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Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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2020
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Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement

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Andreas Socher
Matthias Müller
Ziel des Verbundforschungsprojekts OSIMAB ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts zur kontinuierlichen Überwachung, Bewertung und Prognose des Zustandes von Straßenverkehrsbrücken. Es soll der Grundstein für ein prädiktives Erhaltungsmanagement gelegt werden. Ziel ist es, Verkehrsbeschränkungen zu minimieren, indem größere Zeiträume für die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen geschaffen werden. Das Projekt konzentriert sich auf repräsentative Bauwerke des Brückenbestandes, deren vorausschauende Zustandsanalyse einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen bietet.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 253 Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement Andreas Socher, Matthias Müller Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, Deutschland Zusammenfassung Ziel des Verbundforschungsprojekts OSIMAB ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts zur kontinuierlichen Überwachung, Bewertung und Prognose des Zustandes von Straßenverkehrsbrücken. Es soll der Grundstein für ein prädiktives Erhaltungsmanagement gelegt werden. Ziel ist es, Verkehrsbeschränkungen zu minimieren, indem größere Zeiträume für die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen geschaffen werden. Das Projekt konzentriert sich auf repräsentative Bauwerke des Brückenbestandes, deren vorausschauende Zustandsanalyse einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen bietet. 1. Analyse des Brückenbestandes 1.1 Einleitung Mit zunehmender Komplexität der Baurechtserlangung, Planung und Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen wird es erforderlich, frühzeitig die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen zu erkennen. Da der Brückenbestand einem kontinuierlichen Degradationsprozess unterliegt, gilt es, neue Methoden zur Früherkennung von Schäden und Mängeln an bestehenden Brückenbauwerken zu finden, um ein prädiktives Erhaltungsmanagement zu betreiben. Das Projekt OSIMAB zielt darauf ab, Bausteine für einen derartigen Lösungsansatz zu entwickeln. Der bestehende, umfangreiche Datenbestand des Bundes bildet in diesem Zusammenhang die Grundlage für die Identifizierung relevanter Brückenbauwerke. Um die für das Projekt relevanten Bauwerke zu finden, ist eine Systemidentifikation erforderlich, die über ein modulares Bewertungssystem verfügt. Diesbezüglich werden systematische Bauwerksschwachstellen, überwachungsrelevante Bauteile und Einflussparameter analysiert und bewertet. Dabei werden die gängigen Bauarten von Stahl-, Stahlverbund-, Stahlbeton- und Spannbetonbrücken untersucht. Anhand dieser Vorgehensweise kann ein Großteil der Brückenfläche des deutschen Bundesfernstraßennetzes bewertet werden [1]. Vor diesem Hintergrund repräsentieren Spannbetonbrücken 70% der gesamten Brückenoberfläche [1]. Dementsprechend wird diese Bauart im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Die Systemidentifikation, das Clustern relevanter Brückenbauwerke, wird daher am Beispiel der Spannbetonbrücken veranschaulicht. 1.2 Aufschlüsselung und Filterung Aufgrund des angestrebten Ziels, werden nur Brücken betrachtet, die im Sinne ihres vorgesehenen Verwendungszwecks in erster Linie dem motorisierten Verkehr dienen. Hierdurch reduziert sich die Gesamtzahl von 52.288 Teilbauwerken in der Straßeninformationsbank, Teilsystem Bauwerke, auf 40.428. Zu den ausgeklammerten Bauwerken gehören u.a. Wildtierübergänge sowie Brücken, die ausschließlich für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen sind. Im Rahmen der Beurteilung des Brückenbestandes werden zudem vereinzelt gebaute (z.B. Hub- oder Klappbrücken) und überschüttete Brückenbauwerke nicht berücksichtigt. Infolgedessen reduziert sich der Gesamtbestand an bewerteten Teilbauwerken weiter auf 37.030. Die Verwendung von Bewertungsmodulen, die sich auf typische schädliche Einflüsse sowie Defizitrisiken beziehen, wird auf diese Weise ermöglicht. Da sich das Projekt OSIMAB auf Brücken konzentriert, die noch für ein prädiktives Erhaltungsmanagement geeignet sein sollen, wird auch die Substanzkennzahl (SK) der Teilbauwerke zum Filterkriterium. Die Substanzkennzahl jedes Brückenbauwerks wurde durch fachkundige Prüfingenieure anhand vorgeschriebener, handnaher Bauwerksprüfungen entsprechend der DIN 1076 [2] sowie der RI-EBW-PRÜF [3] bestimmt. Zur Ermittlung der Substanzkennzahl werden die vorherrschenden Schäden und Mängel im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit des Bauwerks bewertet. Die Substanzkennzahl kann den folgenden Noten entsprechen: 1,0 - 1,4: sehr gut; 1,5 - 1,9: gut; 2,0 - 2,4: befriedigend; 2,5 - 2,9: ausreichend; 3,0 - 3,4 nicht ausreichend; 3,5 - 4,0: ungenügend [2]. 254 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement Mit einer Note von 2,4 und besser befindet sich ein Bauwerk mindestens in einem befriedigenden Zustand und gehört somit zur Zielgruppe in Bezug auf ein prädiktives Erhaltungsmanagement. Eine Substanzkennzahl mit befriedigender Note (2.0 ≤ SK ≤ 2.4) besagt, dass nach dem derzeitigen Zustand des Bauwerks Folgeschäden oder Schadensausbreitungen auftreten können, jedoch nicht zu erwarten sind [2]. Die Notwendigkeit kurzfristiger Erhaltungsmaßnahmen wird daher per Definition als unwahrscheinlich angesehen [2]. Für Bauwerke, deren aktuelle Substanzkennzahl einen höheren Wert aufweist, besteht mittel- oder kurzfristig der Bedarf entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen zu ergreifen. Da dieser Handlungsbedarf bereits bekannt ist, werden die entsprechenden Bauwerke herausgefiltert. Nach der Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Schadensbzw. Mängelbeseitigung werden die Bauwerke, deren Substanzkennzahl sich entsprechend verbessert hat, wieder in die weiteren Auswertungen aufgenommen. Durch die kontinuierliche Durchführung derartiger Bewertungen kann sich das OSIMAB-System den Anforderungen des Brückenbestandes stetig anpassen. Nach Anwendung des Filterkriteriums der Substanzkennzahl (SK ≤ 2.4) bleiben 28.027 Brückenbauwerke (Stand 26.10.2018) für die weitere Durchführung der Systemidentifikation erhalten. Diese, als zukunftsfähig betrachteten Brückenbauwerke, teilen sich auf die folgenden Baustoffe auf: 18.403 Stahlbeton-, 8.842 Spannbeton-, 632 Stahlverbund- und 150 Stahlbauwerke. Für jeden Baustoff wurde im Rahmen der Systemidentifikation eine materialspezifische Bauwerksclusterung durchgeführt. 1.3 Prinzip des modularen Bewertungssystems Das modulare Bewertungssystem, das ein Teil der Systemidentifikation repräsentiert, ermittelt aus typischen Schädigungseinflüssen sowie konstruktiven Schwachstellen, die in sich jeweils Schädigungspotenziale darstellen, individuelle Punktzahlen. Die einzelnen Bewertungsmodule beziehen sich auf die verwendeten Baustoffe, Bauarten, die Konstruktionsparameter sowie den erfassten Verkehr. Dazu werden die Brückenbauwerke in mehreren Modulen bewertet, die auf verkehrstechnischen, materialspezifischen und konstruktiven Kriterien basieren. Im Kontext der verschiedenen Baustoffe werden die einzelnen Bewertungsmodule in allgemein anwendbare und baustoffspezifische Module unterteilt. Die Einzelbewertungen der verschiedenen Modultypen werden später je Bauwerk zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst. 1.4 Baustoffspezifische Bewertungsmodule Die baustoffspezifischen Bewertungsmodule basieren in erster Linie auf der Historie von Richtlinien und Verordnungen. Dieser Ansatz nutzt den historischen Verlauf der Erkennung und Beseitigung von konstruktiven und materialbezogenen Schwachstellen. Da die Bauwerksclusterung anhand von Tausenden von Brückenbauwerken durchgeführt werden soll, werden nur weit verbreitete Schwachstellen in Betracht gezogen. Das Prinzip der Bewertung basiert auf dem Bewertungsverfahren von Kaschner et al., 2009 [4]. Das Konzept der Schädigungspotenziale berücksichtigt die relevanten Erkenntnisse in der zeitlichen Entwicklung der Bauweisen, welche auch zu entsprechenden Anpassungen der Regelwerke für den Brückenbau führten. Hierzu zählen beispielsweise Änderungen der Bemessungsvorschriften, der Konstruktionsregeln oder der Lastannahmen. Für die verschiedenen Bauweisen wurden die für die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit relevanten historischen Entwicklungen bereits in mehreren Veröffentlichungen, bspw. in [5, 6 und 7] zusammengestellt. Es folgt eine Auflistung von Schädigungspotenzialen exemplarisch für Spannbetonbrücken, die im Zuge des Bewertungssystems jeweils einzelne Module darstellen: Nicht überdrückte Koppelfugen, die daraus resultierende erhöhte Ermüdungsbeanspruchung sowie die damit durch die Rissbildung verbundene, eingeschränkte Dauerhaftigkeit sind typische Schädigungspotenziale, bzw. Defizite, älterer Spannbetonbrücken. Die seinerzeit angewandte Bemessungsphilosophie unterstellte Rissfreiheit unter der Voraussetzung einzuhaltender Hauptzugspannungen für Schub und machte zum Teil nur sehr geringe Betonstahlbewehrungsgehalte erforderlich. Diese Bewehrung kann aus heutiger Sicht hinsichtlich ihrer konstruktiven Durchbildung nicht auf die vorhandene Bewehrung angerechnet werden. Aus dem gegebenen Zusammenhang weisen die betroffenen Bauwerke Schädigungspotenziale auf. Verstärkt werden diese konstruktiven Defizite durch die zum Teil unzureichende Berücksichtigung der Auswirkungen infolge von Temperaturbeanspruchungen und stetig steigenden Verkehrslasten. Die zunächst nicht beachtete und später unterschätzte Mindestbewehrung hinterließ Bauwerke, die diesbezüglich weitere Defizite aufweisen. Der mangelnde Schutz von Spanngliedern vor Umwelteinflüssen, insbesondere vor Chloriden, sowie die Gefahr, die von Spannungsrisskorrosion ausgeht, wurden als zwei weitere Schädigungspotenziale identifiziert [6, 8]. 1.5 Allgemein anwendbare Bewertungsmodule Unabhängig vom verwendeten Baustoff kommen drei Bewertungsmodule zum Einsatz, deren Ergebnisse für alle Bauwerke gleichermaßen Gültigkeit haben. Das erste Modul bezieht sich ausschließlich auf den durchschnittlichen täglichen Schwerverkehr (DTV-SV), um auf Grundlage des aufgezeichneten Verkehrs eine Differenzierung der Bauwerke zu ermöglichen. Die bauwerksspezifischen Verkehrsdaten sind das Ergebnis einer Verknüpfung von Verkehrs- und Bauwerksdaten. Die Daten der Straßeninformationsbank, Teilsystem Bau- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 255 Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement werke, wurden um Informationen aus Datensätzen der manuellen und automatischen Verkehrszählstellen erweitert. Insgesamt wurden auf diese Weise die Daten aus 1736 automatischen und 10684 manuellen Straßenverkehrszählungen den Brückenbauwerken der Bundesfernstraßen zugeordnet. Das Modul ist somit in der Lage die Verkehrsbelastung nahezu aller Brückenbauwerke der Bundesfernstraßen zu bewerten. Für die Implementierung des zweiten Moduls wurden Verkehrseinwirkungen auf Basis der ermittelten Schwerverkehrsstärken und Zusammensetzungen der Verkehrsströme abgeschätzt. Hierzu wurden die Verkehrsdaten der einzelnen Bauwerke sowie die „Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand“ herangezogen [9]. Im Anschluss wurden die Verkehrseinwirkungen mit den theoretischen Widerständen der Bauwerke verglichen. Das Modul bewertet im Anschluss die Defizite der theoretischen Widerstände im Hinblick auf die abgeschätzten Verkehrseinwirkungen. Das dritte Modul nutzt die Ergebnisse eines bereits abgeschlossenen Forschungsvorhabens [10]. In diesen Analysen wurden Verkehrseinwirkungen eines typisierten, simulierten Verkehrsflusses den normierten Beanspruchungen unterschiedlicher theoretischer Widerstände gegenübergestellt und die Differenz der Biegemomente in Prozent angegeben. Bei diesen Untersuchungen wurden unterschiedliche Varianten von Brückenbauwerken untersucht, die sich u.a. in ihren Feldanzahlen, Spannweiten und Widerständen unterscheiden. Durch dieses Modul werden Bauwerke besonders berücksichtigt, die hinsichtlich der vorhandenen Randbedingungen des statischen Systems sensitiv auf die abgeschätzten Verkehrseinwirkungen reagieren. 1.6 Zusammenführung der Modulbewertungen Um die Einzelbewertungen der unterschiedlichen Module nutzbringend einsetzen zu können, werden die einzelnen Punktzahlen innerhalb ihrer jeweiligen Modulkategorie aufsummiert. Die Gesamtbewertung eines Bauwerks setzt sich im Anschluss gleichermaßen aus den Summen der beiden Kategorien zusammen. Die Gesamtbewertung dient der qualitativen Abschätzung des Potenzials zukünftiger Mängel und Schäden und bildet auf diese Weise die Grundlage für die anschließende Bauwerksclusterung. 2. Systemidentifikation 2.1 Zielvorstellung Die Systemidentifikation ist die Suche nach Referenzstrukturen für die Entwicklung des OSIMAB-Systems. Diese Bauwerke sollen nicht nur den Brückenbestand der Bundesfernstraßen repräsentieren [1], sondern auch auf Grundlage der ermittelten bauwerksspezifischen Schwachstellen als Basis für prädiktive Zustandsanalysen dienen. Die Eignung für ein prädiktives Erhaltungsmanagement sollte dennoch gegeben sein; daher werden lediglich Bauwerke berücksichtigt, die sich zumindest noch in einem befriedigenden Zustand befinden (SK ≤ 2,4). 2.2 Verifikation der Bewertungsmethode Um die Funktionsweise der vorgestellten, qualitativen Bewertungsmethode zu verifizieren, werden die Gesamtbewertungen der Brückenbauwerke in ein Verhältnis zur Substanzkennzahl gesetzt. Es ist zu prüfen, ob sich eine Bewertung anhand von Schädigungspotenzialen als geeignet erweist. Sofern sich eine eindeutige Korrelation zwischen den Gesamtbewertungen und den Substanzkennzahlen ableiten lässt, kann davon ausgegangen werden, dass die beschriebene modulare Bewertungsmethode eine hinreichende Aussage über das Potenzial für zukünftige Schäden und Mängel liefert. Um diesen Zusammenhang zu visualisieren, werden alle bewerteten Bauwerke anhand ihrer Substanzkennzahl unterteilt. Darüber hinaus werden die jeweiligen Bauwerksanzahlen dargestellt, siehe Abbildung 1. Es zeigt sich, dass eine starke Korrelation zwischen der Substanzkennzahl und der Gesamtbewertung besteht: Die Gesamtbewertung steigt linear zur Substanzkennzahl an. Daher kann die Gesamtbewertung als Indikator für zukünftige Schäden und Mängel angesehen werden. Abbildung 1: Gesamtbewertung und Bauwerksanzahl in Bezug zur Substanzkennzahl (SK) 256 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement 2.3 Bildung des Bauwerksclusters Aus den bewerteten Spannbetonbrücken, die eine Substanzkennzahl unter 2,5 aufweisen, wird ein Bauwerkscluster gebildet. Da der Fokus auf Bauwerke gelegt werden soll, die ein hohes Potenzial für zukünftige Schäden und Mängel aufweisen, wird ein abschließendes Filterkriterium erforderlich: Es wird ein Schwellenwert in Bezug zur Gesamtbewertung festgelegt, der lediglich 10% der höchstbewerteten Spannbetonbrücken mit einer Substanzkennzahl unter 2,5 für das vorgesehene Cluster zulässt. Da Brückenbauwerke die gleiche Punktzahl aufweisen können, deckt das Cluster mehr Bauwerke ab, als der Prozentsatz vermuten lässt (913 von 8.842). Unabhängig der Substanzkennzahl wurden insgesamt 13.000 Spannbetonbrücken bewertet. Die Zusammensetzung der clusterspezifischen Bauwerkseigenschaften wurde bereits genutzt, um typische, aussagekräftige Merkmale der relevanten Brücken zu identifizieren. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurden relevante systematische Bauwerksschwachstellen, die diesbezüglichen überwachungsrelevanten Bauteile sowie deren Einflussparameter identifiziert. Darauf aufbauend wurden Sensorkonzepte entwickelt, die eine standardisierte, messtechnikgestützte Untersuchung signifikanter Anteile des Brückenbestandes ermöglichen. 2.4 Ergebnisse 2.4.1 Spannbetonbrücken Das Cluster der Spannbetonbrücken besteht aus 913 Bauwerken und weist folgende Eigenschaften auf: Der DTV- SV des Clusters konzentriert sich vorwiegend auf höhere Werte, siehe Abbildung 2. Abbildung 2: Durchschnittlicher täglicher Schwerverkehr aller bewerteten und geclusterten Spannbetonbrücken Darüber hinaus sind die Brückenlängen des Clusters im Vergleich zum bewerteten Bestand der Spannbetonbrücken im Durchschnitt größer. Die entscheidenden Baujahre des Clusters reichen von 1959 bis 1979, wie in Abbildung 3 dargestellt ist. Abbildung 3: Baujahre aller bewerteten und geclusterten Spannbetonbrücken Die Anzahl der Felder zeigt, dass Einfeldbauwerke im Cluster deutlich unterrepräsentiert sind, wohingegen Mehrfeldbauwerke im Hinblick auf die Feldanzahlen stets überrepräsentiert sind. Die Spannweiten der geclusterten Brücken liegen im Wesentlichen zwischen 15 m und 45 m. Während sich der Bestand der bewerteten Spannbetonbrücken auf verschiedene theoretische Widerstände, Brückenklasse 60, 60/ 30 sowie Lastmodell 1, aufteilt, konzentrieren sich innerhalb des Clusters Bauwerke der Brückenklasse 60, wie Abbildung 4 zu entnehmen ist. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 257 Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement Abbildung 4: Theoretische Widerstände aller bewerteten und geclusterten Spannbetonbrücken Die entscheidenden Bauwerksarten sind die Folgenden: Hohlkastenbrücken, Plattenbrücken und Plattenbalkenbrücken. Abgesehen von Hohlkastenbrücken, die eine erhebliche Überrepräsentierung erfahren, spiegelt das Cluster in diesem Zusammenhang den gesamten bewerteten Bestand an Spannbetonbrücken wieder. 2.4.2 Gesamter Brückenbestand Die kombinierte Betrachtung der Cluster der Bauarten, Stahlbeton, Spannbeton, Stahlverbund und Stahl, ergab die folgenden Erkenntnisse: Die Bauwerkslängen, Spannweiten und Stützweiten der geclusterten Brückenbauwerke sind in den meisten Fällen deutlich größer als Die des korrespondierenden Anteils des bewerteten Bestandes. Darüber hinaus weisen die Bauwerkscluster, mit Ausnahme der Stahlverbundbrücken, eine hohe Konzentration bei der Brückenklasse 60 auf. Im Cluster der Stahlverbundbrücken fokussieren sich die Bauwerke neben der Brückenklasse 60 auch auf Brückenklasse 60/ 30. In Bezug auf die Baujahre ist festzustellen, dass die 1960er und 1970er Jahre die entscheidenden Zeiträume für die Bauwerkscluster der Spannbeton- und Stahlbetonbrücken darstellen. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass im Durchschnitt eine hohe Schwerverkehrsbelastung bei den geclusterten Brückenbauwerken vorliegt. Dementsprechend weisen die Teilbauwerke der Cluster größere Breiten auf, als der korrespondierende bewertete Bestand, i.d.R. 15 m und mehr. In Bezug auf die Bauarten ist festzustellen, dass Hohlkastenbrücken, Plattenbrücken und Plattenbalkenbrücken überwiegend in den Bauwerksclustern vertreten sind. 2.5 Fazit Die Systemidentifikation bildete die Grundlage für die weitere Entwicklung des Projekts OSIMAB: Die Sensorkonzepte für die Instrumentierung relevanter Brückenbauwerke basierten auf den Charakteristika der geclusterten Bauwerke. Die gewonnenen Erkenntnisse über die systematischen Bauwerksschwachstellen, überwachungsrelevanten Bauteile sowie deren Einflussparameter sind zudem in die Entwicklung der Methoden der Zustandsanalyse eingeflossen. Die Ergebnisse der Systemidentifikation wurden für die Erstellung der Systemmodelle sowie für die Berücksichtigung und Einbindung relevanter Schädigungsszenarien genutzt. Insbesondere im Zuge der Herleitung der Schädigungsszenarien ist es unerlässlich gewesen, dass die vorherrschenden Problemstellungen des Brückenbestandes, u.a. Spannungsrisskorrosion von Spanngliedern, in Bezug auf ihre Häufigkeit untersucht wurden. Schließlich wurde ein Demonstrator, ein einzelnes Brückenbauwerk, das das Cluster der Spannbetonbrücken repräsentiert, ausgewählt. Es handelt sich um die Talbrücke Sachsengraben auf der A45 südlich von Dortmund, siehe Abbildung 5. Abbildung 5: Talbrücke Sachsengraben auf der A45 - Demonstrator des Projekts OSIMAB Das Bauwerk entspricht hinsichtlich seiner konstruktiven Eigenschaften einem signifikanten Anteil des Brückenbestandes. Im Rahmen des Projekts wurde die Brücke bereits mit Messtechnik ausgestattet. Derzeit werden umfangreiche Datensätze gesammelt, die die weiteren Arbeiten zur Analyse der Zustandsentwicklung unterstützen. Im Fokus der Untersuchungen stehen nicht nur die Einwirkungen und korrespondierenden Bauwerksreaktionen, sondern auch die bereits aufgetretenen Schäden, u.a. durchgehende Querrisse. Aus diesem Grund kann nicht nur das Projekt OSIMAB, sondern auch die zuständige Straßenbaubehörde, Straßen.NRW, von der kontinuierlichen Zustandsanalyse des Demonstrator-Bauwerks profitieren. 258 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Relevante Brückenbauwerke für ein prädiktives Erhaltungsmanagement Das Verbundforschungsprojekt OSIMAB wird im Rahmen des Modernitätsfonds „mFUND“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert. Darüber hinaus wird das Projekt von Straßen. NRW, der Straßenbaubehörde des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, vielseitig unterstützt. 2.6 Projektkonsortium Das Verbundforschungsprojekt OSIMAB wird gemeinschaftlich durch die folgenden Partner bearbeitet: • Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach (Verbundforschungskoordination) • Rheinische Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn Bonn-Aachen International Center for Information Technology • Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH, Darmstadt • ITC Engineering GmbH & Co. KG, Stuttgart • Technische Universität Berlin Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren - Stahlbau Literatur [1] Brückenstatistik: Interne Auswertung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, 2018. [2] DIN 1076: Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen - Überwachung und Prüfung, Beuth Verlag, Berlin, 1999. [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2017). Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 (RI-EBW-PRÜF 2017), Ausgabe 22.02.2017. [4] Kaschner, R., Roder, C., Mayer, T., Brang, C.: Ermittlung relevanter Bauwerke zur Ertüchtigung des Brückenbestandes der Bundesfernstraßen. Sachstand: Mai 2009; Datennacherhebung und Priorisierung: September 2009. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, 2009. [5] Hegger, J., Beutel, R., Karakas, A.: Handlungsanweisung für die Berechnung und konstruktive Durchbildung schubkraftgefährdeter Bauwerke. Abschlussbericht für das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen, Bericht -Nr. IMB: 193/ 2007, Aachen, 2007. [6] Schnellenbach-Held, M. et al.: Intelligente Brücke - Schädigungsrelevante Einwirkungen und Schädigungspotenziale von Brückenbauwerken aus Beton. In: BASt Schriftenreihe B, Heft B 110, ff. 42-44. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, 2015. [7] Neumann, W., Brauer, A.: Nachrechnung von Stahl- und Verbundbrücken - Systematische Datenauswertung nachgerechneter Bauwerke. In: BASt Schriftenreihe B, Heft B 144, ff. 48-53. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, 2018. [8] Fingerloos, F.: Historische technische Regelwerke für den Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbau. Bemessung und Ausführung. 1. Ausgabe. Ernst & Sohn, Berlin, 2009. [9] Nachrechnungsrichtlinie: Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), Ausgabe 5/ 2011, BMVBS, 2011. [10] Geißler, K.: Auswirkung der Zulassung von 60t- Lkw auf Brückenbauwerke im Zuge der Bundesfernstraßen. In: BASt Schriftenreihe B, Heft B 68, p. 325. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, 2007.