eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
91
2020
41

Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg

91
2020
Johannes Bach
Felix Bach
Jan Rassek
Max Franksmann
Die Anna-Ebert-Brücke über die Alte Elbe wurde am 10. Juni 1882 nach nur zwei Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Nach 138 Jahren erfüllt sie noch immer ihre wesentliche Funktion. Dies ist vornehmlich ihrer grundsoliden Konstruktion und der damals erfolgten, sorgfältigen Bauausführung zu verdanken, wobei die verkehrlichen Anforderungen stark zugenommen haben, in zwei Kriegen wesentliche Bauteile der Brücke beschädigt wurden, die Unterhaltung vernachlässigt wurde und immer wiederkehrender Hochwässer der Elbe zu Schäden führten. Das Jahrhunderthochwasser der Elbe im Juni 2013 hat die vorgeschädigte alte Brücke mit einem bisher noch nie dagewesenen Höchstwasserstand bis knapp unter die Scheitel der Gewölbebögen schwer getroffen und in der Folge zu einem kritischen Bauwerkszustand geführt. Nach Auswertung der Sonderprüfung im Jahr 2015 musste als Folge der vorgefundenen Schäden als Zustandsnote eine 4,0 vergeben werden. Sofortmaßnahmen zur Reduzierung der verkehrlichen Belastung waren umgehend umzusetzen. Auf Basis umfangreicher Voruntersuchungen und Probeinstandsetzungen, die 2015 an den unterschiedlichen Bauteilen anliefen, konnte eine in zwei Bauphasen gegliederte Instandsetzung geplant werden. Das darin definierte Instandsetzungsziel beinhaltet unter anderem die Wiederherstellung des beschädigten Klinkermauerwerks der Gewölbebögen mittels Rasterinjektion und die Querverspannung der Gewölbebögen. Die Bedeutung des denkmalgeschützten Bauwerks erforderte auch die Erfüllung sehr umfangreicher denkmalpflegerischer Aufgaben, welche in die Instandsetzungsplanung und -ausführung zu integrieren waren. Aufgrund der verkehrlichen Bedeutung für die Landeshauptstadt Magdeburg waren sämtliche Arbeiten unter vollem Verkehr auszuführen. Aktuell befindet sich die Instandsetzung in der zweiten Bauphase, noch in der Umsetzung. Die Fertigstellung ist für Dezember 2020 avisiert. Ein wichtiger Meilenstein wurde jedoch bereits im Dezember 2019 mit dem Abschluss der „Statischen Sicherung der 11 Gewölbebögen“ erreicht
kbr410281
4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 281 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg Gewölbe und Unterbauten - Planung und erfolgreiche Instandsetzung - Dr.-Ing. Johannes Bach BACH + BACH Ingenieure, Planer / Pretzien Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Eng. Felix Bach BACH + BACH Ingenieure, Planer / Pretzien Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh / Kassel Max Franksmann, B. Eng. w+s bau-instandsetzung gmbh / Kassel Steckbrief Hauptmaßnahme: Ausführung: Juni 2016 - Dezember 2020 AG: Landeshauptstadt Magdeburg Der Oberbürgermeister 66 Tiefbauamt 39090 Magdeburg Planung: BACH + BACH Ingenieure, Planer Große Sorge 3 39217 Pretzien Ausführung: w+s bau-instandsetzung gmbh Crumbacher Straße 23-25 34277 Fuldabrück-Berghausen 3 Kassel Zusammenfassung Die Anna-Ebert-Brücke über die Alte Elbe wurde am 10. Juni 1882 nach nur zwei Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Nach 138 Jahren erfüllt sie noch immer ihre wesentliche Funktion. Dies ist vornehmlich ihrer grundsoliden Konstruktion und der damals erfolgten, sorgfältigen Bauausführung zu verdanken, wobei die verkehrlichen Anforderungen stark zugenommen haben, in zwei Kriegen wesentliche Bauteile der Brücke beschädigt wurden, die Unterhaltung vernachlässigt wurde und immer wiederkehrender Hochwässer der Elbe zu Schäden führten. Das Jahrhunderthochwasser der Elbe im Juni 2013 hat die vorgeschädigte alte Brücke mit einem bisher noch nie dagewesenen Höchstwasserstand bis knapp unter die Scheitel der Gewölbebögen schwer getroffen und in der Folge zu einem kritischen Bauwerkszustand geführt. Nach Auswertung der Sonderprüfung im Jahr 2015 musste als Folge der vorgefundenen Schäden als Zustandsnote eine 4,0 vergeben werden. Sofortmaßnahmen zur Reduzierung der verkehrlichen Belastung waren umgehend umzusetzen. Auf Basis umfangreicher Voruntersuchungen und Probeinstandsetzungen, die 2015 an den unterschiedlichen Bauteilen anliefen, konnte eine in zwei Bauphasen gegliederte Instandsetzung geplant werden. Das darin definierte Instandsetzungsziel beinhaltet unter anderem die Wiederherstellung des beschädigten Klinkermauerwerks der Gewölbebögen mittels Rasterinjektion und die Querverspannung der Gewölbebögen. Die Bedeutung des denkmalgeschützten Bauwerks erforderte auch die Erfüllung sehr umfangreicher denkmalpflegerischer Aufgaben, welche in die Instandsetzungsplanung und -ausführung zu integrieren waren. Aufgrund der verkehrlichen Bedeutung für die Landeshauptstadt Magdeburg waren sämtliche Arbeiten unter vollem Verkehr auszuführen. Aktuell befindet sich die Instandsetzung in der zweiten Bauphase, noch in der Umsetzung. Die Fertigstellung ist für Dezember 2020 avisiert. Ein wichtiger Meilenstein wurde jedoch bereits im Dezember 2019 mit dem Abschluss der „Statischen Sicherung der 11 Gewölbebögen“ erreicht. 282 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg Abb. 1: Luftaufnahme Anna-Ebert-Brücke von Südwesten 1. Historie und Verkehrsbedeutung Zur Brückeneinweihung am 10. Juni 1882 war die Anna-Ebert-Brücke, damals noch Lange-Brücke genannt, reich verziert. Den seitlichen Abschluss bildete eine durchbrochene Sandstein-Balustrade mit Granitabdeckung. Über den Gruppenpfeilern befanden sich verzierte, ca. 7 m hohe, Obelisken. Als Brückenwächter dienten ursprünglich vier überlebensgroße Löwenskulpturen aus hellem Kalkstein, die auf Postamenten über den beiden Widerlagervorköpfen thronten. Die verbliebenen Pilaster und Gewölbeschlusssteine sind mit stark plastischen Reliefs, die Wappen, Tierkreiszeichen sowie Köpfe von Göttern und Fabelwesen zeigen, verziert. Deren Entwürfe sind auf die Bildhauer Emil Hundrieser und Ernst Habs zurückzuführen. Die Anna-Ebert-Brücke steht unter Denkmalschutz und gilt, u. a. wegen der zuvor beschriebenen reichlichen Verzierungen, als größtes und bedeutendstes wilheminisches Bauwerk ihrer Art in Sachsen-Anhalt [3]. Die Brückenzier ist heute nur noch zum Teil vorhanden, teilweise stark beschädigt und musste im Rahmen der beschriebenen Baumaßnahme gesichert bzw. auch an vielen Stellen rekonstruiert werden. Die Balustrade wurde dem Verfall preisgegeben und in den 1960´er Jahren durch eine geschlossene Mauer ersetzt, an deren Stelle wiederum in den 1970er Jahren ein schmuckloses Füllstabgeländer gebaut wurde. Dabei erfolgte die Entsorgung der Überreste der Balustrade, der seitlichen Konsolverbreiterungen der Gehbahnen, aber auch von Obelisken, Wappensteinen und weiteren Elementen der Bauzier durch Verkippen in die Alte Elbe. Schäden durch Kriegseinwirkungen betreffen vornehmlich die Untersichten und Ansichten der Gewölbebogen. Wahrscheinlich hat die Druckwelle einer neben der Brücke explodierenden Luftmine zu einem Teilversatz des Brückenpfeilers 1 geführt hat. Historisch bedeutend und später auch eine Erschwernis für das hier beschriebene Projekt, ist der Zusammenhang der Brückenerrichtung mit der Magdeburger Festung. Wesentliche Hochwasserschäden aus der Vergangenheit vor 2013 sind nicht bekannt. Die Anna-Ebert-Brücke ist in der Landeshauptstadt Magdeburg von hoher verkehrlicher Bedeutung, da sie als Bestandteil von nur zwei verfügbaren Brückenzügen die Elbquerung ermöglicht. Täglich wird die Brücke durch ca. 25.000 PKW und in Spitzenzeiten durch zusätzlich 360 Straßenbahnen befahren. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 283 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg Abb. 2: Lage der Anna-Ebert-Brücke (Quelle: google earth) 2. Konstruktion und Bauweise Mit einer Gesamtlänge von ca. 194 m zwischen den Widerlagern überspannt die Anna-Ebert-Brücke die Alte Elbe, einen durch die Insel Rothehorn im Zentrum von Magdeburg gebildeten Seitenarm der Stromelbe. Das Tragwerk der Brücke bilden 11 aus Klinkern gemauerte, flache Kreissegmentbögen, für die ca. 750.000 Klinker vermauert worden sind. Die Bögen stützen sich auf den beiden Widerlagern, zwei mächtigen Gruppenpfeilern sowie acht Zwischenpfeilern ab. Widerlager und Pfeiler bestehen außen aus feinfugig versetzten und vergossenen Werksteinquadern aus Sächsischem Sandstein und im Kern aus einem Konglomerat aus gebrochenem, hochfestem Kalkstein und Mörtel. Kämpfersteine und Stirnringe bestehen aus mächtigen, bossierten Sandsteinquadern. Vor und hinter den Pfeilern sind massige Vorköpfe, aus großen, abgerundeten Sandsteinblöcken bestehend, angeordnet. Über die Gründung der Brücke lagen zum Planungszeitpunkt nur unzureichende Angaben vor. In historischen Quellen wird eine Gründung direkt auf dem Fels beschrieben, der ca. 2 m bis 7,5 m unter dem Flussgrund ansteht und stark verspringt [2]. Im Strombereich der Alten Elbe sind an einigen Pfeilern die Überreste von Spundkästen aus Eichenpfählen vorhanden. Der Aufbau der zwei Pfeilertypen ist Abb. 3 zu entnehmen. Abb. 3: Teilschnitte durch die Pfeiler der AEB Die zwischen den Geländern 11,6 m breite Geh- und Fahrbahn ist auf einem, den Raum oberhalb der zwischen 0,9 m und 1,3 m dicken Gewölbebögen vollständig ausgleichenden Füllmauerwerk aus aufgelagert. Dort sind schätzungsweise weitere 750.000 Ziegel verbaut worden. Eine 19 cm bis 27 cm dicke, bewehrte Lastverteilungsplatte liegt seit Mitte der 1990er Jahre zwischen Füllmauerwerk und Fahrbahnaufbau. Ein Planauszug der nördlichen Brückenansicht ist in der Abb. 4 auf der folgenden Seite dargestellt. Abb. 4: Nordansicht der Brücke 3. Untersuchungen Die Durchführung zahlreicher Untersuchungen ist aus Bestandsunterlagen der Brücke in ihren annährend 140 Betriebsjahren mehr oder meist weniger detailliert überliefert. Eine akribische Durchsicht dieser Unterlagen war Bestandteil der Planung. Hier aufgeführte Untersuchungen beschränken sich auf die Zeit ab 1990 und den Zeitraum der beschriebenen Planung. 3.1 Vorangegangene Untersuchungen Wahrscheinlich bedingt durch die schon in den 1990er Jahren vorhandene hohe Verkehrsbelastung, gab es frühzeitig signifikante Schäden am Bauwerk. Auch die Schä- 284 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg den durch Kriegseinwirkungen wurden nicht vollständig beseitigt. Die Erkenntnisse mehrerer statischer Nachrechnungen des Brückentragwerks aus den Jahren 1990, 1995 und 2014 dienten für die Planungsarbeiten als erste rechnerische Grundlage. Bemerkenswert dabei war zum einen die Begleitung der Nachrechnungen 1995 und 2014 durch aufwändige Belastungsmessungen und zum anderen die bis nach 1995 noch immer gegebene hohe Lasteinstufung (Brückenklasse 30/ 30) des Bauwerks. Zu diesem Zeitpunkt war die Ertüchtigung des Überbaus mit einer Lastverteilungsplatte und einer Instandsetzung der Brückenabdichtung kurz vor der Umsetzung. Erst mit der messwertgestützten Nachrechnung 2014 wird dokumentiert, dass eine Einstufung des Bauwerks nach Eurocode nicht möglich ist. Zunehmend wurden Schäden verzeichnet, mit denen eine Verschlechterung der Zustandsnote von 2,7 auf 3,8 im Rahmen der Zustandskontrolle im Zeitraum zwischen 1999 und 2014 verbunden war. Als Maßnahme nach der Hauptprüfung 2013 wurden bereits verkehrliche Einschränkungen für den Straßenbahnverkehr veranlasst und eine Verkürzung des Prüfintervalls auf zwei Jahre empfohlen [7]. Als wesentliches, wiederkehrendes Schadensbild werden Längsrisse in den Gewölben verzeichnet. Rissursachen und -entwicklung wurden jedoch bis dahin nicht detailliert dokumentiert. Ein Rissmonitoring beschränkte sich auf die an sich unkritischen Stirnringrisse. Ergebnisse von Baugrund- und Gründungsuntersuchungen, bei unklarer Gründungssituation und bekannt komplizierten Baugrundverhältnissen im Bereich der Alten-Elbe, lagen, über kurze textliche Erwähnungen hinausgehend, nicht vor. Bis auf die Flügelwände beider Widerlager, waren augenscheinlich jedoch auch keine Gründungsschäden vorhanden. Die Dokumentation eines Tauchereinsatzes im Zusammenhang mit der Hauptprüfung 2013, zeigt teilweise fehlenden Kolkschutz und ausgewaschene Fugen der Strompfeilern. Erste Erkenntnisse zum Bauwerksaufbau konnten mehrfache Entnahmen von Probekörpern zu unterschiedlichen Prüfungszeitpunkten aus dem Sandstein der Pfeiler und der Stirnringe und aus dem Mauerwerk der Gewölbe und der Aufmauerung im Zuge der vorgenannten Untersuchungen liefern. Wesentlich ist die Erkenntnis der starken Durchfeuchtung der Gewölbebögen, die auch nach der eigentlichen Instandsetzung der Brückenabdichtung 1995 in Prüfberichten adressiert wird. Weiterhin wurden die Materialeigenschaft von Klinkern und Natursteinen untersucht, wobei bei den Klinkern die mittlere Druckfestigkeit 1990 bei ca. 40 N/ mm² und 2009 bei ca. 32 N/ mm² liegt. Von den verwendeten Mörteln wurden nur Festigkeiten im Bereich der Gewölbe, nicht aber die chemische Zusammensetzung, untersucht. 3.2 Ergänzende Untersuchungen Aus dem Vorkapitel ist zusammenfassend festzustellen, dass mehrfach umfangreiche Untersuchungen durchgeführt wurden, ohne dass, vom Ertüchtigungsversuch des Überbaus 1995 abgesehen, die Erkenntnisse zielgerichtet in Instandsetzungsmaßnahmen umgesetzt werden konnten. Als Ergebnis war eine stetige Verschlechterung des Bauwerkszustandes über die Nutzungsdauer festzustellen. Im Rahmen einer nach dem Jahrhunderthochwasser 2014 durchgeführten Sonderprüfung, ging eine erste Kostenschätzung von ca. 3,5 Mio. € für die statische Ertüchtigung der Anna-Ebert-Brücke aus. Aufgrund der weiteren Zustandsverschlechterung als Folge des Hochwassers 2013 wurde 2015 eine weitere Prüfung aus besonderem Anlass von der Landeshauptstadt beauftragt. Dabei wurde erstmals ein detailliertes Rissaufmaß und fotogrammetrisch gestütztes Schadenskataster aller Gewölbebögen erarbeitet. In Abbildung 5 ist dies beispielhaft für den am stärksten geschädigten Bogen 4 (BG 4) dargestellt. Die aufgenommenen Risse sind in Magenta hervorgehoben. Abb. 5: Riss- und Schadensaufmaß am Beispiel des BG 4 Den ergänzenden Untersuchungen sind weiterhin alle Arbeiten zugeordnet, die im Zusammenhang mit der Instandsetzungsplanung zur Feststellung differenzierter Schadensbilder und zum Beibringen der für die Instandsetzung notwendigen Information, z. B. zur tiefergehenden Erkundung vom Aufbau der Brücke, ausgeführt wurden. Auch die Grundlagen zur Erstellung von Bestands- und Planungszeichnungen mit ausreichendem Detaillierungsgrad waren praktisch nicht vorhanden. In Ergänzung zur Ingenieurvermessung wurde daher zur Zeichnungserstellung eine Fotogrammmetrie der Gewölbe und Unterbauten beauftragt. Das war auch erforderlich, um den Aufwand zur Zeichnungserstellung bei der Bauteilkomplexität unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu begrenzen. Auch innovative Verfahren, wie z. B. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 285 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg die Infrarot-Thermografie kam zum Einsatz, um Hohllagen im Mauerwerk aufzuspüren. Weitergehende materialtechnische Laboruntersuchungen mit erneuter Entnahme von Probekörpern aus Gewölben, Stirnmauerwerk und Pfeilern wurden beauftragt. Positiv hervorzuheben ist die Herangehensweise der Landeshauptstadt Magdeburg, die für umfangreiche Voruntersuchungen die notwendigen Mittel bei vereinfachten Vergabemodalitäten bereitgestellt hat. In dieser Phase wurden vorausschauend bereits die Denkmalbehörden eingebunden sowie die Erarbeitung eines umfassenden restauratorischen Gutachtens veranlasst. Hier auszugsweise zu nennende Untersuchungen sind: - Probeinjektion im Gewölbebogen 2 - Probefugeninstandsetzung des Klinker- und des Natursteinmauerwerks der Unterbauten - Reinigungsverfahren auf Natur- und Kunststein - Materialuntersuchungen von Restaurierungsmaterialien mit Unterstützung eines hoch spezialisierten und sehr engagierten Mörtelherstellers - Chemische Laboruntersuchungen zur Belastung des Mauerwerks und zu Materialzusammensetzungen Da keinerlei Zeichen für Gründungsschäden festzustellen waren, wurden keine derartigen Untersuchungen durchgeführt, was sich in der Ausführung aus problematisch herausgestellt hat. 3.3 Untersuchungsergebnisse Als am stärksten geschädigt galt bis zur Nachrechnung von 2104 der Bogen 8, der durch Bombensplittereinwirkung großflächige Oberflächenschäden aufwies. Aus dem detaillierten Rissaufmaß ging jedoch hervor, dass mittlerweile der Zustand vom BG 4 (s. Abb. 5) deutlich schlechter zu bewerten war. Mehrere parallele Längsrisse, teilweise über die komplette Gewölbelänge, unterteilten den Bogen in einzelne Lamellen mit teilweise sehr geringen Breiten unter 2,5 m. Auf der Basis des Rissaufmaßes wurde eine Nachrechnung vorgenommen. Einzelne Gewölbebögen der Brücke waren danach für die bereits reduzierte Verkehrsbelastung nicht mehr nachweisbar. Schwerpunkte der Instandsetzung waren damit zum einen die Ertüchtigung des Gewölbemauerwerks und zum anderen die Sicherung der notwendigen Querverteilung der Lasten in den Gewölbebögen. Auf Grund der vorgefundenen Schäden und des kritischen Ausmaßes im BG 4 wurde, als weitere Sondermaßnahme ein teilautomatisiertes Bauwerksmonitoring mittels Extensiometern geplant und installiert. Übliche Maßnahmen, wie ein nochmals verkürztes Prüfintervall oder eine vermessungstechnische Lagekontrolle, waren aufgrund der baulichen Gegebenheiten sowie des möglichen Versagensmechanismus nicht umsetzbar. Aus der Probeinjektion im Gewölbe 2 konnten wertvolle Informationen gewonnen werden. Die grundsätzliche Schwierigkeit bestand darin, ein Injektionsmaterial mit einer an die Mauerwerksfestigkeit angepasster Festigkeit und guten Fließeigenschaften zu finden. Ein in der Denkmalpflege eingesetztes Standardmaterial erwies sich als ungeeignet, da die Fließeigenschaften für die Gegebenheiten unzureichend waren. Im handwerklich hervorragend ausgeführten Sandsteinmauerwerk entsprach bspw. die Injektionsmenge einem verfüllten Hohlraumgehalt von ca. 1,2 Vol. % und im Klinkermauerwerk ca. 0,7 Vol. % bei maximalen Injektionsmengen bis zu 15 l/ Packer. Das ursprünglich angedachte Injektionsraster musste von 4 auf 8 Packer je/ m² erhöht werden. Der desolate Zustand der äußeren Mauerwerksschale des Klinkermauerwerks führte zu der Erkenntnis, dass die Fugeninstandsetzung der Injektion zwingend vorlaufen muss, da sonst ein praktisch nicht umsetzbarer Verdämmungsumfang entsteht. Anhand von in den Probeinstandsetzungen der Fugen und des Klinker- und Natursteinmauerwerks angelegten Musterflächen konnten Materialien, deren Farbigkeit und Ausführungsdetails zur Einarbeitung in das spätere Leistungsverzeichnis der Instandsetzung am denkmalgeschmützten Objekt gemeinsam mit der Restauratorin und der Denkmalpflege festgelegt werden. Da Gewölbe und Unterbauten auch ausgeprägte, großflächige Verkrustungen, Aussinterungen und Graffiti aufwiesen, konnten die notwendigen Reinigungsverfahren festgelegt werden. Chemische Reiniger erwiesen sich auf dem Sandstein als ungeeignet. Abrasive Reinigungsverfahren, z. B. Hochdruck-Heißwasserwasserwaschen mit bis zu 500 bar, führten zu hohen Schädigungen bei sämtlichen Materialien an der Brücke, daher werden Restverschmutzungen zugunsten schonender Reinigungsverfahren in Kauf genommen. Als Ergebnis der Materialuntersuchungen konnten aus den Bemusterungen Fugen- und Antragungsmörtel festgelegt werden, die auch in die Ausschreibung einfließen konnten. Wie zu erwarten war, liegt infolge des jahrzehntelangen Einsatzes von Tausalzen, in Verbindungen mit der mangelhaften Abdichtung, eine sehr hohe Salzbelastung vor. In Laboruntersuchungen der entnommenen Proben aus dem Klinkermauerwerk konnten Chloridgehalte bis zu 0,54 M % nachgewiesen werden. Im Vergleich dazu zeigt der Sandstein, außer an den exponierten Pfeilervorköpfen, eine deutlich geringere Belastung. Dies war bei der Materialauswahl, z. B. durch eine geeignete Mörtelauswahl zu berücksichtigen. Die in Teilbereichen ermittelten Feuchtekonzentrationen in den Unterbauten lassen auf einen Durchfeuchtungsgrad von bis zu 100 % schließen. Auch unter Berücksichtigung früherer Prüfbemerkungen ist davon auszugehen, dass dieser Zustand schon lange andauert. Bindemittelanalysen waren ebenfalls für die Auswahl von geeigneten Injektionsmaterialien und Mörteln unerlässlich. Bei der Errichtung wurden Romankalk als Fugen- und Vergussmörtel der Sandsteine und hydrauli- 286 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg scher Kalk sowie Kalk-Zementmörtel für die Klinkergewölbe eingesetzt. In Teilbereichen nachgewiesene Gipsanteile werden in den labortechnischen Untersuchungen [8] auf Einwirkungen von Schwefeldioxid aus der Luft zurückgeführt. Da in der Vergangenheit bereits umfangreiche Bohrkernentnahmen- und Untersuchungen stattgefunden haben (vgl. 3.1), wurden aus den Untersuchungen gezielt fehlende Informationen gewonnen. So konnten Druckfestigkeiten des Konglomerats in den Pfeilerkernen im Mittel von 78,4 N/ mm² und 67,3 N/ mm² bei augenscheinlich sehr homogener Gefügezusammensetzung festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der Bedeutung des Denkmals und zur Vervollständigung der Voruntersuchungen, wurden durch die restauratorische Bestandserfassung und die Erstellung eines umfangreichen restauratorischen Gutachtens, die benötigten Arbeitsanweisungen für sämtliche Bauteile zur Verfügung gestellt. 4. Instandsetzungskonzept Die einleitend geschilderte verkehrliche Bedeutung und die Komplexität der Instandsetzungsaufgabe waren maßgeblich in der Entwicklung des Instandsetzungskonzepts. Durch den zwingend aufrecht zu erhaltenden Verkehr war es nicht möglich, den bei einer derartigen Instandsetzung erforderlichen ersten Schritt, das Abdichten des Bauwerks von oben, vorzunehmen. Es war somit klar, dass auch nach der statischen Sicherung weiterhin Wasser von der Oberseite in die Gewölbe und Unterbauten gelangen wird und diese weiter schädigt. Als weitere Prämisse galt die Ausführung der Maßnahme in zwei Bauphasen. Dies ermöglichte das Planen einer örtlich begrenzten Notsicherung in Bauphase 1 zur Beseitigung der unmittelbaren Gefahr eines Bauwerksversagens. Außerdem bot die Aufteilung auch die Möglichkeit, gewonnene Erkenntnisse für die Umsetzung der Hauptleistung in Bauphase 2 zu nutzen. Weiterhin war bei weiterer Zunahme der Schäden im Bogen 4 eine Vollsperrung der Brücke nicht mehr auszuschließen, wodurch eine zeitliche Vorspannung bestand. 4.1 Instandsetzungsziele und Nicht-Ziele Aus den oben genannten Prämissen lassen sich folgende, hier nur stichpunktartig gefasste, wichtige Instandsetzungsziele ableiten: - Beseitigung der Schäden am und im Klinkermauerwerk der Gewölbebögen - Homogenisierung des gemauerten Tragwerks durch Rasterinjektion - Wiederherstellen der Quertragwirkung der Gewölbebögen durch Einbau von leicht vorgespannten Horizontalankern - Austausch geschädigter Sandsteine von Stirnringen und Pfeilern - Vollständige Erneuerung der Verfugung des Natursteinmauerwerks - Beseitigung von Kriegsschäden - Erneuerung der Fahrdrahtaufhängung der Straßenbahn und der Brückenbeleuchtung - Denkmalschutzgerechte Ausführung der Leistung und weitgehende Beschränkung auf den Einsatz mineralischer Materialien - Schnittstellentauglichkeit aller Leistungen zum zukünftigen, zweiten Bauabschnitt - Notsicherung als Behelfsbrücke mit dem Hauptziel der weiteren verkehrlichen Nutzung bis zur Fertigstellung des neuen Strombrückenzugs - Ausführung unter strengen Naturschutzauflagen - Winterbau zur Einhaltung der zeitlichen Vorgaben - Ausführung unter Verkehr mit nur minimalen nächtlichen Sperrpausen Wichtig war es auch in der Planung, auf Grund der zuvor beschriebenen Randbedingungen, u. a. folgende Punkte für die anstehende Maßnahme auszuschließen: - Abdichtung des Brückenüberbaus - Instandsetzung der Entwässerung des Überbaus - Wiederherstellung der ursprünglichen Breite des Überbaus - Vollständige denkmalschutzgerechte Wiederherstellung 5. Vergabe Mit dem geschilderten Leistungsumfang und den für die Maßnahme berechneten Kosten musste das Bauvorhaben jeweils europaweit ausgeschrieben werden. Die Komplexität der Arbeiten zeigt sich u. a. in einem Leistungsverzeichnis mit mehr als 500 Einzelpositionen. Aus Sicht der Planer ist die aktuelle Vergabepraxis nach EU-Recht für ein solches Vorhaben mit einem derartigen Anspruch an die Ausführungsqualität und die denkmalpflegerischen Anforderungen, nicht zielführend, da der damit einhergehende Preiswettbewerb nicht zwingend zu der notwendigen Ausführungsqualität führt. Die Verfahrensführung erfolgte durch die Zentrale Vergabestelle der Landeshauptstadt Magdeburg. Im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb wurden in Bauphase 1 aus einem Teilnehmerkreis von 11 Firmen in einem ersten Schritt drei geeignete Bieter ermittelt, welche nach Prüfung und Vervollständigung der Bewerbungsunterlagen dann zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert wurden. Für die Vergabe der Bauphase 2 musste das Verfahren trotz nachgewiesener Leistungsfähigkeit der Ausführungsbetriebe und der bereits gewonnenen Erfahrungen erneut durchgeführt werden. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 287 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg Eine besondere Schwierigkeit bestand darin, die sehr unterschiedlichen Hauptleistungen - Spezialinstandsetzung und Restaurierung mit hohem denkmalpflegerischem Anspruch in einem Projekt zu bündeln. Die zuvor erwähnte Ausführung in zwei Bauphasen war mit dem Risiko von zwei Vergaben an unterschiedliche Ausführungsbetriebe verbunden, eröffnet aber auch die Möglichkeit gewonnene Erfahrung in das Hauptprojekt einfließen zu lassen und die Massen- und Kostensicherheit zu erhöhen. 6. Ausführung der Instandsetzungsmaßnahme Zunächst muss an dieser Stelle auf die urbane Lage der Brücke verwiesen werden. Wie bereits beschrieben, befindet sich das Bauwerk in enger räumlicher Bebauung (vergleiche Abb. 2). Des Weiteren grenzen an die Anna- Ebert-Brücke FFH-Gebiete, welche die Flächenverfügbarkeit für eine Baustelleneinrichtung ebenfalls beeinträchtigen. Die zwei Weltkriege beschädigten nicht nur die Brücke sondern sie führten auch dazu, dass im Rahmen der Ausführung erhebliche Kampfmittelsondierungen durchzuführen waren. Diese beinhalteten sowohl Flächenals auch Tiefensondierungen für die Gründung umfangreicher Baubehelfe. Gemäß der Ausschreibung beinhaltet das Baustellenlogistikkonzept eine zentrale BE-Fläche auf der Westseite, eine kleinere BE-Fläche auf der Ostseite, zwei Turmdrehkrane und einen Spundwandkasten inkl. Fahrdämme. Letzterer Kasten sollte eine Trockenlegung der Pfeilerschäfte ermöglichen. Dies wird in der nachfolgenden Abbildung 6 dargestellt. Abb. 6: Schnitt d. Baubehelfe (Quelle: Planungsbüro BACH+BACH) Das Gerüstbaukonzept sah vor, die Gewölbebögen mittels Standgerüst im Schutz des Spundwandkastens einzurüsten. Lediglich in der Hauptströmungsachse der „Alten Elbe“ war ein Hängegerüst geplant. Hierbei sollten immer zwei nebeneinanderliegende Gewölbe eingerüstet und bearbeitet werden. Ein drittes Gerüst sollte für einen entsprechenden Vorlauf als „Springer“ fungieren, sodass auch nach Abschluss eines Gewölbes ein zweites direkt zur Bearbeitung zur Verfügung stehen sollte. 6.1 Vorbereitende Arbeiten Gerüstbau, Kampfmittelsondierung Im Zuge der vorbereitenden Arbeiten sind zunächst die bereitgestellten Flächen des AG´s eingemessen und gegenüber der FFH-Gebiete mittels eines Schutzzaunes abgegrenzt worden. Die außerhalb des Gewässers liegenden BE-Flächen konnten via Flächensondierung von Kampfmitteln befreit werden. Die Baubehelfe im Gewässer wurden unter Aufsicht von Feuerwerkern im Rahmen der Kampfmittelsondierung begleitet. Die Gründungsebenen der Turmdrehkrane und der Spundwände wurden im Vorfeld über Tiefensondierungen auf Kampfmittel überprüft. Bis auf zwei Verdachtsfälle, Munition und kleinerer Granaten wurden glücklicherweise keine größeren Objekte vorgefunden. Abb. 7: Hängegerüst Bogen 8 Nachdem die Dämme in die „Alte Elbe“ eingebracht wurden, sollte mit der Errichtung des Spundwandkastens begonnen werden. Es zeigte sich jedoch nach kurzer Bearbeitungszeit, dass der anstehende Felshorizont deutlich höher angetroffen wurde. Infolgedessen musste die Ausführung der geplanten Leistung unterbrochen werden. Nach weiteren Untersuchungen und in Abstimmung mit allen Beteiligten musste festgestellt werden, dass die Erstellung einer trocknenden Baugrube wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Aus diesem Grund musste nachträglich der gesamte Bauablauf sowohl technisch als auch organisatorisch grundlegend überarbeitet werden. Die Gerüste konnten im Bereich der Ufer als Standgerüst aufgebaut werden. Im Bereich des Gewässers wurden die Gerüste, wie in Abbildung 7 dargestellt, vollständig als Hängegerüst ausgebildet. Aufgrund der technischen Änderung der Gerüste folgte eine organisatorische Änderung des Bauablaufes. Dies war notwendig, da die Last der Hängegerüste teilweise über die Pfeiler abgetragen wurde. Aus diesem Zusammenhang konnten die Pfeiler nicht zeitgleich mit den Gewölben bearbeitet werden. Hieraus resultierte, dass die Bearbeitung der Pfeiler im Nachgang zu den Gewölben erfolgen musste. Die Scheibengerüste der Pfeiler 288 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg wurde auf kleinen Erweiterungen der beiden Dämme in Pfeilerachse aufgestellt. Sämtliche Arbeiten wurden in enger Abstimmung mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt abgestimmt. Das Ergebnis der Abstimmung wurde in einem Gerüstrückbaukonzept festgehalten. In diesem Konzept wurden wasserstandsbezogene Arbeitsanweisungen hinterlegt. 6.2 Statische Sicherung Im Wesentlichen besteht die statische Sicherung der Anna-Ebert-Brücke aus insgesamt drei Arbeitsschritten, wobei der erste nur indirekt zur statischen Sicherung beiträgt. Es handelt sich hierbei um die Widerherstellung des Klinkermauerwerks der Gewölbeuntersichten. Dieser Arbeitsschritt ist aufgrund des erheblichen Verdämmungsumfanges aus wirtschaftlicher Sicht zwingend notwendig. Der zweite Schritt der statischen Sicherung beinhaltet die Wiederherstellung eines homogenisierten Tragwerkes mittels Rasterinjektion. Diese wurde sowohl in den Untersichten der Gewölbe als auch in den Pfeilern und den Widerlagern der Brücke ausgeführt. Der letzte Schritt der statischen Sicherung umfasst die Ertüchtigung der Quertragwirkung der Gewölbebögen durch den Einbau von vorgespannten Horizontalankern. 6.2.1 Rasterinjektion Bei der Ausführung der Rasterinjektion kamen grundlegend zwei verschiedene Injektionsraster zur Anwendung. Im Bereich der Pfeiler wurden ca. vier Injektionspacker pro Quadratmeter eingebaut. Die eingebrachten Injektionsbohrungen wurden drehendschlagend bis auf eine Tiefe bis ca. 150 cm erstellt. Der Durchmesser betrug hierbei 18 mm. Die Injektion der Gewölbeunterseiten erfolgte, abweichend von der Probemaßnahme, über ca. zwölf Packer je Quadratmeter, wobei diese ebenfalls einen Durchmesser von 18 mm aufwiesen. Die Rasterverdichtung ist aufgrund eines deutlich besseren Injektionserfolges vorgenommen worden. Festgestellt wurde dies in der 1. Bauphase, durch anlegen weiterer Probeflächen. Die Tiefe der Injektionsbohrung im Gewölbe betrug jedoch lediglich 90 cm. Bei beiden Injektionsrastern wurden Schraubpacker verwendet (siehe Abbildung 8). Abb. 8: Injektionsraster Gewölbeuntersicht (Quelle: Ingenieurbüro Bruno Timme) Damit ein optimales Injektionsergebnis erzielt werden konnte, wurden die Injektionen vertikal aufsteigend ausgeführt. Dies bedeutet, dass die Pfeiler vom Sockel aufsteigend zum Kämpferbereich verpresst wurden. Die Gewölbe wurden jeweils mit zwei Injektionsanlagen ausgehend vom Kämpfer zum Gewölbescheitel verpresst. Gemäß Ausschreibungsunterlagen wurden druck- und mengengesteuerte Injektionsanlagen zum Einsatz gebracht. Für die Aufbereitung des Materials ist eine hochtourige Mischanlage eingesetzt worden. Durch Umpumpen in einen entsprechenden Pufferbehälter konnte durch konstante Rührgeschwindigkeit mit einem hohen Aufschlussgrad bis zu 11000 U/ min die Pumpbarkeit des Verpressgutes gewährleistet werden. Die Verwendung von Doppelplungerpumpen garantierte einen konstanten Verpressdruck und eine gleichbleibende Fördermenge bei beständigen Materialeigenschaften. Die Steuerungs- und Datenspeichereinheit sicherte die Nachvollziehbarkeit der Verpressung und ermöglichte eine Abrechnung der Injektionsarbeiten nach Verpressmenge und -zeit. Die automatische Verpressdrucküberwachung visualisierte fortlaufend die Momentanwerte, die über elektronische Druck- und Mengensensoren kontinuierlich erfasst wurden. Eingebracht wurde eine Suspension mit einem Bindemittel- Größtkorn von d95 < 40μm und einer Druckfestigkeit von ca. 15 N/ mm². Im Zuge der Verpressarbeiten wurden im Mittel je Gewölbe 14.300 ltr. Suspension verpresst. Dies stellt durchschnittlich ein Volumen von ca. 5,7 Litern pro Packer dar. Die Qualitätssicherung der Injektionsarbeiten erfolgte gemäß Ausschreibungsunterlagen. Diese umfassten umfangreiche grafische Auswertungen und Überwachungen der Injektionsdaten sowie Prüfungen am Bauwerk, am frischen und ausgehärteten Injektionsgut. In Abbildung 9 ist beispielhaft eine grafische Auswertung zu einem Gewölbebogen dargestellt. Es wurden alle Packer mit der aufgenommenen Menge in einer Grafik zusammengefasst. Nur auf diesem Weg ist, aufgrund der hohen Anzahl an Packern (ca. 2.300 Stück pro Gewölbe), eine nachvollziehbare Darstellung möglich. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 289 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg Abb. 9: Grafische Auswertung Die oben genannten Prüfungen am Bauwerk beinhalteten WD-Versuche und Bohrkernentnahmen. Die durchgeführten W/ D-Versuche dienten vor der Injektion zur Erfassung der Ausgangslage und nach der Injektion als Nachweis zur Erreichung des Injektionsziels. Die W/ D- Versuche der Ausgangslage wurden in den W/ D-Bohrungen gemessen, die Nachweise „Reduzierung der Wasserwegigkeiten“ werden mit Erreichen des vorgegebenen Lugeon-Wertes in den Kontrollbohrungen verifiziert. Grundsätzlich wurden die Kontrollbohrungen erst nach ausreichender Erhärtung des Injektionsgutes der Gewölbebögen abgeteuft. Ein Großteil der Kontrollbohrungen wurden im späteren Verlauf zu Fledermausschlafplätzen ausgebaut. Eine visuelle Begutachtung des Injektionserfolgs war anhand der Bohrkerne der Horizontalanker möglich. Diese wiesen eine deutlich erkennbare Füllung der Klüfte und Wegigkeiten mit Zement auf. Die Dokumentation erfolgte mittels Kamerabefahrung. Die Prüfung des angemischten Injektionsguts während der Ausführung erfolgte durch eine permanente Eigenüberwachung der angemischten Suspensionen nach DWA Merkblatt 506 (Bestimmung der Rohdichte, Temperatur, Auslaufzeit Marshtrichter, Sedimentation, Fließgrenze und Viskosität). Zur Qualitätskontrolle des erhärteten Injektionsguts wurde die Bestimmung der Rohdichte, sowie der Druck- und Biegezugfestigkeit der Zementsuspension an hergestellten Prismen durchgeführt. 6.2.2 Einbau der Horizontalanker Im Zuge der Sanierungsarbeiten an der „Anna-Ebert- Brücke“ in Magdeburg war es notwendig, Spannanker in die Gewölbebögen einzubauen um diese zu sichern. Insgesamt wurden je Gewölbebogen zwölf Anker verbaut. Abb. 10: Lage d. Horizontalanker (Quelle: Planungsbüro BACH+BACH) Die Spannanker befinden sich, wie in Abbildung 10 dargestellt, in der Gewölbeunterseite. Sie weisen einen Abstand von ca. 50 cm von der Unterkante der Gewölbebögen auf. Die Regelausführung beinhaltet einen „doppelten“ Ankerkopf, der zum Einen das eigentliche Gewölbe spannt und zum Anderen eine Sicherung der Stirnringe darstellt. Diese Ausführung wird in der folgenden Abbildung 11 dargestellt. Abb. 11: Detail des doppelten Ankerkopf (Quelle: Planungsbüro BACH+BACH) Für das Einbringen der Ankerbohrungen ist ein hydraulisches Bohrgerät verwendet worden. Die Bohrungen entstanden im Endlosbohrverfahren mit Diamantkopfbesatz. Das Spülwasser wurde dem Trinkwassernetz der Stadt Magdeburg entnommen. Der Spannvorgang erfolgte mittels zweier unterschiedlicher Hohlkolbenzylinder, da während der Ausführung festgestellt wurde, dass ein größerer Zylinder einen besseren Arbeitsablauf garantierte. Während des Spannvorganges sollte sichergestellt werden, dass keinerlei Krafteinleitungen für die Vorspannung über die Stirnringe erfolgt. Die Vorgehensweise an den Gewölben beinhaltete das Spannen der Anker vom Kämpferbereich in den 290 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg Gewölbebogenscheitel. Dies bedeutet, dass zunächst abwechselnd die Anker im Bereich der Kämpfer gespannt wurden und anschließend der jeweils nächste Anker in Richtung Gewölbescheitel. Grundlegend wird der Einbau der Horizontalanker in vier Arbeitsabläufe eingeteilt. Hierbei umfasst der Erste das Erstellen der Horizontalbohrungen für die Befestigung der Stirnringsteine, inklusive der händisch eingebrachten Nuten. Darauffolgend werden die Anker eingebaut und gespannt, wobei in diesem Fall die Vorspannkraft 215 kN betrug. Nachdem ein Gewölbe vollständig gespannt wurde, werden die Ankerkanäle (Hohlraum zwischen Horizontalanker und Bohrungswandung) verpresst. Der abschließende vierte Arbeitsgang umfasst das Befestigen der Stirnringe mittels Spritzbetonplombe. 6.3 Natursteinarbeiten und denkmalpflegerische Restauration Im Zuge der Notsicherung der Anna-Ebert-Brücke wurde neben der statischen Instandsetzung auch eine denkmalgerechte Restauration der Natur- und Kunststeine nötig. Hierbei umfasste der Arbeitsumfang neben der bereits erwähnten Instandsetzung der Brückenunterseiten auch die Instandsetzung der Pfeilerschäfte sowie der Gewölbebogenansichten. Im Bereich der Brückenunterseiten sind Kunststeine vorzufinden, welche als Klinkersteine ausgebildet sind. Hier wurden sowohl ein umfangreicher Steinersatz als auch Antragungen durchgeführt. Des Weiteren sind sämtliche Fugen erneuert worden. In den weiteren Bereichen der Brücke wurden ausschließlich Natursteine verbaut, für deren Restauration vorwiegend Antragungen, Formergänzungen sowie Vierungen verbaut wurden. Eine Besonderheit der Antragung und Formergänzung ist, dass die Antragungsbzw. Ergänzungsmasse vor der Verarbeitung dem Bauteil entsprechend eingefärbt wurde. Dieser außergewöhnliche Arbeitsschritt ist aufgrund der hohen Salzbelastung der Brücke notwendig. Die üblicherweise eingesetzten Retuschen würden in kurzer Zeit durch Salzausblühungen wieder zerstört werden. Die hohe Salzbelastung der Brücke führte weiterhin dazu, dass die eingesetzten Vierungen und Ersatzsteine zur Restauration einen sehr hohen Qualitätsstandard entsprechen müssen. Neben den üblicherweise bekannten Maßnahmen zur denkmalpflegerischen Widerherstellung werden außerdem bis heute umfangreiche Arbeiten an der Brückenzier durchgeführt. Diese umfassen die Restauration und Wiederherstellung der Wappen und Schlusssteine sowie die Aufarbeitung der Pfeilervorkopfabdeckung. 6.4 Sonstige Arbeiten Im Rahmen der statischen Sicherung wurde zudem die Fahrdrahtanlage der Straßenbahn erneuert. Hierzu wurden die vorhandenen Maste der Anlage zurückgebaut und neue Mastfundamente inkl. Fahrleitungsmasten erstellt. Das Besondere an den Fundamenten ist, dass sie durch eine Rückverankerung an die Brücke gehangen werden. Dabei bestehen die Anker in Summe aus vier eingeklebten Stahlankern. Jeder Anker weist eine Länge von 4 Metern und einen Durchmesser von 32 mm auf. Die Ankerbohrungen wurden mittels hydraulischem Kernbohrgerät in den Brückenkörper abgeteuft. Jede Bohrung ist sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Achse abgeteuft. In Abbildung 12 ist ein Mastfundament exemplarisch dargestellt. Abb. 12: Detail Mastfundament (Quelle: Planungsbüro BACH+BACH 6.5 Besonderheiten Besonders zu erwähnen ist, dass die Baumaßnahme auch im Winter stattfinden musste. Dies war ursprünglich nicht eingeplant, sondern ein Resultat daraus, dass der Bauablauf aufgrund einer nicht zu realisierenden Spundwandkastens grundlegend neu geplant werden musste. Durch die Verschiebung des Projekts in die Wintermonate musste ein erheblicher Aufwand betrieben werden um einen konstanten Bauablauf zu gewährleisten. Dies beinhaltete eine aufwendige Winterschutzeinhausung für die jeweiligen eingerüsteten Gewölbe und eine in diesem Zusammenhang aufgebaute Heizungsanlage für die Bereiche. Als weitere Besonderheit ist anzusehen, dass während der Bauzeit mehrfach Hochwasser herrschte und die errichteten Behelfsdämme in der Elbe mehrfach repariert und teilweise neu hergestellt werden mussten. Bezüglich der durchgeführten Injektionen ist besonders hervorzuheben, dass sehr lange Wegstrecken zwischen dem Injektionskomplex und dem zu verpressenden Bau- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 291 Notsicherung und denkmalgerechte Instandsetzung der Anna-Ebert-Brücke in Magdeburg teil überwunden werden mussten. Hieraus folgten Leitungslängen von bis zu 120 m, welche es vor Witterungseinflüssen zu schützen galt. 7. Schlussbemerkung Die vorherrschenden Gegebenheiten und Eigenschaften der Anna-Ebert-Brücke stellten alle Projektbeteiligten vor eine große Herausforderung. Eine erfolgreiche Instandsetzung konnte nur durch eine intensive Zusammenarbeit realisiert werden. Bogen 4 wurde bereits in 2016 gesichert. Seitdem wurde in diesem Bereich keine neue Längsrissbildung verzeichnet. Die statische Sicherung der übrigen Bögen wurde nun im Jahr 2019 planmäßig abgeschlossen. Die verkehrliche Einschränkungen bleiben jedoch, da die Maßnahme zwar eine Bestandssicherung, nicht aber eine Zustandsverbesserung darstellt. In naher Zukunft wird die Hauptverkehrslast auf den aktuell in Magdeburg entstehenden neuen Brückenzug übergehen. Durch die starke Salzbelastung kann es zu einer Rückversalzung neu eingesetzter Baustoffe kommen, die bereits nach kurzer Zeit zu erneutem Substanzverlust und zu starken Salzablagerungen auf sämtlichen Bauteiloberflächen führen kann. Dies wird vermutlich für ein saniertes Bauwerk eine unbefriedigende Ansicht darstellen. Aus Sicht des Planers ist dies bei vergleichbaren Projekten zu berücksichtigen. In einem 2. Bauabschnitt werden voraussichtlich die vollständige denkmalschutzgerechte Ertüchtigung und die Erneuerung des Oberbaus mit der dringend erforderlichen Brückenabdichtung erfolgen. Literaturverzeichnis [1] BACH + BACH: Sprengstofffund in der Anna- Ebert-Brücke über die Alte Elbe in Magdeburg, VSVI-Jahreszeitung, Magdeburg, 2016 [2] Beer, M.: Über den Brückenbau im Allgemeinen und speziell über die Elbbrücke bei Magdeburg, Blätter für Handel, Gewerbe und soziale Leben, Magdeburg, April 1882 [3] Grimm-Remus, Corinna: Restauratorisches Gutachten zur Erhaltenden Bauzier und Mauerwerksoberflächen, Schadensglossar und Empfehlungen zur Konservierung, Magdeburg, Juni 2016 [4] Beyer, Prof. Dipl.-Ing. Dieter: Gutachten zur Einschätzung der Standsicherheit der Anna-Ebert-Brücke, Magdeburg nach dem Hochwasser 2013, Nr. 4824/ 15, Magdeburg, Dezember 2015 [5] NBI GmbH: Prüfbericht 201/ 09, Nordhausen, September 2009 [6] NBI GmbH: Erweiterter Untersuchungsbericht der Anna-Ebert-Brücke, Materialtechnische Untersuchungen durch Prüfungen nach Vorgabe, Nordhausen, Mai 2016 [7] Schulze, M.: Anna-Ebert-Brücke Prüfbericht 2013 H nach DIN 1076, Magdeburg, Oktober 2013 [8] FEAD GmbH: Materialanalysen Anna-Ebert-Brücke, Magdeburg, Berlin, Juli 2015 8. Kontakt: Felix Bach, Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Eng. BACH + BACH Ingenieure, Planer Große Sorge 3 39217 Schönebeck, OT Pretzien Tel: (039200) 7828-10 Fax: (039200) 7828-11 f.bach@bachundbach.de Jan Rassek, Dipl.-Ing. Geschäftsführer w+s bau-instandsetzung gmbh Crumbacher Straße 23-25 34277 Fuldabrück-Berghausen Tel: (0561) 94878-0 Fax: (0561) 94878-20 jan.rassek@ws-bau.de