Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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Monitoring von Brücken – Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke
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Franz Knah
Robin Groschup
Die Verkehrsbelastung stellt zunehmend höhere Anforderungen an die vorhandene Verkehrsinfrastruktur und deren Verfügbarkeit. Aufgrund der laufenden Beanspruchung aber auch technisch ungünstiger Bauweisen früherer Jahre ergibt sich regelmäßiger Instandsetzungsbedarf. Mithin werden Neubauten erforderlich. Bis diese realisiert werden können, müssen schadhafte oder alte Brücken oft noch Jahre im laufenden Betrieb bleiben und im Hinblick auf eine sichere Nutzung hinsichtlich weiterer Zustandsverschlechterungen überwacht werden, bei Bedarf in Echtzeit. Hierfür stehen mittlerweile komplexe Messsysteme zur Verfügung, die eine zielgerichtete Überwachung des Gesamtbauwerks oder einzelner Bereiche erlauben. Die Anwendung ist dabei nicht auf Bestandsbauwerke beschränkt, sondern kann auch bei Neubauten eine sinnvolle oder notwendige Option sein.
Je nach Messsystem und zugrundeliegender Technik werden verschiedene Zustände, beispielsweise Dehnungen, oder Ereignisse, beispielsweise Schallemissionen, detektiert. Die Interpretation der Messdaten ist in der Praxis nicht immer einfach. Typische Bauwerksreaktionen auf den alltäglichen Betrieb müssen von außergewöhnlichen Ereignissen unterschieden und diese analysiert und bewertet werden. Hierfür ist in der Regel die kombinierte Auswertung der Daten verschiedener, sich ergänzender Messsysteme nach einer vorherigen bauwerkspezifischen Lernphase erforderlich.
Der Beitrag zeigt technisch und wirtschaftlich verfügbare Möglichkeiten zur Überwachung von Brückenbauwerken in Echtzeit. Vorgestellt werden verschiedene Verfahren, beispielsweise Acoustic Emission und Dehnungsmessungen, und deren praktische Implementierung in einem gemeinsamen Überwachungssystem am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke. Neben technischen Hintergründen und der praktischen Umsetzung der Installation wird auch auf automatisierte Alarmierungen und den laufenden Zugriff bzw. die Visualisierung von aktuellen Messdaten eingegangen. Dabei wird das
Vorgehen bei der Datenanalyse zur Vorbereitung der tragwerksplanerischen Beurteilung exemplarisch an realen Ereignissen am Bauwerk ebenso kurz geschildert, wie das Implementieren von aus der tragwerksplanerischen Nachrechnung abgeleiteten Schwellwerten für die Alarmierung.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 483 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Franz Knab, Robin Groschup Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat GmbH, München, Deutschland Zusammenfassung Die Verkehrsbelastung stellt zunehmend höhere Anforderungen an die vorhandene Verkehrsinfrastruktur und deren Verfügbarkeit. Aufgrund der laufenden Beanspruchung aber auch technisch ungünstiger Bauweisen früherer Jahre ergibt sich regelmäßiger Instandsetzungsbedarf. Mithin werden Neubauten erforderlich. Bis diese realisiert werden können, müssen schadhafte oder alte Brücken oft noch Jahre im laufenden Betrieb bleiben und im Hinblick auf eine sichere Nutzung hinsichtlich weiterer Zustandsverschlechterungen überwacht werden, bei Bedarf in Echtzeit. Hierfür stehen mittlerweile komplexe Messsysteme zur Verfügung, die eine zielgerichtete Überwachung des Gesamtbauwerks oder einzelner Bereiche erlauben. Die Anwendung ist dabei nicht auf Bestandsbauwerke beschränkt, sondern kann auch bei Neubauten eine sinnvolle oder notwendige Option sein. Je nach Messsystem und zugrundeliegender Technik werden verschiedene Zustände, beispielsweise Dehnungen, oder Ereignisse, beispielsweise Schallemissionen, detektiert. Die Interpretation der Messdaten ist in der Praxis nicht immer einfach. Typische Bauwerksreaktionen auf den alltäglichen Betrieb müssen von außergewöhnlichen Ereignissen unterschieden und diese analysiert und bewertet werden. Hierfür ist in der Regel die kombinierte Auswertung der Daten verschiedener, sich ergänzender Messsysteme nach einer vorherigen bauwerkspezifischen Lernphase erforderlich. Der Beitrag zeigt technisch und wirtschaftlich verfügbare Möglichkeiten zur Überwachung von Brückenbauwerken in Echtzeit. Vorgestellt werden verschiedene Verfahren, beispielsweise Acoustic Emission und Dehnungsmessungen, und deren praktische Implementierung in einem gemeinsamen Überwachungssystem am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke. Neben technischen Hintergründen und der praktischen Umsetzung der Installation wird auch auf automatisierte Alarmierungen und den laufenden Zugriff bzw. die Visualisierung von aktuellen Messdaten eingegangen. Dabei wird das Vorgehen bei der Datenanalyse zur Vorbereitung der tragwerksplanerischen Beurteilung exemplarisch an realen Ereignissen am Bauwerk ebenso kurz geschildert, wie das Implementieren von aus der tragwerksplanerischen Nachrechnung abgeleiteten Schwellwerten für die Alarmierung. 1. Einleitung Die Substanz der Verkehrsinfrastruktur befindet sich in einem ständigen Spannungsfeld: Einerseits altern die Bauwerke, unterliegen schädigenden Einwirkungen oder wurden in früheren Jahren bereits mit Defiziten errichtet. Als Stichworte seien hier beispielsweise der regelmäßige Einsatz von Tausalzen oder die frühere Verwendung von heute als spannungsrisskorrosionsempfindlich bekannten Spannstählen genannt. Andererseits müssen die Bauwerke möglichst laufend für eine Nutzung unter tendenziell steigender Belastung verfügbar sein. Selbst wenn Ersatzneubauten geplant werden, können bis zu deren Errichtung und Inbetriebnahme Jahre vergehen, in denen ein sicherer Betrieb des Bestands nur unter regelmäßiger Überwachung möglich bleibt. Für ein solches Monitoring stehen seit einiger Zeit zunehmend leistungsfähigere Möglichkeiten zur Verfügung, die bei Bedarf auch eine Überwachung in Echtzeit erlauben. Ebenso können neu errichtete Bauwerke von Anfang an mit entsprechender Messtechnik ausgestattet werden, falls die klassische Bauwerksprüfung später nicht uneingeschränkt möglich ist. 2. Monitoring von Brückenbauwerken 2.1 Überblick Die Überwachung bzw. das Monitoring von Brücken kann beschrieben werden als die Beobachtung/ Erfassung des Ist-Zustands bzw. von Zustandsveränderungen mit dem Ziel des Abgleichs mit dem Soll-Zustand zur weiteren Beurteilung. Im einfachsten Fall erfolgt dies über diskrete Untersuchungen, ggf. in regelmäßigen Intervallen. Klassisch 484 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke wären dies die Bauwerksprüfungen nach DIN 1076, [1], oder Sonderprüfungen aus verschiedenen Anlässen. Wesentlicher Nachteil dieser Art der Überwachung ist, dass die Erkenntnisse nur zu einzelnen Zeitpunkten oder in gröberen Zeitintervallen zur Verfügung stehen. Dies erschwert die Bewertung: • Randbedingungen zum Zeitpunkt der Untersuchungen beeinflussen das Ergebnis, beispielsweise Temperaturdehnungen die Verformungen und Rissbreiten. • Prognosen zum zukünftigen Zustand müssen auf Basis weniger, größtenteils vergangenheitsbasierter Daten getroffen werden. • Plötzliche Zustandsveränderungen werden verspätet und ggf. erst dann erfasst, wenn ein kritischer Zustand erreicht ist, beispielsweise Spanndrahtbrüche. Deutlich leistungsfähiger und mittlerweile marktreif verfügbar sind laufende Untersuchungsmethoden, die idealer Weise in Echtzeit Daten liefern. Bisher von wesentlicher Bedeutung sind dabei: • Dehnungsmessungen Dehnungen können einfach mit Hilfe von applizierten Dehnmessstreifen (DMS) an diskreten Stellen oder über integral verlängerte, am Bauwerk installierte induktive Wegaufnehmer über eine Messlänge verschmiert (und damit ggf. gegenüber lokalen Störeinflüssen robuster) gemessen werden. Noch relativ neu und technisch sehr anspruchsvoll ist alternativ die Messung von Dehnungen mittels am bzw. im Bauwerk installierten Lichtwellenleitern mit deren Hilfe Dehnungen (und Temperaturen) entlang des Lichtwellenleiters unter Anwendung der OFDR- Technologie (Optical Frequency Domain Reflectometer) und Rayleigh-Scatter gemessen und lokal aufgelöst werden können. • Verformungsmessungen Verformungen können lokal, z.B. an Rissen, mit Hilfe von induktiven Wegaufnehmern gemessen werden. Für Verformungsmessungen im größeren Maßstab bieten sich photogrammetrische Verformungsmessungen, Bild 1, an, wobei anzumerken ist, dass diese aufgrund des Aufwands in der Regel nicht im Dauerbetrieb durchgeführt werden können, sondern sich eher für kürzere Überwachungszeiträume eigenen. Bild 1: Messaufbau für photogrammetrische Verformungsmessungen an der Ulmer Gänstorbrücke während Probebelastungen am 17./ 18.11.2018. Bildquelle: Fa. Dantec Dynamics • Acoustic Emission (AE) Das Acoustic Emission Verfahren beschreibt das Messen und Interpretieren von Schallemissionen bei spontaner Energiefreisetzung im Bauwerk, beispielsweise bei Auftreten eines Spanndrahtbruchs. Von Interesse sind in der Regel nicht nur das Auftreten und die Intensität eines Ereignisses, sondern auch dessen generelle Charakteristik, Dauer und Energie sowie die Lokalisierung am Bauwerk. Dies wird über die verteilte Anordnung mehrerer Messköpfe möglich. Bild 2: Exemplarisches Schallsignal mit den wesentlichen Parametern; [2] • Temperatursensoren Dehnungen und Verformungen beinhalten stets auch eine temperaturabhängige Komponente. Die Interpretation von Dehnungs- und Verformrungsmessungen ist daher nur mit genauer Kenntnis der Temperaturen am Bauwerk möglich. • Videoüberwachung Die gemeinsame Auswertung verschiedenster Messdaten an einem realen, ggf. vorgeschädigten Objekt 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 485 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke ist eine sehr komplexe Aufgabe. Die Analyse von Videodaten zum Objekt kann bei der Interpretation sonstiger Messdaten sehr hilfreich sein. Selbstverständlich ist auf entsprechenden Datenschutz zu achten. In der Regel ist die Kombination mehrerer Verfahren erforderlich, da einzelne Messdaten häufig für sich nicht eindeutig zu interpretieren sind. Der Einsatz der genannten Systeme ist dabei nicht nur auf die Nachrüstung an alten Bauwerken begrenzt. Auch Neubauten können mit entsprechender Sensorik versehen werden, beispielsweise wenn sie für spätere Untersuchungen nicht mehr zugänglich sind. 2.2 Datenspeicherung und Datenzugriff Je nachdem, wie komplex ein installiertes Monitoringsystem aufgebaut ist, entstehen erhebliche Datenmengen. Zur Vermeidung unnötig großer Datenmengen haben sich bisher folgende Strategien bewährt: • Dehnungs- und Verformungsmessungen erfolgen nur mit den für eine angemessene örtliche Auflösung von Schwerlastüberfahrten erforderlichen Abtastraten, z.B. rd. 10 Hz bis 100 Hz. • Daten aus der AE werden laufend, d.h. mit Abtastraten von rd. 10 MHz bis 40 MHz am A/ D-Wandler aufgenommen. Hierdurch entstehen riesige Datenmengen. Gespeichert werden daher nur bestimmte Zeitspannen vor- und nach einem sogenannten transienten Signal. • Daten aus Temperatursensoren werden mit geringeren Abtastraten gemessen, da sich die Temperaturen am Bauwerk nicht sehr schnell ändern. • Die Videoüberwachung erfolgt über Einzelbilder, die im Abstand von mehreren Sekunden aufgenommen und in einem sich zyklisch überschreibenden Ringspeicher gehalten werden. Sobald eines der anderen Monitoringsysteme ein Ereignis meldet, beispielsweise eine große Dehnung oder ein AE-Ereignis, werden die für diesen Zeitpunkt und eine kurze Zeitspanne davor und danach im Ringspeicher gehaltenen Bilder ausgelesen und separat dem Ereignis zugeordnet und permanent gespeichert. Sämtliche Daten werden laufend auf lokalen Rechnern und Medien am Objekt zwischengespeichert und periodisch (z. B. stündlich) auf einen zentralen Datenserver zum Zweck der Sicherung und vertieften Weiterverarbeitung übertragen. Folgende weitere Punkte sind im Zusammenhang mit der Datenspeicherung und dem Datenzugriff zu beachten: • Der Daten- und Systemzugriff sollte von außen wie auch zu Wartungszwecken vor Ort möglich sein. • Auf eine ausreichende Bandbreite und Stabilität der Datenanbindung zum zentralen Datenserver ist zu achten. Eine hohe Zuverlässigkeit ist vor allem auch dann sehr wichtig, wenn Alarmierungen über diese Leitungen mit übertragen werden. • Die Datenspeicherung sollte auch dann weiter erfolgen, wenn die Netzanbindung zum zentralen Datenserver eine Funktionsstörung aufweist. Die lokalen Speicherkapazitäten sind entsprechend auszulegen. • Die Akquisitions- und Speichersysteme sollten mit einer USV ausgestattet und auf die örtlichen Expositionen angepasst konfiguriert sein. • Sämtliche Messsysteme sollten regelmäßig auf ein gemeinsames Zeitsignal kalibriert werden, um im Nachgang die Zuordnung und gemeinsame Auswertung von Daten zu erleichtern. 2.3 Datenverarbeitung und Datenvisualisierung Die unmittelbare Datenverarbeitung läuft zunächst auf den Rechnersystemen vor Ort, die in Echtzeit die Daten im Hinblick auf alarmierungsrelevante Ereignisse verarbeiten. Wichtig ist hierbei, dass die Systeme so konfigurierbar sind, dass Alarmierungsgrenzen fortlaufend angepasst werden können, beispielsweise um die Alarmschwellen von Dehnungs- und Verformungswerten an die Bauwerkstemperatur anzupassen, und dass die Systeme in der Lage sind, die Rohdaten zu prozessieren, beispielsweise um bei der Identifikation von Grenzwertüberschreitungen ein Hintergrundrauschen von den eigentlichen Messdaten zu trennen. Unabhängig davon finden häufig ergänzende Auswertungen der Daten im Nachhinein statt, beispielsweise um Alarmereignisse vertieft zu beurteilen oder statistische Erhebungen durchzuführen. Für die Visualisierung der Daten stehen zum einen Softwareprogramme der Hersteller zur Verfügung. Alternativ bieten sich auch herstellerunabhängige Programme an. Office-Programme eignen sich aufgrund der Datenmengen in der Regel nur begrenzt. Als sehr sinnvoll kann sich der Aufbau eines Dashboards mit verschiedenen Ebenen des Datenzugriffs und der Visualisierung erweisen. Vorteile sind: • Zugriff auf visuell aufbereitete Daten in Echtzeit und gemeinsam für verschiedene Überwachungssysteme. • Zugriff über eine einheitliche Softwareschnittstelle. Anwender benötigen keine herstellerspezifischen Softwarekenntnisse. • Zusammenschalten mehrerer Bauwerke zu einer zentralen Überwachung möglich. 486 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke 2.4 Systemausfälle und Wartung Wie alle technischen Systeme können Monitoringsysteme altern und ausfallen und müssen daher regelmäßig gewartet werden. Wichtig sind hier u.a. folgende Punkte: • Beachten der typischen Lebensdauer der Komponenten und einer ggf. erkennbaren Vorankündigung eines Ausfalls oder einer Störung • Abklären der (zukünftigen) Verfügbarkeit von Ersatzkomponenten • Abklären der Zugänglichkeiten vor Ort und der Möglichkeiten zur Fernwartung • Einplanen einer ausreichenden Redundanz (Sensoren können ggf. auch unzugänglich oder nur unter extremem Aufwand zugänglich eingebaut sein) • Definition erforderlicher Reaktionszeiten bei Systemausfällen • Festlegen erforderlicher Wartungsintervalle • Abklären der Erfordernisse zur Fortsetzung der Überwachung während der Wartung • Wirtschaftliche Aspekte. Ein Wartungsplan sollte erstellt werden. 2.5 Alarmierung und Reaktion auf Ereignisse Jedes Bauwerk verhält sich entsprechend seiner Konstruktion und des Zustands sowie der Beanspruchung anders. Eine pauschale Festlegung von Alarmgrenzen ist nicht möglich. Stattdessen werden zunächst auf Basis von Erfahrungswerten und tragwerksplanerischen Analysen „sinnvolle“ Grenzwerte definiert und das Alarmierungssystem in einer ersten Phase von mindestens 3-6 Monaten, besser einem Jahr Dauer „trainiert“, um bauwerksspezifische Erfahrungen zu sammeln, Grenzwerte festzulegen und anzupassen und das System bei Bedarf noch zu modifizieren. Eine Alarmierung bedarf auch einer Reaktion. Deshalb müssen Grenzwerte nicht nur definiert, sondern auch ein bauwerksspezifischer Plan erstellt werden, wie mit Alarmereignissen umzugehen ist. Wichtige Punkte hierbei sind: • Definition verschiedener Alarmierungsstufen, beginnend bei einem Voralarm, ggf. bis hin zur sofortigen Sperrung des Bauwerks. Ein Ausbleiben der planmäßigen Datenübertragung auf den externen Server löst ebenfalls ein Alarmsignal aus. • Definition erforderlicher Reaktionszeiten und Bereitschaften bei der Analyse von Alarmereignissen (Stichworte: Alltagsarbeit, Nacht, Wochenende, Feiertag, Urlaub, Krankheit). • Festlegen von genauen Alarmierungsketten und Zuständigkeiten, vor allem bei ggf. erforderlichen Sofortmaßnahmen. Fehlalarme können in der „Trainingsphase“ naturgemäß noch etwas häufiger als im späteren Regelbetrieb auftreten. Um ungewollte Panikreaktionen zu vermeiden, empfiehlt es sich deshalb, bei einem mehrstufigen Alarmmodell kritische Alarmschwellen erst dann zu aktivieren, wenn der Erfahrungsstand ausreichend groß ist, und bis dahin die Reaktionszeiten zur vertieften Signalanalyse entsprechend kurz zu halten. Dies erfordert selbstverständlich, dass der Bauwerkszustand dies noch zulässt. 3. Praktische Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke 3.1 Bauwerk und Konstruktion Die im Jahr 1950 geplante und gebaute Gänstorbrücke, Bild 3, verbindet die Städte Ulm und Neu-Ulm über die Donau mit zwei parallelen Überbauten, die jeweils als gelenklose, zur Feldmitte hin überhöhte Rahmen konstruiert sind, Bild 4. Die Spannweite beträgt rd. 82,4 m bei einer Gesamtlänge von rd. 96,1 m. Bild 3: Fotoaufnahme der Gänstorbrücke von der Ulmer Seite in Blickrichtung Neu-Ulm; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat Bild 4: Konstruktion der Gänstorbrücke über die Donau zwischen Ulm und Neu-Ulm; Bildquelle: Planunterlagen der Stadt Ulm Die oberen Rahmenriegel bestehen aus 2-stegigen Spannbeton-Plattenbalken (Vorspannung in Längsrichtung, beschränkte Vorspannung in Querrichtung). Die 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 487 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Rahmenecken und die Rahmenstiele bestehen aus Stahlbetonscheiben, sich aus den Rahmenriegeln fortsetzenden Spannbeton-Kragbalken und Spannbeton-Zuggliedern. Die Fundamente stützen sich horizontal gegen alte Fundamente einer früheren Brücke an dieser Stelle ab. Als Spannsystem kam eine frühe Version des Spannsystems Dywidag der Firma Dyckerhoff & Widmann zum Einsatz (Rundstäbe d = 26 mm, Stahlgüte St 60/ 90). Jeder Steg des Plattenbalkens ist im Querschnitt mit 36 (Feldbereich) bis 92 (über der Pfeilerscheibe), teilweise in die Überbauplatte ausgelagerten Spanngliedern bewehrt. Je Zugstrebe wurden 80 Spannglieder eingebaut. 3.2 Zustand und Erfordernis eines Monitorings Schäden an der Brücke sind seit den 1980er und 1990er Jahren bekannt. Damals wurden Teilinstandsetzungen und -verstärkungen in Form zusätzlicher Endquerträger und Erdanker zur Unterstützung der bereits damals als schadhaft erkannten Zugglieder vorgenommen. Im Jahr 2018 fanden im Zug einer Nachrechnung des Bauwerks vertiefte Untersuchungen zu verschiedenen Materialeigenschaften und zum Zustand der Spannbewehrung statt. Dabei wurden umfangreiche, zum Teil äußerlich nicht sichtbare Schäden an der Vorspannung festgestellt, [3]: • Verpressfehler im Bereich der Längs- und Quervorspannung sowie an den Zuggliedern • Starke Korrosion im Bereich von Spannstabkoppelstellen der Längsvorspannung mit lokalen Querschnittsverlusten von bis zu 30%, Bild 5 • Chloridinduzierte Korrosion an den Spannköpfen der Längsvorspannung • Starke Korrosion an einem Teil der Vorspannung der Zugglieder infolge von Betonier- und Verpressfehlern sowie chloridhaltigem Wasser, das über umläufige ÜKOs an die Zugstreben gelangte und dort aufgrund sehr geringer Betondeckungen und aufgrund von Betonagefehlern bis zur Spannbewehrung vordringen konnte, Bild 6 und Bild 7. Bild 5: Korrosion und Verpressfehler an Koppelstelle der Längsvorspannung; [3] Bild 6: Fortgeschrittene Korrosion an Spannglied einer Zugstrebe; [3] Bild 7: Korrosion am Übergang eines Stegs zu einem Zugglied infolge von chloridhaltigem Wasser aus der ÜKO; [4] Die festgestellten Schäden waren/ sind nicht mehr instandsetzbar. Da weitergehende Analysen ergaben, dass eine schnell umsetzbare und dauerhafte Verstärkung nicht möglich ist, wurde die Entscheidung für einen Ersatzneubau getroffen. Bis dahin soll ein Monitoringsystem den sicheren Betrieb der Brücke erlauben. Auf Basis der Untersuchungsergebnisse und tragwerksplanerischer Berechnungen wurde die Brücke zur Reduzierung der Belastungen zunächst teilgesperrt (Wegnahme von einer Fahrspur je Plattenbalken), um Reserven gegenüber dem Grenzzustand der Tragfähigkeit zu schaffen. 488 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke 3.3 Monitoringkonzept 3.3.1 Allgemeines Die deutlichen Korrosionsschäden an der Spannbewehrung bedingen, dass nur eine Überwachung in Echtzeit geeignet ist, die weitere Entwicklung des Zustands der Brücke angemessen zuverlässig zu beurteilen. Das Monitoring-System wurde aus den nachfolgenden Komponenten zusammengestellt, Bild 8: • AE-Sensoren zur Überwachung des Überbaus auf Hinweise für Spanndrahtbrüche • DMS an ausgewählten Spanngliedern der Plattenbalken und Zugglieder zur Erfassung von Dehnungen und Schwingbreiten • Integral verlängerte Wegaufnehmer zur Messung der Dehnungen des Überbaus in Feldmitte, aufgrund teilweise unter einer rissüberbrückenden Beschichtung ggf. vorhandener Rissbildung verschmiert über eine Länge von 2 m • Temperatursensoren in definierten Querschnitten zur tiefengestaffelten Messung der Temperaturen und Temperaturverteilungen am Überbau • Überwachungskamera zur visuellen Kontrolle der Ereignisse auf der Brücke bei Alarmereignissen. Bild 8: Schema zum Monitoringsystem an der Gänstorbrücke; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 489 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Bild 9: Schema zur Anordnung der Sensorik im Monitoringsystem an der Ulmer Gänstorbrücke; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat 3.3.2 Praktische Umsetzung Bild 9 zeigt eine schematische Übersicht zur Anordnung der an der Gänstorbrücke für das Monitoring installierten Sensoren. Das AE-System besteht aus 36 piezobasierten Schallemissionssensoren (Typ Vallen VS30-SIC-46dB, Frequenzbereich 25 - 80 kHz, Bild 10; je 7 Sensoren je Plattenbalkensteg, seitlich montiert, Bild 11, je 1 Sensor je Zugglied). Die Anordnung der Sensoren erlaubt bei Schallereignissen eine Zuordnung zum Steg oder einem individuellen Zugglied und die Ortung der Lage eines Ereignisses entlang der Stege. Bild 10: Schallsensor Vallen VS30-SIC-46dB mit Vorverstärkung und zugehörigem Frequenzspektrum; Bildquelle: Fa. Vallen Bild 11: Verschiedene Phasen bei der Installation eines AE-Sensors; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat Bild 12 zeigt eine schematische Darstellung der verschiedenen Komponenten innerhalb des AE-Systems und deren Zusammenspiel. Als DMS wurden als Halbbrücken mit zwei um 90° zueinander versetzten Gittern konzipierte DMS der Fa. HBM verwendet, die an mehreren, auf alle Zugglieder und Stege verteilten Spannstäben, appliziert wurden. Derzeit werden parallel 16 DMS in Echtzeit überwacht. Bei der Installation wurden zusätzliche DMS eingebaut, um bei Ausfällen Redundanzen zu haben. 490 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Bild 12: Schematische Darstellung der Komponenten innerhalb des AE-Systems an der Gänstorbrücke; [2] Bild 13: Nahe einer Koppelstelle eines Spannglieds mit deutlichen Korrosionsschäden in einem Steg an der Gänstorbrücke installierter DMS vor dem Einbau der Schutzabdeckung über dem DMS und dem Wiederverschließen der Öffnungsstelle; Bildquelle: Fa. HBM im Auftrag Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat Zur indirekten Beobachtung der Durchbiegungen des Überbaus werden in Feldmitte aller vier Stege über 2 m Länge verschmiert die Dehnungen gemessen. Dazu wurde ein entsprechend langer CFK-Stab am Überbau montiert, der an einem Ende fest, am anderen Ende in Längsrichtung verschieblich, spannungsfrei gelagert ist, Bild 14. Am beweglichen Ende übertragt der Stab seine Bewegung auf einen induktiven Wegaufnehmer, der so in guter Näherung die Verschiebung des freien Endes bzw. in Relation zur Bezugslänge die Dehnung im Bereich der Unterseite des Stegs misst. Die Temperaturen werden in 13 Querschnitten mit bis zu 9 Messfühlern vom Typ PT 1000 tiefengestaffelt gemessen (insgesamt 96 Kanäle), Bild 15. Bild 14: Messaufbau zur Messung der über 2 m verschmierten Dehnung im Bereich der Feldmitte eines Stegs (Messaufbau LGA); Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat Bild 15: Messaufbau zur tiefengestaffelten Messung von Temperaturen mit Hilfe von PT 1000 Messfühlern; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat 3.3.3 Datenspeicherung, Datenzugriff und Visualisierung Alle Einzelsysteme speichern lokal ihre jeweiligen Messdaten zwischen und sind per Mobilfunkmodem fernwartbar. Die Daten werden zyklisch auf einen externen zentralen Datenserver übertragen. Für die Datenvisualisierung wurde ein Dashboard programmiert, Bild 16, das für erste Analysen eine einfache Anzeige und Download-Funktion der laufenden und zurückliegenden Messergebnisse bietet. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 491 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Bild 16: Exemplarische Darstellung der Funktionalität eines Prototyps des Dashboards (Programmierung Fa. Vallen); Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat 3.3.4 Trainingsphase, Alarmierungsketten und Reaktion auf Ereignisse Unmittelbar nach der Inbetriebnahme des Monitoringsystems fanden in der Nacht vom 17. auf den 18.11.2018 Probebelastungen mit definierten Belastungen statt. Dazu wurden mit drei verschieden schweren Kranwägen definierte Überfahrten und Bremsmanöver auf der Brücke durchgeführt und über das Monitoringsystem, ergänzt um photogrammetrische Messungen, Bild 1, die Reaktionen der Brücke gemessen. Folgende Ziele sollten dabei erreicht werden, [3]: • Kalibrierung des Rechenmodells (Grundlage für die Festlegung von Grenzwerten) • Identifikation von systematischen Abweichungen beim Verformungsverhalten beider Teilüberbauten • Überprüfung von Daten für Betriebsfestigkeitsnachweise. Auf Basis der Ergebnisse wurden erste Alarmierungsgrenzwerte für die Dehnungsmessungen in Feldmitte abgeleitet. Diese wurden nach einiger Zeit mit einer Temperaturkompensation versehen, die allerdings während der Lernphase bislang mehrfach angepasst werden musste und daher hier nicht näher erläutert wird, Bild 17, [3]. Mit Definition der Grenzwerte wurde ein mehrstufiger Alarmierungsplan erstellt. Da die Lernphase noch nicht abgeschlossen ist, wurden erst Alarmereignisse der Stufe 1, d.h. noch ohne selbstaktivierende Sofortmaßnahmen „scharf geschalten“. Alarmierungen werden via E-Mail und SMS an einen ausgewählten Personenkreis versendet. Bild 17: Exemplarische Längenänderungen (Dehnungen) in Feldmitte des westlichen Außenstegs mit dazugehörigen Temperaturdaten und temperaturkompensiertem vorläufigem Alarmierungsgrenzwert; [3] Eine Notfall-Ampelschaltung wird derzeit hardware- und software-technisch in das Monitoringsystem integriert. Damit kann bei kritischen Grenzwertüberschreitungen vollautomatisch eine Brückensperrung ausgelöst werden. Für Alarmierungen dieser Art werden derzeit genaue Alarmierungsketten entworfen, die beispielsweise u.a. folgende Punkte regeln: • Eigenständige Maßnahmen der Anlage (z.B. Ampelschaltung zur Sperrung der Brücke, Benachrichtigung der Leitstellen der Rettungsdienste in Ulm und Neu-Ulm, der Polizei und anderer betroffener Organe der öffentlichen Hand) • Definition von Reaktionszeiten zur ersten Überprüfung und Bestätigung des Schadensereignisses • Definition der Reaktionen auf Fehlalarmierungen • Definitionen bezüglich des weiteren Vorgehens bei tatsächlichen Schäden, u.a. zur genaueren Diagnose und zwischenzeitlichen Möglichkeiten einer teilweisen Wiederaufnahme einer einseitigen Verkehrsführung auf einem der beiden Überbauten. 3.3.5 Zwischenzeitliche Erfahrungen Insgesamt läuft das Monitoringsystem seit gut anderthalb Jahren sehr zuverlässig. An einigen Stellen konnte jedoch Optimierungspotential gegenüber der Erstinstallation festgestellt werden: • In der Anfangsphase traten bei einzelnen Komponenten oder im Zusammenhang mit der Datenübertragung auf den zentralen Datenserver vereinzelt Systemabstürze auf, die jedoch mit der Zeit durch Austausch einzelner Hardwarekomponenten und immer bessere Abstimmung der Softwareprotokolle laufend weniger wurden. Da die Daten auch lokal zwischengespeichert werden, sind bisher im Zusammenhang mit der Datenübertragung keine Datenverluste aufgetreten. 492 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Temporäre Ausfälle einzelner Komponenten traten auf, konnten aber stets schnell durch einen Neustart des Systems behoben werden, so dass bis auf wenige kurze Ausnahmen eine lückenlose Überwachung möglich war. • Im Zusammenhang mit den DMS zeigten sich im praktischen Betrieb der ersten etwa anderthalb Jahre zwei wesentliche Punkte: a) Auf eine sehr gute Ausführung der Kabelverbindungen, insbesondere bei Lötstellen ist zu achten. b) Die Elektronik ist derzeit im Widerlager Ulm installiert. Bei einzelnen DMS im Bereich der Zugglieder im Neu-Ulmer Widerlager musste mit sehr hohen Kabellängen von bis zu über 100 m gearbeitet werden. Daraus resultiert an diesen DMS ein hohes Signalrauschen. Dies wird bei einer zukünftig ggf. vorgesehenen Erweiterung des Überwachungssystems auf mehr Kanäle behoben. Mehrfach kam es zu „Fehlalarmen“, aufgrund von Bauarbeiten auf der Brücke oder in den Widerlagerkammern, da die AE-Sensoren entsprechende Ereignisse detektierten. Diese lassen sich jedoch aufgrund der Signalcharakteristik schnell als solche identifizieren. Zur sicheren Plausibilisierung solcher Ereignisse ist eine enge Abstimmung zwischen Bauwerksbetreibern und den Betreibern des Monitoringsystems notwendig. Als hilfreich hat sich hier auch die Überwachungskamera erwiesen, mit der eine sofortige Sichtüberprüfung des Betriebs auf der Brücke möglich ist. 3.3.6 Ausgewählte Ereignisse aus der Testphase Nach genauerer Feststellung des Schadensbilds im Jahr 2018 wurde die Brücke, wie bereits erwähnt, verkehrsbeschränkt und eine Gewichtsbeschränkung vorgegeben. In der Folge kam es dennoch mehrfach zu Überfahrten von deutlich zu schweren Fahrzeugen, Bild 18. Die Spitze bildete am 17.05.2019 ein Schwertransport mit 77 t Fahrzeuggewicht. Bild 18: Exemplarische Überfahrten unzulässigen Schwerverkehrs und dazugehörige Dehnungen in Feldmitte und Aufnahmen des Kamerasystems; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat Das System löste entsprechende Alarmierungen aus. Die Verformungsmessungen zeigten bleibende Verformungen nach den Überfahrten, Bild 19. Die längere Analyse der Dehnungsverläufe zeigt ähnliche bleibende Verformungen auch in die andere Richtung, allerdings in kleineren Schritten, so dass hierfür auch Rutschungen im Bereich der unbzw. teilverpressten Spannglieder als Ursache in Frage kommen. Ähnliche Effekte wurden auch an einem einzelnen DMS im Rahmen der Probebelastung festgestellt, Bild 20. In der Folge wurde zunächst eine Höhenbegrenzung an der Gänstorbrücke installiert, Bild 21, und die Brücke für den Schwerverkehr mit Ausnahme von Linienbussen und Einsatzfahrzeugen gesperrt. Leider zeigte sich, dass auch diese Maßnahmen keinen Erfolg hatten, da die Beschilderung regelmäßig ignoriert wurde. Bild 19: Exemplarische Überfahrten unzulässigen Schwerverkehrs und dazugehörige zumindest temporär bleibende Dehnungen in Feldmitte; Bildquelle: Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 493 Monitoring von Brücken - Hintergründe, technische Möglichkeiten und Umsetzung am Beispiel der Ulmer Gänstorbrücke Bild 20: Dehnungsverlauf eines DMS während der Probebelastung, Überlagert mit AE-Ereignissen (Parameter Energie); [3] Bild 21: Installation einer Höhenbegrenzung an der Gänstorbrücke, hier Seite Neu-Ulm Richtung Ulm; Bildquelle: Stadt Neu-Ulm Zwischenzeitlich wurde die Zufahrt zur Brücke baulich verengt und mit einem Schrankensystem für größere Fahrzeuge versehen, um neben PKWs nur noch Linienverkehr durch Busse und Einsatzfahrzeuge die Überfahrt zu ermöglichen. Die Messungen des Monitoring-Systems bestätigen die Wirksamkeit der Maßnahmen: Bild 22 zeigt eine Rainflowcount-Auswertung der Dehnungsmessung in Feldmitte eines Stegs aus dem Jahr 2019. Gut zu erkennen ist, dass der Schwerverkehr mit Einführung der verschärften Gewichtsbeschränkung deutlich begrenzt wurde und dass die Gänstorbrücke offensichtlich von zwei Typen von Linienbussen regelmäßig befahren wird. Dennoch zeigten die Messungen auch, dass die Begrenzung leider trotz Beschilderung immer wieder ignoriert wurde, so dass die letztlich die baulichen Maßnahmen erforderlich wurden. Bild 22: Exemplarische Rainflowcount-Auswertung von Messdaten aus dem Jahr 2019 zu den maximalen Dehnungen in Feldmitte eines Stegs bei Überfahrtereignissen; [3] Am 11.11.2019 kam es zum bisher lautesten aufgezeichneten AE-Ereignis an einem Zugglied im Widerlager Ulm. Dieses Ereigniss korrelierte nicht mit einem Überfahrtereignis oder Baumaßnahmen. Auf Basis der Messdaten kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um einen Spanngliedbruch handelt. Bild 23: Bisher lautestes gemessenes AE-Ereignis an einem Zugglied der Brücke am 11.11.2019, möglicher Spanngliedbruch; [3] Da die Brücke an keinem der Überwachungssensoren bleibende Reaktionen auf das Ereignis zeigte und je Zugglied 80 Spannglieder eingebaut sind, unterstützt durch die in den 1980er Jahren nachträglich installierten Erdanker, bleibt in Verbindung mit den umgesetzten Lastbegrenzungen ein Weiterbetrieb der Brücke möglich. 4. Ausblick Das System an der Gänstorbrücke wird laufend verfeinert und im Hinblick auf Alarmierungen mit eigenständiger Einleitung von Sofortmaßnahmen um letzte erforderliche Komponenten ergänzt. Ferner ist geplant, das Dashboard so zu erweitern, dass auch andere Brückenbauwerke integriert werden können. Der Neubau der Ersatzbrücke wird erst in einigen Jahren fertiggestellt. Bis dahin kann dank freundlicher Unterstützung und Kooperation der Städte Ulm und Neu-Ulm im Rahmen eines Forschungsprojekts der vom DFG geförderten Forschungsgruppe CoDA, Concrete Damage Assessment by Coda Waves parallel zum bisherigen Monitoringsystem ein zusätzliches System zur Überwachung mit Hilfe von Codawellen installiert und im Praxiseinsatz an einem bereits eng überwachten Bauwerk erprobt werden. Bei dieser Technologie werden die späten Teile einer Ultraschallwelle analysiert, um Rückschlüsse auf die Belastung und strukturelle Integrität des durchschallten Betons zu ziehen, [5]. So leistet die Gänstorbrücke zum Ende Ihrer Lebensdauer noch einen kleinen Beitrag, um eines Tages eine weitere zerstörungsfreie Überwachungsmethode zum Monitoring von Brücken zur Verfügung zu haben. Literatur [1] DIN 1076: 1999-11: Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen - Überwachung und Prüfung. Beuth Verlag GmbH. Berlin. 1999. [2] Sodeikat, C.; Groschup, R.; Knab, F; Obermeier, P.: Acoustic Emission in der Bauwerksüberwachung zur Feststellung von Spannstahlbrüchen. Beton und Stahlbetonbau 114 (2019), Heft 10., S. 707 - 723. [3] Müller, A.; Sodeikat, C.; Schänzlin, J.; Knab, F.; Albrecht, L.; Groschup, R.; Obermeier, P.: Die Gänstorbrücke in Ulm - Untersuchung, Probebelastung und Brückenmonitoring. In: Beton- und Stahlbetonbau 115 (2020), Heft 3, Ernst & Sohn Verlag, Berlin. 2020. [4] Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat GmbH: Bauwerksuntersuchungen und Belastungsversuche an der Gänstorbrücke. Pressehandout anlässlich von Probebelastungen am 17./ 18.11.2018. München. 2018. [5] Internetauftritt der Forschungsgruppe CoDA, Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt, Technische Universität München: https: / / www.bgu.tum.de/ coda/ projekt/ [Stand 11.07.2020].
