eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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2020
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Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken

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2020
Marian Ralbovsky
Dominik Prammer
Alois Vorwagner
Bei der Anwendung von Brückenüberwachung wird oft das Ziel der Früherkennung von Schäden verfolgt, um eventuell eine Warnung auszusenden und risikoreduzierende Maßnahmen einzuleiten. In diesem neuen System „Brücke-Überwachung-Maßnahme“ spielt die Zuverlässigkeit der Überwachungsanlage eine wichtige Rolle. Wenn ein bestimmtes Niveau der operativen Zuverlässigkeit gewährleistet werden soll, muss u.a. die Frage der Zuverlässigkeit des Überwachungssystems beantwortet werden. Zu diesem Zweck wurde eine Umfrage unter erfahrenen Betreibern von Überwachungssystemen durchgeführt und Daten über die Ausfallraten verschiedener Komponenten wurden gesammelt. Die gewonnenen Informationen wurden statistisch evaluiert und probabilistische Verteilungen für Ausfallraten verschiedener Komponenten wurden ermittelt. Diese Untersuchung liefert Basisdaten, die verwendet werden können, um die Zuverlässigkeit von Überwachungssystemen abzuschätzen, wenn keine spezifischeren Informationen über das verwendete Überwachungssystem vorhanden sind.
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4. Brückenkolloquium - September 2020 339 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken Marian Ralbovsky AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Wien, Österreich Dominik Prammer AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Wien, Österreich Alois Vorwagner AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Wien, Österreich Zusammenfassung Bei der Anwendung von Brückenüberwachung wird oft das Ziel der Früherkennung von Schäden verfolgt, um eventuell eine Warnung auszusenden und risikoreduzierende Maßnahmen einzuleiten. In diesem neuen System „Brücke-Überwachung-Maßnahme“ spielt die Zuverlässigkeit der Überwachungsanlage eine wichtige Rolle. Wenn ein bestimmtes Niveau der operativen Zuverlässigkeit gewährleistet werden soll, muss u.a. die Frage der Zuverlässigkeit des Überwachungssystems beantwortet werden. Zu diesem Zweck wurde eine Umfrage unter erfahrenen Betreibern von Überwachungssystemen durchgeführt und Daten über die Ausfallraten verschiedener Komponenten wurden gesammelt. Die gewonnenen Informationen wurden statistisch evaluiert und probabilistische Verteilungen für Ausfallraten verschiedener Komponenten wurden ermittelt. Diese Untersuchung liefert Basisdaten, die verwendet werden können, um die Zuverlässigkeit von Überwachungssystemen abzuschätzen, wenn keine spezifischeren Informationen über das verwendete Überwachungssystem vorhanden sind. 1. Einführung Die messtechnische Überwachung der Brückentragwerke dient der kontinuierlichen Erfassung von Messgrößen, die für die Erhaltungsplanung oder die Nutzung des Tragwerks relevante Informationen liefern. Die klassische Art der Anwendung von Überwachungssystemen sieht vor, die Entwicklung von bekannten Tragwerksschäden (z.B. Risse, Setzungen) zu verfolgen. Dies ist eine Weiterentwicklung der Einzelmessungen bei Sonderprüfmethoden im Zuge von Tragwerksprüfungen. Weiterhin wurde versucht, auch aus Messdaten von unbeschädigten Tragwerken Indikatoren abzuleiten, die auf potenzielle Degradation des Tragwerks hinweisen. Hier wurden verschiedene Methoden entwickelt, die meistens auf Vibrationsdaten [1] oder gemessenen Dehnungen [2], [3] basieren und hauptsächlich einen qualitativen Charakter haben. Um den Zustand des Tragwerks auch quantitativ zu bewerten, ist i.d.R. ein Vergleich mit simulierten Schädigungsszenarien notwendig, wie die Literaturbeispiele basierend auf Dehnungsdaten [4] oder Vibrationsdaten [5] zeigen. Neben der Erfassung des Brückenverhaltens im Normalbetrieb werden Überwachungssysteme auch zur Feststellung der Brückenantwort bei Extremereignissen, sowie zur Verifikation der Ausführung vor allem nach Sanierungsarbeiten [6] verwendet. Schon lange etabliert ist die Überwachung im Bau, wo die gemessene Brückendeformation den Bauprozess direkt beeinflusst. Insbesondere ist hier die Funktion als Frühwarnsystem bei unplanmäßigen Tragwerkszuständen von Wichtigkeit. Im Normalbetrieb kann ein Überwachungssystem auch als Frühwarnsystem verwendet werden, wenn das kritische Ereignis ein Ankündigungsverhalten hat (d.h. nicht plötzlich auftritt), welches eine Reaktion innerhalb einer angemessenen Zeit erlaubt. Dies ist oft bei Setzungsproblemen der Fall, oder auch bei Rissentwicklung im Stahlbeton. Wenn das kritische Ereignis nicht von der Brückendegradation abhängt, sondern ausschließlich von der Verkehrslast bestimmt wird, müssten die Verkehrslasten in ausreichendem Abstand vor der Brücke gemessen werden, um die Ankunft der überkritischen Verkehrslast an der Brücke rechtzeitig zu verhindern. Diese Problematik wurde z.B. für den Grenzzustand des Kippens bei 1-stützigen Brückenpfeilern in [7] untersucht. Ein Monitoring-basiertes Frühwarnsystem kann in Kombination mit entsprechenden Maßnahmen, die nach Überschreitung der Warnschwelle gesetzt werden, ein 340 4. Brückenkolloquium - September 2020 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken kritisches Ereignis (z.B. Tragwerksversagen) verhindern. Daher beeinflusst ein funktionierendes Frühwarnsystem die Versagenswahrscheinlichkeit der Brücke. Mit der Quantifizierung dieses Einflusses hat sich das Forschungsprojekt [8] beschäftigt, welches auch die Grundlage und Datenbasis für den hier präsentierten Beitrag liefert. Bei der Quantifizierung des Einflusses von Frühwarnsystemen auf die Versagenswahrscheinlichkeit muss auch die Zuverlässigkeit des Frühwarnsystems selbst berücksichtigt werden, denn Überwachungssysteme unterliegen auch Störungen und Ausfällen. Daher muss auch der Fall berücksichtigt werden, wenn das Monitoringsystem temporär nicht funktioniert. Wie zuverlässig die Komponenten eines Monitoringsystems sind, wird in diesem Beitrag gezeigt. 2. Überwachung und Tragwerkszuverlässigkeit In diesem Abschnitt wird schemenhaft der Einfluss von Brückenüberwachung auf die operative Zuverlässigkeit des Tragwerks dargestellt (Bild 1). Aus den Messdaten des Überwachungssystems wird laufend ein Indikator des Brückenzustands ermittelt, der mit der Tragwerkszuverlässigkeit β zusammenhängt. Im Falle der Überschreitung einer Warnschwelle (I warn ) wird eine Warnung ausgelöst und eine entsprechende Maßnahme zur Risikominderung wird eingeleitet. Dazu bietet sich eine Verkehrsbeschränkung oder Brückensperre an. Zwischen den Zeitpunkten der Warnungsauslösung (τ warn ) und der Maßnahmenumsetzung (τ action ) kann sich die Tragwerksschädigung weiterentwickeln. Deshalb sollte die Maßnahme möglichst schnell umgesetzt werden, damit die Zuverlässigkeit nicht den Grenzwert β lim unterschreitet. Bild 1: Schema des Zusammenhangs zwischen Indikator und Tragwerkszuverlässigkeit, sowie der Einfluss der eingeleiteten Maßnahme Durch die temporäre Verkehrsbeschränkung / Brückensperre wird die Tragwerkszuverlässigkeit erstmal nur durch Lastminderung gesteigert (Zeitpunkt τ action ), bis eine Verstärkung oder Sanierung des Tragwerks die Aufnahme des Vollbetriebs wieder erlaubt. Damit die Tragwerkszuverlässigkeit gewährleistet werden kann, muss auch der Fall der Funktionsstörung des Überwachungssystems berücksichtigt werden. Im Falle einer Störung kann der Indikator nicht ermittelt werden, wodurch sich der Zeitpunkt der Maßnahmenumsetzung τaction deutlich verzögern kann, weil die Auslösung der Warnung fehlt. Während bei einer funktionierenden Anlage die Maßnahme innerhalb von wenigen Stunden umgesetzt werden kann, wird bei einer Störung diese Zeit bis auf mehrere Wochen ausgedehnt. Dies beeinflusst die operative Zuverlässigkeit des Systems Brücke-Überwachung-Maßnahme. Deshalb sollten die Störungen möglichst selten vorkommen und deren Behebung möglichst kurz dauern. Die Ausfallsraten der Geräte sowie die Reparaturzeiten werden im Abschnitt 5 dargestellt. 3. Zuverlässigkeit der Messgeräte Über die Zuverlässigkeit der Messgeräte und Messketten sind in der Literatur nur spärliche Informationen zu finden. Das Projekt „Sustainable Bridges“ [9] hat ein Konzept für die Zuverlässigkeit der Messanlagen vorgestellt, in dem die wichtigsten Größen und Zusammenhänge erläutert sind. Aus dieser Quelle wurden die Bezeichnungen und Gleichungen übernommen. Hier ist die Zuverlässigkeit eines Sensors R(t) als die Wahrscheinlichkeit, dass der Sensor zum Zeitpunkt t noch nicht ausgefallen ist, definiert (Gl. 1). Dabei ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Sensorausfalls mit t f bezeichnet. Die Ausfallsrate h(t) ist der Anteil der noch funktionierenden Sensoren, die innerhalb einer Zeiteinheit versagen, d. h. Anzahl der Neuausfälle durch Anzahl der noch funktionierenden Sensoren. Der Zusammenhang zwischen Ausfallsrate h(t) und Zuverlässigkeit R(t) ist durch Gl. 2 gegeben. Gl. 1 Gl. 2 Gl. 3 Obwohl es anzunehmen ist, dass die Ausfallsrate aufgrund der Abnutzung mit der Zeit steigt, wird oft einfachheitshalber eine konstante Ausfallsrate benützt. Bei einer konstanter Ausfallsrate h(t)=λ ergibt sich eine exponentielle Funktion der Sensorzuverlässigkeit (Gl. 3). Diese zwei Fälle sind beispielhaft im Bild 2 dargestellt, wobei der Fall 1 eine steigende und der Fall 2 eine konstante Ausfallsrate (hier λ=3%/ Jahr) annimmt. 4. Brückenkolloquium - September 2020 341 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken Bild 2: Zwei Beispiele des Zusammenhangs zwischen Sensorzuverlässigkeit R und Ausfallsrate h. Weitere wichtige Kennzahlen sind die mittlere Dauer zwischen Ausfällen (MTTF - mean time to failure) und die mittlere Reparaturdauer (MTTR - mean time to repair), aus denen sich die Betriebsbereitschaft (A) ableitet. Die mittlere Dauer zwischen Ausfällen ergibt sich aus der Sensorzuverlässigkeit (Gl. 4) und bei konstanter Ausfallsrate gleicht sie dem Kehrwert der Ausfallsrate (Gl. 5). Die Betriebsbereitschaft A (Gl. 6) beschreibt den Anteil der Zeit, in der der Sensor funktionsfähig ist. Gl. 4 Gl. 5 Gl. 6 Um dieses Konzept anwenden zu können, werden konkrete Werte der Ausfallsraten benötigt. Da diese in der Literatur nicht zu finden waren, wurde eine Umfrage zur Erhebung der nötigen Daten durchgeführt. 4. Erhebung der Erfahrungswerte durch Umfrage Die Umfrage wurde an die Anbieter von Überwachungsdienstleistungen gerichtet, die Dauerüberwachungsanlagen betreiben, und daher Erfahrungen über die tatsächlichen Ausfallraten der Brückenmonitoringsysteme besitzen. Diese Umfrage wurde web-basiert durchgeführt. Es konnten Antworten von 17 Dienstleistern aus Österreich, Deutschland, Portugal, Belgien, Niederlande und Kroatien gesammelt werden. In dieser Umfrage wurden insbesondere die Erfahrungen mit Ausfallsraten einzelner Komponenten der Überwachungsanlagen abgefragt. Neben den Erfahrungen mit verschiedenen Sensortypen wurde hier auch auf die Ausfallsraten anderer Komponenten, wie z.B. Signalwandler, Industrie-PC und der Fernkommunikation, eingegangen. Weiterhin wurden auch Informationen zur geschätzten Reparaturdauer gesammelt, sowie Informationen über die Erfahrung der Dienstleister, wie z.B. die Anzahl der bisher betriebenen Anlagen. Um die Umfrage benutzerfreundlich zu gestalten, wurden die Antwortsoptionen in Form von Wertebereichen vorgegeben. Zum Beispiel bei der Frage „Gemäß Ihrer Erfahrung, wie hoch ist die jährliche Ausfallsrate vom Sensortyp …? “ wurden 5 Antwortsoptionen geboten: a) weniger als 1%, b) 1-2%, c) 2-4%, d) 4-8%, e) mehr als 8%. Bei der Auswertung wurde dann programmintern jedem gebotenen Wertebereich eine probabilistische Verteilung zugewiesen, die die jeweilige ausgewählte Antwort mathematisch beschreibt. Hierbei wurde die Beta-Verteilung benützt, mit einer definierten Unter- und Ober-grenze. Bild 3 zeigt die kumulativen Dichtefunktionen dieser Verteilungen, die den Antworten a) und c) zugewiesen wurden. Bild 3: Angenommene Verteilungen, die den Wertebereichen „weniger als 1%“ (links) und „2-4%“ (rechts) zugewiesen wurden. Unter anderem wurde auch die Frage: „Was ist die durchschnittliche Reparaturdauer eines Defektes? “ mit den Optionen: a) weniger als 1 Tag, b) 1-2 Tage, c) 3-6 Tage, d) 7-14 Tage, e) 15-30 Tage, gestellt. Neben den Ausfallsraten wurden auch Informationen über die Plausibilität der vorhandenen Messdaten erhoben, sowie über manche Folgen des Ausfalls von elektronischen Komponenten. In die letztere Kategorie gehörte z.B. die Frage: „Wenn ein Defekt an einem Signalwandler auftritt, wie viele Sensoren sind im Durchschnitt davon betroffen? “, die sich auf die Konnektivität der Sensoren mit Signalwandlern bezieht. 5. Auswertung der erhobenen Daten Bei der Auswertung der Umfrage wurden die Antworten aller Teilnehmer kombiniert, wobei sie mit der Anzahl der bisher betriebenen Anlagen jedes Teilnehmers gewichtet wurden. Somit sind die Antworten der Dienstleister mit größerer Erfahrung entsprechend stärker ins Gewicht gefallen. Programmintern wurden die Antworten zunächst in probabilistische Verteilungen umgewandelt, aus denen 342 4. Brückenkolloquium - September 2020 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken Stichprobensätze erstellt wurden. Diese wurden dann unter allen Umfrageteilnehmern kombiniert. Aus den so erstellten Daten wurden Histogramme gebildet, die in diesem Abschnitt unten dargestellt sind. Weiterhin wurde eine geeignete Verteilung an diese Daten angepasst, die diese Daten am besten repräsentiert. 5.1 Ausfallsraten Die Bedeutung der Ausfallsrate wurde im Abschnitt 3 beschrieben. Wenn z.B. eine Komponente eine Ausfallsrate von 5 % pro Jahr hat, ist mit ihrem Ausfall nach ca. 20 Betriebsjahren (durchschnittlich) zu rechnen. In den unten gezeigten Bildern wird pro Sensortyp das Histogramm der Erfahrungswerte aus Umfragen, sowie die darauf angepasste Verteilung gezeigt. Für numerische Beschreibung der gezeigten Verteilungen wird auf den Bericht [8] verwiesen. Hier ist anzumerken, dass diese Ausfallsraten nicht rein die Langlebigkeit der Produkte beschreiben, sondern auch die Qualität der Montage, Einfluss der Umgebungsbedingungen, sowie unvorgesehene Ereignisse miteinschließen. Bild 4, Bild 5 und Bild 6 zeigen jeweils die Erfahrungswerte der Ausfallsraten von Vibrationssensoren, Dehnmessstreifen (DMS) und anderen Dehnungssensoren. Bild 4: Verteilung der Ausfallsraten für Beschleunigungsaufnehmer (links) und Geophone (rechts). Bild 5: Verteilung der Ausfallsraten für geklebte (links) und verschraubte (rechts) Dehnmessstreifen. Bild 6: Verteilung der Ausfallsraten für Schwingsaitensensoren (links) und optische Fasern (rechts). Dass hier die Montagequalität miteinbegriffen ist, ist am besten am Bild 5 sichtbar, welches die geklebten und verschraubten DMS vergleicht. Bei geklebten DMS ist das Risiko von Fehlern bei der Montage an der Brücke höher als bei verschraubten DMS. Das spiegelt sich deutlich an den Ausfallsraten wider. Die Erfahrungen verschiedener Betreiber unterschieden sich in manchen Fällen deutlich. Dies ist z.B. am Histogramm der Ausfallsraten für Schwingsaitensensoren (Bild 6 links) ersichtlich. Hier sind zwei Wertegruppen zu erkennen: erste im Bereich 2-4 %, zweite im Bereich über 8 %. Der Grund für diese unterschiedlichen Erfahrungen einzelner Betreiber ist leider nicht bekannt. Konsistent niedrig wurden die Ausfallsraten der Neigungs- und Temperatursensoren bewertet (Bild 7). Bild 7: Verteilung der Ausfallsraten für Neigungssensoren (links) und Temperatursensoren (rechts). Der Vergleich zwischen induktiven Wegaufnehmern und Laserdistanzsensoren (Bild 8) spricht zugunsten der kontaktlosen Messtechnik. 4. Brückenkolloquium - September 2020 343 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken Bild 8: Ausfallsraten für induktive Wegaufnehmer (links) und Laserdistanzsensoren (rechts). Stärker als durch Ausfälle der Sensoren wird die Zuverlässigkeit der Überwachungsanlage durch Ausfälle von elektronischen Komponenten beeinflusst. Dazu gehören Signalwandler, Industrie-PCs und Modems. Die Ausfälle dieser Komponenten sind vor allem der Langlebigkeit dieser Produkte zuzuschreiben, die den wechselnden Umgebungsbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit) standhalten müssen. Im Bild 9 sind die Ausfallsraten der Industrie-PCs und der Fernkommunikation (Modems) dargestellt. Beim Ausfall des Industrie-PCs, der die Sensordaten sammelt, kann es auch zum Datenverlust kommen, abhängig von der Beschädigung der Festplatte. Die Ausfälle der Fernkommunikation kommen häufiger vor, bedeuten i.d.R. aber keinen Datenverlust, sondern eine Verzögerung in der Datenlieferung. Bild 9: Verteilung der Ausfallsraten für Industrie-PCs (links) und die Fernkommunikation (rechts). Die Erfahrungswerte zeigen, dass die Signalwandler seltener ausfallen (Bild 10 links) als Industrie-PCs oder Modems. Neben ihrer Ausfallsrate ist hier auch die Anzahl der betroffenen Sensoren wichtig, denn an einen Signalwandler sind i.d.R. mehrere Sensoren angeschlossen. Am kritischsten ist jedoch der Ausfall des Industrie-PCs, weil er den Gesamtausfall der Anlage verursacht. Bild 10: Verteilung der Ausfallsraten für Signalwandler (links) und die Anzahl der davon betroffenen Sensoren (rechts). 5.2 Ungültige und fehlende Daten Aufgrund der oben beschriebenen Ausfälle kommt es zur Unterbrechung der Datenaufzeichnung an einzelnen Sensoren oder in der gesamten Anlage. Bild 11 zeigt Erfahrungswerte über den geschätzten Gesamtanteil der Daten, der dadurch fehlt. Bild 11: Erfahrungswerte über den Gesamtanteil der fehlenden Daten. Zusätzlich können durch unterschiedliche Störungen ungültige Daten auftreten. Am häufigsten kommt hier die Überschreitung des Messbereichs vor, es können aber auch elektrische Störungen in der Übertragung der Analogsignale oder mechanische Störungen an der Sensorhalterung vorkommen. Bild 12 zeigt beispielhaft die erhobenen Erfahrungswerte über Anteil der ungültigen Daten an zwei Sensortypen. 344 4. Brückenkolloquium - September 2020 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken Bild 12: Erfahrungswerte über den Anteil von ungültigen Daten an Laserdistanzsensoren (links) und Neigungssensoren (rechts). 5.3 Verfügbarkeit Eine der wichtigsten Größen, die die Verfügbarkeit bestimmen, ist neben der Ausfallsraten die Reparaturdauer. Es wird angenommen, dass beim Auftreten einer Störung der Überwachungsanlage die Beseitigung der Störung umgehend eingeleitet wird. Die Umfrageteilnehmer haben in ihren Kommentaren angemerkt, dass die Reparaturdauer sehr unterschiedlich sein kann, abhängig von der Art des Defektes, und insbesondere vom Lagerbestand der Ersatzteile. Nichtsdestotrotz muss eine Annahme über eine voraussichtliche Reparaturdauer getroffen werden. Bild 13 zeigt die durch die Umfrage erhobenen Erfahrungswerte. Es zeigt sich, dass viele Störungen innerhalb einer Woche behoben werden können, aber in einigen Fällen sich die Reparatur über mehrere Wochen hinzieht. Bild 13: Erfahrungswerte über die Reparaturdauer. Aus diesen Daten ergab sich eine mittlere Reparaturdauer von MTTR = 8,42 Tage. Weiterhin wurden aus den erhobenen Daten mittlere Ausfallsraten bestimmt, und durch dessen Kehrwert wurde die mittlere Dauer zwischen Ausfällen (MTTF) berechnet. Daraus wurde die Verfügbarkeit (A) berechnet. Diese Werte sind in der Tabelle 1 gelistet. Tabelle 1: Verfügbarkeit von Komponenten Komponente MTTF [Jahre] A [%] Beschleunigungssens. 72,0 99,968 Geophon 118,7 99,981 Neigungssensor 74,2 99,969 Induktiver Wegaufn. 48,2 99,952 Laserdistanzsensor 98,3 99,977 DMS geklebt 15,1 99,847 DMS verschraubt 92,9 99,975 Optischer Dehnungs. 58,6 99,961 Schwinsaitensensor 26,4 99,913 Temperatursensor 82,1 99,972 Industrie-PC 29,1 99,921 Signalwandler 50,6 99,955 Hier ist anzumerken, dass dies die Verfügbarkeit der Komponenten darstellt, aber noch nicht die Verfügbarkeit der Daten. Bei der Bestimmung der Verfügbarkeit von Daten muss die gesamte Messkette berücksichtigt werden, in der sich ein Ausfall jedes Elementes auf die Datenverfügbarkeit auswirkt. 6. Schlussfolgerungen Der Bedarf, Dauerüberwachungssysteme für Brücken zum Auslösen von sicherheitsrelevanten Maßnahmen einzusetzen, stellt neue Fragen auf. Diese beziehen sich insbesondere auf das garantierte Sicherheitsniveau des neuen Systems „Brücke-Überwachung-Maßnahme“, und folglich auf die Zuverlässigkeit des Überwachungssystems selbst. Dieser Beitrag befasste sich mit der Zuverlässigkeit verschiedener Komponenten einer Dauerüberwachungsanlage, und hat somit Teilaspekte dieses Problems beleuchtet. Basierend auf Erfahrungswerten, die unter Betreibern der Anlagen gesammelt wurden, wurden Ausfallsraten verschiedener Sensortypen und anderen Komponenten vorgestellt. Hierbei zeigte sich, dass auch die Montageart die Ausfallsraten beeinflusst. Beispielsweise die geklebten DMS, deren Anbringung an Brücken oft problematisch ist, zeigten auch die größten Ausfallsraten. Verschiedene Betreiber haben in manchen Fällen sehr unterschiedliche Erfahrungswerte berichtet, wie z.B. im Falle von Schwingsaitensensoren. Den größten Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Überwachungsanlage haben aber die elektronischen Komponenten der Datenerfassung und Fernkommunikation. Deshalb sollte hier bei der Umsetzung der Überwa- 4. Brückenkolloquium - September 2020 345 Über die Zuverlässigkeit von Monitoring-basierten Frühwarnsystemen für Brücken chungsanlage besonders auf die Langlebigkeit dieser Komponenten geachtet werden. Die mittlere Reparaturdauer einer Störung an der Überwachungsanlage wurde hier mit ca. 8 Tagen bestimmt. Für eine schnelle Reparatur ist insbesondere die Verfügbarkeit von Ersatzteilen wichtig. Die erhobenen Werte liefern eine Datenbasis, die bei der Bestimmung der Zuverlässigkeit von Dauerüberwachungssystemen eingesetzt werden kann. Die hier vorgestellten Werte wurden aus einer relativ breiten Sammlung an Erfahrungswerten ausgewertet, und eignen sich insbesondere dann zum Einsatz, wenn keine genaueren Angaben zu der im konkreten Fall eingesetzten Überwachungsanlage vorhanden sind. Es versteht sich von selbst, dass wenn spezifischere Daten zu der Anlage im Einsatz vorhanden sind, diese vorzuziehen sind. Diese könnten z.B. aus langjährigen Störungsprotokollen von Überwachungsanlagen eines Betreibers oder eines bestimmen Anlagentyps stammen. Danksagung Das Forschungsprojekt, aus dem dieser Beitrag entstanden ist, wurde durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) finanziert. Die Autoren bedanken bei BASt für die Unterstützung und das entgegengesetzte Vertrauen. Literatur [1] S. Maas, A. Zürbes, D. Waldmann, M. Waltering, V. Bungard, G. De Roeck: Damage assessment of concrete structures through dynamic testing methods. Part 2: Bridge tests, Engineering Structures vol. 34, 2012, p. 483-494. [2] Y.Y. Li: Hypersensitivity of strain-based indicators for structural damage identification: A review, Mechanical Systems and Signal Processing vol. 24, 2010, p. 653-664. [3] A. J. Reiff, M. Sanayei, R. M. Vogel: Statistical bridge damage detection using girder distribution factors, Engineering Structures vol. 109, 2016, p. 139-151. [4] S.-Z. Chen G. Wua, D.-C. Feng: Damage detection of highway bridges based on long-gauge strain response under stochastic traffic flow, Mechanical Systems and Signal Processing vol. 127, 2019, p. 551-572. [5] F. Magalh-es, A. Cunha, E. Caetano: Vibration based structural health monitoring of an arch bridge: From automated OMA to damage detection, Mechanical Systems and Signal Processing, 2011. [6] Y. Fujino, D. M. Siringoringo, Y. Ikeda, T. Nagayama, T. Mizutani: Research and Implementations of Structural Monitoring for Bridges and Buildings in Japan, Engineering vol. 5, 2019, p. 1093-1119. [7] L. Ge, D. Dan, X. Yan, K. Zhang: Real time monitoring and evaluation of overturning risk of single-column pier box-girder bridges based on identification of spatial distribution of moving loads, Engineering Structures vol. 210, 2020, https: / / doi. org/ 10.1016/ j.engstruct.2020.110383 [8] M. Ralbovsky, D. Prammer, S. Lachinger, A. Vorwagner: Verfahren und Modelle zur Quantifizierung der Zuverlässigkeit von dauerüberwachten Bestandsbrücken, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft B 151, Bergisch Gladbach, Mai 2020, ISBN 978-3-95606-505-7. [9] B. Luczynski, P.H. Nielsen, F.S. Collette, Deliverable D5.2-S4: Estimating Reliability of Monitoring Systems for Bridges, FP6-project “Sustainable Bridges”, contract no. TIP3-CT-2003-001653, 2007.