eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 14/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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2024
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Verfahrensprinzip der Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren

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Andeas Stallhofer
Das CSV-Verfahren ist ein seit 25 Jahren in Deutschland etabliertes Verfahren zur Baugrundverbesserung von ungenügend tragfähigen Böden. Dabei soll der folgende Bericht Einblick über das Verfahren, das Herstellungsprinzip, die Einsatzmöglichkeiten sowie den Vorteilen des CSV-Verfahrens geben. Des Weiteren wird auf die Qualitätssicherung der inneren und äußeren Tragfähigkeit genauer eingegangen. Abschließend werden drei besondere Baumaßnahmen vorgestellt. Nach der Vorstellung des Projektes einer Therme in Lindau mit genauer Setzungsberechnung anhand eines Baugrundmodells folgt das Projekt der Bundesstraße B32 in Altshausen mit erdstatischen FE-Berechnungen zur Reduzierung der horizontalen Spreizkräfte. Zum Abschluss wird die Stabilisierung einer Hundertwassertherme in Bad Blumau noch genauer vorgestellt.
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14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 363 Verfahrensprinzip der Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren Andreas Stallhofer, M. Eng. Laumer GmbH & Co. CSV-Bodenstabilisierung KG Zusammenfassung Das CSV-Verfahren ist ein seit 25 Jahren in Deutschland etabliertes Verfahren zur Baugrundverbesserung von ungenügend tragfähigen Böden. Dabei soll der folgende Bericht Einblick über das Verfahren, das Herstellungsprinzip, die Einsatzmöglichkeiten sowie den Vorteilen des CSV-Verfahrens geben. Des Weiteren wird auf die Qualitätssicherung der inneren und äußeren Tragfähigkeit genauer eingegangen. Abschließend werden drei besondere Baumaßnahmen vorgestellt. Nach der Vorstellung des Projektes einer Therme in Lindau mit genauer Setzungsberechnung anhand eines Baugrundmodells folgt das Projekt der Bundesstraße B32 in Altshausen mit erdstatischen FE-Berechnungen zur Reduzierung der horizontalen Spreizkräfte. Zum Abschluss wird die Stabilisierung einer Hundertwassertherme in Bad Blumau noch genauer vorgestellt. 1. Einführung Das von Prof. Reitmeier entwickelte CSV-Verfahren wurde im September 1996 auf der Baugrundtagung in Berlin vorgestellt und unter seiner Federführung an der Hochschule Konstanz stets weiterentwickelt. Im unmittelbaren Anschluss hat hierzu ein neu gegründeter Arbeitskreis der DGGT ein Merkblatt erarbeitet und im Jahre 2002 in seiner ersten Fassung vorgestellt. Derzeit bearbeitet dieser Arbeitskreis 2.8 eine Neuauflage mit vorrangiger Anpassung der Empfehlungen an den Eurocode 7. 2. CSV-Verfahren 2.1 Erläuterung des CSV-Verfahrens Das CSV-Verfahren steht für „Combined soil stabilisation with vertical Columns“. Entwickelt wurde das Verfahren, um das Verformungsverhalten von bindigen, ungenügend tragfähigen Böden den Anforderungen einer konventionellen Flachgründung anzupassen. Mit einer gegen die Steigung drehenden Förderschnecke und einem speziell ausgebildeten Verpresskopf (Abb. 1) werden trockene, granulare Säulen säulenförmig in den Boden eingebracht. Die erforderliche Absetztiefe wird selbstregelnd durch einen vorgegebenen Eindringwiderstand (7 - 8 to) den lokalen Untergrundverhältnissen angepasst. Der Verpresskopf verdrängt dabei den anstehenden Boden und verdichtet ihn horizontal, zeitgleich entzieht der Trockenmörtel der Säulenumgebung Wasser. Dabei durchläuft die CSV-Schnecke einen Vorratstrichter, aus dem sie sowohl beim Eindrücken in den Baugrund als auch beim anschließenden Ziehen den Trockenmörtel fördert und gleichzeitig zu einer festen Säule verdichtet. Verwendet wird Trockenmörtel aus einer Sand-Zement-Mischung, die unter dem Einfluss der Bodenfeuchte und ggfs. Grundwassers zu einem Beton der Festigkeitsklasse C 25/ 30 verfestigt, d. h. Druckfestigkeiten von mindestens 25 N/ mm². Abb. 1: Förderschnecke mit Verpresskopf (schematisch) Der Durchmesser der CSV-Säulen ist abhängig von der Konsistenz des umgebenden Bodens und variiert zwischen 14 und 20cm. Der Säulenabstand beträgt mindestens 3 d und maximal 1,75m, um noch eine Gruppenwirkung der Einzelsäule zu gewährleisten. Übliche Tragfähigkeiten der Säulen liegen zwischen 60 kN und 120 kN. Die Säulen werden in der Regel lastproportional angeordnet. Infolge der höheren Steifigkeit der Stabilisierungssäulen gegenüber dem umgebenden Boden konzentrieren sich die Lasten auf die Säulen. In der Verbundwirkung des Bodens mit den Einzelsäulen lässt sich das Tragsystem auch als Säulenwald idealisiert beschreiben. Die Bodenverbesserung erfolgt durch die horizontale Verdichtung und Verspannung des umgebenden Baugrunds. Der Boden wird durch die trockene Sand-Zement-Mischung entwässert, sodass der Steifemodul, die Scherfestigkeit sowie die Lagerungsdichte bzw. die Konsistenz des Baugrunds verbessert wird. 364 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Verfahrensprinzip der Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren Das CSV-Verfahren ist in feinkörnigen Böden (leicht-, mittel- und ausgeprägt plastische Tone und Schluffe, UL, UM, TL, TM und TA nach DIN 18196), in gemischtkörnige Böden (Sande und Kiese mit einem Schluffbzw. Tonanteil von mind. 15 - 40%) sowie organogenen und organischen Böden (Torf, Mudde, OU, OT, OH, OK, HN, HZ und F nach DIN 18196) geeignet, um das Verformungsverhalten zu optimieren. Während bei steifen Böden durch den Verdrängungsvorgang eine ausreichende stabile Rohrwandung für den Transport des Trockenmörtels entsteht, muss bei weichen und breiigen Böden durch einen angepassten Materialüberschuss eine stabile Rohrwandung erzeugt werden, um einen Materialtransport ohne Einmischung von Boden bis in die Endtiefe der CSV-Säulen zu gewährleisten. Ausführungstechnisch erfolgt dies in Form von vertikalen Pendelschritten. Bei der Geräteeinstellung wird durch Ziehen der Transportschnecke ohne Rotation geprüft, ob innerhalb der Schneckenwendelgänge Bodeneinschlüsse vorhanden sind. Ist dies der Fall, sind die Pendelschritte so weit anzupassen, dass keine Bodeneinmischung in den Trockenmörtel erfolgt. Nur unter Beachtung dieser Ausführungsregeln ist gewährleistet, dass der Trockenmörtel zur einer „sauberen“ Säule mit gesicherten Druckfestigkeiten von über 25 N/ mm² ausgebildet werden kann. Das CSV-Verfahren ist eine wirtschaftliche Alternative zum Bodenaustausch und zu Pfahlgründungen aus folgenden Gründen: - Völlig erschütterungsfrei - keine Bodenförderung und -entsorgung - Optimierung der Lastabtragung durch lastproportionale Säulenanordnung - keine Grundwasserabsenkung erforderlich - geringe Gerätgewichte (Kettenbagger u. Bohrgerät ca. 30 to) - automatische Vergleichmäßigung der Baugrundeigenschaften bei heterogenen Untergrundverhältnissen - Qualitätsnachweis durch Probebelastungen - schneller Arbeitsfortschritt 2.2 Qualitätssicherung Gemäß Merkblatt für die Herstellung, Bemessung und Qualitätssicherung von Stabilisierungssäulen zur Untergrundverbesserung sind je 500 Säulen eine Probebelastung, bei weniger als 1.000 Säulen zwei Probebelastungen zur Prüfung der äußeren Tragfähigkeit auf der Baustelle in situ auszuführen. Die Probebelastungen geben Aussagen zum Last-Setzungsverhalten sowie Zeit-Setzungsverhalten (Abb. 2). Gemäß Merkblatt ist bei „aufstehenden“ Säulen mind. die 1,5-fache Gebrauchslast bei der Probebelastung nachzuweisen. Die bleibende Säulenkopfverschiebung darf in der charakteristischen Säulenauslastung maximal 6 mm betragen, das Kriechmaß darf in dieser Laststufe den Wert von 0,5 mm nicht überschreiten. Abb. 2: Prüfprotokoll einer weggesteuerten Probebelastung Außerdem wird stichprobenartig die innere Tragfähigkeit der CSV-Säulen im Labor geprüft, bei welchen üblicherweise Druckfestigkeiten von > 25 N/ mm² erreicht werden. 2.3 Ausführungsbeispiele Unmittelbar am Bodenseeufer in Lindau wurde 2021 eine neue Thermenwelt eröffnet. Aufgrund des auf dem Projektareal aufgeschlossenen Beckenschluffes mit durchweg weich bis breiiger Konsistenz bis in eine Tiefe von 30 m waren an die Gründung besondere Anforderungen gestellt. Mit umfangreichen Baugrunderkundungen in Form von Bohrungen, Rammsondierungen, Drucksondierungen und bodenmechanischen Laborversuchen wurden die auf dem Baugelände anstehenden Baugrundverhältnisse bereits früh in der Planungsphase detailliert erkundet. Die Baugrubensohle liegt in einer Tiefe von rund 4,0m. Darunter folgt eine ca. 2,0m mächtige Schicht aus Beckensand, welche bodenmechanisch als Fein- und Grobsand mit unterschiedlich ausgeprägten Schluffanteilen (Steifemodul Es = 10 - 20 MN/ m²) angesprochen wird. Aufgrund der geringen Mächtigkeit reicht diese Schicht zum Abtrag der hohen Bauwerkslasten nicht aus, da unter dem Beckensand die weichen Beckenschluffe (Steifemodul Es = 2 - 5 MN/ m²) bis 30m folgen. Mit in situ durchgeführten Flügelsondierungen wurden undrainierte Scherfestigkei- 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 365 Verfahrensprinzip der Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren ten von cu < 10 kN/ m² ermittelt. Die rechnerischen Setzungen wurden ohne baugrundverbessernde Maßnahmen in einer Größenordnung >> 10 cm abgeschätzt, welche für eine Thermenanlage nicht zulässig sind. Daher war eine Ertüchtigung des Baugrundes bis 10m unter Baugrubensohle unter dem gesamten Baukörper erforderlich. Abb. 3: Abgeschätzte Verformungen mittels einem Baugrundmodell Aus wirtschaftlichen und technischen Gründungen kam das am Bodensee bereits seit Jahrzehnten bewährte CSV-Verfahren zum Einsatz. Zur Dimensionierung der zulässigen Säulenauslastung wurde eine Eignungsprüfung im Bereich der ungünstigsten Baugrundverhältnisse während der Planungsphase durchgeführt. Da bei den anstehenden Untergrundverhältnissen bis zur gerätetechnisch maximalen Säulenlänge von 9,50m kein Widerstand erreicht wurde, musste in der Endtiefe eine Säulenaufweitung („Elefantenfuß“) ausgeführt werden. Dies erfolgt durch sogenanntes „Pendeln“, d. h. ein künstliches Erstellen eines Widerstandes infolge einer planmäßigen Säulenaufweitung. Zur Abschätzung der Setzung dieser schwimmenden Gründung mit ca. 5.600 CSV-Säulen wurde ein Baugrundmodell erstellt, mit welchem Setzungen von max. 7 cm prognostiziert wurden (Abb. 3). Baubegleitend wurden am Bauwerk in regelmäßigen Abständen Höhenmessungen durchgeführt. Ergebnis der Messungen war eine sehr gute Übereinstimmung der gemessenen Bauwerksverformungen mit der Setzungsprognose. In den Anfängen der CSV-Bodenstabilisierung wurde die Hundertwassertherme in Bad Blumau (Abb. 4) mit ca. 29.500 Säulen mit einer mittleren Säulenlänge von 3,0m gegründet. Das im Jahr 1995 ausgeführte Projekt wurde mit aufwendigen Probebelastungen von Säulengruppen zur Qualitätssicherung begleitet. Abb. 4: Stabilisierte Gebäude der Hundertwassertherme in Bad Blumau Zur Verbesserung der vorhandenen Verkehrsverhältnisse wurden im Jahre 2017 vom Regierungspräsidium Tübingen zwischen Altshausen und Vorsee auf einer Länge von ca. 4,3 km der Ausbau der B32 durchgeführt. Aufgrund der dort vorliegenden, sehr heterogenen und setzungsempfindlichen Baugrundverhältnisse waren Zusatzmaßnahmen für die Gründung des Straßendamms erforderlich, um die Setzungen zu reduzieren und die Tragfähigkeit zu erhöhen. Im ungünstigsten Bereich der Straßenverbeiterung stand eine bis zu 6,5m mächtige, 366 14. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2024 Verfahrensprinzip der Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren organische Schicht aus Torfen und Seeablagerungen an. Darunter folgten örtlich tragfähige bindige Beckensedimente und nichtbindige Schmelzwasserkiese. Als Alternative zum Bodenaustausch und zur Pfahlgründung wurde aus technischen und wirtschaftlichen Gründungen das CSV-Verfahren gewählt. Nach der versuchstechnischen Optimierung der charakteristischen Säulenbeanspruchung in Form von Probebelastungen wurde im Rahmen der Planung mit Hilfe einer FE-Modellierung das Säulenraster sowie die Anforderungen für die CSV-Planie und der Dammschüttung bestimmt. Abb. 5: Erdstatische FE-Berechnungen des Straßendamms Dabei waren detaillierte Untersuchungen infolge der Spreizwirkung der Dammschüttung besonders zu beachten. Die erdstatischen Berechnungen (Abb. 5) ergaben zur Verringerung der Horizontalverformungen den Einbau von zwei Lagen Geogitter zusammen mit einer zementstabilisierten Dammschüttung. Abb. 6: CSV-Bohrgeräte bei der Stabilisierung der B32 Literatur [1] Reitmeier, W. (1996): Ein neues Bodenstabilisierungsverfahren zur Schaffung ausreihender Tragfähigkeitseigenschaften für die Aufnahme von Bauwerkslasten, Tagungsband zur 24. Baugrundtagung in Berlin [2] Scheller, P.; Reitmeier, W. (2000): Combined Soil Stabilization with Vertical Columns (CSV), A new Method to improve Soft Soils, Proceedings of the soft ground technology conference, Netherlands, ASCE, pp. 123-135 [3] El-Mossallamy, Y. et al (2001): Stabilization of soil with displacement columns of dry sand/ cement/ lime mix: construction methods, physical behavior and numeral modeling, Proceedings of the 15th international conference on soil mechanics and geotechnical engineering, Istanbul, pp. 1523-1527 [4] Merkblatt für die Herstellung, Bemessung und Qualitätssicherung von Stabilisierungssäulen zur Untergrundverbesserung, Teil I CSV-Verfahren DGGT (2002) [5] Reitmeier W.; Brandl, Ch. (2012): Vergleich von kraft- und weggesteuerten Probebelastungen an CSV-Säulen, TU Wien 2. Symposium Baugrundverbesserung in der Geotechnik [6] Reitmeier, W. (2013): Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren - Labortechnisch Untersuchungsergebnisse mit Empfehlungen zur Abschätzung des durch Trockenmörtelsäulen möglichen Verbesserungsgrades, Bautechnik (90), Heft 9, S. 539 - 549 [7] Reitmeier, W.; Stallhofer, A.; Gaißmaier, M. (2018): Baugrundverbesserung nach dem CSV-Verfahren im Straßenbau 1. Kolloquium Straßenbau in der Praxis Technische Akademie Esslingen [8] Reitmeier, W. (2018): Loadand strain dependent stiffness modulus for cohesive soils, Tagungsband - International Scientific Conference CIB (Brasov) [9] Stallhofer, A.; Reitmeier W. (2021): Baugrundverbesserung mit CSV-Säulen am Beispiel der Therme Lindau, Aufsatz im Heft 05/ 2021 konstruktiver Ingenieurbau