eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2024
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Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone – Präsidium Frankfurt

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2024
Simon Meißner
Maximilian Kies
Joachim Michael
Die Planung des Präsidiums umfasst den Umbau und die Sanierung des denkmalgeschützten ehemaligen Polizeipräsidiums, den Neubau von Wohnungen und einer Kindertagesstätte in der Blockrandbebauung sowie den Neubau eines 175 Meter hohen Hochhauses mit Büro- und Wohnflächen. Zuvor stand das ehemalige Polizeipräsidium für 20 Jahre leer. Die beiden Tunnelröhren der aktuell in Bau befindlichen Stadtbahnlinie U5 unterqueren das Projektgebiet und sind maßgebend für die geotechnische Planung der Baugrube und der Hochhausgründung. Die Herstellung der Untergeschosse soll mit einer wasserundurchlässigen Baugrube erfolgen. Als Baugrubenverbau ist eine rückverankerte und teilausgesteifte Schlitzwand vorgesehen. Aufgrund der Größe und Tiefe der Baugrube und der damit einhergehenden, systembedingten großen Hebungen beim Aushub wurden verschiedene geotechnische Möglichkeiten zur Herstellung der Baugrube untersucht. Auch die Lastabtragung des geplanten Hochhauses stellt eine große Herausforderung für die Tunnelröhren dar.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 333 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Prof. Dr. Simon Meißner Prof. Quick und Kollegen-Ingenieure u. Geologen GmbH Maximilian Kies, M. Eng. Prof. Quick und Kollegen-Ingenieure u. Geologen GmbH Prof. Dr. Joachim Michael Prof. Quick und Kollegen-Ingenieure u. Geologen GmbH Zusammenfassung Die Planung des Präsidiums umfasst den Umbau und die Sanierung des denkmalgeschützten ehemaligen Polizeipräsidiums, den Neubau von Wohnungen und einer Kindertagesstätte in der Blockrandbebauung sowie den Neubau eines 175 meter hohen Hochhauses mit Büro- und Wohnflächen. Zuvor stand das ehemalige Polizeipräsidium für 20 Jahre leer. Die beiden Tunnelröhren der aktuell in Bau befindlichen Stadtbahnlinie U5 unterqueren das Projektgebiet und sind maßgebend für die geotechnische Planung der Baugrube und der Hochhausgründung. Die Herstellung der Untergeschosse soll mit einer wasserundurchlässigen Baugrube erfolgen. Als Baugrubenverbau ist eine rückverankerte und teilausgesteifte Schlitzwand vorgesehen. Aufgrund der Größe und Tiefe der Baugrube und der damit einhergehenden, systembedingten großen Hebungen beim Aushub wurden verschiedene geotechnische Möglichkeiten zur Herstellung der Baugrube untersucht. Auch die Lastabtragung des geplanten Hochhauses stellt eine große Herausforderung für die Tunnelröhren dar. 1. Projekt Auf dem Gelände des ehemaligen Polizeipräsidiums in Frankfurt am Main sollen neben einem 175- m hohen Hochhaus (Abbildung 1) auch mehrere ca. 7-geschossige Blockrandbebauungen (Wohngebäude, KiTa) und eine Sporthalle für die nahe gelegene Schule realisiert werden (Abbildung 2). Die Geländeoberfläche (GOF) liegt derzeit im Mittel bei ca.-97,00-mNN. Insgesamt sollen ca. 450 Wohnungen entstehen, davon 30 Prozent im geförderten Wohnungsbau. Das Projektgebiet wird von zwei neu gebauten Tunnelröhren der Stadtbahnlinie U5 unterquert. Diese Tunnel stellen besondere Anforderungen an die geotechnische Planung der Baugrube und der Gründung (Abbildung 2). Die geotechnischen Randbedingungen wurden bereits im Rahmen des Architektenentwurfs zugrunde gelegt. Derzeit laufen die Abstimmungen mit den Projektverantwortlichen der Stadtbahn. Die wesentlichen Daten der weiterführenden Planung sind nachfolgend zusammengefasst: Tabelle 1: Daten des Bauvorhaben Präsidium Bauwerksnull 97,23 m NHN Grundstücksfläche ca. 15.400 m² Untergeschosse 2 bis 3 Untergeschosse Hochhaus 175 m / 45 Obergeschosse Sockelbebauung 22 m / 7 Obergeschosse Bruttogeschossfläche 100.000 m² Abbildung 1: Visualisierung Quelle: MEIXNER SCHLÜTER WENDT 334 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Abbildung 2: Lageplan Präsidium mit Tunnelröhren 2. Geologische Verhältnisse Unter künstlichen Auffüllungen folgen im Projektgebiet die Schichten des Quartär in unterschiedlichen Mächtigkeiten bis in eine Tiefe von ca. 7 m unter GOK. Die Schichten des Quartär bestehen aus fluviatilen Terrassensedimenten des Mains (Sande, Kiese und Schluffe). Das unterlagernde Tertiär wird von den hydrobiogenen Schichten des Miozän gebildet, die aus einer unregelmäßigen Abfolge von Tonen, Kalksteinbänken, Algenriffen und hydrobiogenen Sanden bestehen und zusammenfassend als Frankfurt-Formation bezeichnet werden. Diese erreicht eine Mächtigkeit von bis zu 100 m (Abbildung 3). Im Gegensatz zu den Baugrundverhältnissen der Frankfurter Innenstadt sind die Kalksteinbänke im Westen Frankfurts von geringerer Mächtigkeit und Häufigkeit. Unterhalb der hydraulischen Schichten folgen die sogenannten Inflaten, die im Vergleich zu den hydraulischen Schichten felsiger und damit weniger kompressibel ausgebildet sind. Bodenmechanisch besteht die Inflatenschicht aus einer unregelmäßigen, nicht horizontal gelagerten Abfolge von kalkhaltigen Sanden und Schluffen, Kalk- und Dolomitsteinen, Algensteinen und Algenknollen sowie, in geringen Anteilen, Tonen und Tonmergeln. Abbildung 3: Schematischer Baugrundauf bau ohne Darstellung von Störungszonen Der Untergrund der Frankfurter Innenstadt ist durch einen NW-SE-streichenden Scherbruchgraben mit z.T. sukzessiv zunehmenden Versatzbeträgen entlang einzelner Scherverschiebungen gekennzeichnet. Die einzelnen Schichtpakete sind entsprechend der tektonischen Beanspruchung in ihrer Höhenlage gegeneinander versetzt und horizontal verschoben. Im Nahbereich zum bestehenden Grand Tower sind Störungen mit vertikalen Versatzbeträgen von bis zu 20 m erkennbar. Abbildung 4: Idealisierter Baugrundschnitt mit Störungszonen Aus geologisch-tektonischer Sicht ist es denkbar, dass vertikale Versätze nicht nur entlang von Störungszonen, sondern auch in Kombination mit Biegungen und Faltungen entstanden sind. Insbesondere in den Hydrobienenschichten, einer Wechsellagerung von kompetenten (Tone) und inkompetenten (Kalksteinbänke) Schichten, ist infolge der posttertiären tektonischen Beanspruchung ein eher duktiler Deformationsstil zu erwarten. 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 335 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Der Grundwasserleiter in den quartären Sanden liegt ca. 4 m bis 5 m unter GOK. Der tertiäre Grundwasserleiter zirkuliert in den klüftigen Kalksteinbänken und Sandlinsen des Tertiärs. 3. Bestandsbebauung Altes Polizeipräsidium Das denkmalgeschützte ehemalige Polizeipräsidium, ein von 1911 bis 1914 errichtetes Verwaltungsgebäude entlang der Friedrich-Ebert-Anlage, bleibt erhalten und wird zukünftig in das Quartier integriert. Abbildung 5: Ehemaliges Polizeipräsidium Abbildung 6: Lageplan Bestandsbebauung Das ehemalige Polizeipräsidium weist eine Höhe von bis zu ca. 38 m auf und besteht aus einem Untergeschoss, einem Erdgeschoss, drei Obergeschossen sowie einem Dachgeschoss. Die Gründung des Gebäudes erfolgte überwiegend auf Streifen- und Einzelfundamenten. Die übrigen Gebäudeteile des ehemaligen Polizeipräsidiums entlang der Mainzer Landstraße und der Ludwigstraße stammen aus den 60er bis 80er Jahren und werden vollständig zurückgebaut. MaßgebendfürdiegeotechnischePlanungdesBauvorhabens - insbesondere des geplanten Hochhauses - ist die neue Stadtbahnlinie U5 mit dem unterirdischen Streckenabschnitt im Bereich des Projektgebiets Präsidium. Die beiden aufeinanderfolgenden Vortriebe mit einer Länge von jeweils ca. 840 m erfolgten im Zeitraum von September 2019 bis Januar 2021 in maschineller Bauweise mit einer EPB-Tunnelbohrmaschine. Diese hat einen Außendurchmesser von 7,10 m (Iffländer, R, 2000). Die Tunnelröhren haben einen lichten Innendurchmesser von 5,90 m, die einschalige, wasserundurchlässige Tunnelschale besteht aus 45 cm dicken Tübbingen (Abbildung 7). Das Tübbingdesign sieht einen 6-teiligen Tübbingring mit einer Breite von 1,20 m vor. Zusätzlich zu konventionellen Messeinrichtungen wurden zwei Messtübbingringe im Bereich des Projektgebiets eingebaut, mit deren Hilfe Langzeitmessungen möglich sind (Klappers, 2017). Abbildung 7: Blick in die nördliche Tunnelröhre U5 Die Tunnelröhren der U5 wurden im Bereich des Hochhausfensters für mögliche zusätzliche Lasten bemessen, die jedoch in ihrer Größenordnung nicht den tatsächlichen Lasten des 175 m hohen Hochhauses entsprechen (Abbildung 8). Abbildung 8: Lastbild Hochhaus auf den Tunnel 336 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Für S- und U-Bahntunnelröhren in Frankfurt besteht üblicherweise eine allgemeine Schutzzone, die sich horizontal 15-m beidseitig der Tunnel erstreckt. In dieser Schutzzone sind keine Eingriffe ohne Zustimmung erlaubt. Für das Bauvorhaben Präsidium wurde ergänzend eine projektspezifische Schutzzone um die Tunnelröhren der U5 definiert (Abbildung 9), die einen Abstimmungsprozess zur Umsetzung der geplanten Baumaßnahme ermöglicht. Abbildung 9: Tunnelröhren mit Schutzzonen 4. Baugrubenkonzeption In der Regel wird eine möglichst hohe Stellplatzanzahl unter Berücksichtigung der Grundflächenzahl (GRZ) angestrebt. Dabei werden bei aktuellen Bauvorhaben in Frankfurt teilweise 4 oder 5 Untergeschosse geplant und realisiert. Beim Bauvorhaben Präsidium konnte ein solches Ziel aufgrund der Tunnelröhren der U5 von Anfang an nicht angestrebt werden. Geometrisch war eine 3-geschossige Unterkellerung möglich und vom Bauherrn zunächst auch gewünscht. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurden die sich aus einer 3-geschossigen Unterkellerung ergebenden besonderen geotechnischen Aufgabenstellungen, Mehrkosten und Risiken hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit der Tunnelröhren aufgezeigt. Darauf auf bauend wurde dem Planungsteam frühzeitig die technische Umsetzung einer 2-geschossigen Unterkellerung als neues Maximum im Bereich der Tunnelröhren vorgegeben. Zur Sicherung der Baugrube und zur Minimierung des Eingriffs in den Grundwasserhaushalt sowie zur Reduzierung des Einflusses auf die angrenzende und geplante Bebauung ist ein wasserundurchlässiger Baugrubenverbau vorgesehen. Aufgrund der Erfahrungen mit bereits erfolgreich ausgeführten Baugrubenumschließungen in der näheren Umgebung wird das Schlitzwandverfahren favorisiert. Eine Schlitzwand bietet gegenüber anderen Verfahren zahlreiche Vorteile hinsichtlich der Bauzeit, des Platzbedarfs, einer möglichen Bauteilaktivierung, der Lärmemission sowie der Möglichkeit zur einschaligen Ausführung der Untergeschosse. Die Herstellung der Baugrube bzw. der Baugrubenaushub stellt aufgrund der unvermeidbaren Hebungen eine große geotechnische Herausforderung dar. Messergebnisse bereits ausgeführter Baugruben in Frankfurt zeigen - je nach ihrer Größe und Tiefe - Hebungsbeträge der Baugruben von bis zu 13 cm (Moormann, 2002). Die grundsätzliche Tendenz dieser Auswertung werden durch aktuelle Messergebnisse bestätigt. Abbildung 10: Gemessene Hebungen beim Aushub tiefer Baugruben in Frankfurt (Moormann, 2002) 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 337 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt In der Planungsphase wurden im Planungsteam verschiedene Möglichkeiten zur Reduzierung der Hebungen diskutiert und konzipiert. Nach Abwägung verschiedener Möglichkeiten wie z. B. einer Ballastierung, einer rückverankerten Baugrubensohle, einer tieferen Grundwasserhaltung und auch einer Senkkastenbauweise wurde eine Unterteilung der Gesamtbaugrube festgelegt und damit einhergehend eine Unterteilung der Rohbauarbeiten untersucht. Die Gesamtbaugrube wurde in insgesamt 6 Einzelbaugruben unterteilt und ein detailliertes Konzept zur sukzessiven Herstellungsreihenfolge geplant. (Abbildung 11). Dabei können im Bereich der Tunnel einzelne, angrenzende Baugruben erst ausgehoben werden, nachdem ein Teil des Rohbaus (Ballastierung) in der vorangegangenen Baugrube herstellt wurde (Abbildung 12). Darüber hinaus werden die Gründungselemente des Hochhauses zur Reduzierung der aushubbedingten Hebungen eingesetzt. Dadurch kann die Gebrauchstauglichkeit der Tunnel für die Bauphase der Baugrubenherstellung gewährleistet werden. Darüber hinaus wird durch die Unterteilung der Baugrube in einzelne Teilbaugruben ein optimierter und risikoarmer Eingriff in das Grundwasser gewährleistet. Die Unterteilung und die Reihenfolge der Herstellung eben dieser unterliegen in hohem Maße der Baulogistik und einer möglichen ungehinderten Andienung aller Gebäudeteile, insbesondere die des Hochhauses. Die Unterteilung der einzelnen Baugruben erfolgt zum Teil mit Dichtwänden mit eingestellter Spundwand und - oberhalb des Grundwassers - mit Trägerbohlverbau. Für die Baugrube des Hochhauses ist eine tiefere Schlitzwand erforderlich. Die Baugrubensohle liegt hier aufgrund der dickeren Bodenplatte tiefer, sodass die Unterkante der Schlitzwand aus hydrogeologischen Gründen tiefer geführt werden muss, um eine wasserdurchlässige Baugrube zu ermöglichen. Abbildung 11: Gesamtübersicht der Einzelbaugruben Der Bauablauf für die kleinteiligen Baugruben im Bereich Mainzer Landstraße und Ludwigstraße ist schematisch in (Abbildung 12) dargestellt. Abbildung 12: Bauablauf Aufgrund der angrenzenden Bebauung ist in Teilbereichen eine Baugrubensicherung mittels Verpressankern nicht möglich. In diesen Bereichen muss eine Innenaussteifung erfolgen (Abbildung 11). Eine zusätzliche Herausforderung bei der Herstellung der Baugrube ist der Rückbau der zum Großteil grenzständigen Bestandsbebauung. Hier können beispielsweise Bestandskellerwände zunächst nicht vollständig rückgebaut werden und müssen im Vorfeld durch eine Trassenberäumung durchörtert werden. Zudem befinden sich zahlreiche Leitungen im Bereich der geplanten Bebauung auf dem Baufeld und im unmittelbaren Umfeld zur Baugrube, welche ebenfalls im Vorfeld zeit- und abstimmungsaufwändig umverlegt werden müssen. Die wesentlichen Baugrubendaten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst: Tabelle 2: Daten der Baugruben Verbauwandarten: Schlitzwand Dichtwand mit eingestellter Spundwand Trägerbohlverbau Dicke Schlitzwand: 0,60 m / 0,80 m Verbauwandtiefen: 18-m bis 28-m Baugrubentiefen: 9 m (Tunnel) bis 14 m Aufteilung 6 Baugruben Wandhalterung: Rückverankerung / Aussteifung Die Grundwasserhaltung der Baugruben kann innerhalb der wasserundurchlässigen Baugrubenumschließung unabhängig betrieben werden. 338 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Zur Entwässerung der Baugruben und zur kontrollierten Grundwasserentspannung der Kalksteinbänke und der Hydrobiensande unterhalb der Baugrubensohle sind Entspannungsbrunnen, Förderbrunnen und Beobachtungsmessstellen oberhalb des bauzeitlichen Grundwasserspiegels herzustellen. Zur Gewährleistung der Auftriebssicherheit der Baugrubensohle werden die Kluftgrundwasserleiter (Kalksteinbänke) innerhalb der Frankfurt-Formation mittels Entspannungsbrunnen entspannt. Die erforderliche Tiefe der Entspannungsbrunnen ergibt sich aus dem Nachweis der Auftriebssicherheit (UPL). Aus hydrogeologischen Gründen reicht die Unterkante der Verbauwände bis zur Unterkante der Entspannungsbrunnen. Im Bereich der Tunnelröhren wird die Unterkante der Verbauwände entsprechend erhöht (hydraulisches Fenster), sodass die vereinbarte Schutzzone eingehalten werden kann. Dabei wird ein Mindestabstand zwischen Unterkante Schlitzwand und Oberkante Tunnelfirste von ca. 3,0 m eingehalten. 5. Gründungskonzeption Die Anforderungen an die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der neu zu errichtenden Bauwerke und aller im Einflussbereich vorhandenen ober- und unterirdischen Bauwerke, insbesondere der Tunnelröhren der Stadtbahn U5, bestimmen maßgebend die Wahl des Gründungssystems. Aus diesem Grund wurden bereits in der frühen Planungsphase die Lastansätze mit dem Tragwerksplaner diskutiert und erste Berechnungsmodelle erstellt. Die Abtragung der Vertikallasten erfolgt über die Stützen und den aussteifenden Gebäudekern. (Abbildung 13). Abbildung 13: Lastermittlung Für die Bemessung der Gründung werden dreidimensionale numerische Berechnungen (Finite-Elemente-Methode) mit detaillierter Modellierung der Bauteile der Tunnelröhren durchgeführt. Die Tunnelröhren wurden für ein Lastbild mit Hochhausbebauung ausgelegt, jedoch ergeben sich durch das nun geplante Hochhaus mit einer Höhe von 175 m höhere Spannungen bei Ausführung einer Flachgründung auf dem Tunnel. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen. Aus diesem Grund wurden mehrere Gründungsvarianten diskutiert und konzipiert, um eine optimale Lastabtragung und eine zulässige Beanspruchung der Tunnelröhren zu gewährleisten. Dazu gehörte unter anderem der Einsatz von Gründungspfählen mit Druckzellen, mit denen die Pfähle nach Teilfertigstellung des Hochhauses im Baugrund vorgespannt werden können, um Setzungen zu reduzieren und die Pfähle optimal auszunutzen. Auch Hülsenpfähle, die eine Reduzierung der Mantelreibung im Bereich der Tunnelröhren ermöglichen, wurden untersucht. Beide Ausführungsvarianten weisen erhebliche Ausführungsrisiken hinsichtlich der Bauausführung auf. Eine konventionelle Tiefgründung kommt aufgrund der tiefliegenden tragfähigen Schichten nicht in Frage. Weiter wurde unter Berücksichtigung der zulässigen Belastungen der Tunnelröhren eine Kombinierte Pfahl- Plattengründung (KPP) mit langen Gründungselementen favorisiert, um möglichst große Lastanteile unterhalb der Tunnelsohlen abzutragen. Dies führt tendenziell zu einem höheren α KPP -Wert wodurch mehr Lasten über die Gründungspfähle abgetragen werden können. Unter dem Aspekt, dass eine große Mantelfläche einen hohen Widerstand leistet und somit die Mitnahmesetzungen und Spannungen auf die Tunnelröhren reduziert und in Bezug auf eine risikoarme Ausführbarkeit, wurde letztendlich die Verwendung von Schlitzwandbarretten als Gründungselemente anstelle von Pfählen (Tschuchnigg, 2011) als Kombinierte Schlitzwand-Plattengründung (Meißner 2020) untersucht und favorisiert. Schlitzwände können relativ erschütterungs- und lärmemissionsarm hergestellt werden. Die Nachweisführung einer Kombinierten Schlitzwand- Plattengründung erfolgt in Analogie an die KPP-Richtlinie (Hanisch et al., 2001)). In der Blockrandbebauung können die Lasten mittels Flachgründung in den Baugrund eingeleitet werden. Im Bereich von nicht überbauten Tiefgeschossen muss die Auftriebssicherheit auch für den Endzustand nachgewiesen werden, ggf. sind Maßnahmen zur Auftriebssicherheit erforderlich (Überschüttung, Mikropfähle, etc.). 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 339 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Abbildung 14: Lageplan Gründungselemente (Barrette) Abbildung 15: Schnittdarstellung der Gründungskonzeption mit Schlitzwandbarretten mit Schutzzonen Abbildung 16: Isometrie der Baugrube und der Gründungselemente (Pfähle) Für die Nachweise der Standsicherheit sowie der Gebrauchstauglichkeit des Neubaus und der benachbarten baulichen Anlagen werden numerische Berechnungen mittels (3D-FE) durchgeführt. Das numerische Modell muss die Baugrund- und Grundwasserverhältnisse ausreichend genau abbilden und es muss ausreichend groß gewählt werden. Die konstruktiven Elemente des Neubaus, der Gründung und der maßgebenden benachbarten Bauwerke sind ingenieurtechnisch vereinfacht zu modellieren. Die bodenmechanischen Kennwerte und die maßgebenden Stoffkennwerte sind zunächst anhand vergleichbarer, benachbarter Bauvorhaben (Grand Tower, Tower ONE, Eden Tower, The Spin) auszuwählen und mittels geotechnischer Rückrechnung durch intensive und konsequente Auswertung der geotechnischen Messdaten aus dem Mess- und Beweissicherungskonzept baubegleitend zu verifizieren. Abbildung 17: Numerisches Modell - konstruktive Elemente Abbildung 18: Numerisches Modell mit Tunnelröhren Die maximalen, möglichen Verschiebungen und Spannungen werden unter Berücksichtigung der ermittelten wahrscheinlichen (rechnerischen) Verschiebungen, der herstellungsbedingten Verschiebungen und der Bandbreite von Verschiebungen infolge Kennwertstreuung, Modellierungsunschärfen, etc. ermittelt. 6. Mess- und Beweissicherungsprogramm Für die Überwachung des Präsidiums wurde ein detailliertes Mess- und Beweissicherungsprogramm entwickelt. Im Rahmen der geodätischen und geotechnischen Vermessung der Verbauwand und der Gründung kommt eine umfangreiche geotechnische Instrumentierung, bestehend aus Kraftmessdosen, Dehnungsmessstreifen in verschiedenen Ebenen sowie Sohl- und Porenwasserdruckgebern zum Einsatz. 340 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Realisierung eines Hochhauses über einer U-Bahn-Schutzzone - Präsidium Frankfurt Zur Beobachtung von Setzungen und Hebungen werden Messbolzen über das gesamte Projektgebiet und die angrenzende Bebauung verteilt und installiert sowie Gleitdeformeter ausgewertet. Im Rahmen der geodätischen Beweissicherung werden an den angrenzenden Bauwerken geodätische Messungen (Höhenmessungen) durchgeführt. Die geodätische Beweissicherung der Höhenlage der benachbarten baulichen Anlagen wird an den nachfolgend aufgeführten baulichen Anlagen durchgeführt: • U-Bahntunnelröhren • Matthäuskirche • Falkschule • Straßenbahn Friedrich-Ebert-Anlage / Mainzer Landstraße • Umspannwerk • Nachbarbebauungen Mainzer Landstraße Die Tunnelröhren der Stadtbahnlinie U5 werden mittels Schlauchwaagen und geodätischen Messbolzen überwacht. Zusätzlich sind die bereits installierten Spannungsmonitoringstationen in den beiden Tübbingringen zu messen. Die zu erwartenden Auswirkungen der Baumaßnahme auf die angrenzende Bebauung sind im Rahmen der weiteren Planung zu überprüfen und als bebauungsverträglich einzustufen. Nach Festlegung der endgültigen Gründungsvariante und Vorlage der Baugrubenplanung ist das Beweissicherungsprogramm in Abstimmung mit den Eigentümern der angrenzenden Bebauung festzulegen. 7. Fazit Komplexe Projekte wie das Bauvorhaben Präsidium, die im innerstädtischen Bereich realisiert werden, haben neben einer umfassenden Nachweisführung für die Bemessung des Bauwerks immer auch die Herausforderung, die angrenzende Bebauung in die Planung mit einzubeziehen. Mit Hilfe numerischer Untersuchungen können bereits in einer frühen Projektphase Grundlagen erarbeitet und darauf auf bauend Baugruben- und Gründungskonzepte erstellt werden, die für eine erfolgreiche Umsetzung des Bauvorhabens unerlässlich sind. Diese dienen als Diskussionsgrundlage für die Abstimmung zwischen den Projektbeteiligten und führen so zu konstruktiven Lösungen im Planungsprozess. Literaturverzeichnis Hanisch, J., Katzenbach, R., König, G. (2001) Kombinierte Pfahl-Plattengründungen, Ernst & Sohn, Berlin Meißner, S., Michael, J., Kies, M., Cronen, B. (2020): „Bauvorhaben FOUR Deckelbauweise mit einer Kombinierten Schlitzwand-Pfahl-Plattengründung”, geotechnik 43, S 193-200. Meißner, S.; Michael, J.; Kies, M. (2022) Realisierung eines 84 m hohen Hochhauses auf einem S-Bahntunnel in Berlin, 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Esslingen, S. 369 - 374 Meißner, S., Quick, H., Katzenbach, R., Werner, Anke (2019) An innovative dewatering system to reduce the environmental impact. XVII European Conference on Soil Mechanics and Geotechnical Engineering (ECSMGE 2019), Reykjavik, No. 0441 Iffländer, R.; Lutz, R.; Budach, C.; Kirchner, S. (2019): Geotechnische und tunnelbautechnische Herausforderungen beim Bau der U5 in Frankfurt mit einem Erddruckschild, STUVA-Tagung, Seite 265 - 271 Klappers, C.; Fischer, O.; Werkhäuser, K.; Kirchner, S. (2017) Neubau U5 Europaviertel Frankfurt, Tunnel mit einschaligem Tübbingausbau unter anspruchsvollen statischen Randbedingungen - Planung, Realisierung und Ausblick messtechnische Validierung, 21. Münchner Massivbau Seminar Tschuchnigg, F. (2011): Optimization of a deep foundation with diaphragm wall panels employing 3D FE analysis, Conference: Proceedings 21. European Young Geotechnical Engineers Conference (EYGEC) Rotterdam, The Netherlands, Bollinger, K.; Grohmann, M.; Berger, A. (2015). The Vienna Donau City Tower - 2000 mm Flat Slabs as Outrigger Structure for Unique Landmark Building, CTBUH 2015 Moormann, C. (2002) Trag - und Verformungsverhalten tiefer Baugruben in bindigen Böden unter Berücksichtigung der Baugrund-Tragwerks-Interaktion, Mitteilungsheft des Institutes für Geotechnik der TU Darmstadt, Heft 59