baufortschritt wird diese Rampe rückgebaut und die freigelegte Wand durch einer Doppelankerlage gestützt. Zur Herstellung des Versatzes wurden spezielle Abschalelemente von 12 m Länge gefertigt. Diese Stahlelemente stellen die Arbeitsfähigkeit der Fräse bei den Sekundärschlitzen im Anfangsbereich sicher. Um den Bereich des Überschnitts frei von Bewehrung zu halten, werden temporär HEA-Träger in den Schlitz eingestellt. Abb. 3: Spezielle Abschalelemente und Abstandshalter (HEA-Träger) Insgesamt werden 68 Schlitzwandlamellen hergestellt. Dabei sind die Primärelemente als Dreifachstichlamellen ausgeführt. Hierbei setzte sich die Gesamtlänge aus zwei Vollstichen und einem Mittelstich zusammen. Die Sekundärlamellen werden als Einzelstichlamellen ausgeführt. Zusätzlich sind im nördlichen Bereich sogenannte T-Lamellen angeordnet. Das Panellayout ist in Abbildung 4 dargestellt. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 309 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft Abb. 4: Panellayout Die spätere Baugrube wird eine Größe von 75 x 65 x 28 m (L x B x T) haben. Dabei wird es innerhalb der großen Schlitzwand eine weitere kleinere Baugrube geben. Diese wird mit einer aufgelösten Pfahlwand gesichert, und parallel zu den Schlitzwandarbeiten mittels verlorener Bohrungen hergestellt. Der Durchmesser der Pfähle beträgt 900 mm. Die Pfähle weisen eine Gesamtlänge von 28 m auf wobei die obersten 15 m als Leerbohrung ausgeführt werden. Um den nachfolgenden Aushub nicht zu behindern wird der Leerbohrungsbereich mit gut baggerfähigem Material verfüllt. Abb. 5: Schnitt Baugrube [1] Die Hauptmengen der Spezialtief bauarbeiten sind in nachfolgenden Tabellen gelistet. Tab. 1: Umfang Schlitzwandarbeiten Parameter Anzahl Lamellen [-] 68 Tiefen [m] 28 - 37,5 Breite [mm] 1200 Volumen [m³] Ca. 11.400 Tab. 2: Umfang aufgelöste Pfahlwand Parameter Anzahl Pfähle [-] 68 Länge [m] 28 Durchmesser [mm] 900 Volumen [m³] Ca. 1200 Tab. 3: Umfang Geothermie Parameter Anzahl Sonden [-] 198 Tiefen [m] 200 310 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft Abb. 6: Schlitzwandarbeiten und Geothermie 2.3 Komplexität der Arbeiten Aufgrund der Anforderungen an das Gebäude und den parallellaufenden Tätigkeiten, gestaltet sich das Projekt HPQ als sehr komplex. Auf einige Punkte mit Fokus auf die Schlitzwandarbeiten wird nachfolgend eingegangen. Das Gebiet Hönggerberg in Zürich zeigt komplexe geologische Verhältnisse. Ein exemplarisches Bodenprofil ist in Abbildung 7 dargestellt. Abb. 7: Bodenprofil Zuoberst findet sich ein kiesiger, wasserführender Schotter. Darunter folgen bis in eine Tiefe von 23 - 26 m sandige Tone und Feinsande in Wechsellagerung. Diese Schichten sind sehr stark überkonsolidiert, da sie in der letzten Eiszeit von über 1000 m Eis überlagert wurden. Dadurch weisen sie halbfestgesteinsähnliche Eigenschaften auf. An der Basis der Baugrube findet sich die untere Süßwasser Molasse. Es handelt sich dabei um eine Wechsellagerung von tonigen Siltsteinen und Sandstein. Auch die Molasse weist eine starke Überkonsolidation auf. Aufgrund der geologischen Bedingungen wurde eine Kombination aus einem Schlitzwandgreifer und einer Schlitzwandfräse gewählt. Dabei werden die obersten Lockergesteinsschichten mit Hilfe des Seilgreifers ausgehoben. Sobald die anstehende Moräne zu dicht gelagert ist und der Greifer nicht weiter vorgetrieben werden kann, erfolgt ein Wechsel zu einer Schlitzwandfräse. Auch die nachfolgende Felseinbindung in das Mergelgestein erfolgt unter Verwendung der Schlitzwandfräse BC 35, welche an einem MC 96 Trägergerät montiert ist. Die Herstellung der Sekundärlamellen erfolgt ausschließlich mit der Schlitzwandfräse, da mit einer überfrästen Fuge gearbeitet wird. Im Zuge der ersten Lamellen war schnell klar, dass die geologischen Bedingungen große Herausforderungen darstellen. Zum einen kann die gewünschte Tiefe mit dem Greifer nicht immer erreicht werden, was einen erweiterten Fräseinsatz notwendig macht. Auch der Aushub des Felsens stellt sich als Herausforderung für die Fräse dar. Normalerweise wird die Abschätzungen zur Fräsbarkeit durch eine Korrelation zwischen einaxialer Druckfestigkeit und Fräsfortschritt aufgezeigt. Abb. 8: Fräsleistung vs. einaxiale Druckfestigkeit [2] Die Festigkeit des Mergelgesteins ist mit ca. 35 N/ mm² im unteren Mittelbereich der Fräsmöglichkeiten. Während des zunehmenden Baufortschritts ist aufgefallen, dass die erreichten Leistungen am unteren Rand der Korrelation (blaues Band) liegen. Somit ist zu vermuten, dass das Mergelgestein zusätzlich durch andere Parameter charakterisiert werden muss. Ähnliche Charakteristika zeigen andere geschichtete Felstypen, wie zum Beispiel Schiefergestein. Aktuell ist die Erforschung des Einflusses dieser zusätzlichen Parameter auf die Fräsleistung jedoch noch am Anfang. Mit Hilfe von verschiedenen Einstellungen und durch die Verwendung unterschiedlichen Fräszähnen ist der beste Arbeitspunkt aus Fortschritt und Verschleiß ermittelt worden. Als favorisierte Kombination stellt sich die Verwendung von einem Standad Fräsrad mit SB 50 Zähnen heraus. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 311 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft Eine nicht alltägliche Besonderheit der Schlitzwandarbeiten zeigt der nördliche Bereich des Baufeldes. In diesem Bereich sind Lamellen in T-Form geplant worden. Bei der Herstellung dieser Lamellen ist besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich Abweichung gefordert, um den Einbau der Bewehrungskörbe sicherzustellen (Abbildung 9). Abb. 9: Einbau eines Bewehrungskorbs in eine T-Lamelle Eine weitere Herausforderung der Baustelle im Zuge der Fräsarbeiten ist die Lagerung und die Auf bereitung der Stützsuspension. Zu Beginn der Baustelle mussten insgesamt ca. 1100 m³ angemischt und in 12 Silos eingelagert werden. Die Nutzung eines kompakten Mischers im Containermaß erleichterte die schnelle Mobilisierung und es konnte zügig mit der Produktion begonnen werden. Bei der Lagerung (Abbildung 10) wurde in der Planung des Leitungsbaus bereits berücksichtigt, dass jedes Silo individuell entleert und befüllt werden kann. Somit wurde hohe Flexibilität hinsichtlich der Verwendung und Entsorgung von nicht mehr verwendbarer Suspension geschaffen. Abb. 10: Suspensionsbevorratung Abb. 11: Kompaktmischanlage Die Feinteile aus Silstein und den bindigen Bodenschichten führt zu einer sogenannten Aufladung der Suspension. Um dem Entgegenzuwirken, findet eine kontinuierliche Reinigung in einer Entsandungsanlage mit einer Reinigungskapazität von 500 m³/ h statt. Dabei wird in zwei Stufen das gelöste Material von der Stützflüssigkeit getrennt. Die erste Stufe ist dabei ein Grobsieb, welches Material > 4 mm aussiebt. Anschließend gelangt die Suspension zu zwei Zyklonen, welche die Partikel bis zu einer Größe von 60 μm reinigen. Feinere Bodenpartikel verbleiben im Kreislauf. Um die Entsorgung zu optimieren, wurde eine Zentrifuge mit Flockmittelstation im Kreislauf installiert. Damit kann zum einen die Suspension im Bypass zur Entsandungsanlage weiter gereinigt werden, zum anderen sorgt der Einsatz der Zentrifuge in Kombination mit dem Flockmittel zur vollständigen Trennung von Feststoff und Wasser. Das Wasser kann anschließend neutralisiert und in die Kanalisation eingeleitet werden. Somit können die Entsorgungskosten für Suspension reduziert werden. Zum Schutz der Entsandungsanlage und des anderen Equipments gegen Verschmutzen und Beschädigungen durch Baggerarbeiten konnte eine bereits bestehende Wand in den Auf bau integriert werden, was ebenfalls zu einer Kostenoptimierung beiträgt (Abbildung 12). 312 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft Abb. 12: Entsandungsanlage und Zentrifuge mit Nutzung einer Bestandswand Da die Baustelle zu Beginn des Jahres 2023 startete, mussten zusätzliche Frostschutzmaßnahmen ergriffen werden. Dafür wurden die Auslässe und Schieber der Silos komplett eingehaust und beheizt. Einhausungen wurden zudem bei Pumpen und der Entsandungsanlage vorgenommen, um die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten (Abbildung 13). Abb. 13: Wintermaßnahme Einhausung Aufgrund vieler Gewerke auf der Baustelle ist eine detaillierte Organisation und ein gutes Prozessmanagement die Grundlage für einen geordneten Bauablauf und die zugehörige Baustellenlogistik. Hierfür wurde zentral auf dem Baufeld ein Hochbaukran errichtet, welcher das komplette Baufeld bedienen kann. Zu Beginn der Baustelle führte die bereits beschriebene Rampe zu einer weiteren Reduzierung des Platzes auf dem Baufeld. Die Bewehrungskörbe wurden in zwei Teilen pro Schlitzwandelement von maximal 24 m Länge vorgefertigt und auf der Baustelle gelagert. Um hier den vorhandenen Platz bestmöglich zu nutzen, wurden die Körbe Just-in-Time geliefert und beim Einbau direkt im Schlitz gekoppelt. Zudem wurden direkt in den Körben die Anschlussboxen für die spätere Betonlongarine („Querriegel“) sowie die Bodenplatten eingeschweißt. Damit müssen nachträglich keine Anschlusseisen eingebohrt und geklebt werden. Insgesamt wurden während der Schlitzwandarbeiten ca. 2.000 Tonnen Stahl und rund 12.500 m³ Beton verarbeitet. Abb. 14: Arbeiten am Bewehrungskorb während des Einbaus 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 313 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft Abb. 15: Spriessung Baugrube Bözingenfeld in Biel 2.4 Baugrubensicherung mit dem Spriesssystem Marti Als Rückhaltesystem der Schlitzwandlelemente kommt das patentierte Spriesssystem der Marti AG zum Einsatz, beispielhaft dargestellt in Abbildung 15. Dieses besteht im Wesentlichen aus baukastenähnlichen ROR-Elementen, welche über Flansche verschraubt und vormontiert auf die Baustelle geliefert werden. Zudem können diese hydraulisch vorgespannt werden, wodurch die Verformungen der Baugrube deutlich reduziert werden können. Zur Bemessung der Spriessung wurde ein 3D-FEM-Modell erstellt, welches alle wesentlichen Arbeitsschritte berücksichtigt und die zugehörigen Verformungen sowie Temperatureinflüsse pro Arbeitsschritt mit einbezieht. Das Modell wurde mit der Software Z-Soil berechnet. Der Baugrund wurde mit einem Hardening Soil small strain stiffness Materialmodell für die Lockergesteine abgebildet. Der Fels wurde als Mohr-Coulomb-Material modelliert. Das Spriesslayout wurde anschließend in mehreren Iterationen optimiert, um die Lasten möglichst gleichmäßig auf den Spriessen (Steifen) zu verteilen. Entscheidend ist hierfür weniger die eigentliche Druckfestigkeit der Stahlrohre, sondern viel mehr deren Knickstabilität. Somit mussten nicht nur die Rohre optimal bemessen werden, auch den Knickhalterungen kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Abb. 16: Situation Plan Spriessung HPQ Die Lastverteilung zwischen der Spriessung und den Schlitzwandelementen erfolgt über eine Betonlongarine („Querriegel“), welche zur Baugrubenseite mit einem Stahlblech abgeschalt wird. Dieses Stahlblech ist aufgrund der sehr großen zu erwartenden Kräfte zusätzlich mit einer hohen Anzahl an Kopf bolzendübel mit dem Beton verbunden. Die Krafteinleitung in die Schlitzwand- 314 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Komplexe Schlitzwandanwendung an der ETH Zürich: HPQ - Das Physikgebäude der Zukunft elemente erfolgt über die bereits erwähnten Schraubbewehrungsanschlüsse. Um eine möglichst optimale Lasteinleitung der um 45°-schrägen Spriesse zu gewährleisten, sind diese mit Hammerköpfen und Gelenkplatten auf die Longarine verbunden. Damit können aufwändige Anpassungen, wie Brenn- und Schweißarbeiten deutlich reduziert werden. Wie bei vielen Baugrubensicherungen mit Stahlspriessungen ergeben sich die größten Einwirkungen nicht beim Aushub, aber bei Rückbau. Oft sind die zu stützenden Wandabschnitte im Rückbauzustand größer. Im vorliegenden Fall sind die Lasten sogar auf einem Niveau, dass vor dem Rückbau der dritten Spriesslage, die Knickhalterungen zusätzlich verstärkt werden müssen. Abb. 17: Modell Knickhalter Literatur [1] https: / / ethz.ch/ de/ campus/ entwickeln/ bauprojekte/ hpq-projekt.html [2] BAUER Trench Cutter System 7/ 2020