eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung

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Eva Stakalies
Reinhard Maurer
Im Rahmen von Brückennachrechnungen gemäß Nachweisstufe 1 und 2 der Nachrechnungsrichtlinie [1] ergibt sich häufig ein Defizit beim Nachweis der Torsionslängsbewehrung [2,3]. Da hierbei die Nachweise auf Querschnittsebene für die Schnittgrößen M, V und T jeweils getrennt geführt und die Bewehrungen anschließend überlagert werden stellt sich die Frage, in welchem Umfang nicht voll ausgenutzte Spannglieder, auch wenn sie nicht entsprechend der Theorie für reine Torsion in den Ecken des Querschnitts angeordnet sind, auf die Torsionslängsbewehrung angerechnet werden können. Hierzu wurden an der TU Dortmund, basierend auf Versuchen mit reiner Momente-Querkraft-Interaktion (M+V), Versuche an drei großformatigen Spannbeton-Durchlaufträgern mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion (M+V+T) durchgeführt. Alle Versuchsträger wurden mit einem erweiterten Bemessungsmodell für die Torsionslängsbewehrung bei kombinierter Beanspruchung ausgelegt, welches im folgenden Beitrag erläutert wird.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 181 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung Eva Stakalies TU Dortmund, Dortmund, Deutschland Reinhard Maurer TU Dortmund, Dortmund, Deutschland Zusammenfassung Im Rahmen von Brückennachrechnungen gemäß Nachweisstufe 1 und 2 der Nachrechnungsrichtlinie [1] ergibt sich häufig ein Defizit beim Nachweis der Torsionslängsbewehrung [2,3]. Da hierbei die Nachweise auf Querschnittsebene für die Schnittgrößen M, V und T jeweils getrennt geführt und die Bewehrungen anschließend überlagert werden stellt sich die Frage, in welchem Umfang nicht voll ausgenutzte Spannglieder, auch wenn sie nicht entsprechend der Theorie für reine Torsion in den Ecken des Querschnitts angeordnet sind, auf die Torsionslängsbewehrung angerechnet werden können. Hierzu wurden an der TU Dortmund, basierend auf Versuchen mit reiner Momente-Querkraft-Interaktion (M+V), Versuche an drei großformatigen Spannbeton-Durchlaufträgern mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion (M+V+T) durchgeführt. Alle Versuchsträger wurden mit einem erweiterten Bemessungsmodell für die Torsionslängsbewehrung bei kombinierter Beanspruchung ausgelegt, welches im folgenden Beitrag erläutert wird. 1. Einleitung Da nur wenige experimentelle Untersuchungen an vorgespannten Versuchsbalken mit einer kombinierten Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion (M+V+T) existieren, wurden an der TU Dortmund im Rahmen eines Forschungsvorhabens im Auftrag der BASt, in Kooperation mit der RWTH Aachen, Großversuche an zweifeldrigen Spannbetonbalken (5,75m je Feld) durchgeführt [4]. Insgesamt drei Großversuche bauen auf bereits durchgeführten Versuchen auf, die an baugleichen Versuchsbalken ohne zusätzliche Torsionsbelastung durchgeführt wurden, so dass unmittelbar die Vergleichbarkeit gegeben ist. Ziel der Versuche mit zusätzlicher Torsionsbelastung ist die Untersuchung zum Einfluss der Bügel- und insbesondere der Torsionslängsbewehrung auf die Traglast unter kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion (M+V+T). Alle Versuchsträger wurden mit einem erweiterten Bemessungsmodell für die Torsionslängsbewehrung bei kombinierter Beanspruchung ausgelegt. 2. Torsionsverhalten bei kombinierter Beanspruchung aus M+V+T 2.1 Allgemeines Die Bemessungsformeln in Eurocode 2 (EC2) [5] gelten für reine Torsionsbeanspruchung bei einem Stahlbetonstab. Während beispielsweise bei den Stegen die vertikalen Kraftkomponenten der unter dem Winkel θ geneigten Betondruckstrebenkräfte durch die Bügel aufgenommen werden, müssen deren horizontalen Kraftkomponenten an der Stirnfläche durch die Torsionslängsbewehrung ins Gleichgewicht gesetzt und zurückverankert werden. 182 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung Reine Torsion: Stahlbeton Reine Torsion: Spannbeton Kombinierte Beanspruchung: M+V+T Bild 1 Modellvorstellung - Reine Torsion (T) und kombinierte Beanspruchung (M+V+T) Im Falle einer zusätzlichen äußeren Druckkraft P auf die Stirnflächen, z. B. aufgebracht über eine starre Platte durch eine Vorspannkraft, reduziert sich die erforderliche Torsionslängsbewehrung, bzw. bei ausreichend großer Kraft P ist sie nicht mehr erforderlich, da die horizontalen Kraftkomponenten der geneigten Druckstrebenkräfte durch die Vorspannkraft P ins Gleichgewicht gesetzt werden. Bei einem Spannbetonbalken sind die Trägerenden mit den Spanngliedverankerungen i. d. R. ungerissen, so dass sich vergleichbare Verhältnisse ergeben, die eine Reduzierung der Torsionslängsbewehrung gemäß Eurocode 2-2 (EC2-2) [6] erwarten lassen (Bild 1). Basierend auf diesen Modellvorstellungen wird eine Vorgehensweise zur Ermittlung der Torsionslängsbewehrung für die Auslegung der Versuchsträger mit kombinierter Beanspruchung (M+V+T) zugrunde gelegt. Dabei wird die Belastung zur Erzeugung einer zusätzlichen Torsion gegenüber den Referenzversuchen exzentrisch zur Balkenachse aufgebracht. 2.2 Torsionsbelastung bei kombinierter Beanspruchung (M/ T-Verhältnis) Im Rahmen von Voruntersuchungen wurde der Einfluss des M/ T-Verhältnisses auf die Tragfähigkeit von Plattenbalkenquerschnitten im Brückenbau anhand von umfangreichen Untersuchungen an ausgewählten Brückenbauwerken durchgeführt [7]. Dabei ergaben sich für reale Brücken M/ T-Verhältnisse zwischen 10 - 15 für gedrungene Plattenbalken Querschnitte. Überträgt man diese Verhältnisse auf die Versuchsträger, erhält man eine Exzentrizität zwischen 5 und 10 cm. Für den in Bild 2 dargestellten Biege- und Torsionsmomentenverlauf lässt sich das Verhältnis von Torsions- und Biegebeanspruchung für den Feldbereich wie folgt herleiten: Bei den Versuchsträgern DLT 2.5 und DLT 2.6 wurde eine Exzentrizität von 7,5 cm zugrunde gelegt, bei dem Versuchsträger DLT 2.7 wurde die Exzentrizität feldweise deutlich vergrößert. Um eine konstante durchlaufende Torsionslänsgbewehrung bei variierendem Druckstrebenneigungswinkel zu realisieren, ergab sich für Feld 1 eine Exzentrizität von 11,3 cm und für Feld 2 eine Exzentrizität von 15,0 cm. Eine Übersicht über die Exzentrizitäten und M/ T-Verhältnisse ist in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1 Exzentrizität und M/ T Verhältnisse Träger Exzentrizität e M/ T - Verhältnis Feld 1 Feld 2 Feld 1 Feld 2 [m] [m] [-] [-] DLT2.5 0,075 0,075 13,2 13,2 DLT2.6 0,075 0,075 13,2 13,2 DLT2.7 0,113 0,150 8,8 6,6 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 183 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung Bild 2 Übersicht, System und Schnittgrößenverteilung unter exzentrischer Belastung [4] 2.3 Ermittlung der zusätzlichen Bügelbewehrung infolge Torsion (M+V+T) Grundlage für die Bemessung der Versuchsträger mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion (M+V+T) bilden die Referenzversuchsträger DLT 2.2 (Feld 1) und DLT 2.3 (Feld 2) mit reiner Querkraftbiegung (M+V) [4]. Ausgehend von den Referenzversuchen mit bekannter Versuchstraglast F u sowie den zugehörigen Schnittgrößen M u und V u wurde zunächst die aus Torsion infolge der Lastexzentrizität e zusätzlich erforderliche Torisonsbügelbewehrung mit dem räumlichen Fachwerkmodell nach EC2-2 ermittelt und in voller Größe zusätzlich eingebaut. Wie bereits in [8] gezeigt, resultiert die gesamte erforderliche Bügelbewehrung aus der Querkraftbewehrung unter Berücksichtigung des Betontraganteils beispielsweise nach dem Druckbogenmodell (entsprechend den Referenzträgern), superponiert mit dem ermittelten zusätzlichen Anteil aus der nach EC2-2 erforderlichen Torsionsbügelbewehrung. Während bei der Querkraftbeanspruchung eine deutlich reduzierte Bügelbewehrung aus dem Druckbogenmodell resultiert, wurde die erforderliche Torsionsbügelbewehrung nach Norm vollständig eingebaut, da bei Torsion keine Druckbogenwirkung als zusätzlicher Betontraganteil analog zur Querkraft / Momentenbeanspruchung zu erwarten ist. 2.4 Ermittlung der zusätzlichen Längsbewehrung infolge Torsion (M+V+T) Hinsichtlich der Längsbewehrung wurden die Versuchsträger so konzipiert, dass eine Bemessung der zusätzlich erforderlichen Torsionslängsbewehrung unter Berücksichtigung der kombinierten Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion erfolgte [8]. Es wurde dabei die resultierende Längszugkraft (N Tu ) aus der statisch erforderlichen Torsionslängsbewehrung ermittelt. Diese wurde dann als Zugkraft zentrisch im Schwerpunkt des Querschnitts angesetzt und bei der Biegebemessung berücksichtigt (Bild 3). Diese Idealisierung erfolgt bei einer Beanspruchung überwiegend durch Biegung. 184 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung Bild 3 Längsbewehrung infolge M u + N Tu : A s(M,T) [8] Bei der Ermittlung der zusätzlichen Längsbewehrung infolge Torsion wird zunächst von dem, durch die Torsionslängsbewehrung aufnehmbaren Torsionsmoment T u nach EC2-2 [6] ausgegangen, wobei für Versuchsnachrechnungen die Mittelwerte der Festigkeiten eingesetzt werden: (1) Daraus geht durch Umstellung der Gleichung (1) die zugehörige Längskraft aus Torsion N Tu hervor, die im Schwerpunkt des Querschnitts bei der Biegebemessung mit angesetzt wird: (2) Bei dieser Vorgehensweise wird für überwiegend biegebeanspruchte Bauteile der positive Effekt aus der Überdrückung der Torsionslängszugkräfte im Bereich der Biegedruckzone infolge Biegung, sowie der Tragwirkung der Spannglieder entsprechend ihrer Lage im Querschnitt bei der Bemessung berücksichtigt. Auf diese Weise kann die Längsbewehrung gegenüber einer Bemessung bei reiner Torsion deutlich reduziert werden. Tabelle 2 Versuchsprogramm - Kombinierte Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion Versuch Querschnitt Längsbewehrung Querkraftbewehrung ρ w,geo / ρ w,min [‰] Belastung Beton Vorsp. σ cp [MPA] Feld 1 Feld 2 Referenz versuche DLT 2.2 - Feld 1 DLT 2.3 - Feld 2 T A s,o = 16Ø12 A s,u,Feld = 3Ø16+2Ø20 A s,u,Stütz = A s,u,Feld +2Ø20 0,77 (Ø6/ 20) (a sw,V ) 1,04 (Ø8/ 20) (a sw,V ) M+Q Einzellast C30/ 37 3,9 DLT 2.5 T A s,o =14Ø12+2Ø20 A s,u,Feld = 3Ø16+2Ø20 A s,u,Stütz = A s,u,Feld +2Ø20 A s,Steg = 4Ø12 je Seite 1,03 (Ø8/ 20) (a sw,V+T ) 1,66 (Ø10/ 20) (a sw,V+T ) M+Q+T Einzellast exzentrisch C35/ 45 3,3 DLT 2.6 T A s,o = 16Ø12 A s,u,Feld = 3Ø16+2Ø20 A s,u,Stütz = A s,u,Feld +2Ø20 1,03 (Ø8/ 20) (a sw,V+T ) 1,66 (Ø10/ 20) (a sw,V+T ) M+Q+T Einzellast exzentrisch C35/ 45 3,3 DLT 2.7 T A s,o =14Ø12+2Ø20 A s,u,Feld = 3Ø16+2Ø20 A s,u,Stütz = A s,u,Feld +2Ø20 A s,Steg = 4Ø16 je Seite 1,74 (Ø8/ 10) (a sw,V+T ) 2,72 (Ø10/ 10) (a sw,V+T ) M+Q+T Einzellast exzentrisch C35/ 45 3,3 3. Versuche mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion (M+V+T) 3.1 Versuchsprogramm Das Versuchsprogramm der Versuche mit kombinierter Beanspruch aus Biegung, Querkraft und zusätzlicher Torsion an der TU Dortmund umfasst Bauteilversuche an drei vorgespannten Durchlaufträgern. An jedem der zweifeldrigen Spannbetonträger werden zwei Teilversuche durchgeführt. Dazu weisen die beiden Felder unterschiedliche Querkraft- und Längsbewehrungsgrade auf. Eine Übersicht über das Versuchsprogramm der Versuche mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion ist in Tabelle 2 dargestellt. Die Versuche mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion stellen eine Erweiterung des Versuchsprogramms der Versuche mit reiner Querkraftbiegung dar [9,10]. Folglich sind die Versuche hinsichtlich der Trägergeometrie, der Bewehrungsführung und dem Vorspanngrad weitestgehend in Übereinstimmung mit den reinen Querkraftversuchen, so dass diese als Re- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 185 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung ferenzversuche herangezogen werden können und entsprechend in Tabelle 2 mit aufgeführt sind. Die Versuchslasten wurden durch zwei kraftgesteuerte hydraulische Pressen mit einer Kapazität von 2,0 MN aufgebracht. Die Einzellasten sind jeweils in einem Abstand von 3,50 m von der Innenstützte exzentrisch zur Längsachse des Trägers angeordnet. Dadurch entsteht im Bereich zwischen Lasteinleitung und Innenstütze eine konstante Torsionsbeanspruchung mit wechselndem Vorzeichen an der Innenstütze, vergleich bar mit der Beanspruchung an den Innenstützten von Plattenbalkenbrücken mit Querträgern. Der so belastete Balken wurde über einen nachträglich anbetonierten Querträger ins Gleichgewicht gesetzt. Die Querschnittsgeometrien der Versuchsträger entsprechen den in Bild 4 bis Bild 6 dargestellten T- Querschnitten. Die Versuchsträger weisen eine Stützweite von 5,75 m bei einer Gesamtlänge von 12,0 m auf. Die Querschnittshöhe beträgt 0,8 m bei einer Plattenbreite von ebenfalls 0,8 m. Die Stegbreite wurde zur besseren Aufnahme des Torsionsmomentes über den Ersatzhohlkasten sowie zur Vermeidung eines Versagens der Betondruckzone bzw. der Betondruckstreben im Steg an der Innenstütze von 0,30 m auf 0,35 m im Vergleich zu den Referenzversuchen verbreitert. Zur Aufnahme der Vorspannkräfte sind die Querschnitte an den Enden des Trägers aufgeweitet, so dass die Stegbreite hier 0,60 m betragen. Je Spannglied werden 5 x 0,6‘‘-Litzen der Festigkeit St1570/ 1770 verwendet. Bild 4 Stützquerschnitt - DLT 2.5[4] Bild 5 Stützquerschnitt - DLT 2.6 [4] Bild 6 Stützquerschnitt - DLT 2.7 3.2 Versuchsergebnisse Rissbilder In Bild 7 sind die Rissbilder der Versuchsträger im Bruchzustand dargestellt. Im Bruchzustand sind die Versuchsträger über die gesamte Länge gerissen, wobei die kritischen Risse, die im stärker bewehrten Feld zum endgültigen Bruch geführt haben, rot eingezeichnet sind. Während der Versuchsträger DLT 2.5 durch eine Überbeanspruchung der Bügelbewehrung versagte, zeigte sich bei dem Versuchsträger DLT 2.6 ohne zusätzliche Tor- 186 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung sionslängsbewehrung eine deutliche Zunahme der Rissbildung bis in den Bereich der Druckzone an der Innenstütze hinein. Dies ließ ein bevorstehendes gleichzeitiges Versagen sowohl der Bügel als auch der Druckzone an der Innenstütze vermuten. Beim Versuchsträger DLT 2.7 führte ein Versagen der Druckstreben in Feld 2 zum Bruchzustand. Ursache war ein starker Zuwachs bei der Exzentrizität e infolge von Effekten nach Theorie II. Ordnung durch die unerwartet große Verdrehung des Balkens im Bereich der Lasteinleitung und entsprechende Schiefstellung der Pressen, wodurch die Torsionsmomente stark überproportional anstiegen. Die Auswertung und Quantifizierung der Effekte nach Theorie II. Ordnung in Feld 2 sind derzeit noch Gegenstand der weiteren Forschung. Last-Durchbiegungskurven In Bild 8 bis Bild 10 sind die Last-Durchbiegungskurven der Träger DLT 2.5 bis DLT 2.7 jeweils für den ersten Teilversuch, bis zur Verstärkung des schwächer bewehrten bzw. belasteten Feldes und den zweiten Teilversuch, bis zum Bruch des stärker bewehrten bzw. belasteten Feldes, dargestellt. Versagen der Versuchsträger DLT 2.5 und DLT 2.6 trat jeweils im stärker bewehrten Feld an der Lasteinleitung durch Bruch der Druckzone ein. Bei dem Versuchsträger DLT 2.7 trat das Versagen an der Innenstütze durch Druckstrebenbruch in Feld 2 auf. Das Bemessungskonzept für die Bewehrung konnte bei Versuchsträger DLT 2.5 durch das Erreichen von 97 % der Traglast im Vergleich zu den Referenzversuchen bestätigt werden. Der Versuchsträger DLT 2.6 konnte dagegen erwartungsgemäß nur ca. 90 % der Traglast der Referenzversuche erreichen (Tabelle 3), da er gänzlich ohne zusätzliche Torsionslängsbewehrung ausgeführt wurde. Von einer Mitwirkung der Spannglieder kann dementsprechend ausgegangen werden. Das endgültige Versagen trat bei beiden Trägern in Feld 2 nahe der Lasteinleitungsstelle letztlich durch den Bruch der stark eingeschnürten Betondruckzone auf. Primäre Ursache für das Versagen war das Fließen der Bewehrung in Verbindung mit großen Stahldehnungen. Bei dem Versuchsträger DLT 2.7 kam es durch die starke Vergrößerung der Exzentrizität, ausgehend von 11,3cm (Feld 1) bzw. 15,0cm (Feld 2), zu Effekten nach Theorie II. Ordnung, die das Torsionsmoment stark überproportional vergrößert haben. In Feld 1 konnte die Traglast des Referenzversuchsträgers trotz überproportionaler Vergrößerung der Exzentrizität und der damit verbundenen höheren Torsionsbeanspruchung erreicht werden. Das Betondruckstrebenversagen, trat schlussendlich im Bereich der Innenstütze des durch Torsion wesentlich höher belasteten Feld 2 auf. Eine Übersicht über die erreichten Traglasten im Verhältnis zu den Referenzversuchsträgern gibt Tabelle 3. Tabelle 3 experimentell ermittelte Versuchstraglasten Versuchsträger Versuchstraglast Referenzversuch Abweichung DLT2.5 - Feld 1 1549 kN 1607 kN -3,2 % DLT2.5 - Feld 2 1792 kN 1798 kN -0,2% DLT2.6 - Feld 1 1453 kN 1607 kN -9,2% DLT2.6 - Feld 2 1688 kN 1798 kN -6,1% DLT2.7. - Feld 1 1603 kN 1607 kN -0,25% DLT 2.6 DLT 2.7 Bild 7 Rissbilder im Bruchzustand (Versagensrisse rot) 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 187 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung Bild 8 Experimentell bestimmte Last- Durchbiegungskurven - DLT 2.5 [4] Bild 9 Experimentell ermittelte Last- Durchbiegungskurven - DLT 2.6 [4] Bild 10 Experimentell ermittelte Last- Durchbiegungskurven - DLT 2.7 - Feld 1 4. Zusammenfassung und Ausblick Im vorliegenden Beitrag wurden Ergebnisse von drei Versuchsträgern mit kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion vorgestellt. Dabei wurde ein erweiterter Ansatz für die Bestimmung der Torsionslängsbewehrung vorgestellt und durch die Versuche verifiziert. Außerdem wurde gezeigt, dass die aus dem analytischen Druckbogenmodell ermittelte Bügelbewehrung für Querkraft mit der vollen Torsionsbügelbewehrung nach EC2 überlagert werden muss, für die gesamte erforderliche Bügelbewehrung unter der kombinierten Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion. Aufgrund unterschiedlicher Torsionsbügel- und -längsbewehrung in beiden Felder, konnten sechs verschiedene Varianten hinsichtlich der Torsionsbewehrung und Größe der Torsionsmomente experimentell untersucht werden. Alle Versuchsträger wurden mit einem erweiterten Bemessungsmodell für die Torsionslängsbewehrung bei kombinierter Beanspruchung ausgelegt. Bei dieser Vorgehensweise wird für überwiegend biegebeanspruchte Bauteile der positive Effekt aus der Überdrückung der Torsionslängszugkräfte im Bereich der Biegedruckzone infolge Biegung, sowie der Tragwirkung der Spannglieder entsprechend ihrer Lage im Querschnitt bei der Bemessung berücksichtigt. Auf diese Weise kann die Längsbewehrung gegenüber einer Bemessung bei reiner Torsion deutlich reduziert werden. Durch den Versuchsträger DLT 2.7 mit deutlich erhöhter Exzentrizität aufgrund von Effekten nach Theorie II. Ordnung konnte das erweiterte Bemessungsverfahren für Feld 1 des Versuchsträgers mit einem M/ T-Verhältnis < 10 ebenfalls verifiziert werden. Die Auswertung und Quantifizierung der Effekte nach Theorie II. Ordnung müssen im Rahmen der weiterführenden Forschung noch näher analysiert werden. Der umfassende Einsatz von Messtechnik bildet die Basis für noch folgende weitergehende Untersuchungen hinsichtlich des Tragverhaltens von vorgespannten Durchlaufträgern bei kombinierter Beanspruchung. Dabei soll besonderes Augenmerk auch auf die ergänzende Simulationsberechnung mittels der nichtlinearen FEM, zum besseren Verständnis des Tragverhaltens gelegt werden. Literaturverzeichnis [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), Berlin, 2011. [2] Haveresch, K.-H.: Erfahrungen bei der Nachrechnung und Verstärkung von Brücken. Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), booklet 2, p. 96-112 [3] Naumann, J.: Brücken und Schwerverkehrt - Eine Bestandsaufnahme, Bauingenieur 85 (2010), Heft 1, S. 1-9. 188 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung [4] Hegger, J.; Maurer, R.; Fischer, O.; Zilch, K. et. al.: Beurteilung der Querkraft- und Torsionstragfähigkeit von Brücken im Bestand - erweiterte Bemessungsansätze, Schlussbericht zu BASt FE 15.0591/ 2012/ FRB, 2018. [5] DIN EN 1992-1-1, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit zugehörigem nationalen Anhang DIN EN 1992-1-1: 2011, Deutsche Fassung, Ausgabe 2011. [6] DIN EN 1992-2: Eurocode 2-2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln mit zugehörigem nationalen Anhang DIN EN 1992-/ NA: 2013; Deutsche Fassung, Ausgabe 2013. [7] Bondarzew, V.: Einfluss des M/ T-Verhältnisses auf die Tragfähigkeit von Rechteck- und Plattenbalkenquerschnitten im Brückenbau, Abschlussarbeit (2017), TU Dortmund. [8] Maurer, R.; Stakalies, E.: Versuche und Bemessungsvorschlag zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung, Bauingenieur 95 (2020), Heft 1 [9] Maurer, R.; Gleich, P.; Zilch, K.; Dunkelberg, D.: Querkraftversuche an einem Durchlaufträger aus Spannbeton. Beton- und Stahlbetonbau (2014), Heft 10. [10] Gleich, P; Maurer, R.: Querkraftversuche an Spannbetondurchlaufträgern mit Plattenbalkenquerschnitt, In: Bauingenieur 93 (2018), Heft 2.