eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem

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Josef Hegger
Die Altersstruktur des Brückenbestands der Bundesfernstraßen in Deutschland ist der wesentliche Grund für allgemein schlechten Gesamtzustand zahlreicher Brückenbauwerke. Neben alterungsbedingten Schäden spielen dabei die erhebliche Steigerung des Güterverkehrs und die mehrfache Weiterentwicklung der Normen während der vergangenen Jahrzehnte eine maßgebende Rolle. Dadurch ergeben sich häufig rechnerische Defizite. Genauere Nachweisformate können unter Umständen Abhilfe schaffen. Diese sind in der Nachrechnungsrichtlinie geregelt, die 2011 erschienen und 2015 erstmals erweitert wurde. Grundlage für die verfeinerten Bemessungsansätze sind im Wesentlichen Ergebnisse aus Forschungsvorhaben der vergangenen ca. 10 Jahre. Seit der ersten Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie wurden weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Tragverhaltens von Spannbetonbrücken mit bestandstypischen Merkmalen gewonnen. Diese bilden die Grundlage für die 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie. Ein Teil der darin adressierten Neuerungen wurden im vorangegangenen Beitrag vorgestellt. Im Folgenden werden die Erweiterungen bezogen auf den Querkraftnachweis des Hauptragsystems betrachtet.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 15 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem Josef Hegger Institut für Massivbau, RWTH Aachen, Deutschland Zusammenfassung Die Altersstruktur des Brückenbestands der Bundesfernstraßen in Deutschland ist der wesentliche Grund für allgemein schlechten Gesamtzustand zahlreicher Brückenbauwerke. Neben alterungsbedingten Schäden spielen dabei die erhebliche Steigerung des Güterverkehrs und die mehrfache Weiterentwicklung der Normen während der vergangenen Jahrzehnte eine maßgebende Rolle. Dadurch ergeben sich häufig rechnerische Defizite. Genauere Nachweisformate können unter Umständen Abhilfe schaffen. Diese sind in der Nachrechnungsrichtlinie geregelt, die 2011 erschienen und 2015 erstmals erweitert wurde. Grundlage für die verfeinerten Bemessungsansätze sind im Wesentlichen Ergebnisse aus Forschungsvorhaben der vergangenen ca. 10 Jahre. Seit der ersten Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie wurden weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Tragverhaltens von Spannbetonbrücken mit bestandstypischen Merkmalen gewonnen. Diese bilden die Grundlage für die 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie. Ein Teil der darin adressierten Neuerungen wurden im vorangegangenen Beitrag vorgestellt. Im Folgenden werden die Erweiterungen bezogen auf den Querkraftnachweis des Hauptragsystems betrachtet. 1. Einleitung Der Großteil des Brückenbestands der Bundesfernstraßen in Deutschland wurde vor 1985 gebaut [1]. Infolge von Verkehrssteigerungen [2] und strengeren normativen Anforderungen ergeben sich häufig rechnerische Defizite [3; 4]. Da ein wesentlicher Anteil der Brücken im Zuge der deutschen Bundesfernstraßen in Massivbauweise realisiert wurde [5], ergibt sich für Stahl- und Spannbetonbrücken ein nennenswerter Bedarf nach Lösungen, um den altersstrukturbedingten Defiziten der Ingenieurbauwerke entgegenzuwirken. Zur Verlängerung der verbleibenden Nutzungsdauer der Bestandbrücken mit rechnerischen Mängeln können verfeinerte Bemessungsansätze Abhilfe schaffen, die höhere rechnerische Tragfähigkeiten ergeben. Diese sind in der Nachrechnungsrichtlinie geregelt [6; 7]. Die auf den Regelungen in den DIN Fachberichten basierende Nachrechnungsrichtlinie ist erstmals 2011 erschienen. Hintergründe sind z. B. in [8-10] zu finden. Die Nachrechnungsrichtlinie beinhaltet ein vierstufiges Verfahren, wie in Abbildung 1 dargestellt, wobei in der Regel mit aufsteigender Nachrechnungsstufe einerseits die Genauigkeit der Berechnungsverfahren zunimmt, sich andererseits aber auch ein höherer Anwendungsaufwand ergibt. In Stufe 2 sind erweiterte Bemessungsansätze und in Stufe 4 alternative wissenschaftlich basierte Berechnungsverfahren zugelassen. So sind u.a. Modifikationen in der Querkraft- und Torsionsbemessung bei Bestandsbrücken in Massivbauweise erlaubt, die in alten Normengeneration festgeschrieben waren (DIN 4227 vor 2003). Die Anwendung wissenschaftlicher Verfahren in Stufe 4 erfordert die Abstimmung mit der zuständigen obersten Baubehörde. Hierzu sind entsprechende Erfahrungen beim Anwender erforderlich. Weiterhin ist sicherzustellen, dass die verfahrensspezifischen Anwendungsgrenzen eingehalten werden können und das erreichbare Sicherheitsniveau sinnvoll ermittelt werden kann. Abbildung 1 Vierstufiges Verfahren der Nachrechnungsrichtlinie zur Bewertung der Standsicherheit von Brückenbauwerken im Bundesbestand In einem Forschungsvorhaben [11-13] wurden u.a. aufgrund mangelnder einheitlicher Vorschriften kurzfristige Lösungen zur Modifikation bestehender Bemessungsansätze auf Grundlage bisher durchgeführter Forschungsvorhaben und gesammelter Erfahrungen im Zuge von Nachrechnungen und Gutachten zur Bewertung von 16 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem Bestandsbrücken erarbeitet, um auch Modifikationen zuzulassen, die bis dahin nur Anwendung in Gutachten fanden. Die Ergebnisse waren die Grundlage für die erste Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie [7]. Dadurch wurde auch wieder ermöglicht, die Betonzugfestigkeit bei der Bemessung in Ansatz zu bringen. In einem weiteren Forschungsprojekt [14] konnte anhand durchgeführter Versuche gezeigt werden, dass das erweiterte Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil, wie es bereits im Model Code 2010 [15] für Bestandstragwerke vorgesehen ist, die Querkrafttragfähigkeiten von Spannbetonträgern mit geringem Bügelbewehrungsgrad wirtschaftlicher abbilden kann als aktuelle Ansätze auf Basis eines reinen Fachwerkmodells. Außerdem wurden basierend auf weiteren Versuchen Konstruktionsregeln formuliert, um nach heutigem Stand nicht normkonforme Bügelformen in Bestandsbrücken bei der Querkraftbemessung in Stufe 2 der Nachrechnungsrichtlinie anzurechnen [16]. Diese Forschungsergebnisse sowie weitere, im vorangegangenen Beitrag [17] vorgestellte Erkenntnisse aus neuesten Forschungsvorhaben bilden die Grundlage für die Regelungen in der 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie. Nachfolgend werden die bisherigen Regelungen für die Querkrafttragfähigkeit des Längssystem nach aktueller Normung sowie den Regelungen der Nachrechnungsrichtlinie und ihrer 1. Ergänzung zusammengefasst und die Erweiterungen für die 2. Ergänzung vorgestellt. 2. Querkraftbemessung nach DIN FB und EC2 2.1 Allgemeines Nach aktuellen normativen Vorgaben wird bei der Querkraftbemessung zwischen Bauteilen mit und ohne Querkraftbewehrung unterschieden. Dabei weisen balkenförmige Bauteile stets eine Mindestquerkraftbewehrung auf, während Stahlbetonplatten auch ohne Querkraftbewehrung zulässig sind. Zudem ist bei Platten in Ortbetonbauweise eine Ausführung ohne Querkraftbewehrung aus baupraktischer Sicht vorzuziehen, um den hohen Aufwand bei deren Einbau zu vermeiden. 2.2 Bauteile ohne Querkraftbewehrung 2.2.1 Schubzugversagen Für einen ungerissenen Betonquerschnitt können die Hauptspannungen nach der technischen Mechanik unter Annahme eines ebenen Spannungszustandes und linear-elastischer Materialgesetze bestimmt werden. Ein Versagen des Querschnitts tritt nicht ein, wenn die Hauptdruckspannungen die zulässige Betondruckfestigkeit und die Hauptzugspannungen die zulässige Betonzugfestigkeit nicht überschreiten. Ein Schubzugversagen tritt dann ein, wenn die schiefen Hauptzugspannungen die Betonzugfestigkeit vor der Biegerissbildung überschreiten, d. h., Schubrisse treten vor der Biegerissbildung auf. Dies kann insbesondere bei profilierten Bauteilen mit Vorspannung oder äußeren Drucknormalkräften der Fall sein. 2.2.2 Biegeschubversagen Der aktuelle Bemessungsansatz für Querkraft ohne Querkraftbewehrung nach EC 2 basiert auf dem Ansatz aus Model Code 1990 [18], der auf empirische Untersuchungen aus den 60er Jahren zurückgeht [19]. Anhand von knapp 200 Querkraftversuchen und theoretischen Vorüberlegungen zu potentiellen Einflussgrößen wurde über Regressionsanalysen einen Produktansatz für schlanke Bauteile hergeleitet, der aufgrund nachträglicher nach Auswertungen weiterer Versuche an gedrungenen Bauteilen leicht modifiziert wurde [20]. Bei der Überführung in MC 90 wurde ein Faktor zur Berücksichtigung des Maßstabseffekts ergänzt, der bis heute Anwendung findet. Dieser Ansatz wurde später ohne wesentliche Änderungen, abgesehen von der Vernachlässigung des Parameters für die Schubschlankheit, in den EC 2 übernommen. 2.3 Bauteile mit Querkraftbewehrung Dem Querkraftbemessungsansatz für Bauteile mit Querkraftbewehrung nach EC2 ohne den Nationalen Anhang für Deutschland liegt ein Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung zugrunde. Dabei kann der Druckstrebenwinkel innerhalb vorgegebener Grenzen frei gewählt werden. Das Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung basiert auf der Plastizitätstheorie. Im Gegensatz hierzu erfolgt nach Nationalem Anwendungsdokument für Deutschland die Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen mit rechnerisch erforderlicher Querkraftbewehrung auf Basis eines Fachwerkmodells mit Rissreibung [21], wie Abbildung 2 zeigt. Dabei besteht das Fachwerk aus Zug- und Druckgurten, die parallel zu den Bauteilkanten verlaufen und durch Zug- und Druckstreben miteinander verbunden sind. Über die Schubrisse im Winkel β r hinweg können in diesem Modell zusätzliche Kräfte aus Rissreibung übertragen werden, sodass sich flachere Druckstrebenwinkel ergeben. Der von der Querkraft- und Normalkraftauslastung abhängige Druckstrebenwinkel θ ist so definiert, dass sich ein konstanter Betontraganteil ergibt. Hierbei muss der Druckstrebenwinkel mindestens eine Neigung von etwa 30° (cot θ = 7/ 4) aufweisen und darf nicht steiler als ca. 60° (cot θ = 4/ 7) angenommen werden. Aufgrund des unterschiedlichen Rissverhaltens von Bauteilen ohne und mit Querkraftbewehrung entspricht der Betontraganteil beim Nachweis für Bauteile mit Querkraftbewehrung nicht der Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 17 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem Abbildung 2: Einfluss der Rissreibung auf den Druckstrebenwinkel bei einem querkraftbewehrten Stahlbetonbalken nach [21]: a) Darstellung der Kräfte an entlang des Schubrisses abgetrennten Träger; b)-d): Spannungszustände im Beton und zw. den Rissen Der Nachweis der Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen mit Querkraftbewehrung umfasst sowohl den Nachweis der Druckstrebentragfähigkeit als auch den Nachweis der Zugstreben. Bei Bauteilen mit niedrigen Querkraftbewehrungsgraden tritt überwiegend ein Versagen der Zugstreben ein, da die Druckstrebentragfähigkeit aufgrund der Mindestwerte der Druckstrebenneigung nicht voll ausgenutzt wird. Weitergehende experimentelle Untersuchungen ergaben, dass nach dem teilweisen Ausfall der Rissreibung Umlagerungen auf andere Traganteile stattfinden, sodass die aus dem Fachwerkmodell mit Rissreibung errechnete Traglast insbesondere bei Bauteilen mit geringen Schubbewehrungsgraden die tatsächliche Bruchlast unterschätzt [22; 23]. 3. Zusätzliche Regelungen in der Nachrechnungsrichtlinie für Querkraft 3.1 Anpassung des Druckstrebenwinkels für das modifiziertes Fachwerkmodell mit Rissreibung In DIN FB 102 bzw. gemäß Nationalem Anhang für Deutschland zu EC2 ergibt sich eine Beschränkung der Druckstrebenneigungen durch ein Rissreibungskriterium. Zusätzlich gilt cot θ = 1,75 als unterer Grenzwert für den Druckstrebenwinkel für den Brückenneubau. Bei Brückennachrechnungen nach Stufe 2 darf der minimal zulässige Druckstrebenwinkel unter bestimmten Voraussetzungen auch auf 21,8° (cot θ = 2,5), bzw. 18,4° (cot θ = 3,0) verringert werden. Auf Basis aktueller Erfahrungswerte aus der Nachrechnung von Spannbetonbrücken mit geringen Querkraftbewehrungsgraden ist jedoch bekannt, dass eine Verringerung des zulässigen Druckstrebenwinkels θ infolge der zusätzlichen Begrenzung durch das Rissreibungskriterium in der Regel nicht möglich ist und es ergibt sich nur eine geringe Steigerung der Querkrafttragfähigkeit. 3.2 Hauptzugspannungsnachweis Für die Ergänzung [7] der Nachrechnungsrichtlinie aus 2011 [6] wurde zur Vereinfachung der Nachweisführung vorgeschlagen, den Querkraftnachweis als Hauptzugspannungsnachweis zu führen [11-13]. Für eine im Grenzzustand der Tragfähigkeit berechnete Schnittgrößenkombination kann so die Berechnung der Hauptzugspannungen in einem Nachweisschnitt jeweils in verschiedenen Abschnitten entlang der Querschnittshöhe erfolgen. Die maximalen Werte der Hauptzugspannung σ I,Ed können für verschiedene Leiteinwirkungen der Schnittgrößen (N Ed , M Ed , V Ed , T Ed ) auftreten. Hierbei sind die zu den jeweiligen Leiteinwirkungen zugehörigen Schnittgrößen zu verwenden. Die zusätzlichen Festlegungen beruhen auf Untersuchungen in [24; 25]. So wurden die zulässigen Randzugspannungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit auf f ctm für den Fall erhöht, dass innerhalb der Flansche Zugspannungen infolge der Biegebeanspruchung des Längssystems auftreten. Für Spannbetonbauteile mit einem vorhandenen Querkraftbewehrungsgrad von mindestens etwa 50 % der nach DIN FB 102 erforderlichen Mindestquerkraftbewehrung ist nach den Bauteilversuchen kein sprödes Versagen zu erwarten. Da die Spannbetonträger mit zunehmender Vorspannung weniger duktil versagen, wird auf Basis der Untersuchungen für Bauteile, die mindestens über die nach DIN FB 102 erforderliche Mindestquerkraftbewehrung verfügen, eine Begrenzung der Beton Betondruckspannungen infolge Vorspannung in Höhe der Schwerachse auf σ cp ≤ 0,20 ∙ f ck empfohlen. Für Bauteile, bei denen der Querkraftbewehrungsgrad das 0,5-fache der nach DIN FB 102 erforderlichen Mindestquerkraftbewehrung unterschreitet, sind die Betondruckspannungen σ cp in Höhe der Schwereachse auf einen Maximalwert entsprechend 15 % der charakteristischen Betondruckfestigkeit zu begrenzen (0,15 ∙ f ck ). Die zulässigen Betondruckspannungen dürfen für Querkraftbewehrungsgrade zwischen dem 0,5 und 1,0-fachen der Mindestquerkraftbewehrung linear interpoliert werden. Für Bauteile, in denen weniger als das 0,5-fache der Mindestquerkraftbewehrung enthalten ist, wurde eine Begrenzung der zulässigen Hauptzugspannungen beim Nachweis der Querkrafttragfähigkeit auf 0,8·f ctd vorgeschlagen. Außerdem wurde hier ein Abminderungsbeiwert für die Betonzugfestigkeit von α ct = 0,85 eingeführt, um der Gefahr spröden Bruchverhaltens bei geringen 18 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem Querkraftbewehrungsgraden vorzubeugen. Für Bauteile, die mindestens einen 0,5-fachen Mindestquerkraftbewehrungsgrad aufweisen, darf dagegen ein gegenüber EC 2 erhöhter Beiwert von α ct = 1,0 verwendet werden, da nach Versuchen noch ausreichende Tragreserven nach der Schubrissbildung existieren [26]. 4. Erweiterte Querkraftnachweise für die 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie 4.1 Allgemeines Zur Bewertung älterer Brücken mit z.B. nach heutiger Definition unzureichender Mindestquerkraftbewehrung sind erweiterte Bemessungsmodelle erforderlich, die gegenüber der 1. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie für Stufe 2 eine flachere Druckstrebenneigung erlauben. Zur Klärung offener Fragen, wurden in einem weiteren Forschungsprojekt ergänzende experimentelle und theoretische Untersuchungen durchgeführt [14]. Hierfür wurden unter anderem Versuche an elf großformatigen Spannbetondurchlaufträgern [27-29] und elf kurzen Spannbetonträgerausschnitten (Substrukturversuche, [30]) durchgeführt, um das Tragverhalten von Durchlaufsystemen unter Querkraftbeanspruchung und teilweise zusätzlicher Torsion zu untersuchen. Dabei konnte u.a. festgestellt werden, dass sich bereits bei kleinen Querkraftbewehrungsgraden ( ρ w,vorh < ρ w,min ) deutlich höhere Querkrafttragfähigkeiten ergeben als rechnerisch über das Fachwerkmodell ermittelt werden. Dies konnte auch durch die Ergebnisse anderer Untersuchungen bestätigt werden [31-33]. Daher wurde ein erweitertes Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil hergeleitet, das die Querkrafttragfähigkeit von Spannbetonträgern mit geringem Bügelbewehrungsgrad wirtschaftlicher abbilden kann als aktuelle Ansätze mit reinem Fachwerkmodell [34]. Weiterhin wurde ein Ansatz zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung formuliert [14]. Zudem wurden Möglichkeiten zur rechnerischen Anwendbarkeit von heute nicht mehr zulässigen Bügelformen in Bestandsbrücken vorgeschlagen [30]. 4.2 Erweitertes Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil Bereits bei den ersten Überlegungen, die Querkrafttragfähigkeit über ein Fachwerkmodell abzubilden, wurde bereits davon ausgegangen, dass nicht allein die Bügel die einwirkenden Querkräfte aufnehmen, sondern ein zusätzlicher Betontraganteil existiert [35]. Die Addition eines Betontraganteils, der dem Anteil eines unbewehrten Bauteils entspricht, war bereits in den Regeln von Model Code 1978 [36] enthalten. Auch in Model Code 2010 [15] wird als Ansatz für die Nachrechnung bestehender Tragwerke in LoA III (Level of Approximation) ein additiver Betontraganteil aufgeführt. Versuchskörper mit geringen Querkraftbewehrungsgraden wiesen beim Versagen einen einzelnen und konzentrierten Schubrisses auf und keine gleichmäßig verteilten Schubrisse wie bei Bauteilen mit höheren Schubbewehrungsgraden. Zudem verläuft dieser Schubriss nicht gerade, sondern gekrümmt (z. B. [37; 38]). Dies ist ein typisches Merkmal für das Querkraftversagen von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung. Versuche an Spannbetonträgern zeigen, dass eine Berücksichtigung der veränderlichen Druckzonenhöhe bei Ermittlung der Querkrafttragfähigkeiten zutreffendere Ergebnisse liefert (z. B. [26; 39; 40]). Diese und andere Beobachtungen aus experimentellen Untersuchungen [41; 42] belegen, dass ein kontinuierlicher Übergang des Tragverhaltens von Trägern ohne zu Trägern mit geringer Querkraftbewehrung existiert. In Anlehnung an die Regelungen in DIN FB [43] wurde daher ein empirisches Modell für den additiven Betontraganteil vorgeschlagen [14] und der bisherige Ansatz nach Gl. 6.2a aus dem DIB FB 102 übernommen. Der Berechnungsablauf für Bauteile mit geringen Querkraftbewehrungsgraden entsprechend en Gln. (1) bis (7) ermöglicht einen rechnerischen Übergang von Bauteilen ohne zu Bauteilen mit Querkraftbewehrung im Zuge der Querkraftbemessung von Bestandsbrücken. Details zu den Hintergründen und den zugrundeliegenden experimentellen Untersuchungen, die an der RWTH Aachen durchgeführt wurden, können bspw. [14; 27; 29] oder einem weiteren Beitrag dieses Kolloquiums [44] entnommen werden. (1) Dabei ist ein Duktilitätskoeffizient und ρ w,prov der vorhandener Querkraftbewehrungsgrad und ρ w,min der Mindestwert für den Querkraftbewehrungsgrad nach DIN-FB 102. Der Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit V Rd,ct biegebewehrter Bauteile ohne Querkraftbewehrung ist wie folgt zu ermitteln: (2) Wobei mit der Mindest- und mit der Höchstwert für den Betontraganteile zu überprüfen sind. Entsprechend der Regelungen in DIN FB 102 ergeben sich die nachfolgend aufgelisteten Werte für die einzelnen Parameter: - γ c : Teilsicherheitsbeiwert für bewehrten Beton nach DIN FB 102, II 2.3.3.2 γ c = 1,5; - Maßstabsfaktor ; d in [mm]; 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 19 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem - Längsbewehrungsgrad - Fläche der Zugbewehrung A sl , die mindestens um das Maß d über den betrachteten Querschnitt hinausgeführt und dort wirksam verankert ist (siehe DIN FB 102, Abb. 4.12). Bei Vorspannung mit sofortigem Verbund darf die Spannstahlfläche voll auf A sl angerechnet werden.; - charakteristischer Wert der Betondruckfestigkeit f ck in [N/ mm²]; - Bemessungswert der Betonlängsspannung im Schwerpunkt des Querschnitts ; - Bemessungswert der Längskraft im Querschnitt infolge äußerer Einwirkungen oder Vorspannung N Ed (< 0 für Längsdruckkräfte); - kleinste Querschnittbreite innerhalb der Zugzone des Querschnitts b w ; - statische Nutzhöhe der Biegezugbewehrung d im betrachteten Bemessungsschnitt; - v min = (0,0525/ γ c ) ∙ k 3/ 2 ∙ f ck 1/ 2 für d ≤ 600 mm bzw. v min = (0,0375/ γ c ) ∙ k 3/ 2 ∙ f ck 1/ 2 für d > 800 mm wobei Zwischenwerte linear interpoliert werden dürfen. Der Beiwert ν für die aufnehmbare Druckspannung des gerissenen Betons ergibt sich zu (3) und der rechnerische Schubrisswinkel β r darf in den nachfolgend angegebenen Grenzen gewählt werden: (4) Die Druckstrebentragfähigkeit für eine Querkraftbewehrung rechtwinklig zur Bauteilachse ergibt sich zu (5) mit einem rechnerischen Druckstrebenwinkel von: (6) Der mechanische Querkraftbewehrungsgrad ergibt sich dabei zu: (7) Eine Veranschaulichung der Auswirkungen verschiedener Druckstrebenneigungen ist über eine Darstellung im Plastizitätskreis möglich, wie Abbildung 3 zeigt. Abbildung 3: Plastizitätskreis mit (1) Begrenzung des Druckstrebenwinkels θ auf cotθ = 2,5 und (2) / (3) Fachwerkmodelle mit Betontraganteil nach [14] Die in schwarz dargestellten Linien zeigen das Fachwerkmodell für verschiedene Druckstrebenwinkelneigungen. Für cot θ = 2,5 ergibt sich Linie (1). Die rot dargestellten Linien (2) und (3) zeigen Möglichkeiten für das Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil für unterschiedliche Winkel β r . Da rechnerisch Wertebereiche außerhalb des Plastizitätskreises möglich sind, wird cot β r entsprechend Gl. (8) begrenzt, Linie (3). Weitergehende Hintergrundinformationen können [14; 34] entnommen werden. (8 20 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem In Abbildung 4 werden die Ergebnisse einer in [11] beschriebenen Beispielbemessung für verschiedene Querkraftbemessungsansätze mit dem hier vorgestellten Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil für die 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie gegenübergestellt. Dazu wird der Quotient aus der einwirkenden Querkraft V Ed und der Querkrafttragfähigkeit entsprechend dem betrachteten Widerstandsmodell V Rd gebildet. Mit dem erweiterten Modell für Stufe 2 der Nachrechnungsrichtlinie für die zweite Ergänzung ergibt sich eine höhere rechnerische Querkrafttragfähigkeit im Vergleich zu den anderen Ansätzen der Stufe 2. Auch wenn sich weiterhin ein konservativerer Ausnutzungsgrad als nach den wissenschaftlichen Modellen in Stufe 4 ergibt, ist dennoch der Vorteil des Fachwerkmodells mit additivem Betontraganteil für diese Beispielberechnung deutlich erkennbar. Im Zuge eines aktuellen Forschungsvorhabens [45] erfolgt derzeit die Validierung des Modells anhand weiterer realer Brückenbauwerke als Erweiterung zu den bislang durchgeführten Verifizierungen über Versuchsergebnisse. Abbildung 4: Gegenüberstellung einer Beispielberechnung aus [11] mit dem Ergebnis nach dem vorgestellten Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil 4.3 Anrechnung nicht mehr normkonformer Bügelformen auf die Querkrafttragfähigkeit Da viele bestehende Massivbrücken Bügel als Querkraftbewehrungselemente aufweisen, die nicht mehr den heutigen normativen Regelungen entsprechen, bestand die Frage, inwiefern solche Bügel im Zuge einer Brückennachrechnungen auf die Querkrafttragfähigkeit der Hauptträger angerechnet werden können. Dazu wurden im Zuge des abgeschlossenen Forschungsvorhabens [14] an der TU München Querkraftversuche an Spannbetondurchlaufträgerausschnitten durchgeführt, die einerseits geringe Querkraftbewehrungsgrade und andererseits verschiedene typische Bügelformen älterer Brücken aufwiesen [30]. Aus den Ergebnissen wurden Regelungen für die rechnerische Berücksichtigung bei der Zugstrebentragfähigkeit des Fachwerkmodells für die fünf in Abbildung 5 dargestellten Bügelformen abgeleitet. Die Regelungen werden Eingang finden in die 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie und sind anwendbar für Bauteile, die höchstens den 1,5-fachen Werte der Mindestquerkraftbewehrung nach DIN FB 102 [43] aufweisen. Dabei ergibt sich die Querkrafttragfähigkeit der vorhandenen Querkraftbewehrung zu (9) wobei V Rd,sy der Querkrafttragfähigkeit der Querkraftbewehrung nach DIN FB 102 entsprechend Gl. (10) (10) und V Rd,sy,ad der zusätzlichen Querkrafttragfähigkeit nicht DIN-Fachbericht konformer Querkraftbewehrungsformen nach Gl. (11) entspricht. (11) Dabei ist A sw die Querschnittsfläche der Bügel, s w der Achsabstand in Brückenquerrichtung und die Neigung des Schubrisses cot β r ergibt sich nach Gl. (4). Mit dem Wert k l,b in Gl. (11) wir die Wirksamkeit der verschiedenen Bügelformen in Abhängigkeit der effektiven Verankerung. Entsprechend der Angaben in Abbildung 5 ergeben sich für die fünf Fälle nicht normkonformer Bügelformen die nachfolgenden Regelungen: - Fall 1: Für U-förmige Bügel mit voller Verankerung der geraden Stabenden im Gurt ergibt sich keine Reduzierung. Es gilt daher k l,b = z. - Fall 2: Für U-förmige Bügel, deren Verankerung der geraden Stabenden im Steg erfolgt, ergibt sich eine Reduzierung der Wirksamkeit der Stecker um das Maß der erforderlichen Verankerungslänge zu k l,b = z - l b,Bü,net . - Fall 3: Für U-förmige Bügel mit teilweiser Verankerung im Gurt ergibt sich eine Reduzierung der Wirksamkeit der Stecker um das Maß des Anteils der Verankerungslänge im Steg zu k l,b = z - (l b,Bü,net - l f ). - Fall 4: Für U-förmige Bügel, die nur teilweise in den Steg ragen, ergibt sich eine Reduzierung der Wirksamkeit der Stecker, sodass die Bügelhöhe h Bü abzüglich der erforderlichen Verankerungslänge angerechnet werden kann. Damit ist k l,b = h Bü - l b,Bü,net . - Fall 5: Für übergreifende U-förmige Bügel mit zu kurzer Veranerungslänge ergibt sich eine Reduzierung der Wirksamkeit der zusammengesetzten Bü- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 21 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem gel um das Maß der fehlenden Übergreifungslänge k l,b = z - (l 0,Bü - l 0,Bü,prov ). Dabei ist l b,Bü,net die Verankerungslänge der geraden Stabenden des Bügels, l f die Einbindetiefe der geraden Stabenden im Gurt, l 0,Bü die erforderliche Übergreifungslänge der geraden Stabenden des Steckers nach Gl. (12) und l 0,Bü,prov die vorhandene Übergreifungslänge der geraden Stabenden. Die erforderliche Übergreifungslänge ergibt sich zu (12) wobei l b,rqd der Verankerungslänge des Betonstahls nach DIN FB 102 in Abhängigkeit der Betonfestigkeitsklasse und der Verbundbedingungen entspricht und sich α 1 als Beiwert für die Übergreifungslänge nach Tab. 5.5 in DIN FB 102 [43] II-5.2.4.1.3 (2)*P ergibt. Abbildung 5: Übersicht über die anrechenbaren Einflusslängen der Querkraftbewehrung für die verschiedenen in der 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie adressierten Fälle nicht mehr normkonformer Bügelformen, Prinzipskizzen nach [14; 46] Es ist zu beachten, dass bei einer kombinierten Beanspruchung aus Querkraft und Torsion einseitig offene Bügel mit geraden Stabenden, die außerhalb eines Gurtes verankert sind (Fall 2 nach Abbildung 5 und Träger mit Rechteckquerschnitt) sowie einseitig offene Steckbügel, die nicht über die gesamte Querschnittshöhe reichen (Fall 4 nach Abbildung 5), nicht als Torsionsbügelbewehrung angerechnet werden dürfen. Einseitig offene Bügel (mit Endhaken oder geraden Stabenden), die vollständig im Gurt verankert und durch eine Querbewehrung im Gurt geschlossen sind, dürfen nach dem Vorschlag für die zweite Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie vollständig als Torsionsbügelbewehrung angerechnet werden. Erfolgt die Verankerung der Stabenden nur teilweise im Gurt (Fall 3 nach Abbildung 5), ist der Bemessungswert T Rd,Sy des aufnehmbaren Torsionsmomentes durch die Torsionsbügelbewehrung abzumindern. Details werden in der 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie geregelt. Die Hintergründe zu den vorgestellten Bemessungsvorschlägen sowie Details zu den Versuchen, die im Vorfeld durchgeführt wurden, sind [14; 30; 46; 47] zu entnehmen. 22 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem 5. Zusammenfassung Zahlreiche Bestandsbrücken sind für das Lastmodell SLW60 (DIN 1072) bemessen, was hinsichtlich der gestiegenen Anforderungen eine Unterbemessung darstellt. Bei einem Nachweis der betroffenen Brücken nach DIN EN 1992-2 ergibt sich im Vergleich zur vorhandenen eine deutlich höhere erforderliche Querkraftbewehrung. Die Nachrechnungsrichtlinie erlaubt eine Reihe von Modifikationen der Querkraft- und Torsionsnachweise in Stufe 2, die teilweise in den alten Normengenerationen (DIN 4227 vor 2003) üblich waren. Weitergehende Nachweisverfahren, die im Rahmen von Gutachten der Stufe 4 angewendet werden, sind in der Nachrechnungsrichtlinie (NRR) für die allgemeine Anwendung in Stufe 2 nach wie vor ausgeschlossen. Im von der Bundesanstalt für Straßenwesen geförderten Forschungsvorhaben (FE 15.0591/ 2012/ FRB) [14] sollten daher verschiedene weitergehende Bemessungsansätze zur Nachrechnung von Brücken unter Querkraft- und Torsionsbeanspruchung hergeleitet und validiert werden. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die zweite Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie. Im vorliegenden Beitrag wurden die Erweiterungen der Nachrechnungsrichtlinie für die Querkrafttragfähigkeit des Längssystems von Bestandsbrücken in Massivbauweise vorgestellt. Die Ergebnisse wurden auf Basis theoretischer und experimenteller Untersuchungen im Zuge neuerer Forschungsvorhaben erarbeitet. Der erweiterte Ansatz besteht aus einem Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil und es werden Regelungen zur Anrechenbarkeit nicht normkonformer Bügelformen ergänzt. Beide Vorschläge adressieren Brücken mit geringen Bügelbewehrungsgraden, sodass sich ein stetiger Übergang von Bauteilen ohne zu Bauteilen mit Querkraftbewehrung ergibt. 6. Zukünftige Untersuchungen Über die hier vorgestellten verfeinerten Bemessungsansätze hinaus besitzen Spannbetonbrücken im Bestand weitere nicht unerhebliche Tragreserven unter Querkraft- und Torsionsbeanspruchung. Hauptgründe für die vorhandenen Tragreserven sind zum einen die günstigen Einflüsse aus dem statischen System des Durchlaufträgers (geringere Schubschlankheit im Vergleich zum Einfeldträger), der Vorspannung (spätere Schubrissbildung) und der Belastungsart (Streckenlasten anstelle von Einzellasten in fast allen Versuchen). Alle drei Faktoren reduzieren die effektive Schubschlankheit und vergrößern die Querkrafttragfähigkeit. Zum anderen wird die Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen mit geringen Querkraftbewehrungsgraden (0,5bis 1,5-fache Mindestbewehrung) maßgeblich durch den Betontraganteil gesteuert. Auch die erweiterten Ansätze der Stufe 2 erfassen die gleichzeitige Wirkung von Beton- und Fachwerkanteil noch nicht im ausreichenden Maß. Der Betontraganteil ist dabei abhängig von der Querschnittsform (Rechteck-, T- und I-Querschnitt) und dem Vorspanngrad. Neben der Momenten-Querkraftinteraktion (Schubschlankheit) ist auch die gleichzeitige Beanspruchung durch Querkraft und Torsion bei Spannbetonbindern teilweise noch ungeklärt. Über neue Versuche mit für die Praxis relevanten Untersuchungsparametern soll die Basis für die erforderliche Weiterentwicklung der Bemessungsansätze in Stufe 2 der NRR geschaffen werden. Dies ist das Ziel eines im September 2020 startenden von der BASt geförderten Forschungsvorhabens [48]. Gleichzeitig sollen in diesem Projekt die wissenschaftlichen Verfahren in Stufe 4 der Nachrechnungsrichtlinie adressiert werden. Hierbei ergeben sich Fragen, die insbesondere die verfahrensspezifischen Anwendungsgrenzen oder das erreichbare Sicherheitsniveau betreffen. Gezielte theoretische Untersuchungen in Form von Vergleichsberechnungen und Parameterstudien sollen entsprechende Antworten liefern. Deren strukturierte Dokumentation und die Erarbeitung von Handlungsanweisungen sollen die Anwendung der Stufe 4-Verfahren für Tragwerksplaner und Straßenbauverwaltungen erleichtern und die Vergleichbarkeit verschiedener Stufe 4-Verfahren herstellen. In das Forschungsprojekt werden die neuesten Ergebnisse aus einem seit Herbst 2019 laufenden Forschungsvorhaben berücksichtigt [45], bei dem der Einfluss des Längsbewehrungsgrades bei Spannbetonträgern mit schwachem Schubbewehrungsgrad im Vordergrund steht. Zusätzlich werden die Modellvorstellungen, die in die zweite Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie Eingang finden, an realen Brückenbauwerken validiert und eine erste Handlungsanweisung für die Anwendung der Kanadischen Norm im Zuge der Brückennachrechnung in Deutschland entworfen. Literatur [1] Naumann, J.: Brücken und Schwerverkehr - Strategie zur Ertüchtigung des Brückenbestands in Bundesfernstraßen. Bauingenieur 85 (2010), S. 210-216. 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[17] Maurer, R.: Erweiterte Nachweisverfahren für einige Schubprobleme: Torsionslängsbewehrung, schubfester Druckgurtanschluss, Querkraftbemessung von Fahrbahnplatten. In: Krieger, J., Isecke, B. (Hg.): Brückenkolloquium Beurteilung, Ertüchtigung und Instandsetzung von Brücken. 4. Kolloquium, 08. und 09. September 2020. Ostfildern: Technische Akademie Esslingen, vorliegender Tagungsband. [18] CEB-FIP Model Code 1990. Design code. London: Telford 1993. [19] Zsutty, T. C.: Beam Shear Strength Prediction by Analysis of Existing Data. ACI Journal 65 (1968), S. 943-951. [20] Zsutty, T. C.: Shear Strength Prediction for Seperate Categories of Simple Beam Tests. ACI Journal 68 (1971), S. 138-143. [21] Reineck, K.-H.: Hintergründe zur Querkraftbemessung in DIN 1045-1 für Bauteile aus Konstruktionsbeton mit Querkraftbewehrung. Bauingenieur 76 (2001), S. 168-179. [22] Görtz, S.: Zum Schubrissverhalten von Stahlbeton- und Spannbetonbalken aus Normal- und Hochleistungsbeton. Dissertation. 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Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erweiterte Nachweise zur Querkrafttragfähigkeit im Haupttragsystem [31] Huber, P., Huber, T., Kollegger, J.: Experimental and theoretical study on the shear behavior of singleand multi-span Tand I-shaped post-tensioned beams. Structural Concrete 25 (2019), S. 266. [32] Huber, P., Kratzer, K., Huber, T., Kleiser, M., Kollegger, J.: Rechnerische Beurteilung der Schubtragfähigkeit einer Spannbetonbrücke mit geringem Querkraft bewehrungsgrad. Beton- und Stahlbetonbau 111 (2016), S. 706-715. [33] Huber, P., Kromoser, B., Huber, T., Kollegger, J.: Experimentelle Untersuchung zum Querkrafttragverhalten von Spannbetonträgern mit geringer Schubbewehrung. Bauingenieur 91 (2016), S. 238- 247. [34] Herbrand, M.: Shear Strength Models for Reinforced and Prestressed Concrete Members. Dissertation. Aachen 2017. [35] Talbot, A. N.: Tests of reinforced concrete beams: resistance to web stresses. Series of 1907 and 1908 1909. 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