Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken
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Matthias Bettin
Reinhard Maurer
Andreas Bach
Der Anprall von Fahrzeugen gegen Pfeiler von Brücken kann bei Bestandsbauwerken eine maßgebliche Gefährdung darstellen. Bei der Bemessung und Konstruktion von Neubauten sowie bei der Nachrechnung von Bestandsbauwerken ist dieser Gefährdung Rechnung zu tragen. Die aktuell gültige Norm in Deutschland für die Lastermittlung infolge Anprall, die DIN EN 1991-1-7 fordert die Bemessung von Unterbauten in der Nähe von Straßen mit statisch äquivalenten Lasten von bis zu 1500 kN in Fahrtrichtung sowie 750 kN senkrecht zur Fahrtrichtung. In den vor Einführung der DIN EN 1991- 1-7 gültigen Regelwerken (u.a. DIN FB 101) waren im Vergleich zur DIN EN 1991-1-7 abweichende Bemessungslasten enthalten. Die maximalen statisch äquivalenten Anpralllasten betrugen in Fahrtrichtung 1000 kN bzw. senkrecht zur Fahrtrichtung 500 kN. Die Einführung der DIN EN 1991-1-7 hat somit eine Erhöhung der Bemessungslast von 50% zur Folge. Neben einer Bemessung mittels quasistatischer Ersatzkraft sind Brückenunterbauten zusätzlich durch besondere Maßnahmen in Form einer abweisenden Leiteinrichtung oder eines Betonsockels zu schützen. Darüber hinaus ist konstruktiv die Ausbildung einer Zerschellschicht erforderlich. Zusätzlich sind die Anforderungen der Richtlinie für passive Schutzsysteme zu berücksichtigen. Eine einheitliche Bewertung von bestehenden Bauwerken, die nicht nach den aktuellen Regelwerken geplant und gebaut wurden, erfolgt nach der Nachrechnungsrichtlinie. Sie enthält derzeit noch keine Regelungen für den Anprall an Brückenunterbauten. Insbesondere die Normung in der Schweiz enthält sehr differenzierte Ansätze zur Anprallbemessung, die als Basis für ein Nachweiskonzept bei Bestandsbauwerken geeignet erscheinen.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 531 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Matthias Bettin TU Dortmund, Dortmund, Deutschland Reinhard Maurer TU Dortmund, Dortmund, Deutschland Dr.-Ing. Andreas Bach Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH Zusammenfassung Der Anprall von Fahrzeugen gegen Pfeiler von Brücken kann bei Bestandsbauwerken eine maßgebliche Gefährdung darstellen. Bei der Bemessung und Konstruktion von Neubauten sowie bei der Nachrechnung von Bestandsbauwerken ist dieser Gefährdung Rechnung zu tragen. Die aktuell gültige Norm in Deutschland für die Lastermittlung infolge Anprall, die DIN EN 1991-1-7 fordert die Bemessung von Unterbauten in der Nähe von Straßen mit statisch äquivalenten Lasten von bis zu 1500 kN in Fahrtrichtung sowie 750 kN senkrecht zur Fahrtrichtung. In den vor Einführung der DIN EN 1991- 1-7 gültigen Regelwerken (u.a. DIN FB 101) waren im Vergleich zur DIN EN 1991-1-7 abweichende Bemessungslasten enthalten. Die maximalen statisch äquivalenten Anpralllasten betrugen in Fahrtrichtung 1000 kN bzw. senkrecht zur Fahrtrichtung 500 kN. Die Einführung der DIN EN 1991-1-7 hat somit eine Erhöhung der Bemessungslast von 50% zur Folge. Neben einer Bemessung mittels quasistatischer Ersatzkraft sind Brückenunterbauten zusätzlich durch besondere Maßnahmen in Form einer abweisenden Leiteinrichtung oder eines Betonsockels zu schützen. Darüber hinaus ist konstruktiv die Ausbildung einer Zerschellschicht erforderlich. Zusätzlich sind die Anforderungen der Richtlinie für passive Schutzsysteme zu berücksichtigen. Eine einheitliche Bewertung von bestehenden Bauwerken, die nicht nach den aktuellen Regelwerken geplant und gebaut wurden, erfolgt nach der Nachrechnungsrichtlinie. Sie enthält derzeit noch keine Regelungen für den Anprall an Brückenunterbauten. Insbesondere die Normung in der Schweiz enthält sehr differenzierte Ansätze zur Anprallbemessung, die als Basis für ein Nachweiskonzept bei Bestandsbauwerken geeignet erscheinen. 1. Problemstellung Der Anprall von Fahrzeugen gegen Pfeiler von Brücken stellt eine maßgebliche Gefährdung dar. Durch den Anprall wird der betroffene Pfeiler, gleichzeitig zur vertikalen Belastung aus dem Überbau, horizontal durch die Stoßeinwirkung beansprucht. Versagt dabei der Pfeiler wird dem Überbau somit sein Auflager entzogen. Sofern der Überbau nicht im Stande ist durch Tragreserven und Lastumlagerungen eine neue Gleichgewichtslage einzunehmen, kommt es im äußersten Fall zu einem Einsturz des Überbaus. Beispiele für dieses Szenario sind die Einstürze der Brücke über die A2 in Dortmund im Jahre 1979 sowie der Brücke über den mittleren Ring in München im Jahre 1981. Bei der Bemessung und Konstruktion eines Bauwerks ist dieser Gefährdung Rechnung zu tragen. Regelungen hierzu sind in den aktuellen sowie vormals gültigen Regelwerken enthalten. Die aktuell gültige Norm in Deutschland für die Lastermittlung infolge Anprall, die DIN EN 1991-1-7 fordert die Bemessung von Unterbauten in der Nähe von Straßen mit statisch äquivalenten Lasten von bis zu 1500 kN in Fahrtrichtung sowie 750 kN senkrecht zur Fahrtrichtung. Abbildung 1 Einsturz von Brückenbauwerken als Folge eines Anpralls [1]. 532 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken In den vor Einführung der DIN EN 1991-1-7 gültigen Regelwerken (u.a. DIN FB 101) waren im Vergleich zur DIN EN 1991-1-7 abweichende Bemessungslasten enthalten. Die maximalen statisch äquivalenten Anpralllasten betrugen in Fahrtrichtung 1000 kN bzw. senkrecht zur Fahrtrichtung 500 kN. Die Einführung der DIN EN 1991-1-7 hat somit eine Erhöhung der Bemessungslast von bis zu 50% zur Folge. Neben einer Bemessung mittels quasistatischer Anprallkraft sind Brückenunterbauten durch besondere Maßnahmen in Form einer abweisenden Leiteinrichtung oder eines Betonsockels zu schützen. Darüber hinaus ist konstruktiv die Ausbildung einer Zerschellschicht.erforderlich, da das Bauwerksverhalten für die dynamischen Einwirkungen beim Anprall auch sehr stark lokal durch Rissbildung, Abplatzungen und Plastizierung im Aufprallbereich beeinflusst wird. Zusätzlich sind die Anforderungen der Richtlinie für passive Schutzsysteme zu berücksichtigen. Eine einheitliche Bewertung von bestehenden Bauwerken, die nicht nach den aktuellen Regelwerken geplant und gebaut wurden, erfolgt nach der Nachrechnungsrichtlinie. Sie enthält derzeit noch keine Regelungen für den Anprall an Brückenunterbauten. 2. Stand der Technik - Normung in Deutschland DIN EN 1990 [6] verfolgt das Konzept der Klassen für Schadensfolgen, die die Konsequenzen aus dem Ausfall eines Teils oder der gesamten Tragstruktur eines Bauwerks beschreiben. Es ist unmöglich, ein Risiko gänzlich auszuschließen und teilweise ist es nicht vermeidbar, ein bestimmtes Restrisiko zu akzeptieren, das von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise dem Verlust von Menschenleben oder sozialökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten bestimmt wird. DIN EN 1991-1-7 verfolgt zwei Strategien, um diese Risiken zu minimieren. Die erste Strategie verfolgt das Ziel Gefährdungen zu identifizieren, die zweite besteht darin die Folgen aus einem lokalen Versagen zu begrenzen. Für Brücken werden folgende Ereignisse in Betracht gezogen: - Anprall von Straßenfahrzeugen, Zügen oder Schiffen an Pfeiler, Überbauten oder andere tragende Elemente - Feuer durch kollidierende Lastwagen mit entflammbaren Gütern - Überlastung durch ein unzulässig schweres Fahrzeug Im Allgemeinen empfiehlt DIN EN 1991-1-7 Strategien für Unfallsituationen auf der Grundlage der Klassen der Schadensfolgen zu entwickeln und Brückenbauwerke mehrheitlich als Klasse CC2 zu definieren. CC2 Brücken werden mit einer vereinfachten Nachweisform, d.h. mit einer äquivalenten statischen Ersatzlast auf Anprall bemessen. Für CC3 Strukturen, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial aufweisen, kann es notwendig sein, eine Risikoanalyse und verfeinerten Methoden wie beispielweise eine dynamische Analyse in Verbindung mit nicht-linearen Verfahren anzuwenden, um die Wechselwirkungen zwischen der dynamischen Einwirkung und der Struktur zu beurteilen. 2.1 Stoßvorgang In der DIN EN 1991-1-7 wird zwischen einem harten und weichen Stoß differenziert. Bei einem harten Stoß wird die Energie hauptsächlich durch den kollidierenden Körper abgeleitet, während sich bei einem weichen Stoß die Struktur verformt und so die Aufprallenergie absorbiert. Ein harter Stoß verformt den kollidierenden Körper, ein weicher verformt die Struktur. Es sei darauf hingewiesen, dass in der einschlägigen Fachliteratur eine gegensätzliche Definition der beiden Stoßarten üblich ist. Im Folgenden wird die Definition des Eurocodes verwendet, bei dem „hart“ oder „weich“ jeweils das Verhalten des Bauwerks charakterisiert und nicht des Anprallobjekts. Bei Stützen ist eine Definition des vorherrschenden Stoßphänomens (hart oder weich) nicht eindeutig abzugrenzen. Da sich sowohl das Anprallobjekt (Fahrzeug) als auch das Tragwerk lokal im Anprallbereich plastisch verformen kann, siehe hierzu auch die Versuche von Popp. Es herrscht also in Abhängigkeit von der Querschnittsausbildung des Pfeilers eine Kombination aus hartem und weichem Stoß vor. 2.2 Äquivalente statische Anprallkraft Neben der lokalen Zerstörung des Betons im unmittelbaren Stoßbereich erfolgt eine globale Beanspruchung des gestoßenen Bauteils, die mit Hilfe einer quasistatischen Horizontalkraft ermittelt werden kann. Beim Bauwerk ist eine Kombination von globalen und lokalen Verhalten zu berücksichtigen. Die Einführung der Eurocodes (DIN EN 1991-1-7) führte zu einer Erhöhung der äquivalenten statischen Ersatzlasten für die Anprallkräfte von nun 1500 kN in Fahrrichtung und 750 kN quer zur Fahrtrichtung anstelle der bisherigen 1000 kN und 500 kN. Einen Überblick über die für den Anprall abirrenden Straßenfahrzeuge anzusetzenden Ersatzkraftgrößen gibt. Die Anprallkräfte F dx und F dy sind nicht gleichzeitig wirkend anzusetzen. Bis auf die Kraftgrößen für „Straßen außer Orts“, für von PWK befahren Verkehrsflächen in sowie der Grenzziehung der Eigengewichte für PKW (nunmehr 30 kN, zuvor 25 kN) sind zu keine Veränderungen eingetreten. Der Angriffspunkt der Last wirkt bei LKW h = 1,25 m und bei PKW h = 0,5 m über Gelände. Im Falle von Pfeilern ist die vereinfachende Einordnung ob ein harter oder weicher Stoß als Grenzfall vorliegt nicht einfach zu wählen. Je nach Struktur und Größe des Fahrzeugs und Ausbildung des Tragwerks kommt es im Anprallbereich zu einer stärkeren Verformung sowohl der Stütze des Tragwerks als auch des Fahrzeugs. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 533 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Tabelle 1 Äquivalente statische Anprallkräfte aus Straßenfahrzeugen [9] 2.3 Zusätzliche Schutzmaßnahmen Die Stützen und Pfeiler von Brücken über Straßen sind zusätzlich zur Bemessung auf Anprall von Kraftfahrzeugen durch besondere Maßnahmen zu sichern. Als besondere Maßnahmen gelten abweisende Leiteinrichtungen, die in mindestens 1,00 m Abstand von den zu schützenden Bauteilen vorzusehen sind, oder Betonsockel unter den zu schützenden Bauteilen, die mindestens 0,8 m hoch sind und parallel zur Fahrrichtung mindestens 2,00 m und rechtwinklig dazu mindestens 0,5 m über der Außenkante dieser Bauteile hinausragen. Auf besondere Maßnahmen darf innerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von ≤ 50 km/ h sowie neben Gemeinde- und Hauptwirtschaftswegen verzichtet werden. Zusätzlich ist die Richtlinie für passive Schutzeinrichtungen an Straßen zu berücksichtigen. Über die Notwendigkeit einer passiven Schutzeinrichtung entscheidet der kritische Abstand zur Gefahrenstelle. 534 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Abbildung 2 Formen für einen Anprallschutz Ausgehend von dem Grundsatz, dass dem Schutz unbeteiligter Dritter eine besondere Bedeutung zukommt, gilt für schutzbedürftige Bereiche der erweiterte Abstand AE und für Hindernisse der Abstand A. Nach DIN EN 1991-1-7/ NA: 2010-12 bemessene oder nach DIN EN 1992-2 / NA: ausgebildete Stützen/ Pfeiler an Seiten- und Mittelstreifen gelten, entweder aufgrund der Querschnittsabmessung oder durch die Bemessung auf Anprall, immer als nicht einsturzgefährdet und werden daher als Hindernis deklariert. Für vorschriftsmäßig ausgeführte Unterbauten ist daher der Abstand A maßgebend. Grundsätzlich ist die Schutzeinrichtung so zu wählen, dass der Wirkungsbereich kleiner oder gleich dem Abstand zwischen der Vorderkante der Schutzeinrichtung und der Vorderkante der Gefahrenstelle ist. Der Abstand der Vorderkante der Schutzeinrichtung von der Bezugslinie sollte 0,5m nicht unterschreiten. Ist der maßgebliche Abstand kleiner oder gleich der kritischen Abstände, so ist mit Hilfe eines Ablaufdiagramms in Abhängigkeit von der zulässigen Geschwindigkeit zu entscheiden, ob eine Schutzeinrichtung erforderlich ist und welche Aufhaltestufe diese mindestens aufweisen muss. Im Falle von Brückenunterbauten ist die Gefährdungsstufe (3) maßgebend. Dies beinhaltete Hindernisse mit besonderer Gefährdung von Fahrzeuginsassen z.B. nicht verformbare flächenhafte Hindernisse senkrecht zur Fahrtrichtung (Anprallsockel von Verkehrszeichenbrücken aus Beton), sowie nicht verformbare punktuelle Einzelhindernisse. Abbildung 3 kritische Abstände zum Wirkungsbereich für Straßen mit V zul > 100 km/ h und für Autobahnen und autobahnähnliche Straßen mit V zul ≤ 100 km/ h 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 535 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken In Mittelstreifen von zweibahnigen Straßen mit V zul > 50 km/ h sind aufgrund des Gefährdungspotentials grundsätzlich durchgängig Schutzeinrichtungen der Aufhaltestufe H2 aufzustellen. In Bereichen mit erhöhter Abkommenswahrscheinlichkeit für LKW und einem DTV(SV) > 3000 Kfz/ 24 h ist die Aufhaltestufe H4b vorzusehen. In Seitenstreifen von zweibahnigen Straßen mit V zu l > 50 km/ h sind durchgängig Schutzeinrichtungen der Aufhaltestufe H1 anzuordnen. In Bereichen mit besonderer Gefährdung Dritte (z. B. Tank- und Rastanlagen an Autobahnen oder einsturzgefährdete Bauwerke) und einem DTV(SV) > 3000 Kfz/ 24 h ist eine Aufhaltestufe H2 erforderlich. Besteht zusätzlich eine erhöhte Abkommenswahrscheinlichkeit (Lkw) ist die Aufhaltestufe auf die Klasse H4b zu erhöhen. Abbildung 4 Ablaufdiagramm für Mittel- und Seitenstreifen Bei Anordnung von zwei einseitigen Schutzeinrichtungen mit getrennter Wirkung darf die zweite Schutzeinrichtung nicht im Wirkungsbereich der ersten Schutzeinrichtung stehen (bei unterschiedlichen Wirkungsbereichen ist der größere maßgebend). Diese Einschränkung gilt nicht für einseitige Schutzeinrichtungen, die in einer Anprallprüfung nach DIN EN 1317-2 [10] nachgewiesen haben, dass sie im Verbund miteinander wirken. Wenn sich Gefahrenstellen innerhalb des kritischen Abstandes befinden und die erforderlichen Längen nicht eingehalten werden, können Anpralldämpfer erforderlich werden 536 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Abbildung 5 Ablaufdiagramm Gefährdungsstufen Fehler! 2.4 Fälle, in denen keine Anprallbemessung erforderlich ist Eine Bemessung auf Anprall ist dann nicht erforderlich, wenn bestimmte Grenzabmessungen von Pfeilern und anderen stützenden Bauteilen gemäß DIN EN 1992-2 / NA: nicht unterschritten werden: 1) massive Stützen und Scheiben l ≥ 1,60 (in Fahrrichtung) b= 1,6 - 0,2 l ≥ 0,9 m 2) volle runde bzw. ovale Stützen l ≥ 1,60 + x (in Fahrrichtung) b ≥ 1,6 - x l ≥ 1,20 m 3) Hohlpfeiler Mindestwanddicke ≥ 0,60 m 2.5 2.6 Konstruktive Durchbildung anprallgefährdeter Stützen Werden diese Grenzabmessungen unterschritten, so ist eine bewehrte Zerschellschicht entsprechend dem Anhang NA.VV in auszubilden (Abbildung 6): - Zerschellschichtstärke 12,5 cm - Längsbewehrung 2-lagig bis mindestens 2,0 m über Anprallbereich ungestoßen ausbilden - Umschließung der inneren und äußeren Längsbewehrung mittels Bügeln oder Wendel Ø 12mm 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 537 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Abbildung 6 Ausbildung der Zerschellschicht Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. Die Regelung zur Ausbildung einer Zerschellschicht wurde 1967 in der DIN 1072 erstmalig normativ verankert. Die damals geforderte Zerschellschichtstärke von 10 cm sowie die konstruktive Bügelbewehrung von Ø12/ 120 blieb bis zur Einführung von unverändert. 3. Evolution der Normung für Anpralllasten Die Anpralllasten sind in der Einwirkungsnorm DIN EN 1991-1-7 geregelt Abbildung 7 Evolution der Normung [11] Ihren Ursprung besitzt die derzeitig gültige DIN EN 1991-1-7: 2010-12 in der im Jahre 1998 herausgegebenen europäischen Vornorm ENV 1991-2-7, welche erstmalig für den europäischen Raum die außergewöhnlichen Einwirkungen in einer einzigen Norm zusammenfasste. Gleichzeitig resultierte aus dieser Vornorm ein Konzept für eine nationale deutsche Norm für außergewöhnliche 1 War im Bundesfernstraßenbereich nicht eingeführt (Gem. ARS 10/ 2003 wurde das ARS 1/ 1986, mit welchem die DIN 1072 -12/ 85 im Fernstraßenbereich eingeführt wurde durch FB 101: 2003 abgelöst). Einwirkungen, die DIN 1055-9: 2003-08 deren Inhalte zuvor nicht existent oder in unterschiedlichsten Regelwerken wie DS 804, DIN 1072, DIN 1075 und DIN 1055-3 zu finden waren. Nachdem Mitte des Jahres 2006 DIN EN 1990 in die Musterliste der technischen Baubestimmungen aufgenommen worden war, fand die bauaufsichtliche Einführung am 01.01.2007 statt. Gleichzeitig vollzog sich eine Weiterentwicklung der ENV 1991-2-7 zur EN 1991-1-7: 2006 auf europäischer Ebene. DIN EN 1991-1-7 datiert in einer frühen Fassung auf 2007-02, wobei auch Regelungen aus nationalen Normen Eingang fanden. Mit Blick auf den europäisch vereinbarten Stichtag zur Veröffentlichung der Eurocodes, dem 01.01.2011, wurde ein Nationaler Anhang ausgearbeitet. Dieser Nationale Anhang repräsentiert viele bereits mit DIN EN 1990 praktizierte nationale Konventionen. Zusammen mit einer europäischen erarbeiteten Berichtigung zur EN 1991-1-7, AC: 2010 wurde DIN EN 1991-1-7: 2010-12 sowie der zugehörige Nationale Anhang NA: 2010-12 vom DIN publiziert. 3.1 Entwicklung der deutschen Normen für Anpralllasten Die Entwicklung der deutschen Regelungen im Einwirkungsbereich für die Anpralllasten, hat sich in den folgenden Normen vollzogen: - DIN 1072 - September 1944 [1] - DIN 1072 - Juni 1952 DIN 1072 - November 1967 DIN 1072 - Dezember 1985 DIN 1055- 9 - August 2003 1 DIN Fachbericht 101 (2001 1 , 2003 F und 2009 DIN EN 1991-1-7/ NA, Entwurf, Februar 2008 1 DIN EN 1991-1-7/ NA Dezember 2010 Tabelle 2 gibt eine Übersicht zur Entwicklung der anzusetzenden Anprallast und der ggf. zusätzlichen Bestimmung zur Anordnung von Schutzeinrichtungen. Die normativ geforderte Belastung kann bis ins Jahr 1944 zurückverfolgt werden. Bereits damals war der Nachweis auf Anprall mit einer statischen Ersatzlast von 100 to (1000 kN) in Längs- und Querrichtung zu erbringen. Es ist zu vermuten, dass diese Werte im Wesentlichen auf Empirie basieren. Eine genaue Quelle, welche die 100 to begründet, kann bislang nicht ausgemacht werden. Deutlich zu erkennen ist, dass die anzusetzende Anpralllast seit 1944 bis zum Stichtag dem 01.01.2011 in außerörtlichen Bereichen durchweg längs 1000 kN (= 100 to = 100Mp) und quer 500 kN (=50 to = 50 Mp) betragen hat. Eine Ausnahme stellt der Entwurf der DIN EN 1991-1-7/ NA: 2008-02 mit einer statischen Ersatzlast von 1800 kN dar. Auch wenn diese letztlich nicht in die Norm aufgenommen 538 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken wurde, so ist der Betrag dieser Ersatzlast insofern interessant, als dass dieser Wert von 1800 kN gemäß in den USA als statische Ersatzlast für eine Anprallbemessung dient und in einem Realversuch ermittelt wurde. Ein direkter Zusammenhang scheint möglich, ist jedoch nicht belegt. Für den innerörtlichen Bereich sind hingegen bezüglich des Lastansatzes sowohl für die Längsals auch die Querrichtung Schwankungen erkennbar. Interessant ist die Entwicklung der Interaktion zwischen der Nachweisführung und der Anordnung von Schutzmaßnahmen. So konnte in 1 War im Bundesfernstraßenbereich nicht eingeführt (Gem. ARS 10/ 2003 wurde das ARS 1/ 1986, mit welchem die DIN 1072 -12/ 85 im Fernstraßenbereich eingeführt wurde durch FB 101: 2003 abgelöst). 2 Gilt nicht für DIN FB 101 - 2009 den Jahren 1944 - 1952 auf einen Nachweis für Anprall bei der Anordnung von nicht weiter definierten Schutzvorrichtungen verzichtet werden. Im Jahre 1967 werden erstmalig konkrete geometrische Anforderungen an die Schutzeinrichtungen gestellt, die bis heute Bestand haben. Ab 1972 waren diese geometrischen Anforderungen zwingend zusätzlich erforderlich und stellten ab diesem Zeitpunkt kein Kriterium für den Entfall einer Nachweisführung für Anprallasten dar. Die RPS findet erstmalig 2003 Einzug in den Normtext. Tabelle 2 Entwicklung der Lastansätze und Regelungen für Schutzvorrichtungen DIN Zerschellschichtstärke konstruktive Durchbildung der Zerschellschichtbewehrung Anmerkungen DIN 1075; 1955 keine konstruktive Regelung vorgesehen - DIN 1072; 1967 10 cm Bügel Ø12/ 120 Baustoffanforderung: Betonstahl I, B300 Richtlinien für die Bemessung und Ausführung massiver Brücken; 1973 10 cm Bügel Ø12/ 120 Baustoffanforderung: Betonstahl 22/ 34 oder 42/ 50, Bn250 DIN 1075; 1981 10 cm Bügel Ø12/ 120 Baustoffanforderung: Betonstahl 220/ 340 oder 420/ 500 B35 DIN 1055-9; 2003 1 2 10 cm Bügel Ø12/ 120 Nachweis gegen Anprall kann durch geometrische Grenzabmessungen (analog DIN EN 1992-1-7/ NA 2010) entfallen DIN FB 102 2003 u. 2009 10 cm Bügel Ø12/ 120 - DIN EN 1992 - 2/ NA 2013 12,5 cm Bügel Ø12/ 100 Nachweis gegen Anprall kann durch geometrische Grenzabmessungen (analog DIN EN 1992-1-7/ NA 2010) entfallen 3.2 Entwicklung der deutschen Normen für den Bemessungsbereich Die Entwicklung der deutschen Regelungen im Bemessungsbereich vollzog sich in den folgenden Normen: - DIN 1075 - April 1955 DIN 1072 - November 1967 (Kommentar zur Bemessung in Lastnorm enthalten) Richtlinie für die Bemessung und Ausführung massiver Brücken - August 1973 (Ersatz für DIN 1075 - April 1055 DIN 1075 - Ausgabe April 1981 [23] 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 539 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken - DIN 1055- 9 - August 2003 1 (Kommentar zur Bemessung in Lastnorm enthalten) FDIN Fachbericht 102 (2003 [24] und 2009 [25]) - DIN EN 1992-2/ NA: 2013-04, Nationaler Anhang Betonbrücken Die Recherche zur Normung im Bemessungsbereich geht bis in das Jahr 1955 zurück. Es ist zu konstatieren, dass bis zum Jahr 1967 keine konstruktiven Regellungen für die Durchbildung von auf Anprall zu bemessenden Stützen und Pfeilern er- 1 War im Bundesfernstraßenbereich nicht eingeführt (Gem. ARS 10/ 2003 wurde das ARS 1/ 1986, mit welchem die DIN 1072 -12/ 85 im Fernstraßenbereich eingeführt wurde durch FB 101: 2003 abgelöst). wähnt werden. Erst auf Grundlage der 1965 durchgeführten Anprallversuche unter der Leitung von Camillo Popp [7] wird die bauliche Durchbildung einer Zerschellschicht von 10 cm Stärke in DIN 1072 - November 1967 manifestiert. Diese vorgeschriebene Zerschellschichtausbildung bleibt unter Berücksichtigung einer Anpassung der jeweils normativ gültigen Baustoffe zwischen den Jahren 1967 und 2011 unverändert. Tabelle 3 Entwicklung der Zerschellschichtausbildung DIN Zerschellschichtstärke konstruktive Durchbildung der Zerschellschichtbewehrung Anmerkungen DIN 1075; 1955 keine konstruktive Regelung vorgesehen - DIN 1072; 1967 10 cm Bügel Ø12/ 120 Baustoffanforderung: Betonstahl I, B300 Richtlinien für die Bemessung und Ausführung massiver Brücken; 1973 10 cm Bügel Ø12/ 120 Baustoffanforderung: Betonstahl 22/ 34 oder 42/ 50, Bn250 DIN 1075; 1981 10 cm Bügel Ø12/ 120 Baustoffanforderung: Betonstahl 220/ 340 oder 420/ 500 B35 DIN 1055-9; 20032 10 cm Bügel Ø12/ 120 Nachweis gegen Anprall kann durch geometrische Grenzabmessungen (analog DIN EN 1992-1-7/ NA 2010) entfallen DIN FB 102 2003 u. 2009 10 cm Bügel Ø12/ 120 - DIN EN 1992 - 2/ NA 2013 12,5 cm Bügel Ø12/ 100 Nachweis gegen Anprall kann durch geometrische Grenzabmessungen (analog DIN EN 1992-1-7/ NA 2010) entfallen 4. Normung in der Schweiz - SIA 261 SN 505261 (2014-00-00) - Ergänzung zur Norm SIA 261 (2005) Für die Ausarbeitung eines Vorschlags für ein Nachweiskonzept das für die Nachrechnungsrichtlinie geeignet ist, erfolgte zunächst eine Recherche entsprechender Regelungen auf internationaler Ebene. Besonders vielversprechend erschien dabei das Schweizer Regelwerk. Die in der Schweiz anzusetzenden statischen Ersatzkräfte für den Anprall, die im Rahmen einer Grundlagenermittlung festlegt wurden, sind in der Norm SIA 261/ 2014 D - Einwirkungen auf Tragwerke - angegeben [26]. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf eine Ergänzung zur SIA 261. Diese Ergänzung - Anprall von Straßenfahrzeugen auf Bauwerksteile von Kunstbauten (2005) - ermöglicht eine weitaus differenziertere Bestimmung der statischen Ersatzkraft für den Anprall unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie z.B. Abstand des Tragwerks von der Straße, Verkehrsaufkommen oder bestehende Schutzeinrichtungen. Die Ergänzung ist grundsätzlich für Neubauten gültig. Zusätzlich sind Kriterien zur Beurteilung der Tragsicherheit bestehender Bauwerke in Bezug auf die durch den Anprall von Schwerlastverkehr hervorgerufenen Einwirkungen angegeben. 540 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Der Anprall von Straßenfahrzeugen ist zu berücksichtigen, wenn sich das gefährdete Bauteil in einer Entfernung bis zu einem bestimmten Abstand vom Fahrbahnrand befindet, bei der eine Gefährdung durch Anprall gegeben ist. Abhängig vom Straßentypus und der zulässigen Geschwindigkeit betragen diese Abstände zum Fahrbahnrand: - 10 m bei Autobahnen, Auto- und Außerortsstraßen mit Verkehrsgeschwindigkeiten ≥ 80 km/ h - 3 m bei Innerortsstraßen mit einer Verkehrsgeschwindigkeit von 50 bzw. 60 km/ h Diese „Grenzdistanzen“ stammen aus einer Untersuchung der „American Association of State Highway and Transportation Officials“ (AASHTO) [20]. Abbildung 8 zeigt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die seitliche Distanz in der, mit von der Straße abgekommenen Fahrzeugen zu rechnen ist. Die angegebene Verteilung basiert auf Beobachtungen von abgeirrten Fahrzeugen in vergleichsweise ebenen Mittelstreifen von Autobahnen. Sie ist jedoch nicht vollständig statistisch abgesichert. Die teils hypothetisch angenommene Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt, dass eine Abirrdistanz von 10 m bei weniger als 20% aller Unfälle erreicht bzw. überschritten wird. Abbildung 8 Wahrscheinlichkeitsverteilung der seitlichen Abirrdistanz in ebenen Mittelstreifen von Autobahnen nach AASHTO [26] 4.1 Ausgangswerte der Anprallkraft Zur Ermittlung eines Bemessungswerts für die Anprallkraft gibt die Richtlinie Ausgangswerte vor. Ausgehend davon kann mittels einer Gleichung, der Bemessungswert bestimmt werden. Der relevante Wert für Straßen außerorts ist mit 1500 kN identisch zur Vorgabe nach Tab. NA.2-4.1 des nationalen deutschen Anhangs. Die Schweizer Richtlinie bietet jedoch bei Erfüllung gewisser Voraussetzung die Möglichkeit der Lastreduktion. Für den frontalen Anprall an Stützen und den seitlichen Anprall an Wände ist die Anprallkraft horizontal auf einer rechteckigen Fläche von 0,40 m auf 1,50 m (bzw. Bauteilbreite, falls kleiner) wirkend anzusetzen. Diese Krafteinwirkung ist sowohl für den Anprall von Fahrzeugen sowie für den Anprall von Fahrzeugaufbauten und Ladungen anzunehmen. - Beim frontalen Anprall an Stützen ist die Anprallkraft unter einem Winkel α zwischen 0 und 30°, ausgehend von der Straßenachse (x-Richtung), anzunehmen. Maßgebend ist der für die Bemessung ungünstigste Anprallwinkel α. - Beim seitlichen Anprall an Wände ist die Anprallkraft in y-Richtung wirkend anzunehmen 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 541 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Tabelle 4 Ausgangswerte zur Bestimmung der Bemessungswerte der Anprallkraft bei Autobahnen und Autostraßen sowie Außerortsstraßen mit v = 80 km/ h [26] Abbildung 9 Übersicht Anprall von Fahrzeugen [26] Aus einer französischen Studie - Accidents avec Sortie de Chaussée en Terre-Plein Central sur Autoroutes de Liaison (1987) - ging hervor, dass der Winkel, unter dem Fahrzeuge abirren, nur bei 10% der Unfälle mehr als 30° beträgt. Gemäß den Resultaten der Studien, sind Abirrwinkel mit mehr als 30° sogar nur in 5% der Fälle zu erwarten. Abbildung 10 zeigt die so festgestellte Verteilung der Anprallwinkel an die Schutzeinrichtungen im Mittelstreifen. Abbildung 10 Wahrscheinlichkeitsverteilung der Anprallwinkel an Schutzeinrichtungen im Mittelstreifen von Autobahnen [26] 4.2 Bemessungswerte der Anprallkraft Einwirkungen in Folge von Fahrzeuganprall sind als außergewöhnliche Einwirkungen (γ f = 1,0) zu behandeln. Die angegebenen Anprallkräfte können daher betragsmäßig unmittelbar als Bemessungswerte berücksichtigt werden. Bei Autobahnen und Autostraßen sowie bei Ausserortsstraßen mit einer Verkehrsgeschwindigkeit v = 80 km/ h wird der Bemessungswert der Anprallkraft Q d aus den Ausgangswerten mittels Reduktions- und Erhöhungsfaktoren wie folg ermittelt: Q d = Q o ∙ ψ s ∙ ψ v ∙ψ r Ausgangswert zur Bestimmung des Bemessungswerts der Anprallkraft [kN] 542 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Reduktionsfaktor zur Berücksichtigung der Distanz des Tragwerks vom Fahrbahnrand Erhöhungsfaktor zur Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens Reduktionsfaktor zur Berücksichtigung von Fahrzeugrückhaltesystemen Einfluss der Distanz des Tragwerks vom Fahrbahnrand Der Reduktionsfaktor ψ s zur Berücksichtigung der Distanz des Tragwerks vom Fahrbahnrand wird gemäß dem Diagramm in Abbildung 11 bestimmt. Maßgebend ist dabei der Abstand s o bei ebenem Gelände neben der Fahrbahn. Für Tragwerke mit einem Abstand s o > 10 m muss die Gefährdung durch Fahrzeuganprall nicht berücksichtigt werden (ψ s = 0). Abbildung 11 Reduktionsfaktor ψs zur Berücksichtigung der Distanz des Tragwerks vom Fahrbahnrand [26] Im Fall von neben der Fahrbahn ansteigenden oder abfallenden Böschungen wird die zur Ermittlung des Reduktionsfaktors ψ s maßgebende Distanz s o mit Hilfe des folgenden Diagramms aus der Distanz s und der Böschungsneigung bestimmt (Ablesebeispiel: s= 7m, abfallende Böschung mit Neigung 1: 2 → s o = 4,50 m). Abbildung 12 Diagramm zur Bestimmung der für ebenes Gelände maßgebenden Distanz so aus der Distanz und der Böschungsneigung [[26] 4.3 Einfluss des Verkehrs Der Erhöhungsfaktor ψv zur Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens, kann dem Diagramm in Abbildung 13 entnommen werden. Er ist abhängig vom durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) und vom Anteil des Schwerverkehrs (ASV) am Gesamtverkehr. Bei einem mittleren ASV beträgt der Anteil der Schweren Lastfahrzeuge am Gesamtverkehr 6%. Das Diagramm, zeigt den Bereich zwischen einem kleinen Schwerverkehrsanteil (ASV = 3%) und einem großen Anteil Schwerverkehr (ASV = 9%). Abbildung 13 Erhöhungsfaktor ψ v zur Berücksichtigung des Verkehrs [26] 4.4 Einfluss von Fahrzeugrückhaltesystemen Durch die Anordnung von Fahrzeugrückhaltesystemen können von der Straße abirrende schwere Lastfahrzeuge ganz oder teilweise zurückgehalten bzw. umgelenkt werden. Daher besteht für ein hinter einem Fahrzeugrückhaltesystem liegendes Tragwerkteil die Möglichkeit der Anpralllastreduktion. Die Höhe dieser Reduktion ist dabei von der Rückhaltewirkung des Systems und von der Distanz des Rückhaltesystems zum gefährdeten Bauteil abhängig. Betonschutzwände sowie Betonsockel, die gemäß der geltenden Norm ausgeführt werden, sind starre Fahrzeugrückhaltesysteme, welche auch beim Anprall schwerer Lastfahrzeuge praktisch nicht deformiert und kaum durchbrochen werden. Bei Tragwerken, welche durch Betonschutzwände oder Betonsockel geschützt sind, darf der Nachweis gegen einen Fahrzeuganprall daher entfallen (ψ r = 0). Für Fahrzeugrückhaltesysteme aus Stahl kann der Reduktionsfaktor ψ r mit Hilfe des folgenden Diagramms in Abbildung 14 in Abhängigkeit von der Rückhaltestufe ermittelt werden. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 543 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Abbildung 14 Reduktionsfaktor ψ r zur Berücksichtigung von Fahrzeugrückhaltesystemen [26] 5. Zusammenfassung Mit Einführung der Eurocodes (DIN EN 1991-1-7) erfolgte eine Erhöhung der äquivalenten statischen Ersatzlasten für die Anprallkräfte gegen Pfeiler von bisher 1000 kN auf nun 1500 kN in Fahrrichtung und von bisher 500 kN auf 750 kN quer zur Fahrtrichtung. Diese Erhöhung kann Auswirkungen bei der Bewertung von Bestandsunterbauten auf der Grundlage einer Nachrechnung haben, wenn diese für die neue Bemessungslast nicht mehr nachweisbar sind. Eine Literaturrecherche ergab, dass hinsichtlich der Evolution der anzusetzenden statisch äquivalenten Anpralllasten, die normativ geforderte Belastung spätestens seit dem Jahr 1944 mit 100 to (1000 kN) in Längs- und 50 to in Querrichtung betrug. Bis zur Einführung der DIN EN 1991-1-7/ NA: 2010-12 erfuhr diese für die außerörtlichen Bereiche keine Änderung. Eine wissenschaftlich basierte Grundlage für die 100 to Anpralllast konnte nicht recherchiert werden. Es ist jedoch zu vermuten, dass dieser Wert einer pragmatischen Festlegung aus den Anfangszeiten der Motorisierung geschuldet ist. Ein Forschungsbericht aus dem Jahre 1965 stütz diese These. Eine Recherche zur Entwicklung der Interaktion zwischen der Nachweisführung und der Anordnung von zusätzlichen Schutzmaßnahmen ergab, dass zunächst zwischen den Jahren 1944 - 1952 auf einen Nachweis für Anprall bei der Anordnung von nicht weiter definierten Schutzvorrichtungen verzichtet werden konnte. Ab dem Jahre 1967 waren erstmalig konkrete geometrische Anforderungen an die Schutzeinrichtungen gestellt worden, die bis heute Bestand haben und mit Beginn des Jahres 1972 zwingend zusätzlich erforderlich waren. Sie stellten in der Folge kein Kriterium mehr für den Entfall einer Nachweisführung gegen Anprall dar. Im Hinblick auf die Entwicklung der Ausbildung einer Zerschellschicht als konstruktive Maßnahme gegen lokale Zerstörung am Anprallort ist zu konstatieren, dass bis zum Jahr 1967 keine Regellungen für die konstruktive Durchbildung für die auf Anprall zu bemessenden Stützen und Pfeilern festgelegt wurden. Erst auf Grundlage der 1965 durchgeführten Anprallversuche unter der Leitung von Camillo Popp wurde die bauliche Durchbildung einer Zerschellschicht von 10 cm Stärke und einer zweilagigen Verbügelung und Längsbewehrung in DIN 1072 - November 1967 vorgegeben. Diese vorgeschriebene Ausbildung der Zerschellschicht blieb lediglich unter Berücksichtigung einer Anpassung der jeweils normativ gültigen Baustoffe zwischen den Jahren 1967 und 2011 unverändert. Erst mit Erhöhung der Anpralllasten erfolgte eine Anpassung der konstruktiven Ausbildung der Zerschellschicht. Der Vergleich von internationalen Bemessungsrichtlinien, deckte zum Teil hohe Diskrepanzen in Bezug auf den Ansatz der statischen Ersatzanpralllast auf. So betragen beispielweise die äquivalenten Anprallkräfte in Australien und Neuseeland 2000 kN während in Südafrika eine Anprallbemessung mit einer statischen Ersatzlast von nur 375 kN geführt wird. In Deutschland durchgeführte aktuelle Untersuchungen zur Fahrzeuganprallthematik konnten nicht recherchiert und analysiert werden. Eine großmaßstäbliche Versuchsreihe aus den 1960er Jahren zur Verifizierung der Anpralllast in Höhe von 100 to, legte den Fokus auf die empirische Herleitung einer konstruktiven Durchbildung (Zerschellschicht). Die Festlegung/ Erhöhung der statischen Ersatzlast (1500 kN) erfolgte auf rein theoretischer Ebene durch eine Untersuchung der Bauhaus-Universität Weimar [27]. Hier war festzustellen, dass die mechanischen Zusammenhänge in der Herleitung sehr konservativ und stark idealisiert betrachtet wurden. Beispielsweise fanden das Bauteilverhalten der dem Anprall ausgesetzten Struktur sowie die strukturellen Parameter des Fahrzeugs in der Berechnung keine Berücksichtigung (physikalisches Stoßmodell: Harter Stoß). Des Weiteren zeigte sich nach einem Vergleich mit realen deutschen Verkehrsdaten sowie mit internationalen Normtexten, dass die in der Untersuchung angenommene Unfallwahrscheinlichkeit, sehr konservativ angesetzt wurde. Eine Auswertung der Bauwerksdatenbank der BASt ergab, dass in Deutschland zwischen den Jahren 1995 und 2014 keine signifikanten Schäden an Unterbauten, die die Standsicherheit betreffen, zu verzeichnen waren. Dieser Umstand ist offensichtlich auf die Wirksamkeit der zusätzlichen Anordnung der passiven Schutzeinrichtung für gefährdete Bauteile zurückzuführen. Die sehr differenzierte Vorgehensweise in der Schweizer Norm hinsichtlich einer möglichen Reduktion der Anpralllast durch Berücksichtigung vielfältiger Einflussfaktoren erscheint sinnvoll. Ein ähnlicher Umgang mit der Thematik sollte für die Nachrechnungsrichtlinie in Betracht gezogen werden. Danksagung Der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wird für die Beauftragung der beschriebenen Versuche, den Mitgliedern des Betreuungsausschusses für die hilfreiche Diskussion gedankt. Die Verantwortung liegt allein bei den Autoren. 544 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Anprall gegen Pfeiler von Bestandsbauwerken Literaturverzeichnis [1] Joachim Scheer, Versagen von Bauwerken: Band 1: Brücken, 1.Auflage, Oktober 2000, Ernst & Sohn, ISBN 978-3433018026 [2] DIN EN 1991-1-7, Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke -Teil 1-7: Allgemeine Einwirkungen - Außergewöhnliche Einwirkungen; Deutsche Fassung EN 1991-1-7: 2006 + AC: 2010 [3] DIN - Fachbericht 101: Einwirkungen auf Brücken, 2009 [4] DIN EN 1992-2/ NA: 2013-04: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton - und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken-Bemessungs - und Konstruktionsregeln [5] RPS: Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen - Ausgabe 2009 [6] DIN EN 1990 Grundlagen der Tragwerksplanung; Deutsche Fassung EN 1990: 2002 + A1: 2005 + A1: 2005/ AC: 2010 [7] Popp, C; Untersuchung über den Stoßverlauf beim Aufprall von Kraftfahrzeugen auf Stützen und Rahmenstiele aus Stahlbeton, DAfStb Heft 172; 1965 [8] H. Kramer: Angewandte Baudynamik, 2.Auflage, Ernst & Sohn, 2013. [9] DIN EN 1991-1-7/ NA: 2010-12: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-7: Allgemeine Einwirkungen - Außergewöhnliche Einwirkungen [10] DIN EN 1317-2 Rückhaltesysteme an Straßen - Teil 2: Leistungsklassen, Abnahmekriterien für Anprallprüfungen und Prüfverfahren für Schutzeinrichtungen und Fahrzeugbrüstungen; Deutsche Fassung EN 1317-2: 2010 [11] C. Kunz: Außergewöhnliche Einwirkungen nach DIN EN 1991-1-7, In Betonkalender 2012, Ernst & Sohn, ISBN 978-3-433-02989-3 [12] DIN 1072: 1944-09: Straßenbrücken, Belastungsannahmen [13] DIN 1072: 1952-06: Straßen- und Wegbrücken, Lastannahmen [14] DIN 1072: 1967-11: Straßen- und Wegbrücken, Lastannahmen [15] DIN 1072: 1985-12: Straßen- und Wegbrücken, Lastannahmen [16] DIN 1055-9: 2003-08: Einwirkungen auf Tragwerke; Teil 9: Außergewöhnliche Einwirkungen [17] DIN - Fachbericht 101: Einwirkungen auf Brücken, 2001 [18] DIN - Fachbericht 101: Einwirkungen auf Brücken, 2003 [19] DIN EN 1991-1-7/ NA: 2008-02, Entwurf: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-7: Allgemeine Einwirkungen - Außergewöhnliche Einwirkungen [20] AASHTO LRFD Bridge Design Specifications, 6th edition; 2014 [21] DIN 1075: 1955-04: Massive Brücken, Berechnungsgrundlagen [22] Richtlinie für die Bemessung und Ausführung massiver Brücken - August 1973 (Ersatz für DIN 1075 - April 1055 [23] DIN 1075: 1981-04: Betonbrücken, Bemessung und Ausführung [24] DIN - Fachbericht 102: Betonbrücken, 2003 [25] DIN - Fachbericht 102: Betonbrücken, 2009 [26] Bundesamt für Straßen (Schweiz) Einwirkungen auf Tragwerke SIA 261/ 2014 D - Ergänzung zur Norm SIA 261 (2005); Anprall von Strassenfahrzeugen auf Bauwerksteile von Kunstbauten (2005) [27] Anprall an Stützen und Pfeiler; Bauhaus-Universität Weimar Fakultät Bauineieruwesen, Lehrstuhl Verkehrsbau; 2009
