Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau
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Marcel Nowak
Oliver Fischer
Im Rahmen umfangreicher Maßnahmen zur Nachrechnung und Bewertung der Gänstorbrücke über die Donau erfolgt eine objektspezifische Bewertung der Verkehrslastansätze. Hierbei werden die tatsächlichen Verkehrsbeanspruchungen realitätsnah abgebildet, durch konkreten Objektbezug hinsichtlich Verkehr und Tragwerk. Der Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität München (TUM) hat hierzu Verkehrsmessungen zur Erfassung der lokalen Verkehrscharakteristik, sowie hierauf aufbauend numerische Simulationsberechnungen zur Abbildung der Verkehrsbeanspruchung für verschiedene Szenarien der Verkehrsführung am Brückenbauwerk durchgeführt. Zur Verifizierung der Simulationsmodelle werden zusätzliche Messdaten von an Spanngliedern applizierten Dehnmessstreifen ausgewertet. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse erfolgt eine Bewertung der tatsächlichen Verkehrsbeanspruchung und Festlegung sinnvoller und realistische Lastansätze für die Brückennachrechnung.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 501 Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau Dipl.-Ing. (FH) Marcel Nowak, M.Sc. Technische Universität München, Lehrstuhl für Massivbau Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Oliver Fischer Technische Universität München, Lehrstuhl für Massivbau Zusammenfassung Im Rahmen umfangreicher Maßnahmen zur Nachrechnung und Bewertung der Gänstorbrücke über die Donau erfolgt eine objektspezifische Bewertung der Verkehrslastansätze. Hierbei werden die tatsächlichen Verkehrsbeanspruchungen realitätsnah abgebildet, durch konkreten Objektbezug hinsichtlich Verkehr und Tragwerk. Der Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität München (TUM) hat hierzu Verkehrsmessungen zur Erfassung der lokalen Verkehrscharakteristik, sowie hierauf aufbauend numerische Simulationsberechnungen zur Abbildung der Verkehrsbeanspruchung für verschiedene Szenarien der Verkehrsführung am Brückenbauwerk durchgeführt. Zur Verifizierung der Simulationsmodelle werden zusätzliche Messdaten von an Spanngliedern applizierten Dehnmessstreifen ausgewertet. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse erfolgt eine Bewertung der tatsächlichen Verkehrsbeanspruchung und Festlegung sinnvoller und realistische Lastansätze für die Brückennachrechnung. 1. Einführung Die 1950 errichtete Gänstorbrücke über die Donau stellt eine der wenigen innerstädtischen Straßenbrücken zwischen den Städten Ulm und Neu-Ulm dar. Bereits bei Untersuchungen am Tragwerk in den 1980er Jahren wurden zahlreiche Mängel entdeckt, was verschiedene Sanierungsmaßnahmen sowie eine Rückstufung der Brückenklasse des Bauwerks zur Folge hatte. Aufgrund seither festgestellter zusätzlicher Mängel (Bauwerksprüfungen) ergab sich jedoch in jüngster Zeit ein zunehmender Handlungs- und Sanierungsbedarf für das historische Brückenbauwerk. [1] Eine in diesem Kontext durchgeführte Nachrechnung der Brücke gemäß aktueller Nachrechnungsrichtlinie für Straßenbrücken im Bestand [2], [3] unter Berücksichtigung des tatsächlichen Bauwerkszustands soll als Grundlage für die Festlegung der weiteren Vorgehensweise während der verbleibenden Restnutzungsdauer des Tragwerks dienen [4]. Das in dieser Nachrechnung zu Grunde gelegte Ziellastniveau erfordert aufgrund fehlender Messdaten zum Verkehr und besonderer verkehrliche Randbedingungen an der Brücke eine Verifizierung. Hierzu erfolgt eine objektspezifische Bewertung der Verkehrslastansätze, mit Hilfe derer die tatsächliche Verkehrsbeanspruchung durch konkreten Objektbezug hinsichtlich Verkehr und Tragwerk realitätsnäher abgebildet werden kann [5]. Der Lehrstuhl für Massivbau der TUM hat hierzu eine messtechnische Erfassung der lokalen Verkehrscharakteristik, numerische Simulationsberechnungen zur Abbildung der Verkehrsbeanspruchung am Brückenbauwerk, sowie Auswertungen von Bauwerksmessdaten von an Spanngliedern applizierten Dehnmessstreifen (DMS) durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse erlauben eine Bewertung der tatsächlichen Verkehrsbeanspruchung und somit eine Plausibilisierung der für die Nachrechnung verwendeten Lastansätze, sowohl hinsichtlich des Grenzzustands der Tragfähigkeit (GZT) als auch bezüglich Ermüdung. 2. Bauwerk und Randbedingungen Die Gänstorbrücke wurde als gelenkloses Rahmentragwerk mit einer Spannweite von 82,4 m errichtet. Die Rahmenstiele des Bauwerks sind aufgelöst, und bestehen aus einer Verlängerung des Überbaus, einem auf Druck beanspruchten Pfeiler, und einer vorgespannten Zugstrebe. Die Gesamtbreite des Bauwerks beträgt 18,6 m, der Überbau ist jedoch durch eine mittige Längsfuge in zwei Hälften geteilt. Je Überbauhälfte besteht der Querschnitt aus einem zweistegigen Plattenbalken (Bild 1), mit über die Länge bogenförmig veränderlichen Konstruktionshöhen von 4,2 m am Widerlager bis 1,2 m in Feldmitte (siehe Bild 2) [1]. Die Verkehrsführung auf der Brücke bestand ursprünglich aus insgesamt vier Fahr- 502 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau spuren, mit zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung. Da jedoch im Zuge der Untersuchungen am Bauwerk im Juni 2018 an ausgewählten Stellen am Tragwerk gravierende Korrosionsschäden an Spanngliedern festgestellt wurden, veranlassten die Städte Ulm und Neu-Ulm als sofortige Kompensationsmaßnahme eine Teilsperrung des Brückenbauwerks (Sperrung des jeweils in Fahrtrichtung innenliegenden Fahrstreifens), die seither Bestand hat. Bild 1: Brückenquerschnitt mit Bezeichnung der Brückenträger Bild 2: Gänstorbrücke, 2018 Durch die Trennung des Überbaus in zwei Hälften über eine Längsfuge im Bauwerk wird jede Überbauhälfte in einer einzelnen Fahrspur befahren (siehe Bild 3). Die Länge der Fahrbahn beträgt insgesamt 96,1 m. Jenseits der Brückenenden befinden sich auf beiden Seiten reguläre Verkehrsampeln mit definierten Taktzeiten. Bild 3: Verkehrsführung mit Teilsperrung auf der Gänstorbrücke Für die bisherige Nachrechnung der Gänstorbrücke wurde das Ziellastniveau BK 30/ 30 gemäß DIN 1072: 1985 [6] vereinbart [4]. Für die aktuelle Situation der Teilsperrung auf der Brücke entspricht dies einem Ansatz von BK 30, da aufgrund der reduzierten verbleibenden Fahrbahnbreite nur noch ein rechnerischer Fahrstreifen für das Lastmodell auf dem Brückenüberbau angeordnet werden kann. Jedoch liegen für die zur Festlegung des geforderten Ziellastniveaus für die Brückennachrechnung (gemäß [2], Tabelle 10.2 in Kapitel 10.1.2, (5)) erforderlichen Kennwerte des durchschnittlichen täglichen Schwerverkehrsaufkommens (DTSV) und der durch die Zusammensetzung des Schwerverkehrs charakterisierten Verkehrsart keine verlässlichen Messdaten für die Gänstorbrücke vor. Hinzu kommen die besonderen örtlichen Gegebenheiten (innerstädtische Lage, Ampelanlagen an der Brücke), deren möglicher Einfluss auf die Charakteristik der resultierenden Verkehrsbeanspruchungen laut [2], 10.1.2, (11) zu berücksichtigen, und das Ziellastniveau gegebenenfalls anzupassen ist. All dies macht deutlich, dass der bisher in der Nachrechnung gewählte Lastansatz von BK 30 zwingend einer fundierten und umfassenden Überprüfung bedarf. Zudem dienen die Untersuchungen als Grundlage für die Festlegung eines realitätsnahen Ermüdungslastansatzes für die Brückennachrechnung. 3. Monitoring Für die objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke stehen Daten von Verkehrsmessungen vor Ort, und von Messungen direkt am Tragwerk zur Verfügung. 3.1 Verkehrsmessungen Für die Verkehrsmessungen kommen Laser-Scanner (Profiling-System TIC501 der Fa. SICK) zum Einsatz, welche an einem Laternenmast auf einer Verkehrsinsel kurz nach Brückenende auf Seite der Stadt Neu-Ulm installiert werden (siehe Bild 4). 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 503 Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau Bild 4: Messsystem an der Gänstorbrücke, mit Darstellung der Messquerschnitte für die Laser-Scanner (oben), beispielhafter Fahrzeugdetektion des Laser-Scanners (unten links) und Bildmaterial der Webcam (unten rechts) [7] Das installierte System erfasst separat jedes einzelne, den Messquerschnitt passierende Fahrzeug, mit Informationen zu Fahrzeugtyp, Abmessungen, Geschwindigkeit und Fahrstreifen. Die Klassifizierung der Fahrzeuge erfolgt auf Grundlage der durch den Laser-Scan erfassten Fahrzeugsilhouette (siehe Bild 4, unten links). Ergänzend wird eine Webcam angebracht, die Bildmaterial des Verkehrsflusses auf der Brücke liefert, das zu Kontrollzwecken sowie zur Auswertung weiterer Parameter (v.a. Stauhäufigkeit, Achsanzahl der Schwerverkehrsfahrzeuge) herangezogen werden kann (siehe Bild 4 unten rechts). Die Verkehrsmessungen haben vorrangig das Ziel, wesentliche Parameter zur Beschreibung des Verkehrsaufkommens (Gesamt- und Schwerverkehrsaufkommen), des Verkehrsflusses (Häufigkeit von Fließ- und Stauverkehr auf der Brücke) und der Verkehrszusammensetzung (Klassifizierung der Schwerverkehrsfahrzeuge) am Bauwerk zu erfassen. Ein alternatives Vorgehen zur Verkehrsmessung mit zusätzlicher Erfassung der Fahrzeuggewichte war unter den gegebenen Randbedingungen sowie aus Zeit- und Kostengründen nicht realisierbar. Die Verkehrsmessungen wurden von Juni bis August 2018 durchgeführt. Für die Datenauswertung stehen 32 vollständige Tagesdatensätze von Werktagen zur Verfügung. Die Ergebnisse der Auswertung dienen als Eingangsgrößen für die numerischen Simulationen. 3.2 Dehnungsmessungen am Tragwerk Im Zuge der allgemeinen Untersuchungen zur Bestandsbewertung der Gänstorbrücke wurden verschiedene Messsysteme zur Aufzeichnung von Bauwerksmessdaten installiert. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Messdaten von an Spanngliedern applizierten Dehnmessstreifen (DMS) analysiert. Die DMS erfassen die Dehnungsänderung der Spannstäbe infolge Belastung des Tragwerks z.B. infolge Verkehr. Für die Bauwerksmessungen wurden insgesamt 16 DMS an ausgewählten Stellen im Tragwerk installiert (siehe Bild 5), v.a. an den Zuggliedern an beiden Widerlagern, im Drittelspunkt und in Feldmitte [4]. Bild 5: Übersicht Messpunkte mit DMS an Spanngliedern Von den 16 verschiedenen DMS-Messpunkten innerhalb des Tragwerks werden die folgenden Sensoren am Außenträger IV der östlichen Überbauhälfte für die weiteren Untersuchungen herangezogen: • Zugglied am Widerlager Ulm • Stegunterseite im Drittelspunkt der Brücke • Stegunterseite in Feldmitte der Brücke Für die Auswertungen stehen die folgenden Messdaten zur Verfügung (nur komplette Datensätze von Werktagen werden ausgewertet): 504 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau • Juli bis August 2018: Messung unter freiem Verkehr bei Brücke mit Teilsperrung (insgesamt 20 vollständige Datensätze für Werktage, Messdaten nur für Zugstrebe und Steg im Drittelspunkt verfügbar) • Februar bis Juli 2019: Messung unter freiem Verkehr bei Brücke mit Teilsperrung (insgesamt 111 vollständige Datensätze für Werktage, Messdaten für alle drei Messpunkte vorhanden) 4. Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung Die Plausibilisierung der gewählten Lastansätze für die Brückennachrechnung erfolgt durch Untersuchung und Bewertung der objektbezogenen Verkehrsbeanspruchung gemäß der in [5] beschriebenen Methodik. Hierfür werden, sowohl für die Bewertung des Extremwertverhaltens als auch für die Ermüdungsbeanspruchung, numerische Verkehrssimulationsmodelle (auf Grundlage von Daten aus der Verkehrsmessung an der Gänstorbrücke) und Messdaten von an Spanngliedern applizierten DMS ausgewertet. Die resultierenden, repräsentativen Werte der simulierten und der gemessenen Beanspruchungen werden dann verglichen mit den Referenzbeanspruchungen aus dem Ansatz von Normenlastmodellen (BK 30 für Extremwertverhalten und ELM 4 für Ermüdung). 4.1 Extremwertverhalten Für die Untersuchung des Extremwerthaltens und der entsprechenden charakteristischen Werte der Tragwerksreaktion an den untersuchten Messpunkten werden numerische Simulationen durchgeführt, im Rahmen derer die Verkehre GTBSim (auf Grundlage der Datenauswertung der Verkehrsmessungen, vgl. auch [7]) sowie Mittelstreckenverkehr (MS) und Ortsverkehr (OV) gemäß [8] (jeweils mit Ansatz DTSV von 1.000 Lkw/ d) für die Tragwerksreaktion an den drei untersuchten Messpunkten ausgewertet werden. Parallel hierzu werden auch die Messdaten der DMS an den Spanngliedern ausgewertet. Diese Auswertung erfolgt jeweils getrennt für die beiden Datensätze der Monate Juli/ August 2018 (GTBDMS2018, jedoch keine Messdaten für den Steg in Feldmitte verfügbar) und Februar bis Juli 2019 (GTBDMS2019). Dabei werden die charakteristischen Werte aus den Kennwert-Zeitverläufen über die Methode der Klassendurchgangszählung mit Fit einer Rice-Funktion [9] ermittelt. Zusätzlich erfolgt eine Betrachtung realer, extremer Belastungsereignisse (ein Mobilkran mit 66 t oder zwei Sattelschlepper mit je 48 t und 5 m Mindestabstand, in jeweils ungünstigster Laststellung). Die für die Untersuchungen erforderlichen Einflussflächen der einzelnen Messpunkte werden mit Hilfe eines an Probebelastungen kalibrierten numerischen Tragwerksmodells (siehe [4]) ermittelt. Bild 6 zeigt die Kennwerte der Verkehrsbeanspruchungen aus numerischen Untersuchungen und Auswertung der Messdaten, jeweils in Relation zur Beanspruchung infolge des Lastansatzes BK 30. Zu Vergleichszwecken ist auch das Lastniveau infolge des Lastansatzes BK 60 dargestellt. Bild 6: Kennwerte der Verkehrsbeanspruchung an Messpunkten, aus Simulation und Messdaten Die Auswertung des Extremwertverhaltens zeigt, dass die tatsächliche, auf Grundlage der Messdaten ermittelte Verkehrsbeanspruchung an den Messpunkten Zugglied und Drittelspunkt deutlich geringer ist als die Beanspruchungen infolge numerischer Verkehrssimulationen. Lediglich für den Messpunkt in Feldmitte erreicht das gemessene Beanspruchungsniveau die Werte der Simulationen. Insgesamt kann jedoch beobachtet werden, dass keiner der Kennwerte das Referenzniveau infolge des Lastansatzes BK 30 überschreitet. Dies bestätigt und plausibilisiert den in der bisherigen Nachrechnung verwendeten Lastansatz. 4.2 Ermüdungsbeanspruchung Für die Bewertung der Ermüdungsbeanspruchung erfolgt ein Abgleich der Messdaten mit numerischen Simulationen sowie normativen Lastansätzen. Für die Zählung der ermüdungswirksamen Beanspruchungszyklen der unterschiedlichen Beanspruchungszeitverläufen aus Messung, Simulation und normativen Lastansätzen wird der Rainflow-Zählalgorithmus gemäß [10] angewandt. Die Auswertung der Ermüdungsbeanspruchung für die Messdaten erfolgt monatsweise für die Daten aus dem 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 505 Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau Zeitraum Februar bis Juli 2019. Zu Vergleichszwecken werden die Beanspruchungszeitverläufe aus den numerischen Simulationen für den Verkehr GTBSim (auf Grundlage der Datenauswertung der Verkehrsmessungen, siehe auch [7]) ebenfalls hinsichtlich Ermüdungsbeanspruchung ausgewertet. Zusätzlich erfolgt auch eine Untersuchung normativer Lastansätze. Zum einen werden folgenden Ermüdungslastmodelle gemäß [2] ausgewertet: • modifiziertes ELM 4 für Verkehrskategorie 2 (Mittlere Entfernung, ME), mit jährlichem Schwerverkehrsaufkommen von 600.000 Fahrzeugen und Schwerverkehrszusammensetzung gemäß [2], Tabelle 10.6, Spalte 6 • modifiziertes ELM 4 für Verkehrskategorie 3 (Ortsverkehr, OV), mit jährlichem Schwerverkehrsaufkommen von 600.000 Fahrzeugen und Schwerverkehrszusammensetzung gemäß [2], Tabelle 10.7, Spalte 6 Zum anderen erfolgt eine Auswertung eines auf Grundlage der Verkehrsmessungen an der Gänstorbrücke modifizierten Ermüdungslastmodells 4, mit einem jährlichen Schwerverkehrsaufkommen von 150.000 Fahrzeugen und einer Schwerverkehrszusammensetzung gemäß Tabelle 1. Tabelle 1: Schwerverkehrszusammensetzung für modifiziertes ELM4 für Gänstorbrücke Ulm Fahrzeugklasse Anteil 1 62,1 % 2 18,7 % 3 6,1 % 4 8,5 % 5 4,6 % Die Ergebnisse werden als inverse tägliche Summenhäufigkeit aufgetragen (siehe Bild 7). Diese Darstellungsform erlaubt eine bessere Beurteilung der zu erwartenden resultierenden Ermüdungsschädigung (ohne diese Schädigung mittels Wöhlerlinie zu berechnen), sowie einen zusätzlichen Abgleich mit den normativen Lastansätzen. Eine explizite Berechnung der Ermüdungsschädigung erfolgt an dieser Stelle nicht, da hierfür erforderliche nähere Informationen über Materialkennwerte und zu verwendete Wöhlerlinie nicht vorliegen. Bild 7: Inverse tägliche Summenhäufigkeit der Spannungsamplituden der Beanspruchungszyklen aus realen Messdaten, simulierten Verkehr und normativen Lastansätzen Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die gemessene Ermüdungsbeanspruchung am Sensor Träger IV, Drittelspunkt sowohl durch den numerisch simulierten Verkehr als auch durch die normativen Lastansätze gut abgedeckt wird. Für den Sensor am Zugglied ist zu beobachten, dass die Ermüdungsbeanspruchung infolge der simulierten Verkehre und der gemessenen Daten einen sehr ähnlichen Verlauf aufweisen, jedoch kommt es am oberen Ende des Spannungsspektrums zu einer Überschreitung der Beanspruchung im Vergleich zu den normativen Lastansätzen. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich für den Sensor in Feldmitte machen, mit dem Unterschied, dass die aus dem simulierten Verkehr resultierende Ermüdungsbeanspruchung die gemessene Beanspruchung im oberen Drittel des Spannungsspektrums nicht abdecken kann. Das Ausmaß der Überschreitungen der normativen Lastansätze durch die gemessenen Werte befindet sich jedoch noch in einem vertretbaren Rahmen (und wird zudem durch die logarithmische Darstellung der Ordinate auch etwas verzerrt dargestellt). Interne Vergleichsrechnungen haben gezeigt, dass durch die deutliche Reserve, die für die Ermüdungsbeanspruchungen aus den normativen Lastansätze gegenüber den Messdaten diesseits der Überschreitungen vorhanden ist, auch die zu erwartenden größere Ermüdungsschädigungen infolge dieser Überschreitungen mit abgedeckt werden kann. Insgesamt kann somit festgestellt werden, dass der Ansatz eines auf Grundlage der Verkehrsmessungen an der 506 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Objektspezifische Bewertung der Verkehrsbeanspruchung an der Gänstorbrücke über die Donau Gänstorbrücke modifizierten Ermüdungslastmodells 4, mit einem jährlichen Schwerverkehrsaufkommen von 150.000 Fahrzeugen und einer Schwerverkehrszusammensetzung nach Tabelle 1 eine gute Näherung für die Abbildung der Ermüdungsbeanspruchung infolge Straßenverkehr an der Gänstorbrücke darstellt, und somit als Grundlage für weitere Betrachtungen zur Ermüdung im Rahmen der Brückennachrechnung dienen kann. 5. Zusammenfassung Im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen werden numerischen Verkehrssimulationsmodelle und Messdaten von an Spannstäben applizierten Dehnmessstreifen an der Gänstorbrücke über die Donau hinsichtlich einer Verifizierung realitätsnaher Verkehrslastansätze für die Brückennachrechnung ausgewertet. Auf Grundlage der gemessenen Tragwerksbeanspruchungen infolge Verkehr für die während des Messzeitraums aktuelle Verkehrsführung (Teilsperrung des Brückenbauwerks) werden für drei ausgewählte Messpunkte (Träger IV: Zugglied, Drittelspunkt und Feldmitte) mittels Extremwertanalyse die repräsentativen Werte ermittelt, und mit den entsprechenden Werten aus Verkehrssimulation sowie mit normativen Lastansätzen verglichen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen zum einen, dass der Lastansatz BK 30 das Extremwertverhalten der gemessenen Tragwerksbeanspruchungen gut abdeckt. Weiterhin kann beobachtet werden, dass auch das Extremwerthalten des simulierten Verkehrs das Verhalten der gemessenen Beanspruchungen an allen drei Untersuchungspunkten gut abdeckt. Diese Beobachtung kann als eine Art Verifizierung des Simulationsmodells interpretiert werden, womit auch die Untersuchung möglicher zukünftiger Verkehrsszenarien ermöglicht wird (z.B. Szenario einer möglichen bauzeitlichen Verkehrsführung mit Begegnungsverkehr auf einer Überbauhälfte, siehe [7]). Auch für die Bewertung der aus der Verkehrsbeanspruchung am Bauwerk resultierenden Ermüdungsbeanspruchung erfolgt ein Abgleich der Bauwerksmessdaten mit numerischen Simulationen und normativen Lastansätzen. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass ein modifiziertes Ermüdungslastmodell ELM 4 mit einer auf Grundlage der Verkehrsmessungen an der Gänstorbrücke definierten Schwerverkehrszusammensetzung und einem jährlichen Schwerverkehrsaufkommen von 150.000 Fahrzeugen ganzheitlich gesehen die tatsächliche Ermüdungsbeanspruchung und die zu erwartende Ermüdungsschädigung an den drei untersuchten Messpunkten (Träger IV: Zugglied, Drittelspunkt und Feldmitte) für das aktuelle Szenario Brücke mit Teilsperrung realitätsnah abbilden kann. Dieser Lastansatz ist entsprechend für die Nachrechnung des Bauwerks in diesem Szenario geeignet. Literaturverzeichnis [1] M üller , A.: Nachrechnung der Gänstorbrücke Ulm - Zusatzbetrachtungen zur Robustheit. Münchener Massivbau Seminar 2017, München, 2017. [2] Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie). Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin, 05/ 2011. [3] Nachrechnungsrichtlinie, 1. 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