Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung
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Jens Heinrich
Thomas Zenk
Reinhard Maurer
Mit Veröffentlichung der ETA-18/0122, Ausgabe März 2019 in Verbindung mit dem EOTA TR 066, Ausgabe April 2019 steht mit den HCC-B Schubverbindern ein System zur Verbundsicherung bei einer nachträglichen Verstärkung durch Aufbeton auch bei Ermüdungsbeanspruchung zur Verfügung. Im Gegensatz zum Bemessungskonzept nach Eurocode 2 wird ein expliziter Ermüdungsnachweis als „Gesamtsystem Verbundfuge“ mithilfe eines Goodman-Diagramms geführt. Liegt das Verhältnis der Höhe der Ermüdungsbeanspruchung in der Verbundfuge zur statischen Tragfähigkeit unterhalb eines bestimmten Grenzwertes, ist nicht mit einem ermüdungsbedingten Versagen der Verbundfuge zu rechnen. Diese Aussage konnte u. a. an der TU Dortmund anhand von Bauteilversuchen mit Verbundfugen der Rauigkeitskategorie „verzahnt“ (Rt ≥ 3mm) und einem entsprechenden Verbundbewehrungsgrad bestätigt werden. Ferner konnte gezeigt werden, dass bei ausreichend begrenzten Ermüdungsbeanspruchungen so kleine Relativverformungen zwischen der alten und neuen Betonschicht und damit einhergehend so geringe Stahlspannungen in den Schubverbindern entstehen, dass auf einen expliziten Nachweis der Verbundmittel gegen Ermüdung verzichtet werden kann.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 359 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Jens Heinrich Technische Universität Dortmund, Dortmund, Deutschland Thomas Zenk Hilti Entwicklungsgesellschaft mbH, Kaufering, Deutschland Reinhard Maurer Technische Universität Dortmund, Dortmund, Deutschland Zusammenfassung Mit Veröffentlichung der ETA-18/ 0122, Ausgabe März 2019 in Verbindung mit dem EOTA TR 066, Ausgabe April 2019 steht mit den HCC-B Schubverbindern ein System zur Verbundsicherung bei einer nachträglichen Verstärkung durch Aufbeton auch bei Ermüdungsbeanspruchung zur Verfügung. Im Gegensatz zum Bemessungskonzept nach Eurocode 2 wird ein expliziter Ermüdungsnachweis als „Gesamtsystem Verbundfuge“ mithilfe eines Goodman-Diagramms geführt. Liegt das Verhältnis der Höhe der Ermüdungsbeanspruchung in der Verbundfuge zur statischen Tragfähigkeit unterhalb eines bestimmten Grenzwertes, ist nicht mit einem ermüdungsbedingten Versagen der Verbundfuge zu rechnen. Diese Aussage konnte u. a. an der TU Dortmund anhand von Bauteilversuchen mit Verbundfugen der Rauigkeitskategorie „verzahnt“ (R t ≥ 3mm) und einem entsprechenden Verbundbewehrungsgrad bestätigt werden. Ferner konnte gezeigt werden, dass bei ausreichend begrenzten Ermüdungsbeanspruchungen so kleine Relativverformungen zwischen der alten und neuen Betonschicht und damit einhergehend so geringe Stahlspannungen in den Schubverbindern entstehen, dass auf einen expliziten Nachweis der Verbundmittel gegen Ermüdung verzichtet werden kann. 1. Einleitung Das Bemessungskonzept für die Schubkraftübertragung in Fugen nach DIN EN 1992-2, 6.2.5 [1] wurde für den Neubau bei nachträglicher Ergänzung von Fertigteilen mit Ortbetonergänzung entwickelt. Bei dem Nachweis wird der Bemessungswert der Schubtragfähigkeit in der Fuge τ Rdi der einwirkenden Schubkraft τ Edi gegenübergestellt. Die entsprechenden Gleichungen sind nachfolgend für den in Deutschland geltenden Nationalen Anhang DIN EN 1992-2/ NA [2] aufgeführt, wobei die Notation für die Schubspannungen τ nach Model Code 2010 (MC2010) [3] verwendet wurde: Bemessungswert der Schubkraft in der Fuge ([2]Gl. 6.24) Bemessungswert der Schubtragfähigkeit in der Fuge ([2] Gl. 6.25) Der Tragwiderstand τ Rdi ergibt sich aus der Summe verschiedener Traganteile: Anteil aus Adhäsion (c∙f ctd ), Anteil aus Reibung infolge einer senkrecht zur Fuge wirkenden Druckspannung (µ∙σ n ), Anteil aus Schubbewehrung (ρ∙f yd (1,2µ∙sinα + cosα)). Die Beiwerte c, µ und ν werden durch die Oberflächenbeschaffenheit bestimmt. In Anlehnung an das DAfStb- Heft 525 wird zwischen vier Rauigkeitskategorien (sehr glatt, glatt, rau und verzahnt) unterschieden. Als wesentliche Kenngröße zur Einstufung einer Oberfläche dient die mittlere Rautiefe nach Kaufmann (R t ) [4]. Für Bauteile wie z.B. Brücken, die einer Ermüdungsbeanspruchung ausgesetzt sind, sieht das Bemessungskonzept des Eurocode 2 keinen expliziten Ermüdungsnachweis vor. Gemäß DIN EN 1992-2/ NA ist vielmehr der Nachweis für den statischen Bemessungswert der Schubspannung zu führen, wobei der Traganteil aus der Adhäsion mit (c = 0) vollständig vernachlässigt wird. Da der Traganteil aus der senkrecht zur Fuge wirkenden Be- 360 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung anspruchung i.d.R. sehr klein ist und daher üblicherweise ebenfalls nicht angesetzt wird, muss die gesamte Schubspannung durch den Traganteil aus der Schubbewehrung aufgenommen werden. Durch diese sehr konservative Vorgabe ergeben sich zum einen sehr große Bewehrungsgrade in der Schubfuge, die bei Neubaumaßnahmen bei der Bewehrungsplanung berücksichtigt werden können, sowie zum zweiten zusätzliche Tragreserven durch die vollständige Vernachlässigung des Betontraganteils. Bei der Anwendung dieses Bemessungskonzeptes bei der Verstärkung bestehender Bauwerke mit einer nachträglich aufgebrachten Ortbetonschicht, ergeben sich allerdings große Probleme. So muss die erforderliche Verbundfugenbewehrung nachträglich hergestellt werden. Diese kann eigentlich nur in den bestehenden Beton gebohrt und anschließend eingeklebt werden. Der Eingriff in die bestehende Konstruktion ist somit groß und kann schnell bei hohen erforderlichen Bewehrungsgraden die Grenzen der Machbarkeit erreichen. Des Weiteren kann bei der nachträglichen Verstärkung mit Aufbeton die erforderliche Verankerungslänge l bd nach DIN EN 1992-2 für die Verbundbewehrung nicht realisiert werden. Die nachträgliche Verbundbewehrung kann nur als Dübel nachgewiesen werden. Bis zum April 2019 existierte kein Produkt, welches zum Zweck der nachträglichen Verstärkung von Bauteilen mit Ermüdungsbeanspruchung zugelassen war. Bei der Ausführung wurde eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) von der obersten Verkehrsbehörde erforderlich. Mit der Veröffentlichung der ETA-18/ 0122 [5] (European Technical Assessment) in Verbindung mit dem EOTA TR 066 [6] (Technical Report) hat die Firma Hilti mit dem HCC-B Schubverbinder ein entsprechend System zur Verfügung gestellt, welches auf einem alternativen Bemessungskonzept beruht und ausschließlich für die nachträgliche Verstärkung mit Aufbeton ausgelegt ist (Bild 1). Zur Verifikation des im EOTA TR 066 hinterlegten Bemessungskonzeptes wurden u.a. an der TU Dortmund Bauteilversuche unter statischer und zyklischer Belastung (Ermüdung) durchgeführt. Bild 1 Schematische Darstellung des Schubverbinders Hilti HCC-B im Einbauzustand, Auszug aus [5] 2. Nachweiskonzept nach EOTA TR 066 2.1 Statische Tragfähigkeit Zur Nachweisführung der Schubkraftübertragung in der Verbundfuge ist im EOTA TR 066 [6] ein Bemessungsmodell basierend auf dem MC2010 [4] angegeben. Dieses unterscheidet zwischen bewehrten und unbewehrten Verbundfugen. Die nachfolgenden Betrachtungen beziehen sich ausschließlich auf bewehrte Verbundfugen. Der aufnehmbare Bemessungswert der Schubspannung in der Verbundfuge τ Rdi wird nach folgender Gleichung ermittelt und gilt für bewehrte Schubfugen unter statischer bzw. quasistatischer Beanspruchung: mit N Rd maßgebender Widerstand des Verbundmittels nach DIN EN 1992-4 c r , µ, κ 1 , κ 2 , β c Beiwerte nach Tab. 1 α k1 , α k2 Produktspezifische Beiwerte des Verbundmittels Gegenüber dem Bemessungskonzept des MC2010 wurden einige Modifikationen vorgenommen, die nachfolgend kurz beschrieben werden. So wird vorausgesetzt, 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 361 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung dass die Verbundmittel ausschließlich senkrecht eingebaut werden (α = 90°). Zudem wird bei dem Traganteil der Schubreibung bzw. „Klemmwirkung“ die aus N Rd berechnete Stahlspannung σ s des Schubverbinders anstatt der Streckgrenze angesetzt. N Rd bezeichnet hier den maßgebenden Widerstand als axiale Zugkraft des Verbundmittels mit der Querschnittsfläche A s , der aus den Verankerungsnachweisen als Dübel nach DIN EN 1992-4 [7] ermittelt wurde. Die Beiwerte für die Fugenoberflächenbeschaffenheit (Tab. 1) sind im EOTA TR 066 angegeben und entsprechen den Vorgaben des Model Code 2010. Tabelle 1 Beiwerte für Fugenoberfläche in Abhängigkeit der Rauigkeitskategorie Kat. R t c r κ 1 κ 2 β c µ f ck ≥20 f ck ≥35 Verzahnt ≥3,0 0,2 0,5 0,9 0,5 0,8 1,0 Rau ≥3,0 0,1 0,5 0,9 0,5 0,7 Glatt - 0 0,5 1,1 0,4 0,6 Sehr glatt - 0 0 1,5 0,3 0,5 In der ETA sind die produktspezifischen Kennwerte des Schubverbinders (HCC-B), des Injektionsmörtels (HIT- RE 500 V3) sowie allgemeine Anforderungen an die Verbundfugenvorbereitung, den Aufbeton oder die Montage der Verbundmittel beschrieben. Für den HCC-B Schubverbinder gilt die ETA-18/ 0122 [5]. Bei den Beiwerten α k1 und α k2 handelt es sich um zwei Faktoren zur Berücksichtigung der verminderten Duktilität des verwendeten Dübelmaterials (α k1 = 0,8) bzw. der höheren Biegetragfähigkeit eines Kreisringquerschnittes gegenüber einem Vollquerschnitt (α k2 = 1,3), die entsprechend in der ETA zu finden sind. 2.2 Nachweis gegen Ermüdung Im Gegensatz zu dem Bemessungskonzept im Eurocode 2 ist im EOTA TR 066 ein expliziter Ermüdungsnachweis für die Verbundfuge vorgegeben. Hierbei handelt es sich um einen Nachweis auf Grundlage eines Goodman-Diagramms (Bild 2): für für Der Nachweis wird mit den Schubspannungen in der Verbundfuge infolge der häufigen Einwirkungskombination geführt. Die Beanspruchungen aus der häufigen Einwirkungskombination werden wiederum auf den statischen Tragwiderstand τ Rdi bezogen. Die maßgebende Kenngröße stellt hier der Wert η sc dar. Dieser beschreibt die zulässige Schwingbreite bei N * = 2∙10 6 Lastwechseln bei Schwellbeanspruchung mit einer Unterlast von genau 0. Dieser Wert ist in der ETA des Schubverbindersystems angegeben und wird experimentell bestimmt. Für den HCC-B Schubverbinder beträgt der Wert η sc = 0,4 (vgl. Bild 2). Bild 2 Weyrauchbzw. Goodman-Diagramm für bewehrte, hochdruckwassergestrahlte Verbundfugen (R t ≥ 3mm) zur Ermittlung der zulässigen Schwingbreiten bei N * = 2∙10 6 Lastwechseln, hier mit η sc = 0,4, aus [8] Zur Bestimmung dieses Wertes wurden Ermüdungsversuche von den Universitäten Innsbruck [9] und Delft [10] sowie von der Firma Hilti [10] durchgeführt. Anhand dieser Versuche wurde in [9] bereits eine 5%-Quantilsfunktion bestimmt, deren Wert bei der Grenzschwingspielzahl N * = 2∙10 6 mit 0,42 abgelesen werden konnte (vgl. Bild 3, rote Linie). Dieser Wert wurde auf 0,40 abgemindert und in dieser Form bereits als pauschale Abminderung der Tragfähigkeit bei ermüdungswirksamer Beanspruchung in den MC2010 übernommen. Da es sich bei den Versuchen um Kleinteilversuche mit einer begrenzten Anzahl von Verbundmitteln handelte, wurden zusätzlich an der TU Dortmund Ermüdungsversuche an Großbauteilen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Versuche sind ebenfalls in Bild 3 dargestellt. Zusätzlich wurde die 5%-Quantilsfunktion unter Berücksichtigung der Großbauteilversuche an der TU Dortmund bestimmt. Ohne Berücksichtigung der „Durchläufer“ konnte festgestellt werden, dass die Versuchsergebnisse grundsätzlich etwas günstigere Ergebnisse liefern als die Kleinbauteilversuche. Auf eine Erhöhung des Beiwertes wurde jedoch bewusst verzichtet. 362 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Bild 3 Übersicht der Versuchsergebnisse von bewehrten Verbundfugen bei Ermüdungsbeanspruchung In den folgenden Kapiteln werden die Versuchsergebnisse etwas detaillierter vorgestellt. Weitere Informationen zu den Versuchen, die an der TU Dortmund durchgeführten wurden sind in [8] und [12] enthalten. Für die Anwendung des Bemessungskonzeptes sind folgende Randbedingungen einzuhalten: • Die Oberfläche der Verbundfuge muss mittels Hochdruckwasserstrahlen (HDW) aufgeraut werden, so dass das Korngerüst freiliegt und eine mittlere Rautiefe R t ≥ 3mm nach Kaufmann erreicht wird. • Die Verbundfuge ist kurz vor der Betonage der Aufbetonschicht von Verschmutzungen gründlich zu reinigen und anzufeuchten. • Die Festigkeitsklasse des bestehenden Betons muss ≥ C30/ 37, des Aufbetons ≥ C40/ 50 betragen. • Für den Aufbeton ist eine möglichst fließfähige und schwindarme Betonrezeptur zu verwenden. Das Ausbreitmaß sollte F ≥ 380mm besser F ≥ 450mm betragen. • Der Aufbeton soll ein geschlossenes Gefüge durch vollständige Verdichtung aufweisen. 3. Experimentelle Untersuchungen 3.1 Beschreibung der Versuchskörper Die Versuche wurden als 3-Punkt Biegeversuche konzipiert, bei denen die Schubspannung über eine horizontale Verbundfuge zwischen Gurt und Steg des T-Querschnittes übertragen werden musste (Bild 5). Die Abmessungen des Steges betrugen 4,00/ 0,25/ 0,30m. Die Aufbetonschicht wurde nach der Fugenvorbereitung (Aufrauen mit HDW, Setzen der Verbundbewehrung, Säubern) als 50cm breiter Gurt mit einer Stärke von 10cm nachträglich aufbetoniert. Für den Transport des Versuchsträgers wurde die Aufbetonschicht nicht bis zum Trägerende angeordnet, damit hier Transportanker angeordnet werden konnten. Durch eine ausreichende Bewehrung des Steges sollte ein vorzeitiges Versagen des Versuchsträgers infolge Biegung oder Querkraft vermieden werden. Ziel war es, ein Versagen der Verbundfuge sicherzustellen. Als Längsbiegebewehrung wurden insgesamt 6Ø25mm und als Bügelbewehrung im Steg Ø12/ 12,5cm vorgesehen. Die Aufbetonschicht wurde dagegen rein konstruktiv bewehrt (längs: 4Ø10mm, quer: Stecker Ø8/ 38cm). An den Schäften der Verbunddübel wurden gegenüberliegend Dehnmessstreifen (DMS) appliziert, damit während der Versuche die Dehnungen gemessen und aufgezeichnet werden konnten (Bild 4). 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 363 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Bild 4 In Bohrlöcher geklebte HCC-B Schubverbinder mit DMS, aus [12] Bild 5 Abmessungen der Versuchskörper für die Bauteilversuche, aus [12] Bild 6 Abmessungen der Versuchskörper für die Bauteilversuche, aus [12] Neben der Pressenkraft (F), der Durchbiegung in Feldmitte (WA mitte ) und den horizontalen bzw. vertikalen Relativverschiebungen (WA1 bis WA8) in der Verbundfuge wurden ebenfalls die Dehnungen in den Schubverbinder mittels Dehnmessstreifen (D01 bis D16) erfasst (Bild 6). 364 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung 3.2 Statische Versuche Die statischen Versuche wurden weggesteuert durchgeführt. Hierbei wurde die Belastung in 50kN-Schritten gesteigert und anschließend für wenige Minuten unterbrochen, um die Rissbildung am Versuchsträger zu dokumentieren. Nach dem Erreichen der Laststufe von 400kN wurde der Versuchsträger bis zum Bruch belastet. Es wurden fünf verschiedene Versuchsreihen (A bis E) durchgeführt. Die Versuchsreihe A wurde mit maximalen Anforderungen an die Verbundfuge ausgeführt. Die Verbundfuge wurde dazu durch HDW aufgeraut, so dass weitgehend die Kategorie „verzahnt“ erreicht wurde. Der Verbundbewehrungsgrad betrug ρ = 1,1‰. In den weiteren Versuchsreihen sollte ausgehend von der Versuchsreihe A die Betonoberflächenrauigkeit (Versuchsreihe C) oder der Verbundbewehrungsgrad (Versuchsreihen D und E) variiert werden (Tab. 2). Der Versuch B1 war ein Referenzversuch, der ohne Verbundfuge monolithisch hergestellt wurde. Mit Ausnahme der Versuche B1 und E2 trat das Versagen ausschließlich in der Verbundfuge auf. Bei B1 und E2 versagte aufgrund des sehr hohen Bewehrungsgrades jeweils die Betondruckzone. In Tab. 3 sind die in den statischen Versuchen erreichten Traglasten F u,test enthalten. Aus der Traglast F u,test kann mit die zugehörige mittlere Schubspannung in der Verbundfuge τ iu,test mit der Stegbreite b w und dem inneren Hebelarm z bestimmt werden. Bei den nachfolgend dargestellten Auswertungen wurde das Eigengewicht der Versuchsträger vernachlässigt. Tabelle 2 Übersicht der statischen Bauteilversuche Versuch Oberflächenvorbereitung R t,m [mm] ρ[‰] Betonfestigkeitsklasse Altbeton Aufbeton A1 HDW 2,8 1,1 C20/ 25 C30/ 37 A2 HDW 4,0 1,1 C20/ 25 C30/ 37 B1 - - - C30/ 37 C1 HDW 2,6 1,1 C20/ 25 C30/ 37 C4 abgezogen 0,7 1,1 C16/ 20 C25/ 30 D1 HDW 3,3 0 C20/ 25 C30/ 37 D2 HDW 4,1 0,3 C16/ 20 C30/ 37 E1 HDW 3,5 1,9 C16/ 20 C25/ 30 E2 HDW 3,2 3,0 C16/ 20 C25/ 30 Tabelle 3 Versuchsergebnisse der statischen Bauteilversuche Versuch ρ[‰] F u,test [kN] F u,test / F u,B1 τ iRm,cal [kN/ m²] τ iu,test [kN/ m²] τ iu,test / τ iRm,cal A1 1,1 487,8 0,86 2.081 3.252 1,56 A2 1,1 424,4 0,75 2.089 2.829 1,35 B1 - 564,8 1,00 - - - C1 1,1 463,2 0,82 2.213 3.088 1,40 C4 1,1 251,5 0,45 - 1.677 - D1 0 322,1 0,57 1.470 2.147 1.46 D2 0,3 328,1 0,58 1.559 2.187 1.40 E1 1,9 531,6 0,94 2.482 3.544 1.43 E2 3,0 570,3 1,01 3.170 3.802 1.20 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 365 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Bild 7 Lastdurchbiegungsverläufe der statischen Versuche, aus [12] Die Ermittlung des zu erwartenden mittleren rechnerischen Tragwiderstandes in der Verbundfuge τ iRm,cal erfolgt mit der aus den Kleinbauteilversuchen von Randl und Wicke in [11] hergeleiteten Gleichung: Da diese Gleichung ausschließlich für HDW-gestrahlte Verbundfugen gelten, konnten diese nicht für den Versuch C4 verwendet werden. Der Vergleich der Verbundspannungen aus den übrigen Versuchen zeigt, dass die im Versuch erreichten Verbundspannungen τ iu,test immer deutlich über den rechnerisch zu erwartenden Verbundspannungen τ iRm,cal als Mittelwerte aus Kleinkörperversuchen liegen. Des Weiteren wurde das Verhältnis der erreichten Versuchstraglast F u,test zur Traglast des monolithischen Referenzbalkens B1 (F u,B1 ) ermittelt. Hieraus geht hervor, dass bei den Versuchen A1 und A2 mit einem Verdübelungsgrad von ρ = 1,1‰ nur ca. 75-86% der maximalen Traglast des Versuchsträgers B1 erreicht werden konnte. Mit einer weiteren Reduzierung des Verbundbewehrungsgrades (Versuchsreihe D) sinken auch die Traglasten der Versuchsträger. Daraufhin wurde in der Versuchsreihe E der Verbundbewehrungsgrad deutlich erhöht. Mit den Versuchen E1 und E2, mit Verbundbewehrungsgraden von ρ = 1,9‰ bzw. 3,0‰, konnte die maximale Traglast aus dem Referenzversuch B1 zu 94% bzw. vollständig erreicht werden. Die Lastdurchbiegungsverläufe aller Versuche sind in Bild 7 dargestellt. Die schwarze Linie steht dabei für den Referenzversuch B1 (monolithisch). Der Versuch E1 erreicht nahezu die Tragfähigkeit von B1, der Versuch E2 erreicht die gleiche Traglast wie Versuch B1. Jedoch weist der Versuch E2 gegenüber dem Versuch B1 ein deutlich verkürztes Fließplateau auf. Generell ist bei allen Versuchen mit Aufbetonergänzung im Bruchzustand ein eher sprödes Versagen zu erkennen. Hiervon ausgenommen ist der Versuch C4 (glatte Fuge), der nach Überwinden des Haftverbundes ebenfalls ein ausgeprägtes Fließplateau, allerdings bei deutlich niedrigerer Traglast, aufweist. 3.3 Ermüdungsversuche Für die Durchführung der Ermüdungsversuche musste sichergestellt werden, dass sich die Verbundfuge im gerissen Zustand befindet, da nur in diesem Fall mit nennenswert ermüdungswirksamen Spannungsschwingbreiten in den Verbunddübeln zu rechnen ist. Eine ungerissene Fuge wirkt sich äußerst günstig aus, da keine Ermüdungsbeanspruchung in den Dübeln in der Verbundfuge entsteht. Um Sicherzustellen, dass in der Verbundfuge vor dem Start der zyklischen Belastung keine Adhäsionskräfte wirksam sind, wurde ein Verbundbrecher verwendet, zudem wurde der Versuch einer Vorbelastung ausgesetzt, wobei kontinuierlich die Stahldehnungen in den Schubverbindern messtechnisch überwacht wurden. Sobald diese deutlich angestiegen sind, wurde der Versuch auf die vorgesehene Mittellaststufe gefahren und anschließend die zyklische Belastung gestartet. Die Oberlast (F max ) der zyklischen Beanspruchung wurde in Relation zur experimentell bestimmten statischen Tragfähigkeit festgelegt. Als Bezugswert für letztere wurde der Mittelwert (F um,test = 458,5kN) aus den in den 366 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung statischen Versuchen erreichten Traglasten der Versuche A1 (F u,test = 487,8kN), A2 (F u,test = 424,4kN) und C1 (F u,test = 463,2kN) berücksichtigt, da bei diesen die gleichen Versuchsbedingungen (HDW-gestrahlte Oberfläche, Verbundbewehrungsgrad) galten. Obwohl die mittlere Rautiefe des Versuchs C1 mit R t,m = 2,6 mm etwas unterhalb des Grenzwertes von 3mm lag, wurde dieser mit berücksichtigt, da die Traglast im Bereich zwischen den beiden Versuchen A1 und A2 lag und auch ansonsten kein negativer Einfluss aus der geringen Unterschreitung von R t,m = 3mm festzustellen war. 1) Ermüdungsbruch der Längsbewehrung 2) Kein Versagen, Versuch wurde vorzeitig gestoppt 3) Ermüdungsbedingtes Versagen in der Verbundfuge Tabelle 4 Übersicht der Ermüdungsversuche Versuch Oberflächenvorbereitung R t,m [mm] ρ[‰] Betonfestigkeitsklasse Altbeton Aufbeton A3 HDW 3,4 1,1 C20/ 25 C25/ 30 A4 HDW 3,9 1,1 C20/ 25 C25/ 30 A5 HDW 3,0 1,1 C20/ 25 C25/ 30 A6 HDW 3,0 1,1 C20/ 25 C35/ 45 A7 HDW 4,0 1,1 C16/ 20 C25/ 30 C2 HDW 2,5 1,1 C20/ 25 C35/ 45 C3 HDW 2,2 1,1 C20/ 25 C25/ 30 Tabelle 5 Ergebnisse der Ermüdungsversuche Versuch α Oberlast Unterlast Schwingbreite Lastwechselzahl Ursache des Versagens stat. Bruchlast nach der zykl. Belastung F max [kN] τ i,max [kN/ m²] F min [kN] τ i,min [kN/ m²] ∆F max [kN] ∆τ i [kN/ m²] F u,test [kN] τ iu,test [kN/ m²] A3 0,56 254,6 1.697 50,9 339 203,7 1.358 1.924.421 1) - - A4 0,37 169,8 1.132 34,0 227 135,8 905 2.011.829 2) 522,0 3.480 A5 0,74 339,5 2.263 67,9 453 271,6 1.811 136.459 3) - - A6 0,50 22,3 1.529 45,9 306 183,4 1.223 2.029.343 2) 559,5 3.730 A7 0,65 298,0 1.987 49,6 397 238,4 1.589 90.100 3) - - C2 0,60 275,1 1.834 55,0 367 220,1 1.468 821.903 2) 445,8 2.972 C3 0,63 288,9 1.926 57,8 385 231,1 1.541 860.527 2) 513,4 3.422 Die Oberlast F max der zyklischen Belastung wurde anschließend im Verhältnis zu F stat,m angegeben: Die Unterlast der zyklischen Belastung F min wurde mit 20% der Oberlast angesetzt, um abhebende Lasten während der Versuchsdurchführung zu verhindern: Insgesamt wurden sieben Ermüdungsversuche in zwei Versuchsreihen durchgeführt (Tab. 4 und 5). Die Versuchsreihe C unterschied sich lediglich in der Oberflächenbeschaffenheit von der Versuchsreihe A (R t < 3mm). Aufgrund der langen Versuchslaufzeiten wurden die Versuche der Versuchsreihe C bereits nach einer Grenzschwingspielzahl von N G = 800.000 (log N G = 5,9) gestoppt. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass der Erwartungswert der Mittelwertfunktion aus Bild 2 bereits überschritten wurde. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 367 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Die Versuche C2 und C3 zeigten bis zum Versuchsende gegenüber den Versuchen A4 und A6 größere Durchbiegung (Bild 8) und Spannungsschwingbreiten in den Schubverbindern. Insbesondere bei den Spannungsschwingbreiten waren kurz vor Versuchsende deutliche Zuwächse zu erkennen (Bild 10). Diese deuten darauf hin, dass ein ermüdungsbedingtes Versagen kurz bevorstand. Daher wurden die Versuche anschließend auch nicht als „echte Durchläufer“ gewertet. Bild 8 Verläufe der maximalen Durchbiegungen in Feldmitte über die Schwingspielzahl, aus [8] Bild 9 Verläufe der Spannungsschwingbreiten (zentrische Zugspannungen) in den Schubverbindern (Versuche A5 und A6, R t ≥ 3 mm), aus [8] Bild 10 Verläufe Spannungsschwingbreiten (zentrische Zugspannungen) in den Schubverbindern (Versuchsreihe C, R t < 3 mm), aus [8] 368 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Bild 11 Gemessene Relativverschiebungen (horizontal und vertikal) in der Verbundfuge, beispielhaft für A5 und A6, aus [8] In Bild 9 sind die Spannungsschwingbreiten in den Schubverbindern, die aus den gemessenen Stahldehnungen über den E-Modul rechnerisch ermittelt wurden, für die Versuche A5 und A6 dargestellt. Der Versuch A5 steht beispielhaft für einen Versuch, der infolge Ermüdung in der Verbundfuge versagte. Der Versuch A6 dagegen zeigt geringe und konstant verlaufende Stahlspannungen, die bei einem Versuch ohne Versagen (Durchläufer) zu erwarten sind. Die gestrichelte Linie gibt die Dauerschwingfestigkeit des Schubverbinders ∆σ Rk,HCC-B = 85,6N/ mm² an, die im Vorfeld an freischwingenden Schubverbindern unter zentrischer Zugbeanspruchung ermittelt wurde [8]. Bei dem Versuch A5 ist unmittelbar nach Beginn der zyklischen Belastung ein Anstieg der Spannungsschwingbreiten oberhalb dieser Dauerschwingfestigkeit zu verzeichnen. Ein ermüdungsbedingtes Versagen der Schubverbinder war somit nicht unwahrscheinlich und konnte bereits nach wenigen Lastwechselzahlen erwartet werden. Ein ähnliches Verhalten ist bei den Relativverschiebungen in der Verbundfuge zu erkennen. Mit zunehmender Schwingbreite steigen mit den Stahlspannungen auch die Relativverschiebungen an. Während diese jedoch bei dem Versuch A6 in Ihrem Verlauf stabil verlaufen und unterhalb eines Maximalwertes von 0,1mm liegen, steigen diese beim Versuch A5 bereits nach wenigen Lastwechselzahlen überproportional an. Hier betragen die maximal gemessenen Werte der Relativverschiebungen 0,5 bis 1,0 mm. 4. Diskussion der Ergebnisse 4.1 Statische Versuche Grundsätzlich konnten bei den Bauteilversuchen unter statischer Belastung gegenüber den Kleinkörperversuchen höhere Tragwiderstände festgestellt werden. In Bild 12 sind die in den Versuchen ermittelten Schubspannungen über die bezogene Spannung in der Verbundbewehrung dargestellt. Der Mittelwert der Streckgrenze lag bei den Versuchen an der TU Dortmund bei f ym =504 N/ mm². Die in den Versuchen ermittelten Schubspannungen τ iu,test liegen alle oberhalb der Mittelwertkurve für τ iRm,cal . Die Ursache liegt vermutlich im Mittelungseffekt aus der größeren Fläche der Verbundfuge eines Bauteils im Vergleich zu Kleinkörperversuchen. Diese sind maximal mit zwei bis drei Schubverbindern getestet worden, wobei sich zufällige, lokale Effekte stärker auswirken. Die maximale Verbundfläche betrug 0,15m². Die in den Großbauteilversuchen vorhandene Verbundfläche war fast 6-mal größer. Durch die größere Verbundfläche bestand ein größeres Potenzial zur Umlagerung lokaler Spannungsspitzen. Auch die größere Anzahl von Verbunddübeln sorgt für eine gleichmäßigere Verteilung der Beanspruchungen. Mit den Versuchen E1 und E2 konnte gezeigt werden, dass bei einer ausreichenden Fugenrauigkeit (R t ≥3,0mm, HDW-gestrahlt) und einem entsprechend hohen Verbundbewehrungsgrad die gleichen Traglasten wie bei einem monolithisch hergestellten Versuchsträger erreicht werden. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 369 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung Bild 12 Vergleich der Versuchsergebnisse an der TU Dortmund mit den Kleinbauteilversuchen 4.2 Ermüdungsversuche Wie bereits zu Beginn des Beitrags in Bild 2 vorweggenommen wurde, konnte der Wert η = 0,40 bei der Verwendung der HCC-B Schubverbinder auch für Bauteilversuchen unter Ermüdungsbeanspruchung bestätigt werden. Die Versuche A5 (α = 0,74) und A7 (α = 0,65) versagten deutlich vor dem Erreichen der Grenzschwingspielzahl N * = 2∙10 6 . Ursache war das ermüdungsbedingte Versagen der Verbundfuge. Dieses Versagen wurde durch einen stetigen Anstieg der in den Schubverbinder gemessenen Stahldehnungen sowie den zugehörigen Relativverschiebungen in der Verbundfuge begleitet. Die Relativverschiebungen charakterisieren das Ermüdungsverhalten der Verbundfuge. Sind die Relativverschiebungen über die Anzahl der Lastwechsel ausreichend klein und in ihrem Verlauf stabil, sind die Spannungsschwingbreiten in den Verbundmitteln unkritisch und brauchen daher nicht explizit nachgewiesen zu werden. Daraus folgt unmittelbar der maßgebliche Einfluss aus der Beschaffenheit der Verbundfuge (Rauigkeit R t ≥ 3mm) und des Aufbetons (Konsistenz des Frischbetons, Gefüge- und Festigkeitseigenschaften den erhärteten Betons). Mit zunehmenden Relativverschiebungen steigen zusätzlich die Biegebeanspruchungen und damit die Stahlspannungen in den Verbunddübeln stark an, so dass letztendlich das Ermüdungsversagen erfolgt. 4.3 Abschließende Bewertung der Versuche an der TU Dortmund Abschließend ist festzuhalten, dass die Ermittlung der Tragfähigkeit von bewehrten Verbundfugen für ruhende Belastungen sowohl nach Eurocode 2 als auch nach MC2010 zumindest für die üblichen Bewehrungsgrade bei Brückenverstärkungen zu vergleichbaren Ergebnissen führt. Die Grundlage für das Bemessungskonzept nach MC2010 wurde seinerzeit an Kleinbauteilversuchen entwickelt. Die Ergebnisse konnten anhand der Bauteilversuchen, die an der TU Dortmund durchgeführt wurden, bestätigt werden. Das Tragverhalten einer Verbundfuge bei Ermüdungsbeanspruchung wird bei geeigneter Zusammensetzung, vollständiger Verdichtung beim Einbau und ausreichender Festigkeit des Aufbetons wesentlich von der Rauigkeit und Festigkeit der Oberfläche des Altbetons und bei gerissener Fuge vom Verbundbewehrungsgrad beeinflusst. Für HDW-gestrahlte Fugen mit einer Rautiefe R t ≥ 3mm und entsprechend geringen Schwingbreiten der Schubspannungen in der Verbundfuge (α ≤0,50) konnten experimentell eine ausreichende Ermüdungsfestigkeit festgestellt werden. Es sei zudem darauf hingewiesen, dass das Nachweiskonzept für Ermüdung nach EOTA TR 066 sich auf den Bemessungswert des statischen Tragwiderstandes τ iRd bezieht. Die in den Versuchen ermittelten Beanspruchungsverhältnisse α beziehen sich dagegen auf Mittelwerte. Somit sind bei der Anwendung dieses Bemessungskonzeptes noch zusätzliche Sicherheitsreserven enthalten. 5. Bemessungsbeispiel 5.1 Ausgangssituation für die Bemessung Im Folgenden werden die Bemessungskonzepte nach Eurocode 2 und EOTA TR 066 am Bemessungsbeispiel einer Brückenverstärkung unter Ermüdungsbeanspruchung verglichen. Grundlage hierfür ist die Verstärkung der Lippebrücke in Hünxe, deren Fahrbahnplatte durch eine 10cm starke Aufbetonschicht verstärkt werden soll. Im Zuge der Ausführungsplanung durch KHP Dortmund erfolgte die zusätzliche wissenschaftliche Begleitung der Verstärkungsmaßnahme durch den Lehrstuhl Betonbau der TU Dortmund. Die Beanspruchungen in der Verbundfuge sowie die erforderlichen Materialkennwerte sind in Tabelle 6 aufgeführt. Für die Verstärkungsmaßnahme soll der Hilti HCC-B Schubverbinder verwendet werden. Gemäß ETA-18/ 0122 kann für diesen ein charakteristischer Wert der Streckgrenze f yk = 400N/ mm² angesetzt werden. Die Betonfestigkeit des bestehenden Brückenbauwerks 370 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung entspricht etwa der heutigen Festigkeitsklasse C20/ 25. Zudem wird für die Verstärkungsmaßnahem eine Oberflächenrauigkeit von R t > 3mm vorausgesetzt, die durch HDW-Strahlen herzustellen ist. Für den Aufbeton wird ein Beton der Festigkeitsklasse C35/ 45 verwendet. 5.2 Bemessung nach Eurocode 2 Durch Umstellen der Gleichung für die Ermittlung des Tragwiderstandes in der Verbundfuge ergibt sich unter Vernachlässigung der Druckspannung senkrecht zur Verbundfuge (σ n = 0) die erforderliche Bewehrungsmenge für eine statische Beanspruchung zu: Bei einer ermüdungswirksamen Beanspruchung darf der Adhäsionstraganteil (c = 0) nicht berücksichtigt werden: Da der Betontraganteil nicht angesetzt werden darf, kann die rechnerische Spannungsschwingbreite in den Schubverbindern unter der häufigen Einwirkungskombination formal wie folgt ermittelt werden: Tabelle 6 Übersicht der maßgebenden Kenngrößen des Bemessungsbeispiels Beanspruchungen Bemessungswert der Spannung in der Verbundfuge 500 kN/ m² maximale Spannung in der Verbundfuge infolge häufiger EWK 340 kN/ m² minimale Spannung in der Verbundfuge infolge häufiger EWK 150 kN/ m² 1) sofern die Bemessung nicht mit der Querkraftgrenzlinie erfolgte Werkstoffeigenschaften Betondruckfestigkeit Altbeton (maßgebend) 20N/ mm² Streckgrenze Schubverbinder HCC-B gemäß ETA 400N/ mm² Produktspezifische Beiwerte für den HCC-B Schubverbinder nach ETA 0,8 1,3 Bemessungsergebnisse nach EC 2 erf. Bewehrungsgrad bei statischer Beanspruchung mit c = 0,5 0,16‰ erf. Bewehrungsgrad bei Ermüdungsbeanspruchung mit c = 0 1,33‰ rechn. Spannungsschwingbreite in den Schubverbindern unter der häufigen EWK, mit c = 0 und ρ dyn = 1,33‰ 132N/ mm² Bemessungsergebnisse nach EOTA TR 066 erf. Bewehrungsgrad bei statischer Beanspruchung 0 erf. Bewehrungsgrad bei Ermüdungsbeanspruchung, σ sd = 113,3N/ mm² 0,90‰ erf. Bewehrungsgrad bei Ermüdungsbeanspruchung, σ sd = f yd 0,54‰ Mindestbewehrungsgrad der Verbundbewehrung 1) 1,1‰ 5.3 Bemessung nach EOTA TR 066 Die statische Tragfähigkeit gemäß EOTA TR 066 für σ n = 0 kann analog ermittelt werden: Da bereits der Betontraganteil großer ist als die Schubbeanspruchung (c r ∙ f cm (1/ 3) = 0,523N/ mm² > τ Edi,stat ) ergibt 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 371 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung sich hier ein rechnerischer Verbundbewehrungsgrad von null. Die Ermittlung des erforderlichen Bewehrungsgrades unter ermüdungswirksamer Beanspruchung kann iterativ erfolgen. Hierbei ist zunächst die anzusetzende Stahlspannung im Verbundmittel σ sd aus den Verankerungsnachweisen nach DIN EN 1992-4 [7] zu ermitteln. Nach DIN EN 1992-4 sind eine Vielzahl von verschiedenen Nachweisen zu führen: • Stahlbruch des Befestigungsmittels • Betonausbruch im Alt- und Neubeton • Herausziehen des Befestigungsmittels • Kombiniertes Versagen aus Herausziehen und Betonausbruch Maßgebende Kenngrößen, die sich auf die Widerstände auswirken, sind neben der Verankerungslänge des Befestigungsmittels auch die Betonzugfestigkeit sowie die Abstände der Verbundmittel. Die für die Nachweise erforderlichen Beiwerte können wieder der entsprechenden ETA entnommen werden. Bei dem Bemessungsbeispiel wird von einer minimalen Verankerungslänge des Verbundmittels im Neubeton h ef,ov = 50 mm (vgl. Bild 1) ausgegangen, damit unter Berücksichtigung der Betondeckung eine dünne Ausführung der Aufbetonschicht möglich wird. Auf der sicheren Seite wird bei den Nachweisen von einer gerissenen Betonschicht ausgegangen, da eine Rissbildung insbesondere in den Stützbereichen des Brückenbauwerks nicht ausgeschlossen werden kann. Die geringste Tragfähigkeit des Befestigungsmittels ergibt sich aus dem Nachweis gegen Betonausbruch in der Aufbetonschicht: Zur Erklärungen für die verschiedenen Beiwerte wird auf die DIN EN 1992-4 [7] verwiesen. Die anzusetzende Stahlspannung σ sd in den Schubverbindern ergibt sich bei einer nominellen Stahlfläche A s = 109,5N/ mm² [5] zu: Die Ermittlung des erforderlichen Bewehrungsgrades in der Verbundfuge für ermüdungswirksame Beanspruchungen erfolgt iterativ, bis die nachfolgende Nachweisbedingung gerade erfüllt ist: Für einen Bewehrungsgrad von ρ dyn = 0,9‰ ergibt sich ein statischer Tragwiderstand in der Schubfuge von τ Rdi = 642kN/ m². Durch Einsetzen kann anschließend der Ermüdungsnachweis geführt werden: 5.4 Vergleich der Ergebnisse Im Vergleich zu dem Bemessungskonzept nach Eurocode 2 reduziert sich der erforderliche Verbundbewehrungsgrad von 1,33‰ (12,1 Stk/ m²) auf 0,9‰ (8,2 Stk/ m²). Dies entspricht einer Einsparung von ca. 4 Verbundmitteln auf einen m² Brückenfläche. Die Verankerungsnachweise nach DIN EN 1992-4 haben gezeigt, dass nur ca. 33% der Streckgrenze des Verbundmittels f yd ausgenutzt werden darf. Wenn durch konstruktive Maßnahmen (z.B. dickere Aufbetonschicht, Erhöhung der Betongüte, Anordnung einer Querbewehrung, …) die Wirksamkeit gesteigert werden kann, reduziert sich auch der erforderliche Verbundbewehrungsgrad. Daher wird zusätzlich der erforderliche Bewehrungsgrad bei Ermüdungsbeanspruchung unter dem Ansatz des Bemessungswerts der Streckgrenze für den Schubverbinder σ sd = f yd als unterer Grenzwert bestimmt. Hierbei ergibt sich ein erforderlicher Bewehrungsgrad von ρ dyn = 0,54‰ (4,9 Stk/ m²). Dies ist gleichbedeutend mit einer Einsparung von ca. 7 Schubverbindern pro m² Brückenfläche. Wird der Nachweis für die Querkraftgrenzlinie geführt kann der Ansatz einer Mindestbewehrung ρ min = 1,1‰ entfallen [6]. 6. Zusammenfassung Mittels mehrerer Versuchsreihen wurde anhand von Versuchsträgern mit nachträglich verstärkter Aufbetonschicht ein Bemessungskonzept validiert, welches als EOTA TR-066 veröffentlicht wurde. Dieses Bemessungskonzept hat auch schon in ähnlicher Weise seinen Niederschlag im MC2010 gefunden und ist für Beton-Beton-Verbundfugen bei nachträglichen Verstärkungen mit Aufbeton ausgelegt. Mit der Einführung der ETA-18/ 0122 steht mit den HCC-B Schubverbindern zusätzlich ein entsprechendes System zur Verbundsicherung bei einer nachträglichen Verstär- 372 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische und Ermüdungsbeanspruchung kung durch Aufbeton auch bei Ermüdungsbeanspruchung zur Verfügung. In den Versuchen unter statischer Beanspruchung sowie unter Ermüdungsbeanspruchung konnte festgestellt werden, dass insbesondere die Fugenrautiefe in Verbindung mit einer ausreichend gewählten Verbundbewehrung die maßgeblichen Einflussparameter für die Schubkraftübertragung in der Verbundfuge sind. Ein wesentliche Ergebnis aus den statischen Versuchen ist, dass mit einer HDW-gestrahlten Fuge (R t = 3mm) sowie einem entsprechend hohen Verbundbewehrungsgrad die gleiche Traglast erreicht werden, wie bei einem Versuchsträger, der monolithisch und somit ohne Verbundfuge hergestellt wurde. Dieses Ergebnis ist insofern interessant, als dass bei der Bemessung von Verbundfugen von einem monolithischen Tragverhalten des Bauteils ausgegangen wird. Das Bemessungskonzept des EOTA TR 066 bei Ermüdungsbeanspruchung sieht vor, dass bei einem Verhältnis der Höhe der Ermüdungsbeanspruchung in der Verbundfuge zur statischen Tragfähigkeit unterhalb eines bestimmten Grenzwertes nicht mit einem ermüdungsbedingten Versagen der Verbundfuge zu rechnen ist. Diese Aussage konnte u. a. an der TU Dortmund anhand von Bauteilversuchen mit Verbundfugen der Rauigkeitskategorie „verzahnt“ (R t ≥ 3 mm) und einem entsprechenden Verbundbewehrungsgrad bestätigt werden. Ferner konnte gezeigt werden, dass bei ausreichend begrenzten Ermüdungsbeanspruchungen so kleine Relativverformungen zwischen der alten und neuen Betonschicht und damit einhergehend so geringe Stahlspannungen in den Schubverbindern entstehen, dass auf einen expliziten Nachweis der Verbundmittel gegen Ermüdung verzichtet werden kann. Abschließend wurde ein kleines Bemessungsbeispiel einer Brückenverstärkung mittels nachträglicher Aufbetonschicht vorgestellt, bei denen die Bemessungskonzepte nach DIN EN 1992-2/ NA sowie EOTA TR 066 verglichen werden. Es konnte gezeigt werden, dass das Bemessungskonzept nach EOTA TR 066 zu deutlich geringeren erforderlichen Bewehrungsmengen in der Verbundfuge führen kann, wodurch sich wiederum der Aufwand der Bauausführung ebenfalls reduziert. Literaturverzeichnis [1] DIN EN 1992-2: 2010-12 - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln, 2010 [2] DIN EN 1992-2/ NA: 2013-04 - Eurocode 2: Nationaler Anhang, Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln, 2013 [3] International Federation for Structural Concrete (fib) - fib Model Code for Concrete Structures, Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 2013. [4] Kaufmann, N.: Das Sandflächenverfahren. In: Straßenbautechnik 24, Heft 3, S. 131-135, 1971. [5] ETA-18/ 1022: 2019-03 - European Technical Assessment: Verbinder zur Verstärkung bestehender Betonkonstruktionen durch Aufbeton. Deutsches Institut für Bautechnik, 2019. [6] EOTA TR 066: 2019-04 - EOTA Technical Report: Design and requirements for construction works of post-installed shear connection for two concrete layers, 2019. [7] DIN EN 1992-4/ 2019-04 - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 4: Bemessung der Verankerung von Befestigung in Beton, 2019. [8] Heinrich, J.; Zenk, T.; Maurer, R.: Bewehrte Beton- Beton-Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Ermüdungsbeanspruchung. In: Bauingenieur 95, Heft 4, S. 115-125, 2019 [9] Randl, N.; Wicke, M.: Auswertung der dynamischen Versuche Verbund Alt-Neubeton, Orojekt „CCLT-Fatigue“. Institut für Betonbau - Universität Innsbruck, 8 S., 2000 (unveröffentlicht). [10] Pruijssers A. F.: Aggregate Interlock and Dowel Action under Monotonic and Cyclic Loading. Delft, Delft University of Technology, Dissertation, 1988. [11] Hilti New Business & Technology, Gleichwertigkeitstests HCC-Gusselement 2002, Test Report TWU 08/ 02, 72 S. 2002 (nicht veröffentlicht). [12] Heinrich, J.; Zenk, T.; Maurer, R.: Bewehrte Beton- Beton-Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische Tragfähigkeit. In: Bauingenieur 94, Heft 11, S. 425-435, 2019.