eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
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expert verlag Tübingen
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Gerüsterstellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich

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Josef Teupe
Komplexe Aufgabenstellungen in der Brückenertüchtigung und -Instandsetzung sind generell und auch bezüglich erforderlicher Gerüstkonstruktionen und deren Nachweisführung anspruchsvoll. Am Beispiel aktueller Baumaßnahmen - den Rheinbrücken Köln-Mülheim und Emmerich - werden Aufgabenstellungen konstruktiv, statisch und auch mit wichtigen Details in der Ausführung vorgestellt. Die Konzeption, Planung und Ausführungsplanung wie auch die detaillierte Nachweisführung ist u.a. bezogen auf die jeweils konkreten Aufgabenstellungen, Zwischenbauzustände im Ablauf der Brückenertüchtigung/-Instandsetzung und ggf. zeitgleich unterschiedlichen Nutzungsanforderungen mit der notwendigen Sorgfalt und Detailliebe anzugehen. Konstruktive Lösungsansätze für Aufgabenstellungen, die im Einzelfall auch anspruchsvolle technische Herausforderungen bedeuten, sind in der Ausführungsplanung und prüffähigen statischen Berechnung auf alle notwendigen Schnittstellen und Bauablaufanforderungen auszulegen, um einen ungestörten Bauablauf erreichen zu können.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 89 Gerüststellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich Josef Teupe Teupe & Söhne Gerüstbau GmbH, Deutschland Zusammenfassung Komplexe Aufgabenstellungen in der Brückenertüchtigung und -Instandsetzung sind generell und auch bezüglich erforderlicher Gerüstkonstruktionen und deren Nachweisführung anspruchsvoll. Am Beispiel aktueller Baumaßnahmen den Rheinbrücken Köln-Mülheim und Emmerich werden Aufgabenstellungen konstruktiv, statisch und auch mit wichtigen Details in der Ausführung vorgestellt. Die Konzeption, Planung und Ausführungsplanung wie auch die detaillierte Nachweisführung ist u.a. bezogen auf die jeweils konkreten Aufgabenstellungen, Zwischenbauzustände im Ablauf der Brückenertüchtigung/ -Instandsetzung und ggf. zeitgleich unterschiedlichen Nutzungsanforderungen mit der notwendigen Sorgfalt und Detailliebe anzugehen. Konstruktive Lösungsansätze für Aufgabenstellungen, die im Einzelfall auch anspruchsvolle technische Herausforderungen bedeuten, sind in der Ausführungsplanung und prüffähigen statischen Berechnung auf alle notwendigen Schnittstellen und Bauablaufanforderungen auszulegen, um einen ungestörten Bauablauf erreichen zu können. 1. Mülheimer Brücke Köln Aufgrund erheblicher Schäden an der Bauwerkssubstanz muss die weit über 60 Jahre alte Mülheimer Brücke umfassend saniert und verstärkt werden. Im Folgenden werden die an dem Bauwerk auszuführenden Instandsetzungsmaßnahmen bzw. die für diese Aufgabenstellung erforderlichen Anforderungen an die Gerüstkonstruktionen auszugsweise vorgestellt. 1.1 Das Bauwerk Die 1951 eröffnete Mülheimer Brücke ist nach einer Schiffbrücke von 1888 und einem Bauwerk von 1929 die dritte Brücke an gleicher Stelle und 682,80 m lang. Mit einer Spannweite von 315 m überführt die erdverankerte Hängebrücke die auch innerstädtisch sehr wichtige Bundesstraße 51 über den Rhein. 1977 wurden durch Umbau der Brückenfahrbahnen zwei Straßenbahnlinien hinzugefügt. Der 27,20 m breite Überbau ist als erster in Deutschland gebauter orthotroper Plattenbalken konzipiert. Zwischen Widerlager und Pylon beträgt der Achsabstand der Hänger 10,625 m, zwischen den Pylonen 10,862 m. Bild 1: Sanierung und Verstärkung Mülheimer Brücke 1.2 Aufgabenstellung Instandsetzung Strombrücke Die Strombrücke ist als wesentlicher Bestandteil des Mülheimer Brückenzuges nach mehr als 60 Jahren Standzeit sanierungsbedürftig und muss darüber hinaus verstärkt werden. Für die Stahlbau- und Korrosionsschutzarbeiten ist der Überbau u.a. unterseitig unter Beachtung der Lichtraumprofile mit einem über 14.000 qm umfassenden Hängegerüst komplett einzurüsten, ebenso die Tragkabel, die Hänger und die Pylone einschließ- 90 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Gerüststellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich lich Querriegel. Diese Gerüstkonstruktionen sind mit für schweren Korrosionsschutz geeigneten Einhausungen zu versehen. Unter Beachtung der für das Bauwerk maximal zulässigen Windlastbemessung aus Gerüsten und Einhausungen sowie der maximal zulässigen Lasteinleitung aus allen Baubehelfen in das unter Verkehr stehende Bauwerk (einschließlich Stadtbahnverkehr) ergeben sich im Zuge der sehr umfangreichen Arbeiten inklusive komplettem Hängertausch statisch jeweils relevante Bauzwischenzustände. So muss z.B. die Querträgerverstärkung stahlbauseitig abgeschlossen sein, bevor die Kragarmbereiche eingerüstet werden können. Für alle Gewerke, insbesondere für den Gerüstbau, ergeben sich statisch, terminlich und bauablaufbezogen unter zusätzlicher Berücksichtigung der immer nur in Teilbereichen begrenzt möglichen Einhausungsabschnitte besondere Herausforderungen. Auch der definiert vorgegebenen Sperrpause der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) für den gesamten Mülheimer Brückenzug sind die Bauabläufe dezidiert unterzuordnen. Mit immerhin vier parallel zu bearbeitenden Brückenbauwerken - der Deich-, Flut- und Strombrücke sowie dem Mülheimer Rampenbauwerk - sind sehr umfangreiche Abbruch- und Instandsetzungsarbeiten auf engem Raum unter Beachtung von laufendem Individual-, Straßen- und Stadtbahnverkehr zu koordinieren. 1.3 Konstruktive Ausführung und statische Bemessung Die termingerecht durchgeführte Einrüstung der Brückenuntersicht ist statisch, konstruktiv und logistisch sehr anspruchsvoll und muss neben der Eignung für den schweren Korrosionsschutz vor allem die durchzuführenden Stahlbauarbeiten ermöglichen. Durch die vorgegebenen Lichtraumprofile für die Rheinschifffahrt und bezüglich der Hochwasserpegelvorgaben ergeben sich für die Gerüstkonstruktionen sehr begrenzte Bauhöhen. Bild 2: Eingerüstete Brückenuntersicht Bild 3: Eingerüstete Brückenuntersicht (Detail: Andienungsöffnung) Das Hängegerüst ist u.a. konstruktiv auf den Quertransport und den Einbau von werkstattseitig vorkonfektionierten Verstärkungsträgern zwischen den Brückenhauptträgern auszulegen. Diese geometrisch und statisch anspruchsvolle Vorgabe wurde im Hängegerüst bei Sicherstellung der Gerüstnutzlast durch die Unterbrechung der Gerüsthaupttragglieder mit Bauteilen geringerer Bauhöhe gelöst. Die so geometrisch als Quertransportweg über die gesamte Brückenlängsrichtung über dem Rhein nutzbare tiefer angeordnete Gerüstebene 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 91 Gerüststellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich ist auch für die jeweilige Stahlbaumontagesituation einschließlich Montagedrehpunkt für den Stahlbau nutzbar. Nach der Stahlbau-Querträger - Bauwerksverstärkung wird das Hängegerüst im Kragarmbereich außen neben den beiden Brückenhauptträgern erweitert. Auch hier ist den statisch möglichen Aufhängepunkten für die Lasteinleitung in den jeweiligen Bauzwischenzuständen besondere Aufmerksamkeit in Konstruktion und Nachweisführung zu widmen. Bild 4: Gerüstbauseitig vorbereiteter Kragarmbereich Die Pyloneinrüstungen einschließlich Querriegel sind neben der besonderen Grundriss- und Lasteinleitungsgeometrie auch montagetechnisch besonders anspruchsvoll. Aufgrund nicht vorgesehener Schutzmaßnahmen bei laufendem Straßen- und Stadtbahnverkehr wurde die Gerüstmontage am ersten Pylon mit unserer patentgeschützten, am Gerüst elektrohydraulisch selbstkletternden Schutzeinhausung durchgeführt. Alle Lasteinleitungen aus der Klettereinhausung, vor allem die Windlasten, sind statisch geprüft nachgewiesen. Bild 5: Systemschnitt A - A Pyloneinrüstung Bild 6: Systemschnitt E - E Querriegeleinrüstung Die Einrüstung und Einhausung der Tragkabel unter Berücksichtigung der Hängertauscharbeiten steht noch aus und wird im weiteren Zuge des Bauablaufs getaktet. Hierbei sind diverse Bauzwischenzustände statisch zu bewerten und sowohl Lasteinleitungen in den Brückenbestand als auch die Windlasten aus den diversen Einhausungsstellungen nachzuweisen. 2. Rheinbrücke Emmerich An der seit 2002 denkmalgeschützten Schrägseilbrücke wurden bei verschiedenen Bauwerksprüfungen im Laufe der Jahre massive Schäden festgestellt. Die Instandsetzungsmaßnahmen, die von der ARGE Rheinbrücke Emmerich ausgeführt und hier auszugsweise in Bezug auf Aufgabenstellung und Ausführung der erforderlichen Gerüstkonstruktionen beschrieben werden, erstrecken sich über mehrere Jahre. 2.1 Das Bauwerk Die nördlichste Rheinbrücke Deutschlands wurde 1965 eröffnet. Mit 803 m ist sie die längste Hängebrücke Deutschlands und hat mit 500 m Stützweite zudem die größte Stützweite einer Brücke in Deutschland. Die beiden Pylone sind mit zur Brückenachse geneigten Stielen, die jeweils über einen Querriegel miteinander verbunden 92 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Gerüststellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich sind, 76,70 m hoch. Beide Tragkabel, bestehend aus 61 Einzelseilen, weisen einen Kabeldurchhang von gut 55 m zwischen Pylon und Brückenmitte auf. Die Hänger tragen mit einem Abstand von 15,15 m den knapp 23 m breiten Überbau. Bild 7: Ertüchtigung der Rheinbrücke Emmerich 2.2 Aufgabenstellung Instandsetzung Rheinbrücke Für die Stahlbau- und Korrosionsschutzarbeiten müssen u.a. die Pylone sowie die Hänger und Tragkabel jeweils einschließlich der Einhausungen zugänglich sein. Besonders sorgfältig bezüglich der Konstruktion und Nachweisführung der Baubehelfe ist auf die Hängertauscharbeiten zu achten. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Geometrieanforderungen für den Aus- und anschließenden Neueinbau der Hänger, Bauzwischenzustände, uneingeschränkte Zugänglichkeit bei parallel verlaufenden Korrosionsschutzarbeiten mit geschlossener Einhausung als auch bezüglich Umverankerungen. Aufgrund teilweise beschädigter Bestandshänger und einer statisch bedingt generellen Hängertauschfolge bezogen auf den gesamten Überbau sind die Gerüstbauarbeiten zwingend der Taktung Hängertausch folgend zu konzipieren. Unter Beachtung der darüber hinaus durch den Bauherrn vorgegebenen maximal zulässigen Windlastbemessung durch die Einhausungen sind die gesamten Bauablaufbausteine terminlich, statisch und geometrisch sorgfältig zu planen. Planer / Bauherr haben diverse Schutzdächer über und unter dem Brückendeck ausgeschrieben. Für eine jederzeit und in allen Bauzwischenzuständen und Bauablaufphasen über laufendem Verkehr sichere Baustelle werden über dem Brückendeck im Bereich beider Pylone einschließlich Querriegel zwei große Schutzdachkonstruktionen erforderlich, die auch die Pylongerüste in den Baubestand abtragen. Bild 8 und 9: Montage der Schutzdächer über Brückendeck 2.3 Konstruktive Ausführung und statische Bemessung Die Arbeitsabläufe werden gemeinsam und in enger Abstimmung der ARGE-Partner untereinander minutiös getaktet. Die kurzen Hänger werden in Abhängigkeit ihrer Länge mittels Mobilkran von oben aus- und wieder eingebaut, die langen Hängerseile mit Windentechnik. Vor- und nachlaufende Korrosionsschutzarbeiten, die jederzeit zusätzlich auch parallel zum Hängertausch im Schutz von Einhausungen am Tragkabel durchgeführt werden müssen, werden durch mehrfache Umverankerung der Gerüstkonstruktionen begleitet. Die Einrüstung der Tragkabel erfolgt mit auf dem Brückendeck vormontierten Gerüsteinheiten, die mittels Windentechnik sowohl hochgezogen als auch bezüglich genauer Positionierung parallel zum Tragkabel eingestellt werden. Diese jeweiligen Gerüstbrücken werden im Stoßbereich mit speziellen statisch-konstruktiven Verbindungen untereinander gekoppelt. Der durch die Tragseilgeometrie bedingt erforderliche Neigungsausgleich erfolgt ebenfalls im Stoßbereich. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 93 Gerüststellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich Die Tragseileinrüstung erhält doppelte, direkt übereinander angeordnete Arbeits- und zusätzliche Schutzgerüstböden, um eine effektive, wirtschaftliche und jederzeit sichere Strahlschuttentsorgung zu gewährleisten. Bild 10: Gerüstkonstruktion für Tragkabel Die statisch maximal mögliche Länge der Einhausungen ausnutzend, werden diese jeweils präzise an den Bauablauf und die Zwischenbauzustände angepasst umgesetzt. Die Umsetzung der Einhausungen erfolgt verfahrbar auf dem Kopf der Gerüstkonstruktion, die der konkav verlaufenden Tragseilgeometrie folgt. Diese geometrisch anspruchsvollen Verfahrwege erfordern eine besondere Montage- und Umsetztechnologie, die dabei zugleich erhebliche Zeit- und auch Kostenvorteile für das Bauvorhaben verschafft, denn es fallen keine Kraneinsätze bzw. -kosten an. Außerdem entfällt die wiederholte, zeitaufwendige Demontage in Einzelteile und anschließende wiederum aufwendige Remontage. Dies ist insbesondere aufgrund der sehr kleinteilig zulässigen Einhausungsabschnitte für die Termintaktung der einzelnen Gewerke und den generellen Bauablauf sehr wichtig. Die Einrüstung der Pylone einschließlich Querriegel erscheint im Vergleich zur Aufgabe der Tragkabeleinrüstung weniger aufwendig. Dennoch erfordert eine sichere und gleichzeitig wirtschaftliche Durchführung bei statisch präziser Nachweisführung eine gute, detaillierte Vorbereitung in Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Montage. Durch die parallel zur Pylonneigung angeordneten Gerüstkonstruktionen werden bei minimalen Windangriffsflächen und störkantenfrei durchgängig optimalen Einhausungslinien für alle Gewerke sehr gute Arbeitsplatzbedingungen innerhalb der Einhausungen erreicht. Bild 11: 3-D - Ansicht Pylon 94 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Gerüststellungen für die Sanierung von Hängebrücken am Beispiel der Mülheimer Brücke Köln und der Rheinbrücke Emmerich Bild 12: Systemschnitte Pylon und Querriegel Bild 13: Aufsicht auf die Gerüstkonstruktionen an Tragkabeln bis zum Pylonkopf Bild 14: Arbeits- und Schutzgerüste an Pylonen, Querriegeln und Tragkabeln Das detailliert ausgearbeitete Flucht- und Rettungskonzept berücksichtigend erfolgt die permanente Sicherstellung der Höhenrettung durch besonders ausgebildete Gerüstbauer, die durchgehend während der gesamten Bauzeit auf der Baustelle vor Ort sind. Bild 15: Durchführung von Rettungsübungen