eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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2020
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Innovative Verstärkungslösung mit Litzenbündelseilen für die Fuldabrücke A44 bei Bergshausen

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2020
Armin Demelt
Kay Löffler
Die ca. 700 m lange Stahlfachwerkbrücke im Zuge der A44 bei Kassel-Bergshausen überspannt über sieben Felder mit einer maximalen Spannweite von 143 m das Tal der Fulda und verbindet das Autobahnkreuz Kassel-West mit dem Autobahndreieck Kassel-Süd. Aufgrund zunehmender Verkehrsbelastung war eine umfangreiche Ertüchtigung des Bauwerkes erforderlich. Das Konzept sah dabei eine feldweise Unterspannung der Fachwerkkonstruktion vor. Dabei sollen am älteren Nordüberbau Litzenbündelseile, wie sie üblicherweise bei Schrägseilbrücken zwischen dem Pylon und dem Brückendeck verwendet werden, in diesem Projekt eine auf Zug belastete Verbindung zwischen dem Fachwerkträger im Stützenbereich und in Feldmitte unterhalb des Trägers angeordneten vertikale Stützträger, sogenannten Pins, herstellen. Die in die bis zu 73 m langen Litzenbündelseile eingebrachte Vorspannung führt dabei in Feldmitte zu Druckkräften in den Pins und somit zu einer mittigen Stützwirkung für den Fachwerkträger. Zum Einsatz kamen insgesamt 56 DYWIDAG-Litzenbündelseile des allgemein bauaufsichtlich zugelassenen DYWIDAG-Schrägseilsystems DYNA Grip® mit je 31 Stück (Typ DG-P31) 7-drähtigen, verzinkten, gewachsten und PE-ummantelten Litzen der Güte St 1570/1770. Die Litzenbündel sind zusätzlich von einem PE-Rohr vor mechanischen Belastungen und zur Erhöhung der UV-Beständigkeit geschützt. Die Festanker des Schrägseilsystems wurden dabei im Bereich der Pins in Feldmitte und die Spannanker im Bereich der Stütze angeordnet. Aufgrund des festgestellten Ertüchtigungsbedarfs konnte die Autobahnbrücke nur bis zur Fertigstellung der Maßnahme unter eingeschränkter Verkehrsführung und unter Sperrung für LKWs über 3,8 to weitergenutzt werden. Daher war der zügige Einbau der Verstärkungssysteme unter laufendem Verkehr entscheidend für die Wahl des DYWIDAG Systems. Nach vorbereitenden Arbeiten im vierten Quartal 2018 erfolgte die Ausführung der Seilmontagen zwischen Februar 2019 und Mai 2019, wobei trotz der besonderen Herausforderungen hinsichtlich der Montage der Schrägseilsysteme unterhalb der Fachwerkträger die Arbeiten zügig abgeschlossen werden konnten und die vorgesehene volle Verkehrsführung Anfang Mai 2019 bereitgestellt wurde.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 415 Innovative Verstärkungslösung mit Litzenbündelseilen für die Fuldabrücke A44 bei Bergshausen Dipl.-Ing. Armin Demelt DYWIDAG-Systems-International GmbH, Langenfeld (Rheinland) Lifespan Management, Repair and Strengthening Dipl.-Ing. Kay Löffler DYWIDAG-Systems-International GmbH, Langenfeld (Rheinland) Lifespan Management, Repair and Strengthening Zusammenfassung Die ca. 700 m lange Stahlfachwerkbrücke im Zuge der A44 bei Kassel-Bergshausen überspannt über sieben Felder mit einer maximalen Spannweite von 143 m das Tal der Fulda und verbindet das Autobahnkreuz Kassel-West mit dem Autobahndreieck Kassel-Süd. Aufgrund zunehmender Verkehrsbelastung war eine umfangreiche Ertüchtigung des Bauwerkes erforderlich. Das Konzept sah dabei eine feldweise Unterspannung der Fachwerkkonstruktion vor. Dabei sollen am älteren Nordüberbau Litzenbündelseile, wie sie üblicherweise bei Schrägseilbrücken zwischen dem Pylon und dem Brückendeck verwendet werden, in diesem Projekt eine auf Zug belastete Verbindung zwischen dem Fachwerkträger im Stützenbereich und in Feldmitte unterhalb des Trägers angeordneten vertikale Stützträger, sogenannten Pins, herstellen. Die in die bis zu 73 m langen Litzenbündelseile eingebrachte Vorspannung führt dabei in Feldmitte zu Druckkräften in den Pins und somit zu einer mittigen Stützwirkung für den Fachwerkträger. Zum Einsatz kamen insgesamt 56 DYWI- DAG-Litzenbündelseile des allgemein bauaufsichtlich zugelassenen DYWIDAG-Schrägseilsystems DYNA Grip® mit je 31 Stück (Typ DG-P31) 7-drähtigen, verzinkten, gewachsten und PE-ummantelten Litzen der Güte St 1570/ 1770. Die Litzenbündel sind zusätzlich von einem PE-Rohr vor mechanischen Belastungen und zur Erhöhung der UV-Beständigkeit geschützt. Die Festanker des Schrägseilsystems wurden dabei im Bereich der Pins in Feldmitte und die Spannanker im Bereich der Stütze angeordnet. Aufgrund des festgestellten Ertüchtigungsbedarfs konnte die Autobahnbrücke nur bis zur Fertigstellung der Maßnahme unter eingeschränkter Verkehrsführung und unter Sperrung für LKWs über 3,8 to weitergenutzt werden. Daher war der zügige Einbau der Verstärkungssysteme unter laufendem Verkehr entscheidend für die Wahl des DYWIDAG Systems. Nach vorbereitenden Arbeiten im vierten Quartal 2018 erfolgte die Ausführung der Seilmontagen zwischen Februar 2019 und Mai 2019, wobei trotz der besonderen Herausforderungen hinsichtlich der Montage der Schrägseilsysteme unterhalb der Fachwerkträger die Arbeiten zügig abgeschlossen werden konnten und die vorgesehene volle Verkehrsführung Anfang Mai 2019 bereitgestellt wurde. 1. Einleitung Die insgesamt ca. 700 m lange, aus sieben Einzelfeldern und zwei getrennten Überbauten bestehende Autobahnbrücke im Zuge der A44 über die Fulda verbindet im Süden Kassels das Autobahnkreuz Kassel-West und Kassel-Süd. Als Stahlfachwerkkonstruktion haben Nachrechnungen der Resttragfähigkeit eine dringende Verstärkung des Nordüberbaus ergeben. Das gewählte Konzept sah dabei die Montage von in der Mitte der Felder angeordneten Stahlkonstruktionen sogenannten Pins vor, von denen eine Unterspannung jeweils zu den angrenzenden Stützenauflagern geführt und dort verankert wurden. Durch eine Vorspannung der Unterspannsysteme wird dann der Pin auf Druck belastet und somit die Biegebeanspruchung des bestehenden Stahlfachwerkträgersystems aufgrund des so geschaffenen neuen Auflagers reduziert. Aufgrund der freien Bewitterung der Unterspannsysteme und der damit verbundenen erhöhten Anforderungen an die Robustheit und UV-Beständigkeit, wurde als System das DYWIDAG-Litzenbündelseilsystem des Typs DYNA-Grip® gewählt, welches bereits bei mehreren Schrägseilprojekten in Deutschland und im Ausland erfolgreich eingesetzt wurde (u.a. neue Ziegelgrabenbrücke, Stralsund, Waschmühltalbrücke). Nach Ausschreibung der Verstärkungsmaßnahme durch Hessen Mobil im Oktober 2017 und Vergabe der Gesamtmaßnahme an die SEH Engineering GmbH wurde DYWIDAG-Systems International im Februar 2018 mit der Lieferung 416 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Innovative Verstärkungslösung mit Litzenbündelseilen für die Fuldabrücke A44 bei Bergshausen und Montage von 56 DYWIDAG-Litzenbündelseilen des Typs DYNA-Grip® beauftragt. Bild 1: Fuldabrücke, Bergshausen Bild 2: Unterspannung eines Feldes mit DYNA-Grip® Bild 3: Spannanker im Bereich des Pins (Feldmitte) 2. Eigenschaften des DYWIDAG-Litzenbündelseils Das allgemein bauaufsichtlich zugelassene und fremdüberwachte DYWIDAG-Litzenbündelseilsystem besteht im Projekt Fuldabrücke aus je 31 Stück 7-drähtigen, verzinkten, gewachsten und PE-ummantelten Litzen der Güte St 1570/ 1770. Ebenso wie für das Gesamtsystem liegt auch für das Litzenzugglied eine eigene für die Anwendung als Schrägseilsystem geprüfte allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vor. Die parallelgeführten Einzellitzen werden in einem dickwandigem, UV-resistenten Hüllrohr mit einem Durchmesser von 160 mm geführt und mittels Keilen am Spannbzw. Festanker im Ankerblock verankert. Im Unterschied zu üblichen Spannsystemen im Bereich des Brückenbaus sind die aktiv auf die Zugglieder aufgebrachten Spannkräfte geringer, jedoch unterliegen Unterspannbzw. Schrägseilsysteme deutlich höheren dynamischen Belastungen. Daher wurden die verwendeten Einzelkomponenten im Rahmen der Zulassungsversuche auch mit bis zu ca. dreifach höheren Schwingungsamplituden geprüft, wie es für Spannsysteme im Brückenbau üblich ist. Während der Ankerblock bzw. Keilträger am Festanker die Spannkraft der Litzen über die Keile direkt auf die Verankerungsplatte überträgt, verfügt der Ankerblock des Spannankers zusätzlich über ein Außengewinde, auf die eine Ringmutter aufgeschraubt wird. Die Kraft wird hierbei vom Ankerblock über die Ringmutter auf die Verankerungsplatte und damit auf das Bauwerk übertragen. Die zusätzliche Ringmutter ermöglich somit noch ein späteres Anpassen der Gesamtbündelkraft durch Abheben und Nachsetzen der Ringmutter über eine sogenannte Gradientenpresse. Im Vergleich zu anderen Abspannsystemen wie z.B. vollverschlossenen Seilen besteht das Gesamtbündel aus einzelnen individuell korrosionsgeschützten Einzellitzen, die im Bedarfsfall einzeln ausgetauscht werden können, ohne das Gesamtsystem entspannen zu müssen. Im Projekt Fuldabrücke erfolgte die Anordnung der Festanker stets im Bereich der Pins und somit in Feldmitte. Die Spannanker wurden dagegen im Bereich der Stützen vorgesehen. Je Brückenfeld und Überbau wurden vier übergreifende Bündellitzenseile eingebaut. Abhängig von der Spannweite der sieben Brückenfelder zwischen 79,2 m und 143,2 m betragen die Einzelseillänge zwischen ca. 35,50 m und 71,40 m. 3. Montage der DYWIDAG-Litzenbündelseile Die Montage der DYWIDAG-Litzenbündelseile erfolgte unter eingeschränkter Verkehrsführung und unter Sperrung für LKWs über 3,8 to. Jedoch war eine Nutzung für den Last- und PKW Verkehr bis 3,8 to für den gesamten Zeitraum der Verstärkungsmaßnahme möglich. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 417 Innovative Verstärkungslösung mit Litzenbündelseilen für die Fuldabrücke A44 bei Bergshausen 3.1 Konfektionierung und Montage der PE-Hüllrohre Während der Montage der Druckpins in Feldmitte durch SEH erfolgte bereits die Vorfertigung der PE-Hüllrohre der Litzenbündelseile durch DYWIDAG. Aufgrund der eingeschränkten Verkehrsführung konnte auf der Brücke der freie Bereich zur Lagerung und Konfektionierung der PE-Hüllrohre genutzt werden. Die PE-Hüllrohrstücke sind mit einer PE-Schweißdrahtwendel versehen, die die ggf. durch Wind induzierten Schwingungen des Bündels deutlich reduziert. Um Umweltbzw. Temperatureinflüsse auszuschließen, wurde die Spiegelschweißung der PE-Hüllrohrabschnitte zur Gesamthüllrohrlänge eines Rohres in einem entsprechend eingerichteten Schweißcontainer durchgeführt. Für die Zugänglichkeit und den Materialtransport für die Gesamtverstärkungsmaßnahme sind unterhalb der Fahrbahn im Bereich des Fachwerks entlang der gesamten Brücke zwei Gitterrostlaufgänge sowie ein Laufkatzenträger angeordnet worden. Diese wurden auch dazu genutzt, die vorkonfektionierten PE- Hüllrohre an den finalen Einbauort zu verbringen. Vom Fahrbahnniveau wurden dabei die PE-Hüllrohre über eine temporäre Rampe auf das Niveau des Gitterrostgangs verbracht, an die Laufkatzenbahn angeschlagen und in Längsrichtung verzogen. Nach der Montage der Verankerungen wurde dann zwischen Spann- und Festanker ein temporäres Hilfsseil gespannt, das PE-Hüllrohr von der Laufkatzenbahn auf das Hilfsseil umgehängt und in seine finale Lage gebracht. Nach Montage und Lagesicherung durch eine Pilotlitze konnte dann das Hilfsseil entfernt werden. Bild 4: Zwischenlagerung der Hüllrohr Bild 5: Schweißcontainer zur Konfektionierung der PE- Hüllrohre Bild 7: Transport der PE-Hüllrohre über Laufkatzenbahn Bild 8: Temporäres Anhängen des PE-Hüllrohres an Hilfsseil 418 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Innovative Verstärkungslösung mit Litzenbündelseilen für die Fuldabrücke A44 bei Bergshausen Bild 9: Sicherung der PE-Hüllrohre durch eine Pilotlitze 3.2 Bestückung der Litzenbündelseile und Aufbringen der Vorspannen Die Lagerung der Schrägseillitzen erfolgte in speziellen Dispensern auf Fahrbahnniveau jeweils im Bereich der Stützen. Die Bestückung der Litzenbündelseile erfolgte mittels Einstoßgeräten, die ebenfalls auf der Fahrbahn positioniert, die Schrägseillitze kontrolliert und steuerbar durch ein Fädelrohr auf das Spannankerniveau und dann bis zum Festanker im Bereich des Pins in das PE- Hüllrohr einschiebt. Zur Sicherstellung einer parallelen Litzenanordnung wurden die Litzen in einer vorher festgelegten Reihenfolge in das PE-Hüllrohr eingefädelt und in die entsprechenden Bohrungen in den Ankerblöcken eingefädelt. Zur gleichmäßigen Belastung des Fachwerkträgersystems erfolgte die Bestückung eines Feldes jeweils mit den inneren vier Litzenbündelseilen, wobei i.d.R. bis zu sechs Einzellitzen jeweils abwechselnd zwischen dem nördlichen und südlichen Seilen eingestoßen und auf eine erste Spannstufe fixiert wurden. Anschließend erfolgte die Bestückung der äußeren Seile eines Feldes auf gleicher Weise. Um eine Überbelastung des Anschlusses am Pin in Längsrichtung zu vermeiden, durfte die Längskraftdifferenz zwischen den Ost und West Seilen eines Feldes nur in einer zuvor definierten Toleranz voneinander abweichen. Die Vorspannung der Seile erfolgte mittels dem DYWIDAG ConTen® Verfahren, bei dem das gleichmäßige Vorspannen der Litzen eines Bündels im Bezug zu einer Referenzlitze sichergestellt wird. Da u. a. auch die Steifigkeit des Gesamtbauwerkes Einfluss auf die Vorspannkraft jeder individuellen Litze hat, erfolgte die Aufstellung des Spannprogramms in enger Abstimmung zwischen dem verantwortlichen Planungsbüro (Ingenieurgruppe Bauen) und der Technischen Abteilung der DYWIDAG. Die Vorspannung wurde in insgesamt fünf Durchläufen aufgebracht, wobei nach einer initialen Spannstufe, abwechselnd die äußeren und inneren Litzenbündelseile feldweise in zwei Spannstufen vorgespannt wurden. Nach Abschluss der Spannarbeiten wurden die Keile noch einmal mit einer definierten Kraft nachverkeilt und sowohl in die Keile als auch in die Konusbohrungen in den Ankerblöcken Korrosionsschutzmasse eingepresst. Anschließend erfolgte die Montage der Bündelungselemente hinter der Verankerung, die Aktivierung der Dichtungen zwischen den Schrägseillitzen und den Ankerblöcken sowie das Schließen der PE-Verrohrung. Mit dem Korrosionsschutz der Litzenüberstände und Montage der Hauben wurde die Installation der Litzenbündelseile im September 2019 abgeschlossen. Bild 10: Vorgespannte Litzenbündelseile vor Aufbringen des Korrosionsschutzes im Verankerungsbereich 4. Zusammenfassung und Resümee Die Arbeiten im Rahmen der Verstärkungsmaßnahme Fuldabrücke Kassel-Bergshausen, bei denen 56 DYWI- DAG-Litzenbündelseile mit 31 Einzellitzen als Unterspannung der Stahlfachwerkkonstruktion des Nordüberbaus eingebaut wurden, konnten durch einen optimierte Bauablaufplanung und der engen Zusammenarbeit zwischen dem Generalunternehmer und DYWIDAG trotz eines, durch vorauseilende allgemeinen Verzögerungen verursachten, verspäteten Einbaubeginns, durch DYWI- DAG fristgerecht zur vollen Verkehrsführung Anfang Mai vollumfänglich abgeschlossen werden. Insbesondere der durch die Erfahrung der DYWIDAG deutlich beschleunigte Einbau der PE-Hüllrohre sowie eine Optimierung der Spannvorgänge haben zu wesentlichen Vorteilen für den Generalunternehmer geführt. Im Rahmen des Projekts Fuldabrücke Kassel-Berghausen wurden die DYWIDAG-Litzenbündelseile in Deutsch- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 419 Innovative Verstärkungslösung mit Litzenbündelseilen für die Fuldabrücke A44 bei Bergshausen land erstmalig nicht für den Brückenneubau sondern für die Verstärkung einer Bestandsbrücke eingesetzt. Durch den Einsatz im Bestand wurde erneut die Flexibilität der DYWIDAG-Systeme erfolgreich gezeigt. Literaturverzeichnis [1] Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-14.7- 759 - DYWIDAG-Litzenbündelseile, DYWIDAG- Systems International GmbH