eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
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expert verlag Tübingen
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2020
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Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen

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2020
Andreas Jansen
Karsten Geißler
Die Ausreißererkennung mit Methoden des maschinellen Lernens kann genutzt werden, um Bauwerksschäden als Veränderungen in den Messdaten von kontinuierlichen Brückenmessungen zu identifizieren. Damit bietet dieser Ansatz großes Potenzial für die kontinuierliche Strukturüberwachung von Bestandsbrücken. Der vorliegende Aufsatz erläutert das zugrundeliegende Konzept der Ausreißererkennung. Am Beispiel des Monitorings einer Straßenbrücke mit unterschiedlichen Sensortypen werden vier Signalmerkmale zur Strukturüberwachung aufgeführt: die temperaturabhängige Auflagerverschiebung, die Schwingungseigenschaften sowie die Verhältniswerte von Integralen (R-Signatur) und Extremwerten von Dehnungsmessungen während Fahrzeugüberfahrten. Die Abhängigkeiten der Merkmale von äußeren Einflüssen, vorrangig der Temperatureinwirkungen, werden diskutiert. Die Anwendung der Ausreißererkennung mit unterschiedlichen Modellen des maschinellen Lernens wird anhand der Messdaten eines Jahres demonstriert. Dabei erweisen sich die Signalmerkmale der Dehnungsmessdaten als besonders geeignet zur Strukturüberwachung.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 313 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen Andreas Jansen, M.Sc. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland Karsten Geißler, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland Zusammenfassung Die Ausreißererkennung mit Methoden des maschinellen Lernens kann genutzt werden, um Bauwerksschäden als Veränderungen in den Messdaten von kontinuierlichen Brückenmessungen zu identifizieren. Damit bietet dieser Ansatz großes Potenzial für die kontinuierliche Strukturüberwachung von Bestandsbrücken. Der vorliegende Aufsatz erläutert das zugrundeliegende Konzept der Ausreißererkennung. Am Beispiel des Monitorings einer Straßenbrücke mit unterschiedlichen Sensortypen werden vier Signalmerkmale zur Strukturüberwachung aufgeführt: die temperaturabhängige Auflagerverschiebung, die Schwingungseigenschaften sowie die Verhältniswerte von Integralen (R-Signatur) und Extremwerten von Dehnungsmessungen während Fahrzeugüberfahrten. Die Abhängigkeiten der Merkmale von äußeren Einflüssen, vorrangig der Temperatureinwirkungen, werden diskutiert. Die Anwendung der Ausreißererkennung mit unterschiedlichen Modellen des maschinellen Lernens wird anhand der Messdaten eines Jahres demonstriert. Dabei erweisen sich die Signalmerkmale der Dehnungsmessdaten als besonders geeignet zur Strukturüberwachung. 1. Einführung Beim Brückenmonitoring können zwei Bereiche unterschieden werden (Bild 1): zum einen Monitoring als Ergänzung einer statischen Nachrechnung und zum anderen die kontinuierliche Strukturüberwachung, engl. Structural Health Monitoring (SHM). Die Ergänzung der Nachrechnung durch Brückenmonitoring ist Stand der Technik und wird von spezialisierten Firmen bereits kommerziell angeboten. Im Rahmen des Monitorings wird i.d.R. zunächst eine Systemidentifikation vorgenommen, d.h. rechnerische Annahmen werden mittels der Messdaten überprüft und gegebenenfalls angepasst. Häufig wird dazu ein Finite Elemente- Modell anhand der Messdaten kalibriert. Bei einer automatisierten Anpassung der FE- Parameter durch Optimierungsalgorithmen wird von FE-Update gesprochen. Neben einem genaueren Berechnungsmodell bietet Monitoring die Möglichkeit, die Einwirkungen und Beanspruchungen am Bauwerk zu erfassen. Zur messtechnischen Erfassung von Ermüdungsbeanspruchungen können beispielsweise Dehnmessstreifen (DMS) an mehreren Querschnitten appliziert und die Messdaten durch Rainflowzählung ausgewertet werden. Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit kann die Datenauswertung durch Extremwertstatistik erfolgen. Die objektspezifische Beanspruchung kann daraufhin in das Sicherheitskonzept zur Nachrechnung eingeordnet werden [1]. Zur genaueren Identifikation der Einwirkungen besteht neben der direkten Messung von Temperatur und Wind auch die Möglichkeit, Achslasten näherungsweise zu ermitteln. Entsprechende Verfahren werden unter Bridge Weigh-in- Motion (BWiM) zusammengefasst. Außerdem können bauwerksspezifische Fragestellungen, wie die Verfolgung von Rissbewegungen oder Setzungen, auf der Basis von Messungen untersucht werden. Die benötigte Messdauer für Monitoring als Ergänzung zur Nachrechnung erstreckt sich von einem Tag für die Systemidentifikation bis zu mehreren Monaten für die Identifikation von Beanspruchungskollektiven und Einwirkungen. 314 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen Bild 1 Teilbereiche des Brückenmonitorings Bei der Strukturüberwachung ist die Messung keine Ergänzung der Nachrechnung, sondern ein eigenständiges Bewertungsinstrument, durch das ein Bauwerksschaden erkannt werden soll, bevor er ein kritisches Ausmaß annimmt. Die Schadenserkennung wird dadurch erreicht, dass die Messdaten im ungeschädigten Zustand durch ein mathematisches Modell erfasst werden. Ein Schaden kann daraufhin durch die Abweichung neuer Messdaten im Vergleich zu den Vorhersagen des Modells erkannt werden. Als Modelle können physikalische Modelle, oder nichtphysikalische Modelle genutzt werden. Als physikalische Modelle kommen üblicherweise FE-Modelle zum Einsatz, die durch FE-Update kalibriert werden [2]. FE- Modelle bieten den Vorteil, dass der Ort und das Ausmaß eines Schadens, z.B. in Form einer lokalen Steifigkeitsreduktion, direkt bewertet werden kann. Bei FE-Modellen besteht die Schwierigkeit, alle auftretenden Effekte, wie z. B. temperaturabhängige Steifigkeiten zu erfassen. Ein weiterer Nachteil ist die Berechnungsintensität. Nicht-physikalische Modelle erfassen ausschließlich die Struktur der Messdaten. Hier finden zunehmend Methoden des maschinellen Lernens Anwendung [3], insbesondere Ansätze zur Ausreißererkennung. Diese Methoden sind flexibler und weniger berechnungsintensiv als FE- Modelle. Ein Nachteil ist, dass die physikalischen Abhängigkeiten u. U. verborgen bleiben und lediglich die Präsenz einer Abweichung in den Messdaten erkannt werden kann. Diese kann durch einen Bauwerksschaden verursacht werden, aber beispielsweise auch durch einen Sensordefekt. Die Beurteilung einer Abweichung muss unbedingt durch eine Bauingenieur*in erfolgen. Unabhängig von den verwendeten Modellen basieren die meisten Ansätze zur Strukturüberwachung in der Literatur auf der Überwachung des Schwingungsverhaltens der Brücke. Die schwingungsbasierte Strukturüberwachung von Brücken konnte sich allerdings bisher nicht in der Praxis durchsetzen [4]. Aus diesem Grund werden in der jüngeren Forschung verstärkt Signalmerkmale untersucht, die Messungen von Weggrößen, wie Dehnungen [5], Neigungen [6] oder Verschiebungen [7] nutzen. Im Folgenden wird das Konzept der Ausreißererkennung für die Strukturüberwachung dargelegt. Am Beispiel einer Brücke wird ein Messsystem vorgestellt, das unterschiedliche Sensortypen nutzt, um möglichst viele Eigenschaften des Bauwerks zu erfassen. Neben den Schwingungseigenschaften werden drei weitere Signalmerkmale beschrieben, die für eine Strukturüberwachung mittels Ausreißererkennung verwendet werden. Die Abhängigkeiten der Merkmale von äußeren Einflüssen werden beschrieben und eine Ausreißererkennung beispielhaft durchgeführt. 2. Konzept der Ausreißererkennung Mithilfe der Ausreißererkennung sollen Veränderungen des normalen Tragverhaltens durch einen Bauwerksschaden in den Signalen erkannt werden. Ausreißer bzw. Anomalien sind Punkte, die so weit von den restlichen Daten abweichen, dass ein Verdacht besteht, dass sie durch einen anderen Mechanismus entstanden sind [8]. Die Erkennung von Ausreißern ist für eine Vielzahl von Anwendungen relevant. Ein einfacher Fall ist der Ausschluss von Datenpunkten bei der Anpassung von statistischen Verteilungen oder Regressionsgeraden, auch als robuste Anpassung bezeichnet. Komplexere Anwendungsfälle finden sich beispielsweise in der Erkennung von Kreditkartenbetrug und im IT-Sicherheitsbereich. Erste Veröffentlichungen zur Anwendung für die Schadenserkennung bei mechanischen Strukturen finden sich um das Jahr 2000, z. B. [9]. Bild 2 Schematischer Ablauf der Strukturüberwachung mittels Ausreißererkennung Die Ausreißererkennung fällt beim maschinellen Lernen in die Kategorie der Klassifizierung. Maschinelles Lernen soll hier als Oberbegriff für Methoden verstanden werden, die automatisch Muster in Daten erkennen und dadurch Vorhersagen bezüglich neuer Daten erlauben [10]. Die Eingangsgrößen einer Methode des maschinellen Lernens werden Merkmale (Features) genannt. Die 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 315 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen Aussagekraft der Merkmale bestimmt im großen Maße die Güte einer Vorhersage. Für die Strukturüberwachung ist das Ziel der Ausreißererkennung, den momentanen Bauwerkszustand anhand der Messdaten in die Kategorien ungeschädigt (normal) und geschädigt (anomal) zu klassieren. Der Ablauf der Strukturüberwachung einer Brücke mithilfe einer Ausreißererkennung ist schematisch in Bild 2 dargestellt. Die Rohdaten werden zunächst von der Brücke an einen zentralen Server übermittelt. Aus der großen Menge an Rohdaten werden daraufhin Merkmale extrahiert. Abhängig von der Art der Merkmale wird eine Vorverarbeitung der Daten (Abschnitt 4) benötigt. Da die Verkehrseinwirkung beim Brückenmonitoring im Regelfall nicht direkt gemessen werden kann, sollten geeignete Merkmale möglichst unabhängig von der Verkehrseinwirkung sein. Zusätzlich sollten die verwendeten Merkmale möglichst schadenssensitiv sein, sich also im Fall eines Bauwerksschadens wesentlich verändern. Die Ausreißererkennung wird durch einen Vergleich der Merkmale der neuen Messdaten x mit den Vorhersagen x* eines Modells realisiert. Die Abweichung wird dabei auch als Rekonstruktionsfehler ε bezeichnet und wird durch eine geeignete Norm, z.B. der euklidischen Distanz (Gl. 1) oder dem durchschnittlichen absoluten Fehler, berechnet. Überschreitet der Rekonstruktionsfehler eine definierte Schwelle, liegt ein Ausreißer vor. ε(x, x*) = || x x*|| 2 (1) Bei der Strukturüberwachung können als Modelle Regressionsmethoden oder Methoden zur Dimensionsreduktion genutzt werden (Bild 3). Bei Regressionsmethoden wird die Abhängigkeit f(ξ) eines Merkmals x von einer Einflussgröße ξ direkt abgebildet. Dies kann zum Beispiel die Abhängigkeit der Auflagerverschiebung einer Brücke von der Außentemperatur sein. Abhängig von der Art des Zusammenhangs (linear/ nicht-linear) kommen z. B. Lineare-/ Polynomregression, Gauß-Prozess-Regression oder Regression mit neuronalen Netzen infrage. Bei einem Regressionsansatz besteht der Nachteil, dass die Einflussgröße in der Bauwerksmessung aufgezeichnet werden muss. Bild 3 Ansätze für die Ausreißererkennung: (a) Regression (b) Dimensionsreduktion mit anschließender Rekonstruktion Bei einem Ansatz über eine Dimensionsreduktion besteht der Aufbau aus einer Funktion f e (x), die eine Transformation der Merkmale x auf eine Variable ξ* in einem reduzierten Raum durchführt. Diese Funktion wird Encoder genannt. Die Variable ξ* enthält die wesentliche Information der Daten, auch Code oder latente Repräsentation genannt. Eine zweite Funktion f d (x), der Decoder, rekonstruiert die ursprünglichen Merkmale x* anhand der latenten Repräsentation. Als Beispiel sollen die Auflagerverschiebung und die Eigenfrequenz einer Brücke betrachtet werden. Angenommen bei beiden Merkmalen besteht eine Temperaturabhängigkeit, so können die Merkmale mittels des Encoders aus dem zweidimensionalen Raum auf die eindimensionale Variable ξ* reduziert werden. Durch ξ* wird die Temperaturabhängigkeit berücksichtigt, ohne dass diese gemessen wird. Werden mehrere Merkmale mit komplexeren Zusammenhängen berücksichtigt, ist es allerdings nicht gegeben, dass ξ* direkt einer realen physikalischen Einflussgröße ξ entspricht. Im Fall einer Temperaturabhängigkeit ist diese einfach zu messen. Der Vorteil eines solchen Vorgehens besteht allerdings darin, dass auch andere Einflüsse, die schwieriger zu messen sind, erfasst werden, z.B. Abhängigkeiten von Fahrzeugeigenschaften während Überfahrten. Eine einfache Methode zur Dimensionsreduktion ist die Hauptkomponentenanalyse, engl. Principal Component Analysis (PCA). Mit der Hauptkomponentenanalyse kann ein Datensatz mit korrelierenden Variablen auf eine Linearkombination weniger unkorrelierter Variablen (Hauptkomponenten) reduziert werden [10]. Es handelt sich um eine lineare Transformation. Sollen auch nicht lineare Zusammenhänge abgebildet werden, eignen sich Ansätze mit neuronalen Netzen, sogenannte Autoencoder [10]. Je nach Aufbau der neuronalen Netze und der Art der verwendeten Schichten können äußerst komplexe Zusammenhänge berücksichtigt werden. Mit mehrschichtigen Netzen (Deep Learning) und Schichten, die auch zeitliche Abhängigkeiten erfassen können, z.B. Long Short-Term Memory- (LSTM-) Schichten, ist es theoretisch möglich, die Rohdaten direkt zu verarbeiten 316 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen und damit auf eine Vorverarbeitung und eine Extraktion von Merkmalen gänzlich zu verzichten (Bild 2). Ein solches Vorgehen ist allerdings zunächst sehr rechenintensiv und für die Anwender*in u. U. nur schwer zu interpretieren. 3. Bauwerk und Messsystem Die Merkmale zur Strukturüberwachung sollen anhand einer einfeldrigen im Grundriss gekrümmten (R = 525 m) Stahlhohlkastenbrücke der Stützweite L = 47 m mit schiefwinkliger Lagerung aus dem Jahr 1971 demonstriert werden. Die Brücke überführt eine stark befahrene Bundesstraße auf zwei getrennten Überbauten. Der Verkehr wurde aufgrund von Korrosionsschäden von zwei Spuren auf derzeit eine Spur je Überbau begrenzt. Das Messsystem nutzt unterschiedliche Sensortypen, um verschiedene Eigenschaften der Brücke kontinuierlich zu überwachen (Bild 4). Ziel der Konzeption des Messsystems ist es, mit einer geringen Anzahl an Sensoren sowohl globale Eigenschaften der Brücke wie die temperaturbedingte Auflagerverschiebung oder Eigenfrequenzen als auch lokale Beanspruchungen durch DMS zu erfassen. Je Überbau wird die Verschiebung der Rollenlager (Bild 4b) auf der Loslagerseite mit jeweils einem induktiven Wegaufnehmer (WA) gemessen (a-wa, b-wa in Bild 4a). Mithilfe von zwei Beschleunigungsaufnehmern (BA) in Feldmitte wird das Schwingungsverhalten der Brücke aufgezeichnet. Insgesamt sechs DMS befinden sich je Überbau in Feldmitte an den Stegblechen der jeweiligen Hauptträger (HT). Aufgrund der Schiefwinkligkeit liegen die Sensoren am HT-a und HT-b (b01-b04, a01, a02 in Bild 4a) nicht in einem Querschnitt. Die befahrene Fahrspur (FS) 2 liegt oberhalb des HT-b. Weitere DMS zur Erfassung von Fahrzeuglasten befinden sich an den Fahrbahnrippen und den Querträgern. Diese Sensoren werden für die Strukturüberwachung allerdings nicht berücksichtigt. (a) (b) Bild 4 Auszug der verwendeten Sensorik: (a) DMS im Querschnitt in Feldmitte, (b) Wegaufnehmer am Rollenlager des HT-b Die Bauwerks- und Außentemperatur wird mit insgesamt 10 Temperatursensoren gemessen. In der Auswertung hat sich gezeigt, dass vor allem die Temperatur unterhalb des Deckblechs und am Untergurt einen Einfluss hat. Aus der Differenz der beiden Temperaturen ergibt sich ein Temperaturgradient ΔT über der Querschnittshöhe. Die Sensoren werden mit 50 Hz abgetastet. In der folgenden Auswertung werden die Messdaten eines Jahres für einen Überbau betrachtet. 4. Datenvorverarbeitung Für die Berechnung der Merkmale müssen die Signale zunächst in ihre Anteile aufgeteilt werden. Die Signale von Sensoren, die Weggrößen messen, setzen sich bei kleineren Straßenbrücken vorrangig aus einem langwelligen Anteil aus Temperatureinwirkung und einem kurzwelligen Anteil aus Verkehrseinwirkung zusammen. Die Signalanteile können außerdem in statische Anteile mit Frequenzen, die wesentlich niedriger sind als die Eigenfrequenzen des Bauwerks und dynamische Anteile mit Frequenzen in der Nähe und oberhalb der Eigenfrequenzen zerlegt werden. Ein letzter Signalanteil besteht aus Messfehlern, wie z. B. elektrischem Rauschen, Brummen oder Sensordrifts. Im Rahmen der Vorverarbeitung der Messdaten der DMS und der WA wird der Anteil aus Temperatur- und Verkehrseinwirkung getrennt (Bild 5). Die weiteren Signalanteile zeigen nur einen geringen Einfluss, weshalb auf eine weitere Trennung verzichtet wird. Die Merkmale werden dann separat für den Temperaturanteil x T (Abschnitt 5.1) und den Anteil aus Verkehr x V berechnet. Als Merkmale während Verkehrseinwirkung wird das numerische Integral I (Abschnitt 5.3) und der Extremwert E (Abschnitt 5.4) je Überfahrt betrachtet (vgl. Bild 5a). Die Messdaten der Beschleunigungssensoren enthalten nur dynamische Anteile. Die Vorverarbeitung der Daten für die Modalanalyse (Abschnitt 5.2) beschränkt sich auf eine Trendbereinigung, sodass die Zeitreihen einen Mittelwert von Null haben. Die Datenvorverarbeitung und die Extraktion der Merkmale erfolgen automatisiert in einem Datenbanksystem. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 317 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen (a) (b) Bild 5 Datenvorverarbeitung durch Trennung der Signalanteile aus Verkehrs- und Temperatureinwirkung: (a) Detailansicht für Sensor b01mit Extremwert E und Integral I als Merkmal, (b) Tagesverlauf für Sensor b-wa 5. Merkmale 5.1 Auflagerverschiebung durch Temperatureinwirkung Aus den Signalen der WA an den Rollenlagern wird die temperaturabhängige Auflagerverschiebung als Merkmal extrahiert. Nach der Trennung der Signalanteile wird dazu der Mittelwert von x T je 15-Minuten Zeitfenster gebildet. Durch die Berechnung dieses Merkmals soll die Funktionsfähigkeit des Lagers überwacht werden und Schäden, wie das Blockieren eines Lagers, erkannt werden. Der zeitliche Verlauf der Messdaten ist in Bild 6 zu sehen. Der Verlauf der Verschiebung ist bei beiden Lagern synchron. Am Sensor a-wa kam es im Mai und Juni 2019 zu Ausfällen. Während Wartungsarbeiten am 09.04.2020 hat sich die Kalibrierung der Sensoren verändert. Die Veränderung der Kalibrierung lässt sich einfach in den Daten entfernen, allerdings soll sie hier beibehalten werden, um zu demonstrieren, wie die Abweichung mittels der Ausreißererkennung identifiziert werden kann (Abschnitt 6). Bild 6 Verlauf der temperaturbedingten Auflagerverschiebungen über den Messzeitraum In Bild 7 ist die Auflagerverschiebung des Rollenlagers in Abhängigkeit der Temperatur unterhalb des Deckblechs dargestellt. Es ist zu sehen, dass sich nahezu ein linearer Zusammenhang ergibt. Dieser lineare Zusammenhang kann durch lineare Regression (LR, n in = 1) angenähert werden. Wird in der Regression zusätzlich die Temperatur am Untergurt als Eingangswert berücksichtig (n in = 2), kann ein größerer Anteil der Varianz der Daten erfasst werden. Bild 7 Auflagerverschiebung in Abhängigkeit von der Temperatur unterhalb des Deckblechs mit linearer Regression 5.2 Schwingungseigenschaften Ein Vorteil der Schwingungseigenschaften (Eigenfrequenzen, Schwingungsform und modale Dämpfung) als Merkmale besteht darin, dass sie bei Straßenbrücken i.d.R. nur unwesentlich von der Verkehrsbelastung abhängig sind und dadurch unter Betriebsbedingungen einfach bestimmt werden können. Allerdings besteht der Nachteil, dass sich insbesondere Eigenfrequenzen infolge von Bauwerksschäden nur geringfügig ändern. Zusätzlich unterliegen die Eigenfrequenzen Variationen infolge von Temperatureinwirkungen, die deutlich größer sein können als Veränderungen durch Schäden. Als 318 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen eine wesentliche Einflussgröße wird dabei die temperaturabhängige Steifigkeit des Asphaltbelags identifiziert, s. a. [11]. Aus den Beschleunigungsmessdaten werden Eigenfrequenzen und Schwingungsformen mithilfe der Frequency Domain Decomposition (FDD) berechnet [12]. Es erfolgt eine automatische Erkennung von lokalen Maxima in den Spektren des ersten und zweiten Singulärwerts. Es wird zunächst angenommen, dass die Verkehrseinwirkung bei der betrachteten Brücke nur einen geringen Einfluss hat. Aus diesem Grund erfolgt die Modalanalyse ohne eine Trennung unterschiedlicher Signalanteile jeweils für Zeitfenster von 15 Minuten. Die Frequenzen und Schwingungsformen der Maxima werden gespeichert. Auf eine Ermittlung der modalen Dämpfung wird verzichtet. Drei Schwingungen mit Mittelwerten der Frequenzen von f 1 = 2.20 Hz (Biegung), f 2 = 3.38 Hz (Torsion), f 3 = 8.95 Hz (Biegung) können verlässlich identifiziert werden. Der zeitliche Verlauf der Eigenfrequenzen ist in Bild 8 dargestellt. Insbesondere bei f 3 lässt sich eine Temperaturabhängigkeit feststellen. Bei f 1 zeigt sich ein sprunghafter nicht-linearer Anstieg bei Temperaturen um 0 °C (Bild 10). Ähnliche Beobachtungen zeigen Veröffentlichungen zu anderen Brücken [11]. Bild 8 Verlauf der Eigenfrequenzen über den Messzeitraum Für die Eigenfrequenzen wird aufgrund der nicht-linearen Eigenschaften ein Regressionsansatz mit einem neuronalen Netz, ein Multi-Layer Perceptron (MLP) [10], mit einer versteckten Schicht (25 Neuronen, TanH- Aktivierungsfunktion, Adam-Solver), gewählt. Zunächst wird nur die Temperatur unterhalb des Deckblechs als Eingangsgröße genutzt (n in = 1). Die Ergebnisse sind in Bild 9 dargestellt. Ähnlich wie bei der Auflagerverschiebung zeigt sich, dass ein größerer Anteil der Varianz der Daten durch die zusätzliche Berücksichtigung der Temperatur am Untergurt erfasst werden kann (n in = 2). Dies gilt hauptsächlich für Temperaturen über 25 °C. Es zeigt sich, dass im Bereich zwischen 0 °C und 30 °C weiterhin größere Abweichungen zwischen dem Modell und den Messdaten bestehen. Hier ist zu klären, ob die Verkehrseinwirkung eine weitere Einflussgröße ist. Beispielsweise könnte die Haftreibung der Lager erst ab einer gewissen Verkehrslast überwunden sein, wodurch die Eigenfrequenzen beeinflusst werden. Für diesen Fall ist die Modalanalyse für ein 15 Minuten- Zeitfenster ungeeignet, stattdessen ist eine Analyse des Ausschwingverhaltens der Brücke jeweils unmittelbar nach einer Überfahrt zielführender. Bild 9 Erste Eigenfrequenz in Abhängigkeit von der Temperatur unterhalb des Deckblechs mit MLP-Regression Im Bereich von tiefen Temperaturen (< 3 °C) kommt es hier ebenfalls zu größeren Abweichungen, s. Bild 9. Da der Messzeitraum in ein relativ warmes Jahr fällt, liegen für diese niedrigen Temperaturen nur wenige Daten vor, was die Güte der Anpassung des Modells in diesem Bereich negativ beeinflusst. 5.3 Integrale Für ein Fahrzeug, das eine Brücke genau mittig auf der Fahrspur quert, kann gezeigt werden, dass das Integral I k über das Signal s k eines Sensors k, der eine Weggröße misst, proportional zur Masse und reziprok proportional zur Geschwindigkeit des querenden Fahrzeugs ist [13]. Ein Einfluss der Fahrzeuggeometrie, also der Achsabstände besteht nicht. Wird der Verhältniswert zwischen dem Integral I j des Sensors j und dem Integral I k des Sensors k betrachtet, so entfällt die Fahrzeugmasse sowie die Geschwindigkeit und der Wert ist theoretisch konstant (Gl. 2). R(s j , s k ) = I j / I k = const. (2) Dieser Verhältniswert wird als R-Wert bezeichnet und in einer anderen Veröffentlich der Autoren, die zeitnah erscheinen soll, genauer behandelt [14]. Die R-Werte aller möglichen Sensorpaare können in einem Vektor zusammengefasst werden. Dieser Vektor wird als R-Signatur bezeichnet. Ähnlich einer Schwingungsform gibt die R-Signatur Auskunft über die Steifigkeitsverteilung im Tragwerk. Ändert sich die Steifigkeitsverteilung durch 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 319 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen einen Bauwerksschaden, zeichnet sich dies in der R-Signatur ab. Simulationen mit einem FE-Modell, in dem ein unterschiedlich langer Riss in den Untergurt des beschriebenen Bauwerks eingeprägt wird, zeigen, dass die R-Signatur deutlich empfindlicher auf diesen Schaden reagiert, als die vorab betrachteten Eigenfrequenzen. Entsprechend erweist sich die R-Signatur als ein sehr geeignetes Merkmal zur Strukturüberwachung. In Realität variieren die Positionen in Brückenquerrichtung, in denen Fahrzeuge die Brücke queren. Es zeigt sich (Bild 10a), dass die Variation dieser Spurlage innerhalb einer Fahrspur einen annähernd linearen Einfluss auf die R-Werte zwischen den verschiedenen Sensorpaaren hat. Diese Beobachtung deckt sich mit den Ergebnissen der Simulationen [14]. Dieser lineare Zusammenhang von einer Größe, die nicht gemessen wird, kann in geeigneter Weise durch die Hauptkomponentenanalyse erfasst werden [10]. In Bild 10a ist die Richtung der ersten Hauptkomponente (PC 1) dargestellt. Neben der Spurlage ist ein schwacher linearer Einfluss der Temperatur zu verzeichnen (Bild 10b). Der Verlauf von drei R-Werten über den Messzeitraum ist in Bild 11 dargestellt. Insgesamt stehen im Messzeitraum rund 110.000 Überfahrten von Fahrzeugen über 7.5 t zur Verfügung. Der Mittelwert und die Varianz der Merkmale bleiben über den Messzeitraum annähernd konstant. Werden die Mittelwerte je Tag betrachtet, verringert sich der Einfluss der Spurlage und der Einfluss der Temperatur ist schwach erkennbar. (a) (b) Bild 10 (a) Lineare Abhängigkeiten zwischen R-Werten mit erster Hauptkomponente (PC 1), (b) R-Wert in Abhängigkeit von der Temperatur unterhalb des Deckblechs mit linearer Regression Bild 11 Verlauf von drei R-Werten über den Messzeitraum 320 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen Bild 12 Verlauf von drei M-Werten über den Messzeitraum 5.4 Extremwerte Als viertes Signalmerkmal soll der Verhältniswert der Extremwerte, also der Minimal- und Maximalwerte, zwischen den Signalen s verschiedener Sensoren j und k während einzelnen Fahrzeugüberfahrten betrachtet werden (Bild 5, Gl. 3). Dieser Zusammenhang wird mit M bezeichnet. M(s j , s k ) = E j / E k (3) Anders als der R-Wert ist das Verhältnis der Extremwerte abhängig von der Fahrzeuggeometrie, also den Achsabständen. Es zeigt sich allerdings, dass dieser Einfluss für die betrachteten Sensoren gering ist. Der zeitliche Verlauf für drei Sensorpaare ist in Bild 12 zu sehen. Der Mittelwert und die Varianz der Merkmale bleiben über den Messzeitraum annähernd konstant. Die Abhängigkeiten von der Spurlage und der Temperatur ergeben sich äquivalent zu den R-Werten. 6. Anwendung der Ausreißererkennung Eine Ausreißererkennung wird exemplarisch anhand der vorgestellten Merkmale durchgeführt. Um eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Merkmale zu erhalten, werden die Daten zunächst standardisiert, so dass sich für jedes Merkmal ein Mittelwert von 0 und eine Standardabweichung von 1 ergeben. Für die Auflagerverschiebung und die Eigenfrequenzen wird ein Regressionsansatz, für die Integrale und Extremwerte ein Ansatz über eine Dimensionsreduktion mit anschließender Rekonstruktion mittels Hauptkomponentenanalyse verwendet. Die Modelle werden anhand der Daten von Mai 2019 bis einschließlich Februar 2020 angepasst (Lernphase). Dabei werden nur 80 % der Daten der Lernphase für die eigentliche Anpassung verwendet (Trainingsdaten) und 20 % für die Validierung des Modells (Testdaten). Nur wenn sich ein vergleichbarer Fehler bei der Anwendung des Modells auf die Trainings- und die Testdaten ergibt, gilt das Modell als valide. Als Anwendungsphase wird März und April 2020 definiert. Für die Ausreißererkennung wird die durchschnittliche Summe der absoluten Fehler als Rekonstruktionsfehler betrachtet. Da es insbesondere bei den Merkmalen, die einzelne Überfahrten bewerten, vereinzelt zu großen Fehlern kommt, wird der Median des Rekonstruktionsfehlers je Tag für die Ausreißererkennung herangezogen. Eine Schwelle für den Rekonstruktionsfehler, ab der ein Tag als Ausreißer gewertet wird, kann durch Anpassungen von Verteilungsfunktionen statistisch begründet werden. Hier wird vereinfacht das empirische 99%-Quantil des Medians des Rekonstruktionsfehlers der Lernphase verwendet. Als Merkmal für die temperaturbedingte Auflagerverschiebung werden die Daten des Sensors b-wa genutzt. Als Modell wird die lineare Regression (n in = 2) mit der Temperatur unterhalb des Deckblechs und am Untergurt verwendet (Abschnitt 5.1, Bild 7). Der zeitliche Verlauf des Rekonstruktionsfehlers ist in Bild 13a zu sehen. Im Vergleich zu den anderen Merkmalen unterliegt der Fehler nur wenigen Streuungen innerhalb eines Tages. Allerdings zeigt sich, dass das Modell nicht alle Einflussgrößen abbildet und es insbesondere im Mai 2019 und März 2020 zu größeren Fehlerwerten kommt. Die veränderte Kalibrierung am 09.04.2020 ist klar als Ausreißer zu identifizieren. Dies demonstriert, dass z. B. Sensorausfälle durch das Vorgehen erkannt werden können. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 321 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen (a) (b) (c) (d) Bild 13 Anwendung der Ausreißererkennung - Verlauf der Rekonstruktionsfehler: (a) temperaturbedingte Auflagerverschiebung am Auflager HT-b, (b) Erste Eigenfrequenz, (c) R-Werte, (d) M-Werte Für die Überwachung der Eigenfrequenzen wird die erste Eigenfrequenz mit dem Regressionsmodell MLPR (n in = 2) betrachtet (Abschnitt 5.2, Bild 9). Hier kommt es in der Lernphase zu vereinzelten Ausreißern (Bild 13b). Dies ist durch die Abweichung zwischen Modell und Messung für gewisse Temperaturbereiche zu erklären (Abschnitt 5.2). Für die überwiegende Zeit, insbesondere für den Anwendungszeitraum, liefert die Rekonstruktion relativ konstante Fehler. Für die Verhältniswerte der Integrale und der Extremwerte werden die Sensoren am b01, b02, a01 und a02 berücksichtigt. Es ergeben sich sechs verschiedene Sensorpaare je Merkmal. Mithilfe der Hauptkomponentenanalyse werden die jeweils sechs Verhältniswerte auf eine Linearkombination von drei Hauptkomponenten reduziert. Es zeigt sich, dass durch drei Hauptkomponenten nahezu die gesamte Varianz der Daten erfasst wird. Die Anzahl an Hauptkomponenten stimmt außerdem mit der Anzahl der bekannten Einflüsse überein: der Spurlage, der Temperatur unterhalb des Deckblechs und der Temperaturgradient. Der durchschnittliche Rekonstruktionsfehler für die R-Signatur ist in Bild 13c und für die Verhältniswerte der Extrema in Bild 13d dargestellt. Bei beiden Fehlergrößen ergeben sich für einzelne Überfahrten innerhalb eines Tages vereinzelt höhere Werte. Der Median je Tag bleibt allerdings für den gesamten Messzeitraum konstant niedrig, insbesondere im Vergleich zu den anderen Merkmalen. Zusammen mit den Simulationen (siehe [14]) bestätigt sich, dass sowohl die R-Signatur als auch die Verhältniswerte der Extrema geeignete Merkmale zur Strukturüberwachung darstellen. In der Anwendungsphase wird nur für die Auflagerverschiebung ein Ausreißer erkannt. Dies spricht dafür, dass der verursachende Mechanismus entweder ein Sensorschaden oder ein Bauwerksschaden mit sehr lokalem Einfluss ist. Im vorliegenden Fall ist bekannt, dass die Neukalibrierung des Sensors den Ausreißer verursacht. Bei einer unbekannten Ursache muss sowohl das Messsystem als auch das Bauwerk auf Schäden untersucht werden. 7. Schlussfolgerungen und weitere Forschung Durch eine Kombination der Merkmale aus Wegmessungen an den Auflagern, Beschleunigungs- und Dehnungsmessungen überwacht das vorgestellte System eine Bandbreite an Bauwerkseigenschaften. Die Merkmale, die aus den Dehnungsmessungen extrahiert werden (R- und M- Werte) zeigen nahezu konstante Rekonstruktionsfehler über den Verlauf der Messung und erweisen sich damit 322 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ausreißererkennung zur Strukturüberwachung von Bestandsbrücken durch Bauwerksmonitoring mit vier Signalmerkmalen als besonders geeignet für die Strukturüberwachung. In der Anwendungsphase der Ausreißererkennung wird demonstriert, dass eine Veränderung der Signalmerkmale durch eine Neukalibrierung eines Sensors erkannt wird. Aus den Untersuchungen ergeben sich folgende weitere Forschungsansätze: • Es ist zu untersuchen, welche Bauwerksschäden und ab welchem Schadensausmaß diese durch das System sicher erkannt werden können. Da 1: 1 Versuche mit gezielter Schadenseinprägung für Brücken quasi nicht möglich sind, muss das zunächst durch FE- Simulationen erfolgen. In diesen Simulationen müssen die komplexen Temperatureinflüsse auf die Bauwerkseigenschaften detailliert berücksichtigt werden. • Bei der temperaturbedingten Auflagerverschiebung und der ersten Eigenfrequenzen kann das verwendete Modell nicht alle real auftretenden Variationen abbilden. Hier wird geprüft, ob die Modelle verbessert werden können. Bei den Eigenfrequenzen wird weiterhin untersucht, ob durch eine Modalanalyse je Überfahrt Einflüsse durch das Fahrzeuggewicht identifizierbar sind. • Im weiteren Verlauf der Messung wird sich zeigen, wie das System auf ungewöhnlich hohe oder tiefe Temperaturen reagiert. Da die Modelle in Bereichen mit wenigen Daten schlechter angepasst sind, werden für extreme Temperatureinwirkungen größere Rekonstruktionsfehler erwartet. Hier ist zu untersuchen, wie eine Bewertung der Struktur unter außergewöhnlicher Einwirkung erfolgen kann. • Bisher werden separate Modelle für die unterschiedlichen Merkmale verwendet. Es ist zu prüfen, ob es Vorteile birgt, die Merkmale aller Sensoren in einem einzigen Modell zu vereinen. Aufgrund der nicht-linearen Eigenschaften der Eigenfrequenzen, ist hierzu ein Autoencoder ein geeigneter Ansatz. Danksagung: Die Autoren möchten sich beim Landesbetrieb für Straßenwesen Brandenburg für die Bereitstellung der Messdaten und die Ergebnisdiskussion bedanken. 8. Literatur [1] Geißler, K.; Steffens, N.; Stein, R.: Grundlagen der sicherheitsäquivalenten Bewertung von Brücken mit Bauwerksmonitoring. In: Stahlbau 88 (2019), Heft 4, S. 338-353. [2] Teughels, A.; De Roeck, G.: Damage detection and parameter identification by finite element model updating. In: Revue Européenne de Génie Civil, Vol. 9 (2005), Iss. 1-2, pp. 109-158. [3] Farrar, C. R.; Worden, K.: Structural health monitoring: a machine learning perspective. John Wiley & Sons, Chichester, 2012. [4] Brownjohn, J. M.; De Stefano, A.; Xu, Y. L. et al.: Vibration-based monitoring of civil infrastructure: challenges and successes. In: Journal of Civil Structural Health Monitoring, Vol. 1 (2011), Iss. 3-4, pp. 79-95. 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