eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
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expert verlag Tübingen
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Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/A 24“

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Thomas Tschickardt
Die BIM-basierte Methode der Projektabwicklung befindet sich aktuell im Infrastrukturbau – insbesondere in der Ausführungs- und Erhaltungsphase – noch in der Erprobung. Im Rahmen der nationalen Pilotprojekte zur Vorbereitung und Erprobung des vom Stufenplan Digitales Planen und Bauen vorgegebenen Leistungsniveaus 1 im Verkehrswegebau wurden mit dem Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/A 24“ von der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) im Auftrag des Landes Brandenburg und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) BIM-Anwendungsfälle ausgeschrieben und vergeben. Es handelt sich um das erste Pilotprojekt, bei dem Planung, Ausführung und Erhaltung mit BIM aus einer Hand erfolgen. Das Vorhaben geht also mit einem in die operativen Prozesse integrierten BIM-Ansatz bis in die Erhaltung über die Erfahrungen der bisherigen Pilotprojekte des BMVI hinaus. Im Folgenden werden erste Erfahrungen und Mehrwerte aus der Implementierung und Umsetzung dieses BIM-Projektes vorgestellt. Der Beitrag ist eine Fortschreibung von [1] und bezieht sich auf [2].
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 451 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ Thomas Tschickardt M. Eng. Wayss & Freytag Ingenieurbau AG, Frankfurt am Main, Deutschland Zusammenfassung Die BIM-basierte Methode der Projektabwicklung befindet sich aktuell im Infrastrukturbau - insbesondere in der Ausführungs- und Erhaltungsphase - noch in der Erprobung. Im Rahmen der nationalen Pilotprojekte zur Vorbereitung und Erprobung des vom Stufenplan Digitales Planen und Bauen vorgegebenen Leistungsniveaus 1 im Verkehrswegebau wurden mit dem Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ von der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DE- GES) im Auftrag des Landes Brandenburg und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) BIM-Anwendungsfälle ausgeschrieben und vergeben. Es handelt sich um das erste Pilotprojekt, bei dem Planung, Ausführung und Erhaltung mit BIM aus einer Hand erfolgen. Das Vorhaben geht also mit einem in die operativen Prozesse integrierten BIM-Ansatz bis in die Erhaltung über die Erfahrungen der bisherigen Pilotprojekte des BMVI hinaus. Im Folgenden werden erste Erfahrungen und Mehrwerte aus der Implementierung und Umsetzung dieses BIM-Projektes vorgestellt. Der Beitrag ist eine Fortschreibung von [1] und bezieht sich auf [2]. 1. Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ 1.1 Projektvorstellung Das Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“, welches als eines der Pilotprojekte des BMVI zur Vorbereitung und Erprobung des vom Stufenplan Digitales Planen und Bauen vorgegebenen Leistungsniveaus 1 ausgewählt wurde, erweist sich für die Anwendung der BIM-Methode als besonders geeignet, da wesentliche Teile der Wertschöpfungskette von Planung, Bau und Erhaltung aus einer Hand erfolgen. Der Auftragnehmer Havellandautobahn GmbH & Co. KG ist ein Konsortium aus der Royal BAM Group und der HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft. Planungs- und Bauleistungen werden durch die ARGE A10/ A24 Havellandautobahn erbracht, Betrieb und Erhaltung erfolgen durch die Havellandautobahn Services GmbH & Co. KG. Die Leitung des BIM- Managements liegt bei der BAM-Konzerngesellschaft Wayss & Freytag Ingenieurbau AG. Die Vertragsstrecke umfasst rund 64,2 km und wird in weniger als fünf Jahren unter laufendem Betrieb ausgebaut bzw. erneuert, um dem künftigen Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. 1.2 Leistungsumfang und BIM-Vertragsabschnitt Die BIM-Vertragsstrecke im Projekt umfasst den vierten Bauabschnitt auf der BAB A24 (Abbildung 1) im Bereich von Km 222+675 bis Km 228+175. Der Bauabschnitt hat eine Länge von 5.500m und beinhaltet zwei Tank- und Rastanlagen: Die Tank- und Rastanlagen Linumer Bruch Nord und Süd befinden sich zwischen Km 224+660 bis Km 225+210. Weiterhin beinhaltet der Bauabschnitt mehrere Ingenieurbauwerke: den Ersatzneubau des Brückenbauwerks (BW2) über die Ortsverbindungsstraße Kuhhorst - Linum bei Km 226+104, eine Lärmschutzwand (LSW) mit einer Länge von 265m im Bereich Km 225+246 bis Km 225+511 und zwei Verkehrszeichenkragarme (VZK) bei Km 224+730 und Km 225+405. Die BAB A 24 ist mit einem System zur Nutzung des Seitenstreifens (Temporäre Seitenstreifenfreigabe, TSF) durch Fahrzeuge ausgestattet. Die TSF-Anlage trägt bei hoher Verkehrsbelastung zur Verflüssigung des Verkehrs bei. Die Breitenausdehnung der BIM-Anwendungen versteht sich bis Vertragsgrenze, einbezogen werden alle Anlagenteile inkl. Bestand (Brückenbauwerk, Strecke, Tank- und Rastanlagen, Ausstattung, Entwässerung, Sparten, TSF, Fernmeldeanlagen, Landschaftsbau etc.). 1.3 BIM-Anwendungsfälle Ein BIM-Ziel ist ein vom AG definierter und in der Zukunft liegender Zustand, der durch die Anwendung der BIM-Methode erreicht werden soll. Als allgemeines Ziel verfolgt der AG den Erfahrungsgewinn mit der Anwendung der BIM-Methode bei ÖPP-Projekten. Im Vordergrund stehen für den Erfahrungsgewinn hierbei die Einbeziehung aller im Leistungsumfang enthaltenen Gewerke (Strecke, Konstruktiver Ingenieurbau etc.), die 452 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ gesamte Wertschöpfungskette (Planung, Bau, Erhaltung) und die Durchführung der BIM-Methode bei einer Verkehrswegebaustelle. Gemäß den Vergabeunterlagen ist die Umsetzung folgender Anwendungen vertraglich gefordert: • Erstellung BIM-Modelle • Kollaboration und Kommunikation • BIM-Koordination Planung und Bau • Planableitung • 4D-Bauablaufplanung • 4D-Soll-Ist-Vergleich und Statusanzeige Erhaltung • Visualisierung der Erhaltungsmaßnahmen • Visualisierung gem. ZT-Funktionen StB A 10/ A 24 Die aufgelisteten Anwendungen resultierten in spezifischen BIM-Anwendungsfällen und werden in Kapitel 2 ausgiebig beschrieben. Abbildung 1: Projektübersicht A 10/ A 24 und BIM-Vertragsstrecke 1.4 Software Architektur In Abbildung 2 ist die Software-Architektur in Bezug auf die in Kapitel 2 umgesetzten BIMAnwendungs-fälle im Projekt zu sehen. Der Austausch der BIM-Modelle erfolgt mittels IFC-Format, aber auch mittels CPA-Format, dem spezifischen Projektformat der Koordinationssoftware. Zur Kommunikation von Ansichtspunkten, kritischen Punkten etc. wird das BCF-Format eingesetzt. 2. BIM im Lebenszyklus 2.1 BIM-Dokumente Grundlage für die digitale Planungsmethode ist die Erstellung der BIM-Dokumente „Auftraggeber-Informations-Anforderung“ (AIA) und „BIM-Abwicklungsplan“ (BAP) - die „Baubeschreibung“ für BIM-Projekte. In den AIA werden die Informationsbedürfnisse des AG definiert. Vor dem Hintergrund der umfangreichen Leistungsübertragung beim Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ (Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung) hat 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 453 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ sich der AG dazu entschlossen, in den Vergabeunterlagen (VGU) lediglich BIM-Mindestanforderungen im Sinne einer funktionalen Leistungsbeschreibung festzulegen, die Verantwortung für die Erstellung der AIA hingegen liegt beim AN. Der BAP wird in kooperativer Arbeitsweise mit dem AG und den Fachplaner erstellt. Die Zielsetzung ist, das Beste für das Projekt zu erreichen, gemeinschaftlich die Inhalte mit den hierfür zu erbringenden Leistungen aller Projektbeteiligten zu definieren und einen nationalen Standard zu entwickeln. Durch den BAP werden die Aufgaben, die Verantwortlichkeiten und die Interaktionen von jeder Organisation in Bezug auf die BIM-Informationen und die BIM-Modelle definiert. Aufgrund der rapiden Entwicklung in allen Bereichen des digitalen Planens und Bauens handelt es sich beim BAP um ein lebendes Dokument, welches im Projektverlauf kontinuierlich fortgeschrieben wird. Um die Wiederverwendbarkeit des entwickelten Dokuments zu gewährleisten, hat sich das BIM-Team dazu entschlossen, den BAP des Verfügbarkeitsmodells A 10/ A 24 mit projektspezifischen Anlagen zu entwickeln. Diese bestehen aus: • Anlage 1 - BIM-Terminplan Listet vertragsrelevante Termine, Meilensteine, Zyklus der Datenübergabepunkte der Lieferobjekte (engl. Data Drops) und den Zyklus der BIMKoordinationssitzungen auf. • Anlage 2 - BIM-Anwendungsfälle Prozesse und Durchführung Stellt die BIM-Anwendungsfälle in Teilprozessen erschöpfend dar. Es werden Zielsetzung, Anforderungen, Prozesseigner, Softwarevoraussetzungen, Ergebnisse des Lieferobjektes und Liefertermine beschrieben. Die Interaktionen aller BIMAnwendungsfälle werden in der Gesamtprozesslandkarte dargestellt. • Anlage 3 - Modellierungsrichtlinie Definiert die Vorgaben, die im Rahmen der Modellierung eingehalten werden sollen, um den Austausch der Fach- und Teilmodelle zu garantieren • Anlage 3.1 - LOG/ LOI Richtlinie Stellt alle Modellelemente und deren alphanumerische Informationen in den unterschiedlichen Projektphasen dar. • Anlage 4 - CDE Guideline Definiert die Verfahren für die kollaborative Zusammenarbeit und die Struktur der Projektplattform. • Anlage 4.1 - Checkliste 1 - Modellübergabe Stellt das Stage Gate zwischen Fachplaner und AN dar und dient zur internen fachlichen und formalen Prüfung (Qualitätsicherungsbericht) des Fachplaners, um die Fach- und Teilmodelle qualitätsgerecht an den AN zu übergeben. • Anlage 4.2 - Checkliste 2 - Modellprüfung Stellt das Stage Gate zwischen AN und AG dar. Die Prüfung dient der geometrischen- und informationstechnischen Qualitätssicherung aller Fach- und Teilmodelle sowie zur gewerkeübergreifenden Koordinierung. • Anlage 4.3 - Checkliste 3 - Modelleingang Dient zur Eingangsprüfung (Plausibilisierung) von Fach-, Teil- und Koordinationsmodellen auf deren informationstechnische Qualität. Der Prüfvorgang dient der informationstechnischen Qualitätssicherung. Die Prüfergebnisse unterstützen als Entscheidungsvorlage den Freigabeprozess des AG. 454 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ Abbildung 2: Software Architektur im Projekt • Anlage 5 - BCF-Austauschrichtlinie Definiert die Anforderungen an die BCF-Datei und beschreibt den Austauschprozess, um Kollisionen, kritische Punkte, fehlerhafte Merkmale oder Planungsänderungen standardisiert zu kommunizieren. • Anlage 6 - Master-Informationslieferplan & Aufgaben-Informationslieferpläne Der Master-Informationslieferplan (engl. Master Information Delivery Plan, MIDP) ist eine abgestimmte Zusammenstellung aller Lieferobjekte, die in den Aufgaben-Lieferinformationsplänen (engl. Task Information Delivery Plan, TIDP) der Fachplaner festgelegt sind. Die Dokumente sind Bestandteil der DIN ISO EN 19650. • Anlage 7 - Modellelement-Erstellungsplan Der Modellelement-Erstellungsplan (engl. Model Production Delivery Table, MPDT) zeigt die projektspezifischen Verantwortlichen sowie die Detailierungsgrade der einzelnen Fach- und Teilmodelle und Modellelemente in Abhängigkeit der Projektphasen auf. • Anlage 8 - Schulungskonzept Es werden Schulungsmaßnahmen für den AG detailliert aufgelistet und beschrieben. • Anlage 8.1 - BIM-Assessment Der BIM-Kenntnisstand der Projektbeteiligten wird abgefragt und ermittelt den projektspezifischen Schulungsbedarf für die Projektbeteiligten. 2.2 Planungsphase In der Planungsphase werden Entwurfsplanung für Ingenieurbauwerke und Ausführungsplanung für Strecke und Ingenieurbauwerke als Voraussetzung für die Ausführungsphase erstellt. Nachfolgend werden die BIM-Anwendungsfälle der Planungsphase beschrieben. 2.2.1 Erstellung und Fortschreibung Fachmodelle Die Fach- und Teilmodelle sind die Grundlage der BIM- Anwendung. Daher muss die Modellerstellung und -fortschreibung georeferenziert und nach den definierten Rahmenbedingungen (z.B. alphanumerischer und geometrischer Entwicklungsgrad) erfolgen. Die festgelegten Entwicklungsstadien sind dabei zu berücksichtigen. Nachfolgend sind die Fach- und Teilmodelle aufgelistet: 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 455 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ Tabelle 1: Fach- und Teilmodelle im Projekt Fachmodelle Teilmodell Gelände Bestand Gelände Neues Gelände Baugrund Bodenschichten Höchster Grundwasserstand Ingenieur-bauwerk Bestand Brückenbauwerk Brückenbauwerk Lärmschutzwand Verkehrszeichenkragarm Strecke Bestand Streckenbau Bestand Sparten Streckenbau Sparten Entwässerung Ausstattung Temporäre Seitenstreifenfreigabe Fernmeldeanlage Landschaftsbau Tank- und Rastanlage Bestand Verkehrsflächen Bestand Sparten Verkehrsflächen Sparten Entwässerung Ausstattung Die Trennung zwischen dem Fachmodell Strecke und Tank- und Rastanlage folgt dem Umstand, dass für diese Fachmodelle zwei unterschiedliche Fachplaner verantwortlich zeichnen. Die Fach- und Teilmodelle sind sogenannten „Phasenmodellen“ zugeteilt: • Grundlagenmodell Beinhaltet das Geländemodell, das Baugrundmodell, welches auf Basis der Erkundungen und bestehenden Baugrundinformationen abgeleitete Bodenschichten enthält, und die Bestandsmodelle (Bauwerke, Straßen, Sparten und Nebenanlagen). • Entwurfsmodell Entspricht dem geometrischen Detaillierungsgrad einer Entwurfsplanung und enthält finale geometrische und technische Eckpunkte sowie Trassierung und Querschnitte als Baugruppen für die Zuordnung und Ableitung von für die Durchführung der Anwendungsfälle relevanten Kennzahlen. • Ausführungsmodell Entspricht dem geometrischen Detaillierungsgrad einer Ausführungsplanung und wird mit Baubehelfsplanungen ergänzt. • Übergabemodell Entspricht dem Bestand nach Abschluss der Bauausführung und spiegelt die Bestandsplanung wider. Das Modell wird in der Erhaltungsphase mit weiteren Informationen angereichert. 2.2.2 BIM-Koordination Die Modellkoordination und -qualitätskontrolle ist ein zentraler Bestandteil der BIM-basierten Arbeitsweise. Da BIM-Modelle weitaus mehr Informationen enthalten müssen als herkömmliche Zeichnungen und da sie im Projektverlauf für verschiedenste Anwendungsfälle geeignet sein müssen, wird die Qualität der BIMModelle fortwährend streng geprüft. Die Planungsbesprechungen mit AG und Fachplanern, die sogenannten BIM-Koordinationssitzungen, werden im zwei-Wochen-Zyklus, unterstützt durch das BIM-Modell, durchgeführt. Dabei finden insbesondere die folgenden Kriterien Beachtung und es werden die nachfolgend beschriebenen spezifischen Prüfungen durchgeführt: Geometrische Richtigkeit • Geometrie-Prüfung: Prüft die Modellelemente auf fehlerfreie Geometrie im Sinne von geschlossenen Volumenkörpern, die ein mathematisch eindeutig berechenbares Volumen aufweisen. Sind die Volumenkörper nicht geschlossen oder Dreiecke der Oberflächen nicht richtig orientiert, kommt es zu Fehlermeldungen. 456 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ Abbildung 3: 2D-Planableitung aus dem Brückenmodell • Kollisionsprüfung: Ermittelt Überschneidungen zwischen Modellelementen. Somit können die Modelle auf Massendoppelungen überprüft werden. Für die Kollisionsprüfung kann eine Toleranz definiert werden, wodurch Kollisionen unterhalb eines definierten Grenzwertes ignoriert werden. Bei der Kollisionsprüfung ist es wichtig, dass die ermittelten Kollisionen subjektiv auf ihre Aussagekraft untersucht werden. Darüber hinaus sind für Kollisionskontrollen zwischen zwei verschiedenen Fachmodellen größere Toleranzen anzusetzen als innerhalb eines Fachmodells. Besonders für große bzw. lange Modelle ist aufgrund von Abweichungen und Verzerrungen in den Koordinatensystemen darauf zu achten, dass sich fehlerbedingte Überschneidungen ergeben können. Zu beachten ist, dass diese Toleranzen nicht den Planungsgenauigkeiten entsprechen. Die Planungsgenauigkeiten orientieren sich nach den Vorgaben der jeweiligen Leistungsphasen. Alphanumerische Richtigkeit • ID-Prüfung: Prüft die Modelle bzw. alle Modellelemente auf Eindeutigkeit. Jedes Modellelement muss eindeutig über eine GUID (engl. Globally Unique Identifier) identifizierbar sein, somit darf ein GUID nicht doppelt vorkommen. • Merkmal-Prüfung: Prüft Modelle und Modellelemente auf ihren Informationsgehalt. Geprüft wird, ob die einzelnen Modellelemente die in der LOG/ LOI Richtlinie geforderten Merkmale und Parameter aufweisen. Technische Richtigkeit • Technische, funktionale und vertragliche Vorab-Prüfung: Identifiziert Abweichungen zu technischen Regelungen und vertraglichen Vereinbarungen. 2.2.3 Modellbasierte Visualisierungen Die Öffentlichkeitsarbeit wird durch das Ableiten von Visualisierungen und Renderings aus den BIMModellen unterstützt. Ebenfalls wird das Brückenmodell mit einem 3D-Drucker gedruckt und ausgestellt. 2.2.4 2D-Planableitungen aus den Fachmodellen Die 2D-Planableitungen umfassen die Entwurfs- und Ausführungspläne der BIM-Vertragsstrecke. Die RA- BIng-Entwürfe der Ingenieurbauwerke werden aus dem Entwurfsmodell im LOD 200, die Ausführungspläne sowie die Bewehrungspläne werden aus dem Ausführungsmodell im LOD 400 abgeleitet. Die Maßstäbe und Planinhalte entsprechen den jeweiligen Richtlinien und Projektvorgaben. Die Standarddetails (bis zu einem Maßstab M 1: 50) werden als 2DZeichnung auf den Planableitungen ergänzt. Sicherzustellen sind zu Beginn der Planableitung kollisionsfreie Modelle und die Einhaltung der Modellierungsrichtlinie. Abschließend werden die 2D-Pläne zur Durchführung der Planfreigabe auf der Projektplattform (engl. Common Data Environment, CDE) bzw. Planmanagementsystem (PMS) zur Verfügung gestellt. Der Anwendungsfall verfolgt das Ziel, die Vermeidung von redundanten Informationsquellen, eine Erhöhung der Qualität der Planungsunterlagen, sowie eine Verringerung des Koordinations- und Erstellungsaufwandes. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 457 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ 2.2.5 Bemessung und Nachweisführung Für die Tragwerksplanung wird das analytische Modell aus dem geometrischen Brückenmodell im Autorenprogramm abgeleitet. Dies ist in der Modellierungssoftware bereits eingeschränkt möglich. Standard- Bauteile (sog. Systemfamilien) können bereits automatisch generiert werden. Für die weitere Bemessung werden weitere Eingaben wie Lasten und Auflager gewählt. Dabei ist nach dem gegenwärtigen Stand der Technik und in Anbetracht der normgeforderten Lastmodelle das Statik-Programm das geeignetere Eingabeformat. Das analytische Modell benötigt nur gefilterte Daten (z.B. zum Material), ebenfalls werden geometrische Darstellungen und Randbedingungen simplifiziert. Eine prüffähige Statik konnte somit erstellt werden. Der BIM-Anwendungsfall wurde prototypisch getestet und ist nicht vertraglich gefordert. 2.3 Ausführungsphase Nach Abschluss der Planungsphase werden nachfolgend aufgeführte BIMAnwendungsfälle umgesetzt. Diese wurden in einer Mock-Up-Phase zu Projektbeginn bereits prototypisch getestet, um die Umsetzung während der Ausführungsphase sicherzustellen. 2.3.1 Verlinkung Pläne, Dokumente etc. Alle relevanten Planunterlagen, Dokumente, Produktblätter werden mit den spezifischen Modellbereichen und -elementen verknüpft. Hierzu wurde eine übergreifende Namensbezeichnung entwickelt, die ein regelbasiertes Verknüpfen ermöglicht. 2.3.2 4D-Bauablaufvisualisierung Die 4D-Bauablaufvisualisierung umfasst die zeitbezogene Visualisierung der Fach- und Teilmodelle in der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Dabei werden die Vorgänge des Terminplans mit den dazugehörigen Bauteilen regelbasiert verknüpft, um den geplanten Bauablauf darzustellen. Die Baubesprechungen werden durch das 4D- Modell unterstützt. Mit Hilfe der 4DBauablaufvisualisierung werden der Bauablauf während der Planung und während der Bauausführung analysiert und die Prozesse stetig optimiert. 2.3.3 4D-Soll-Ist-Vergleich Ziel des Anwendungsfalls ist ein visualisierter SollIstAbgleich des Baufortschritts. Über eine mobile Applikation und Endgeräte wird der tatsächliche Bauablauf von der Bauleitung dokumentiert. Dabei werden die tatsächlichen IstDaten der einzelnen Terminplanvorgänge in das 4D-Modell eingepflegt und den SollDaten gegenübergestellt. Dadurch werden Abweichungen zwischen dem geplanten Bauablauf und dem tatsächlichen Baufortschritt frühzeitig identifiziert und ggf. erforderliche Gegenmaßnahmen können eingeleitet werden. Zusätzlich zu der grafischen Darstellung wird eine tabellarische Gegenüberstellung der geplanten und ausgeführten Bauleistung in der Terminplanungssoftware erstellt. 2.3.4 Qualitätsmanagement Das Qualitätsmanagement während der Bauausführung wird durch mobile Endgeräte, den BIM-Modellen sowie mit klassischen Plandokumenten unterstützt. Es werden Baumängel über eine mobile Applikation von der Bauleitung erfasst. Das Vertrags- und Qualitätsmanagement überwacht die Eingaben über die Browseranwendung und leitet die aufgenommenen Mängel an die entsprechenden Firmen und Personen weiter. Der Schriftverkehr wird stets zu den Mängeln in der Datenbank hinzugefügt. Statusänderungen signalisieren der Bauleitung, dass ein dokumentierter Mangel vom Nachunternehmer abgearbeitet wurde und überprüft werden muss. Des Weiteren werden Sicherheitsverstöße von der Bauleitung aufgenommen. Der BIM-Anwendungsfall ist nicht vertraglich gefordert. 2.3.5 5D-Mengenermittlung und -controlling Die Mengenberechnung erfolgt modular und teilweise automatisiert anhand der modellierten Bauteile. Die zur Verfügung stehenden Mengeninformationen bilden anschließend die Grundlage der Kalkulation und des späteren Controllings. Der BIM-Anwendungsfall ist nicht vertraglich gefordert. 2.4 Erhaltungsphase Während der Erhaltungsphase werden gemäß Projektvertrag zwei BIM-Anwendungsfälle durchgeführt: die Visualisierung der Erhaltungsmaßnahmen und der Zustandswerte gemäß ZTV Funktion StB A 10/ A 24. Eine Erweiterung der Nutzung für Betrieb und Erhaltung wird derzeit geprüft. 2.4.1 Visualisierung der Erhaltungsmaßnahmen Die Erhaltungsmaßnahmen werden am Übergabemodell während der Erhaltungsphase visualisiert. Dabei werden am Modell der BIM-Vertragsstrecke die einzelnen Erhaltungsmaßnahmen dargestellt und verortet. Somit besteht die Möglichkeit, die Verkehrsbeeinflussung darzustellen. 2.4.2 Visualisierung der Zustandswerte gemäß ZTV Funktion StB A 10/ A 24 Die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für das Verfügbarkeitsmodell A10/ A24 AS Neuruppin bis AD Pankow (ZTV Funktion StB A10/ 458 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Erste Erfahrung und Mehrwert durch BIM im BMVI Pilotprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“ A24) definieren Funktionsanforderungen in Form von Zustands- und Schadensmerkmalen (S = Standsicherheit, V = Verkehrssicherheit, D = Dauerhaftigkeit und ZN = Gesamtbauwerkszustand) für die Herstellung und Erhaltung der Vertragsstrecke. Tabelle 2: Farbwerte für Ingenieurbauwerke Abkürzung Übergabe-bereich Rückgabe-bereich Erhaltungs-bereich über Erhaltungs-bereich S* 0 0 < x ≤ 1 1 < x < 3 ≥ 3 V* 0 0 < x ≤ 1 1 < x < 3 ≥ 3 D* ≤ 2 - 2 < x < 3 ≥ 3 ZN ≤ 1,9 1,9 < x ≤ 2,4 2,4 < x ≤ 2,9 > 2,9 Die im Rahmen der Prüfungen ermittelten Zustandswerte werden den vorgegebenen Übergabe-, Rückgabe- und Eingreifwerte gegenübergestellt, kategorisiert und das Ergebnis wird im BIM-Modell visualisiert. Für die Visualisierung wurden den Werten bestimmte Farben zugewiesen. In Tabelle 2 sind diese Farbwerte nach Gesamtbauwerkszustand und Einzelschadensbewertung der Ingenieurbauwerke aufgelistet. 3. Erkenntnisse Technische Voraussetzungen Für den offenen Modellaustausch wurde die Nutzung von IFC als plattformunabhängiges Austausch-/ Koordinationsformat im Verkehrswegebau evaluiert. Hierbei ermöglichte die genutzte Version IFC 4.0 zwar bereits prinzipiell eine systemoffene Zusammenarbeit, allerdings nur unter Berücksichtigung zahlreicher Einschränkungen und Workarounds. So mussten bspw. aufgrund des ungenügenden IFCExports in einigen Autorenprogrammen Merkmale in der Koordinationssoftware bereinigt oder sogar komplett angelegt werden. Auch wurde oftmals CPIXML als offenes Datenformat anstelle von IFC gewählt. Standards zur Qualitätssicherung Die Modellkoordination und -qualitätskontrolle ist ein zentraler Bestandteil der BIM-basierten Arbeitsweise. Hierbei ist es unabdingbar, Standards für den Koordinations- und Prüfprozess zu definieren. So wurde bspw. der Einsatz des BCF-Austauschformats entlang eines klar strukturierten Koordinationsworkflows mit Checklisten zur formalen und fachlich-technischen Modellprüfung vorgeschrieben. Partnerschaftliche Kooperation über gesamte Wertschöpfungskette Wichtige Voraussetzung für die effiziente Implementierung von BIM im Projekt war eine enge Kooperation von Anfang an zwischen der ARGE und AN, dem AG, den Fachplanern sowie Softwareanbietern. Nur so konnten die projektspezifischen BIM-Ziele und Anwendungsfälle transparent erfolgreich ausgestaltet sowie ein konkreter Nutzwert und die Akzeptanz der Anwender gewährleistet werden. Qualifizierte Mitarbeiter und Projektpartner Die Verankerung von BIM als Werkzeug im operativen Tagesgeschäft aller Anwendungsbereiche stellte und stellt alle Projektbeteiligten vor enorme Herausforderungen. Zur Gewährleistung der erforderlichen Qualifikation und Akzeptanz wurde ein ganzheitliches Konzept für projekt- und rollenspezifische BIM-Trainings und Schulungen eingeführt. Hierbei wurden auch externe Fachplaner und der AG eingebunden. Literatur [1] Tschickardt, T.; Krause, D. (2019) BIM im Verkehrswegebau am Beispielprojekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“, Bautechnik 95 (2019) Heft 03. [2] Krause, D.; Tschickardt, T.; Riedel, F. (2018) BIM- Abwicklungsplan für die Planung, Ausführung und Erhaltung im Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/ A 24“, Havellandautobahn GmbH & Co. KG, Berlin, 2018.