eJournals Brückenkolloquium 4/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
91
2020
41

Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen – erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA

91
2020
Ernst Niederleithinger
Niklas Epple
Daniel Fontoura Barroso
Felix Clauß
Mark Alexander Ahrens
Peter Mark
Die Überwachung von Bauteilen aus Stahl- oder Spannbeton mit Ultraschall hat in Labor- und Technikumsversuchen schon vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Besonders gute Resultate wurden dabei mit eingebetteten Ultraschalltransducern und bei Auswertung der Daten mit der hochsensiblen Codawelleninterferometrie erzielt. Erfasst werden können neben Temperatur- und Feuchteeffekten auch Belastungszustände und jegliche Art von Schädigung, die mit Mikro- oder Makrorissbildung einhergeht. Seit 2019 untersucht die DFG-Forschergruppe 2825 „CoDA“ (Sprecher: Prof. Christoph Gehlen, TU München) verschiedenste Aspekte dieser innovativen Technologie mit dem Ziel, Einflussgrößen quantitativ zu erfassen, Umwelteinflüsse zu korrigieren und 3D-Auswerteverfahren zu verbessern. Final soll eine am Bauwerk einsatzfähige Methode entstehen, die klassische Monitoringverfahren ergänzt und erweitert sowie Input zu einem Update des statischen Systems liefert. Aufgaben der BAM in der Forschergruppe ist neben Verbesserung und Adaptierung der Messsystem und Sensorik auch Langzeitversuche an einem Großobjekt und Testinstallationen an Realbauwerken. Hierzu liegen erste Ergebnisse vor, die zeigen, dass die Technologie auch außerhalb des Labors einsatzfähig ist.
kbr410473
4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 473 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA Ernst Niederleithinger Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin Niklas Epple Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin Daniel Fontoura Barroso Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin Felix Clauß Ruhr-Universität Bochum Mark Alexander Ahrens Ruhr-Universität Bochum Peter Mark Ruhr-Universität Bochum Zusammenfassung Die Überwachung von Bauteilen aus Stahl- oder Spannbeton mit Ultraschall hat in Labor- und Technikumsversuchen schon vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Besonders gute Resultate wurden dabei mit eingebetteten Ultraschalltransducern und bei Auswertung der Daten mit der hochsensiblen Codawelleninterferometrie erzielt. Erfasst werden können neben Temperatur- und Feuchteeffekten auch Belastungszustände und jegliche Art von Schädigung, die mit Mikro- oder Makrorissbildung einhergeht. Seit 2019 untersucht die DFG-Forschergruppe 2825 „CoDA“ (Sprecher: Prof. Christoph Gehlen, TU München) verschiedenste Aspekte dieser innovativen Technologie mit dem Ziel, Einflussgrößen quantitativ zu erfassen, Umwelteinflüsse zu korrigieren und 3D-Auswerteverfahren zu verbessern. Final soll eine am Bauwerk einsatzfähige Methode entstehen, die klassische Monitoringverfahren ergänzt und erweitert sowie Input zu einem Update des statischen Systems liefert. Aufgaben der BAM in der Forschergruppe ist neben Verbesserung und Adaptierung der Messsystem und Sensorik auch Langzeitversuche an einem Großobjekt und Testinstallationen an Realbauwerken. Hierzu liegen erste Ergebnisse vor, die zeigen, dass die Technologie auch außerhalb des Labors einsatzfähig ist. 1. Einführung Die instrumentierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonbauwerken gewinnt in Anbetracht der Alterung der Infrastruktur immer mehr an Bedeutung. Bei einigen Bauwerken ist die Nutzung nur noch aufgrund einer ständigen Überwachung überhaupt möglich. Neben Vorwarnungen bzgl. Versagens sollen die eingesetzten Systeme aber auch quantitative Werte für Lebensdauerprognosen sowie statisch/ dynamische Analysen und die Nachrechnung liefern. Die momentan eingesetzten Verfahren ergeben meist entweder globale Informationen ohne oder mit sehr beschränkter Auflösung (z. B. Modalanalyse) oder lokale Werte mit beschränkter Fähigkeit zur Extrapolation. (z. B. Dehnungsmesstreifen). Das im Folgenden beschriebene Verfahren hat das Potenzial, diese Lücke zu schließen - ohne die bisherigen Systeme überflüssig zu machen. Ultraschall-Transmissionsmessungen werden seit Jahrzehnten erfolgreich zur Prüfung und Qualitätssicherung von Baustoffen und Bauteilen im Bauwesen eingesetzt. Sie sind z. B. in DIN 12504-4 geregelt [1]. Ziel ist meist 474 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA die Bestimmung von Änderungen in der Druckfestigkeit oder die Verfolgung von Schädigungen. Direkte analytische Zusammenhänge zwischen den gemessenen physikalischen Parametern und den gesuchten bautechnischen Werten gibt es nicht. In Versuchen lassen sich jedoch statistisch quantitative, material- und objektspezifische Zusammenhänge finden. Zu folgenden relevanten Material- und Zustandsgrößen bzw. zu den Änderungen bestehen Zusammenhänge, oft mit Querabhängigkeiten [3]: • Zementtyp, Wasser-Zementwert, Zuschlag, Verdichtung • Bewehrung • Porosität, Wassersättigung • Druckfestigkeit • Rissverteilung, Rissgröße • Temperatur • (mechanische) Spannung Die bisher eingesetzte Mess- und Auswertetechnik hat jedoch Grenzen. Die in der Regel extern aufgesetzten Ultraschalltransducer unterliegen während längerer Versuche oft Schwankungen in der Ankopplung und sind empfindlich gegenüber externen Einflüssen bis hin zu Vandalismus. Die verwendeten Indikatoren und Auswertealgorithmen sind gegenüber geringen, langsamen Änderungen wenig sensitiv. Seit einigen Jahren werden Ultraschallmessungen auf veränderte Weise auch zur Überwachung von Stahl- und Spannbetonbauteilen eingesetzt, bisher allerdings fast ausschließlich im Labor. Durch eingebettete Sensoren [3] und Anwendung der Codawelleninterferometrie werden hierbei bisher nicht erreichbare Sensibilitäten und Sensitivitäten erreicht und räumliche Abbildungen von Zuständen ermöglicht (z. B. [5] bis [8]). Seit 2019 untersucht die DFG-Forschungsgruppe 2825 „CoDA“ (Sprecher: Prof. Christoph Gehlen, TU München) verschiedenste Aspekte dieser innovativen Technologie mit dem Ziel, Einflussgrößen quantitativ zu erfassen, Umwelteinflüsse zu korrigieren und 3D-Auswerteverfahren zu verbessern. Final soll eine am Bauwerk einsatzfähige Methode entstehen, die klassische Monitoringverfahren ergänzt und erweitert sowie Input zu einem Update des statischen Systems liefert. Teilnehmer sind zwei Lehrstühle der TU München (Prof. Gehlen und Prof. Bletzinger), zwei Lehrstühle der Ruhruniversität Bochum (Prof. Mark und Prof. Meschke), die Hochschule Bochum (Prof. Saenger) und die BAM. 2. Messtechnik 2.1 Eingebettete Ultraschalltransducer Die Verwendung von in das Objekt eingebetteten Ultraschalltransducern hat vor allem in Bezug auf reale Objekte folgende prinzipielle Vorteile: • Konstante Ankopplung • Verringerung externer Einflüsse • Sicherheit vor Vandalismus • Bei massiven Objekten Positionierung nahe dem interessierenden Bereich möglich. Den möglichen Nachteilen (z. B. keine Reparaturmöglichkeit) muss durch Redundanzen im Messsystem begegnet werden. Ultraschalltransducer können in Bauwerken über Jahrzehnte funktionstüchtig bleiben [9]. Bild 1. Ultraschall-Transducer ACS S0807 zur Einbettung in Beton An eingebetteten Ultraschalltransducern wird schon seit längerem geforscht [10]. Keine uns bekannte Entwicklung hat es jedoch zur Serienproduktion gebracht. Vor einiger Zeit hat die Firma ACS im Auftrag und nach Vorgaben der BAM neuartige Transducer entwickelt, die robust und langlebig sind und als Sender oder Empfänger eingesetzt werden können (ACS S0807, Bild 1). Ihre Leistungsfähigkeit bzw. Empfindlichkeit reicht für Messtrecken von bis zu vier Metern aus. Die Transducer können aber auch in Laborprobekörpern (Standardmaß in der Forschergruppe 40 x 10 x10 cm³) eingesetzt werden. Kleinere Transducer für kleinere Laborproben sind in der Entwicklung. 2.2 Datenerfassung Die Datenerfassung kann überwiegend mit kommerziellen Komponenten für die Ultraschallmessungen erfolgen. Ein Setup, dass sich an der BAM bei verschiedenen Versuchen bewährt hat, ist z. B. in [11] beschrieben. Ein- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 475 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA zige proprietäre Komponente ist dabei ein an der BAM entwickelter Ultraschall-Sendeimpulsgenerator. Dieses Setup wird im Rahmen der Forschergruppe auch für die Technikumsversuche an der Ruhruniversität Bochum eingesetzt (s. Abschnitt 3.1). Um die Vielzahl der in der Forschergruppe geplanten Experimente zu ermöglichen, wurde auf Basis eines studentischen Projekts zusätzlich eine Low-Cost-Messapparatur („W-Box“, Bild 2) auf Basis eines Rasberry- Pi-Einplatinencomputers entwickelt. Mehrere Exemplare sind nunmehr an der BAM und an der TU-München im Einsatz und sollen auch für Feldversuche verwendet werden. Bild 2. Ultraschall-Messapparatur „W-Box“ 2.3 Auswertung mit Codawelleninterferometrie Die meisten Ultraschall-Transmissionsmessungen (typische Signale in Bild 3) beruhen auf Laufzeitmessungen bis zum ersten Eintreffen des Signals (direkte Wellen, „Ersteinsatz“, Bild 4 oben) vom Sender zum Empfänger. Ändert sich etwas in der Struktur oder in den elastischen Eigenschaften des Materials, ändern sich der Wellenweg und/ oder die Geschwindigkeit, was sich in einer veränderten Laufzeit bemerkbar macht. Diese Änderung ist aber oft so gering, dass sie nur schwer quantitativ zu messen ist. (Bild 3 unten links) In späteren Teilen des registrierten Signals, der sogenannten Coda, haben die Wellen aber sehr viel längere Wege zurückgelegt und den interessierenden Bereich durch Reflexion und Streuung mehrfach durchlaufen. Hierdurch sind die Laufzeitunterschiede größer und machen sich in Signalverschiebungen bemerkbar (Bild 3 unten rechts). Der Einflussbereich ist größer und die einzelnen Wellenwege sind nicht zu trennen. Man spricht daher auch von diffusen Wellen (Bild 4 unten). Mit Hilfe der Codawelleninterferometrie (engl. coda wave interferometry, CWI) können auch kleine Änderungen quantitativ mit hoher Genauigkeit und Auflösung erfasst werden. Die Methode erfordert eine Referenzmessung vor der Änderung im Objekt und erfasst nur relative Unterschiede zu diesem Referenzzustand. Wir setzen zur Berechnung der Veränderungen aus den Signalen in der Regel die sogenannte Stretching-Methode ein [4]. Hierbei wird das Signal mit einem sehr kleinen Faktor ν gedehnt bzw. gestaucht (x) und anschließend mit dem Referenzsignal y verglichen. Die Ähnlichkeit der Signale wird über die Kreuzkorrelation ohne Zeitverschiebung nach Gleichung (1) bestimmt: (1) Bild 3. Ultraschall-Messsignale ohne (blau) und mit Belastung (rot). 476 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA Bild 4. Ultraschall-Laufwege für den frühen Teil des Signals (Bild 4 unten links) und die Coda (Bild 4 unten rechts). Rot schattiert: Einflussbereich der Messung. Dabei bezeichnen x i , y i die Einzelwerte der Zeitreihen (um den Faktor ν gestrecktes Messsignal bzw. Referenzsignal) und , die zugehörigen Mittelwerte. Der Korrelationskoeffizient CC( ν ) nimmt bei perfekter Übereinstimmung den Wert 1 an, bei völlig unkorrelierten Signalen ist er 0, bei bzgl. der Amplitude spiegelverkehrten Signalen -1. Der Korrelationskoeffizient wird nun schrittweise für einen bestimmten Wertebereich des Faktors ν berechnet, um den optimalen Wert für ν (größtmöglicher Korrelationskoeffizient) zu finden. Dieser Werte entspricht der Geschwindigkeitsänderung im Material im Einflussbereich der Messung. Der dabei erzielte Korrelationskoeffizient ist ein Maß dafür, wie gut sich die Signalveränderung durch eine reine Geschwindigkeitsveränderung erklären lässt: der Wert 1 zeigt perfekte Übereinstimmung an, größerer Abweichungen nach unten immer größere Änderungen in der Struktur. Die Codawelleninterferometrie ist so empfindlich, dass sie relative Geschwindigkeitsänderungen in der Größenordnung von 0,01 % detektieren kann [4]. Bei zu großen Änderungen der Signalform, wie sie auch bei den hier beschriebenen Versuchen auftraten, versagt sie jedoch. Man kann dann zu einem schrittweisen Verfahren übergehen, bei dem die Änderung nicht zu einer festen Referenz, sondern zur jeweils vorhergehenden Messung bestimmt wird. Die relativen Änderungen der Geschwindigkeit können dann aufmultipliziert, also wieder auf den Ausgangszustand bezogen werden [8][12]. Für den Korrelationskoeffizienten geht dies nicht er beschreibt also dann die Ähnlichkeit zur vorhergehenden Messung. Die ermittelte Geschwindigkeitsänderung ist ein gewichtetes Mittel für den Volumenbereich um die für die Messung gewählten Transducer. Zur Rekonstruktion flächenhafter oder volumetrischer Veränderungen aus Messungen in einem Transducer-Netzwerk sind in der Forschung Ansätze verfügbar und wurden auch schon an belasteten Betonbauteilen erfolgreich getestet [6][[13] [14][15]. Ein vereinfachter Ansatz wird in [7] und [8] gezeigt. 3. Technikumsversuche 3.1 Belastungsversuch an Stahlbetonbalken An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) werden im Rahmen der Forschungsgruppe unter anderem Versuchen an Stahlbetonbalken zur Verifizierung und Validierung der Technologie unternommen. In erster Instanz wurde ein Stahlbetonbalken im Vierpunkt-Biegeversuch belastet und die Ergebnisse der Codawelleninterferometrie (CWI) mit denen der Digital Image Correlation (DIC, hier nicht vorgestellt) und faseroptischer Sensorik (FOS) verglichen. Hierzu wurde 14 der in Abschnitt 2.1 vorgestellten Transducer in einen 2,4 m langen Stahlbetonbalken (Stützweite 2 m) eingebaut (Bild 5). Der Balken wurde bis zum Versagen belastet. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in [16]. Bild 5. Versuchsaufbau Technikumsversuch RUB [16]. Die beiden aus der CWI ermittelten Parameter, Korrelationskoeffizient und relative Geschwindigkeitsänderung, sind für ein Transducerpaar im unteren Bereich des Trägers in Bild 6 dargestellt. Da die Veränderungen über den Versuchsverlauf sehr groß sind, wurde das schrittweise Verfahren angewandt. Die größten Veränderungen sind im Bereich 30 kN bis 45 kN Last zu erkennen. Dies entspricht den Vorhersagen zur Rissbildung, nach denen erste Makrorisse bei etwa 30 kN und das vollständige Rissbild für etwa 40 kN zu erwarten war. Bereits vor sichtbarer Rissbildung ändern sich die Signale aber signifikant und zeigen das Potenzial für die Entwicklung eines Frühwarnsystems. Die Geschwindigkeitsänderung verhält sich vor uns nach der Rissbildung annähernd linear zur Belastung, was zukünftig eine Kalibrierung ermöglichen könnte. Die Belastungsgrenze war bei 160 kN noch nicht erreicht. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 477 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA Bild 6. Korrelationskoeffizient und rel. Geschwindigkeitsänderung in Abhängigkeit von der Belastung für ein Transducerpaar im Technikumsversuch RUB. Der schattierte Bereich zeigt den Bereich der primären Rissbildung [16]. Bild 7 und Bild 8 zeigen das flächenhaft interpolierte Ergebnis der faseroptischen Dehnungssensorik und der CWI für den zentralen Bereich des Balkens. Grundsätzliche zeigen sich im unteren Bereich wie zu erwarte starke Dehnungen und im oberen Bereich betragsmäßig geringere Kompression. In der CWI zeigt sich die Dehnungszone durch stark erniedrigt Geschwindigkeitswerte. In der Kompressionszone wäre eine leichte Geschwindigkeitserhöhung zu erwarten. Wie in 2.3 erläutert, zeigen die Ergebnisse aber über größerer Raumbereich gemittelte Werte. Dies führt hier zu leicht erniedrigten Geschwindigkeitswerten. Quantitativ genauere Werte ließen sich durch die bei BAM und TU München in der Forschergruppe in Entwicklung befindliche Rekonstruktionsrechnungen erzielen. Im erfassten Bereich liegen zwei starke Dehnungsanomalien (Bild 7, Pfeile), die auf sich bildende Risse hindeuten. Diese sind trotz der erwähnten Mittelungsproblematik auch in den Geschwindigkeitsänderungen ablesbar (Bild 8, Pfeile). Bild 7. Ergebnis der faseroptischen Dehnungsmessung für den zentralen Bereich des Trägers bei Belastung 25 kN [16]. Bild 8. Ergebnis der CWI für den zentralen Bereich des Trägers bei Belastung 25 kN [16]. 3.2 Dauerversuch zu Umwelteinflüssen Ein wesentliches Problem bei der Bewertung von Monitoring-Ergebnissen ist der Einfluss von Umweltfaktoren wie Temperatur und Niederschlag. Dieser muss aus den Daten beseitigt werden, um laufende Schädigungsprozesse zuverlässig identifizieren zu können. Auf dem Testgelände BAM-TTS bei Horstwalde ca. 50 km südlich von Berlin werden Langzeitversuchen an eine Großprobekörper durchgeführt. Bei „All inclusive“ (Bild 9) handelt es sich um eine 4 x5 x0,8 m³ große Stahlbetonplatte mit einer 1 m breiten Auskragung an der Schmalseite. Neben Ultraschall- und Temperatursensoren (jeweils ca. 0,4 m unter der Oberkante) sind diverse Einbauten enthalten mit denen später lokale Veränderun- 478 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA gen und Schädigungen verursacht werden sollen (Last, Korrosion, Hochtemperatur, Feuchte). Derzeit liegt der Fokus auf Erfassung von Umwelteinflüssen und deren Korrektur. Eine ausführliche Darstellung erfolgt in [17]. Bild 9. Probekörper „All Inclusive“ auf dem Testgelände BAM-TTS. Oben: Foto. Unten: Aufsicht mit Lage der 19 Ultraschall-Transducer und der fünf Temperatursensoren. Maße in mm [17]. Seite Ende 2019 wurden mit nur kurzfristigen Unterbrechungen (Stromausfälle) sowohl Ultraschallals auch Temperaturmessungen im Probekörper vorgenommen. Eine Temperaturerhöhung führt der Literatur nach zu einer Geschwindigkeitsabnahme [4]. Bei den folgenden Betrachtungen wurde das Vorzeichen der Geschwindigkeitsänderung gedreht, um den Zusammenhang graphisch deutlicher sichtbar zu machen. Der Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeitsänderungen und der Temperatur im Inneren (Bild 10) ist offensichtlich. Dies zeigt sich auch, wenn man Geschwindigkeitsänderung und Temperatur gegeneinander aufträgt (Bild 11). Hieraus lässt sich eine Ausgleichgerade ableiten, die zur Korrektur der Geschwindigkeitswerte genutzt wurde. Bild 10. Probekörper „All Inclusive“: Verlauf der Temperatur und der negativen Geschwindigkeitsänderung für ein ausgewähltes Sensorpaar [17]. Bild 11. Probekörper „All Inclusive“: Abhängigkeit der negativen Geschwindigkeitsänderung von der der Temperatur im Inneren des Probekörpers [17]. Wendet man die Ausgleichsgerade aus Bild 8 als Korrektur auf die Geschwindigkeitsdaten an, sind die langfristigen Änderungen weitgehend verschwunden (Bild 12, blaue Kurve). Die kurzfristigen Schwankungen (Temperatur-Tagesgang) verbleiben jedoch fast unverändert. Dies liegt daran, dass der Tagesgang einen nur sehr geringen und zeitverzögerten Einfluss auf die Temperatur im Inneren des Objekts. Der Einflussbereich der Ultraschallmessungen umfasst jedoch ein wesentlich größeres Volumen und reicht bis an die Oberfläche hat. Daher müssen diese Einflüsse separate korrigiert werden, z. B. durch eine Tiefpass-Filterung (Bild 12, schwarze Kurve). Die verbleibenden Änderungen im Laufe der Zeit sind gering und pendeln um den Nullwert. Es handelt sich daher wahrscheinlich um weitere Umwelteinflüsse (z. B. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 479 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA Feuchtigkeit). Die Messungen werden noch einige Monate fortgesetzt, bevor Schädigungen im Objekt indiziert werden. Hiermit wird zunächst gezeigt, dass sich langfristig stabile Messungen ohne Einfluss von Umweltfaktoren realisieren lassen. Bild 12. Probekörper „All Inclusive“: Korrektur der ermittelten Geschwindigkeitsänderungen (Orange) um langfristige Temperatureinflüsse (blau) und zusätzlich um kurzfristige Schwankungen (schwarz) [17]. 4. Vorversuche an Realbauwerken In früheren Projekten sind bereits mehrere Realbauwerke mit den in 2.1 beschriebenen Transducern erfolgreich instrumentiert worden (z. B. [18][19]). Es handelte sich aber bisher um relativ kurzfristig genutzte Installationen, etwa um die Funktion und Sensibilität der Methode nachzuweisen. Die erste Instrumentierung eines Realbauwerks im Rahmen der Forschungsgruppe, der Gänstorbrücke in Ulm, war für März 20202 vorgesehen. Pandemiebedingt haben sich die Arbeiten bis nach Redaktionsschluss dieses Manuskripts verzögert. Vorgesehen ist dort die Instrumentierung eines Zugglieds und der Feldmitte. Die Brücke und die bereits implementierten Monitoringsysteme sind in anderen Beiträgen zu dieser Tagung ausführlich beschrieben. Ziel der Arbeiten dort wird es sein, Das Ultraschallmonitoring im Vergleich zu den anderen Systemen zu validieren sowie nachzuweisen, ob sich ein Zusatznutzen ergibt. 5. Schlussfolgerungen und Ausblick Die ersten in der Forschungsgruppe CoDA erzielten Ergebnisse zeigen das große Potenzial des Monitorings mit Ultraschall. Sensorik und Auswertemethodik haben sich bewährt. Im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit werden zusammen mit den Partnern die fehlenden Bausteine ergänzt, etwa die Herleitung quantitativer Zusammenhänge zwischen Ultraschall- Features und Material- und Bauwerksparametern durch Experimente und Simulationen sowie die Entwicklung einer Methodik zum 3D-Imaging in realen Konstruktionen. 6. Danksagung Die hier beschriebenen Arbeiten werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Forschergruppe 2825 CoDA gefördert. Die Instrumentierung der Gänstorbrücke geschieht zum Teil im Rahmen eines Auftrags der Bundesanstalt für Straßenwesen. 7. Literatur [1] DIN EN 12504-4: 2004: Prüfung von Beton in Bauwerken-Teil 4: Bestimmung der Ultraschallgeschwindigkeit. [2] Wolf, J.; Niederleithinger, E.; Mielentz, F.; Grothe, S.; Wiggenhauser, H.: Überwachung von Betonkonstruktionen mit eingebetteten Ultraschallsensoren. Bautechnik 91 (2014), Heft 11, S. 783-96, doi: 10.1002/ bate.201400073. [3] Niederleithinger, E.; Wolf, J.; Mielentz, F.; Wiggenhauser, H.; Pirskawetz, S.: Embedded Ultrasonic Transducers for Active and Passive Concrete Monitoring. Sensors 15, no. 5 (May 2015): 9756- 72. doi: 10.3390/ s150509756. [4] Planès, T.; E. Larose.: A Review of Ultrasonic Coda Wave Interferometry in Concrete. Cement and Concrete Research 53 (November 2013): 248-55. doi: 10.1016/ j.cemconres.2013.07.009. [5] Niederleithinger, E.; Sens-Schönfelder, C.; Grothe, S.; Wiggenhauser, H.: Coda Wave Interferometry Used to Localize Compressional Load Effects on a Concrete Specimen. In Proceedings of 7th European Workshop on Structural Health Monitoring (EWSHM). Nantes, France, 2014. [6] Zhang, Y.; Planès, T.; Larose, E.; Obermann, A.; Rospars, C.; Moreau, G.: Diffuse Ultrasound Monitoring of Stress and Damage Development on a 15-Ton Concrete Beam. The Journal of the Acoustical Society of America 139, no. 4 (April 2016): 1691-1701. doi: 10.1121/ 1.4945097. [7] Niederleithinger, Ernst, Martin Herbrand, und Matthias Müller. „Monitoring von Querkraftversuchen an Spannbetondurchlaufträgern mit Ultraschall und Codawelleninterferometrie (Monitoring of shear tests on prestressed concrete continuous beams using ultrasound and coda wave interferometry)“. Bauingenieur 2017, Nr. 11 (2017): 474-81. [8] Niederleithinger, Ernst, Xin Wang, Martin Herbrand, und Matthias Müller. „Processing Ultrasonic Data by Coda Wave Interferometry to Monitor Load Tests of Concrete Beams“. Sensors 18, Nr. 6 (19. Juni 2018): 1971. https: / / doi.org/ 10.3390/ s18061971. 480 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ultraschallbasierte Überwachung von Stahl- und Spannbetonkonstruktionen - erste Ergebnisse der DFG-Forschungsgruppe 2825 CoDA [9] Niederleithinger, E.; Krompholz, R.; Müller, S.; Lautenschläger, R.; Kittler, J.: 36 Jahre Talsperre Eibenstock - 36 Jahre Überwachung des Betonzustands Durch Ultraschall. In: 38. Dresdner Wasserbaukolloquium 2015 „Messen Und Überwachen Im Wasserbau Und Am Gewässer“, Dresden, 2015. [10] Song, G.; Gu, H.; Mo, Y.-L.: Smart Aggregates: Multi-Functional Sensors for Concrete Structures— a Tutorial and a Review. Smart Materials and Structures 17 (2008), No. 3: 033001. doi: 10.1088/ 0964- 1726/ 17/ 3/ 033001. [11] Niederleithinger, E., et al.: Querkrafttragfähigkeit von Spannbetonbrücken - Erfassung von Spannungszuständen in Spannbetonversuchsträgern mit Ultraschallsensoren. 2. Zwischenbericht zum BASt-Forschungsvorhaben FE89.0312/ 2015, Bundesanstalt für Materialforschung und prüfung, Vorhaben 8274, 2017. [12] Shokouhi, P.; Niederleithinger, E.; Zoëga, A.; Barner, A.; Schöne, D.: Using Ultrasonic Coda Wave Interferometry for Monitoring Stress-Induced Changes in Concrete. In 23rd SAGEEP Symposium on the Application of Geophysics to Engineering and Environmental Problems (Proceedings), 650-54. Keystone, Colorado, USA: Environmental and Engineering Geophysical Society, 2010. [13] Pacheco, C.; Snieder, R.: Time-Lapse Travel Time Change of Multiply Scattered Acoustic Waves. The Journal of the Acoustical Society of America 118, no. 3 (2005): 1300. doi: 10.1121/ 1.2000827. [14] Planes, T.; Rosseto, V.; Larose, E.; Margerin, L.: “Locating a Small Change in a Multiple Scattering Environment (LOCADIF): Application to Monitoring Concrete.” The Journal of the Acoustical Society of America 128, no. 4 (2010): 2375. doi: 10.1121/ 1.3508438. [15] Niederleithinger, E.; Sens-Schönfelder, C.; Grothe, S.; Wiggenhauser, H.: Coda Wave Interferometry Used to Localize Compressional Load Effects on a Concrete Specimen. In Proceedings of 7th European Workshop on Structural Health Monitoring (EWSHM). Nantes, France, 2014. [16] Clauß, F.; Epple, N.; Ahrens, M. A.; Niederleithinger, E.; Mark, P.: Comparison of Experimentally Determined Two-Dimensional Strain Fields and Mapped Ultrasonic Data Processed by Coda Wave Interferometry. Sensors, under review, 2020. [17] Epple, N.; Fontoura Barroso, D.; Niederleithinger, E.; Towards Monitoring of Concrete Structures with Embedded Ultrasound Sensors and Coda Waves - First Results of DFG FOR CoDA. Submitted to EWSHM, 2020. [18] Wang, X..; Chakraborty, J.; Niederleithinger, E; Noise reduction for improvement of ultrasonic monitoring using the coda wave interferometry method on a real bridge. Submitted to sensors, 2020 [19] Wang, X.; Niederleithinger, E.; Method to install embedded ultrasonic transducer inside an old bridge for monitoring load test using coda wave interferometry technique. To be submitted to SHM.