Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
91
2020
41
Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken – Haben wir alles, was wir brauchen?
91
2020
Florian Scharmacher
Die Prüfung von Holzbrücken wird über die Regelwerke DIN 1076 sowie die RI-EBW-PRÜF geregelt. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass die Vorgaben teilweise zu Verwirrungen bei Bauwerksprüfern führen. Dies betrifft insbesondere die Beispielsammlung zur RI-EBW-PRÜF. Teils missverständliche Beispiele und Zuordnungen gepaart mit einem für die Prüfer eher seltenen Baustoff führen vereinzelt zu nicht nachvollziehbaren Bewertungen. Im Rahmen dieses Beitrages
werden die vorhandenen Regeln zur Prüfung von Holzbrücken diskutiert, Erfahrungen aus Holzbrückenprüfungen dargelegt sowie Lösungsvorschläge für die Praxis erarbeitet.
kbr410629
4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 629 Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken - Haben wir alles, was wir brauchen? Dipl.-Ing. (FH) Florian Scharmacher, M.Sc ö.b.u.v. Sachverständiger für Holzbau und Holzschutz Ingenieurberatung Scharmacher München, Deutschland Zusammenfassung Die Prüfung von Holzbrücken wird über die Regelwerke DIN 1076 sowie die RI-EBW-PRÜF geregelt. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass die Vorgaben teilweise zu Verwirrungen bei Bauwerksprüfern führen. Dies betrifft insbesondere die Beispielsammlung zur RI-EBW-PRÜF. Teils missverständliche Beispiele und Zuordnungen gepaart mit einem für die Prüfer eher seltenen Baustoff führen vereinzelt zu nicht nachvollziehbaren Bewertungen. Im Rahmen dieses Beitrages werden die vorhandenen Regeln zur Prüfung von Holzbrücken diskutiert, Erfahrungen aus Holzbrückenprüfungen dargelegt sowie Lösungsvorschläge für die Praxis erarbeitet. 1. Einleitung Die Prüfung von Holzbrücken wird über die Regelwerke DIN 1076 [1] sowie die RI-EBW-PRÜF [2] geregelt. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass die Vorgaben teilweise zu Verwirrungen bei Bauwerksprüfern führen. Dies betrifft insbesondere die Beispielsammlung zur RI- EBW-PRÜF. 2. Bestehende Regelwerke 2.1 DIN 1076: 1999 [1] Die DIN 1076 - Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen, Überwachung und Prüfung ist in Deutschland das grundlegende Regelwerk zur Zustandserfassung von Ingenieurbauwerken. Entsprechend der DIN 1076, Abschnitt 5.1 sind alle Ingenieurbauwerke in regelmäßigen Abständen zu prüfen. Hierbei sind bei früheren Prüfungen gemachte Feststellungen besonders zu berücksichtigen. Für die Prüfberichte sind Protokolle zu erstellen. Diese sind durch Skizzen und fotographische Dokumentationen gegebenenfalls zu ergänzen. Eine erste Hauptprüfung ist vor Abnahme der Bauleistung, eine zweite vor Ablauf der Verjährungsfrist der Gewährleistung und im Anschluss in jedem sechsten Jahr durchzuführen. Für Holzbrücken bestehen abweichende Regelungen gemäß RI-EBW-PRÜF, in welchen z. T. geringere Prüfintervalle vorgegeben werden. Im Rahmen der Hauptprüfung sind alle Bauwerksteile handnah zu prüfen, das gilt auch für schwer zugänglichen Bauwerksteile. Hierzu sind Abdeckungen zu entfernen und die Bauwerksteile zu reinigen, damit auch versteckte Mängel und Schäden ermittelt werden können. Mängel und Schäden welche bei darauffolgenden einfachen Prüfungen, oder in kürzeren Zeiträumen, erneut zu prüfen sind, müssen gekennzeichnet werden. Insbesondere gilt dies für Mängel oder Schäden, die in absehbarer Zeit Auswirkungen auf die Standsicherheit, die Verkehrssicherheit oder die Dauerhaftigkeit haben. Gemäß Abschnitt 5.2.6 sind bei Holzkonstruktionen insbesondere zu prüfen: • „tragende Teile auf Verformungen, • Schrauben und sonstige Verbindungen auf festen Sitz, • auf Druck beanspruchte Stoßflächen auf sattes Aufeinandersitzen, • Stöße oder Risse auf Eindringen von Feuchtigkeit, • Klebfugen auf Unversehrtheit, • alle Teile auf etwaige Bildung von Wassersäcken und Fäulniserscheinungen, • alle Teile auf Befall durch Holzschädlinge, • Verschleißteile auf Abnutzung, • Oberflächenschutz auf Mängel/ Schäden, • Verkehrsflächen auf Griffigkeit.“ 630 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken - Haben wir alles, was wir brauchen? 2.2 RI-EBW-PRÜF 2017 [2] Ergänzend zur DIN 1076 sind für die Prüfung von Holzbrücken gemäß der „Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfung gemäß DIN 1076“ (RI-EBW- PRÜF) zusätzliche Vorgaben einzuhalten. Die maßgeblichen Kriterien für eine Holzbrückenprüfung sind im Folgenden dargestellt. Holzfeuchtemessungen An konstruktiv sinnvollen Stellen müssen bei jeder Prüfung von Holzbrücken Feuchtemessungen durchgeführt werden. Die Holzfeuchte ist anhand des elektrischen Widerstands mit einem Holzfeuchtemessgerät zu messen. Die Holzfeuchte ist in einem Drittel der Querschnittstiefe (mind. 4 cm Tiefe) zu bestimmen, hierbei sind Spitzenelektroden mit Schaftisolierung zu verwenden. Es ist von einer erhöhten Feuchtebeanspruchung des Bauteils auszugehen, wenn der Grenzwert von 20 M-% überschritten wird. Anpassung der Prüfintervalle Besteht ein Verdacht auf schwerwiegende Schäden, ist die Prüfung teilweise oder ganz auf eine Hauptprüfung zu erweitern. Soweit erforderlich sind weitere „zerstörungsfreie“ bzw. „zerstörungsarme“ Prüfverfahren anzuwenden. Für Holzbrücken, ohne ausreichenden konstruktiven Holzschutz und/ oder der Lage im Bereich von Gewässern, ist die Hauptprüfung jährlich durchzuführen. Eine Gefährdungsanalyse ist für geschützte Konstruktionen durchzuführen, falls der Verdacht auf eine erhöhte Feuchtebeanspruchung besteht. Aufgrund dessen kann eine Verkürzung der Prüfintervalle nach DIN 1076 empfehlenswert sein. Schadensbewertung Im Zuge der Bauwerksprüfung gemäß DIN 1076 ist für jeden Einzelschaden eine Schadensbewertung getrennt nach den Kriterien „Standsicherheit“, „Verkehrssicherheit“ und „Dauerhaftigkeit“ durchzuführen. Berücksichtigt werden dabei lediglich die aktuellen Einflüsse des Schadens. Bei der Dauerhaftigkeit erfolgt die Bewertung hinsichtlich der zeitlichen Auswirkung des Schadens. 3. Probleme in der Praxis 3.1 Qualifikation der Prüfer Entsprechend der DIN 1076 müssen die Prüfungen von einem sachkundigen Ingenieur durchgeführt werden, der ebenfalls die Statik und Konstruktion der Bauwerke beurteilen kann. Um die Aus- und Fortbildung der Ingenieurinnen und Ingenieure der Bauwerksprüfung zu fördern wurde der „Verein zur Förderung der Qualitätssicherung und Zertifizierung der Aus- und Fortbildung von Ingenieurinnen/ Ingenieuren der Bauwerksprüfung“ VFIB im Jahr 2008 gegründet. In der Regel wird die Vorlage des Lehrgangszertifikats als Nachweis der Sachkunde von den Straßenbauverwaltungen in Deutschland verlangt. Der Holzbrückenbau wird dabei im Grundlehrgang des VFIB kaum thematisiert. Holzbrücken nehmen jedoch aufgrund des organischen Werkstoffs bei den Ingenieurbauwerken eine Sonderstellung ein. Für eine Beurteilung des Bauzustandes sind vertiefte Kenntnisse des Werkstoffs Holz erforderlich. Ebenso muss der Prüfer sowohl über Kenntnisse der modernen Holzbrückenkonstruktionen als auch über historische Bauweisen verfügen. In der Praxis zeigt sich leider häufig, dass bei den Brückenprüfern teilweise weder die materialspezifischen noch konstruktionstypischen Fachkenntnisse für Holz(brücken) vorliegen. 3.2 Vorgaben der DIN 1076 und RI-EBW-PRÜF Ein zudem vorhandenes Problem zeigt sich in den Vorgaben der DIN 1076 und der RI-EBW-PRÜF, welche immer wieder zu Verwirrungen bei Bauwerksprüfern führen. Dies betrifft insbesondere die Beispielsammlung zur RI-EBW-PRÜF. Teils missverständliche Beispiele und Zuordnungen gepaart mit einem für die Prüfer eher seltenen Baustoff führen vereinzelt zu nicht nachvollziehbaren Bewertungen. Nachfolgend wird dies anhand einiger Schadensbeispiele aufgezeigt. Holzfeuchte Holz ist aufgrund seines zellförmigen Aufbaus und seiner Porosität hygroskopisch. Je nach Umgebungsklima nimmt Holz Feuchte aus der Luft auf oder gibt Feuchte ab. In Abhängigkeit von Temperatur und relativer Luftfeuchte stellt sich in Holzbauteilen eine Gleichgewichtsfeuchte ein. Die Holzfeuchte hat dabei einen maßgebenden Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften und die Dauerhaftigkeit des Holzes. Dazu gehören die Steifigkeit und Festigkeit, die Form- und Querschnittsbeständigkeit und auch die Gefährdung durch holzzerstörende Insekten und Pilze. Die Schadensbeispiele der RI-EBW-PRÜF enthalten nur allgemeine Aussagen zum Brückenüber- und unterbau und sind dabei unspezifisch (Tabelle 1). 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 631 Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken - Haben wir alles, was wir brauchen? Tabelle 1: Schadensbeispiele der RI-EBW-Prüf zur „Holzfeuchte“ BSP-ID Beschreibung S V D Bemerkung Brücken Überbau, Unterbau 015-20 032-09 Hauptbauteile durchfeuchtet bzw. zu hoher Feuchtegehalt (>20%) 0-1 0 1-3 Aus Tabelle 1 wird ersichtlich, dass keine differenzierte Bewertung der Holzfeuchte anhand der Schadensbeispiele möglich ist. Es wird weder auf die im Einbauzustand zu erwartende Holzfeuchte noch auf die Messtiefe eingegangen. Eine Holzfeuchte größer 20 M-% ist an der Oberfläche eher zu tolerieren als in mehreren Zentimetern Tiefe, da hier nicht von einer zeitnahen Rücktrocknung ausgegangen werden kann. In der weiteren Bewertung müsste hinsichtlich der Gefährdung mit holzzerstörenden Pilzen (ab Fasersättigung bei ca. 30 %) und zwischen der stetigen Reduzierung mechanischen Festigkeiten bei Erhöhung der Holzfeuchte unterschieden werden. Die Festigkeitswerte in den Bemessungsnormen gelten für eine Holzfeuchte von 12 M-%. Mit zunehmender Holzfeuchte nehmen insbesondere das Elastizitätsmodul (E-Modul) und die Biegefestigkeit ab. Bei der Tragwerksplanung im Holzbau sind diese Effekte mit der entsprechende Nutzungsklassen zu berücksichtigen. Die pauschale Festlegung des Grenzwertes mit Feuchtegehalt > 20 M-% ist somit maximal ein erster Anhaltspunkt, aber für eine Bewertung hinsichtlich des Handlungsbedarfs nicht zielführend. Pilzbefall Bei einem Pilzbefall wird generell in holzverfärbende und holzzerstörende Pilze unterschieden. Zu den holzverfärbenden Pilzen gehören die Bläue- und Schimmelpilze. Holzverfärbende Pilze führen durch die Verfärbung des Holzes oder eines oberflächigen Angriffes nur zu einer ästhetischen Beeinträchtigung. Ein Holzabbau findet nicht statt. Schimmelpilze können jedoch zu gesundheitlichen Problemen führen. Ein Befall mit holzzerstörenden Pilzen ist ab einer Holzfeuchte über dem Fasersättigungspunkt von ca. 30 M-% möglich. Bekannte Vertreter der im Bauwesen relevanten holzzerstörenden Pilze sind der Echte Hausschwamm, der Braune Kellerschwamm, die Porenschwämme und die Blättlinge. Holzzerstörende Pilze führen zu einem Abbau der Holzsubstanz bis hin zur vollständigen Zerstörung des Bauteils und dem damit verbundenen Tragverlust. Bei den Schadensbeispielen der RI-EBW-PRÜF erfolgt die Bewertung eines Pilzbefalls maßgeblich anhand des Myzels (Tabelle 2). Tabelle 2: Auszug aus den Schadensbeispielen der RI-EBW-PRÜF zu „Pilzbefall“ BSP-ID Beschreibung S V D Bemerkung Brücken Unterbau/ Überbau 015-08 032-01 Pilzbefall an den Hauptbauteilen, vereinzelt ≥1 0 ≥2 OSA zur quantitativen Bestimmung der Schadensausbreitung 015-09 032-02 Mittlerer bis starker Pilzbefall/ Myzel an den Hauptbauteilen, fortgeschrittenes Stadium, Fruchtkörper sichtbar ≥2 0 ≥3 OSA zur quantitativen Bestimmung der Schadensausbreitung 015-16 Anzeichen auf Innenfäule im Haupträger, äußerlich geringe Zerstörung erkennbar 1-3 0 3 OSA zur quantitativen Bestimmung der Schadensausbreitung Beläge 245-05 Pilzbefall vereinzelt, geringer Schadensgrad 1 1 2 245-05 Starker Pilzbefall, fortgeschrittenes Stadium, Fruchtkörper sichtbar, mittlerer bis hoher Schadensgrad 2 2-4 2 Geländer 231-18 Pfosten lose, verfault/ vermodert, mit Pilzbefall, geringer Schadensgrad 1 1 2 231-19 Pfosten lose, verfault/ vermodert, mit Pilzbefall, mittlerer bis hoher Schadensgrad, Querschnittsschwächung ≥ 30 % 1 2-4 2 632 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken - Haben wir alles, was wir brauchen? Bei den Schadensbeispielen zum „Pilzbefall“ gibt es je nach Bauteil unterschiedliche Definitionen und auch eine unterschiedliche Bewertung hinsichtlich der Kriterien. Abgesehen von der Bewertung beim Abschnitt Geländer wird dabei keine Querschnittsminderung berücksichtigt. Die Bewertung eines Schadens durch holzzerstörende Pilze lediglich anhand des Oberflächenmyzel kann je nach Pilzart zu einer falschen Bewertung führen. Blättlingspilze beispielsweise lösen eine sogenannte Innenfäule aus, sodass am Träger außen kein Pilzmyzel gebildet wird. Fruchtkörper sind in der Regel erst sichtbar, wenn es bereits zu einem massiven Abbau der Holzsubstanz gekommen ist (Abbildung 1). Entscheidend für die Bewertung der Tragfähigkeit ist insbesondere die Schädigungstiefe und der verbleibende Restquerschnitt des Bauteiles, unabhängig davon welche Pilzart den Schaden verursacht. Abbildung 1: Innenfäule an einem Pfosten; typisches Schadbild für Blättlingspilze [3] Risse Das Auftreten von Rissen ist in Holzkonstruktionen nicht zu vermeiden. Es ist hierbei zwischen Rissen aus klimatischen Einwirkungen (Schwindrissen, Delaminierungen) und Risse aus mechanischen Einwirkungen (Querzugrisse, Schubrisse) zu unterscheiden. Schwindrisse sind dabei in der Regel im ungeschwächten Holzquerschnitt aus statischen Gesichtspunkten zu vernachlässigen. Im Bereich von Verbindungsmitteln ist der mögliche Einfluss von Schwindrisse jedoch zu berücksichtigen. Schwindrisse Risse sind deutlich von Delaminierungen abzugrenzen. Als Delaminierungen werden Öffnungen direkt in der Klebfuge oder im Grenzbereich zum Holz bezeichnet (Abbildung 2). Bei Delaminierungen ist die Aufnahme der vorhandenen Risstiefen zwingend erforderlich und ggfs. die Entnahme von Bohrkernen zur Beurteilung der Klebfugengüte notwendig. Abbildung 2: links: Schematische Darstellung eines Schwindrisses (rot) im Holz, rechts: Schematische Darstellung einer Delaminierung (rot) in der Grenzfläche zwischen Holz und Klebfuge Die Schadensbeispiele der RI-EBW-PRÜF zu Rissen sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Tabelle 3: Schadensbeispiele der RI-EBW-PRÜF zu „Rissen“ BSP-ID Beschreibung S V D Bemerkung Brücken Überbau, Risse 016-01 033-01 Vollholz, Risse t ≤ 1/ 3 b einseitig bzw. t ≤ 1/ 6 b beidseitig 0 0 0 016-02 033-02 Vollholz, Risse 1/ 3 b < t ≤ 1/ 2 b ≥2 0 ≥2 016-03 033-03 Vollholz, Risse t > 1/ 2 b ≥2 0 ≥3 OSA = statischer Nachweis erforderlich 016-04 033-04 Brettschichtholz, Klebefuge (KF) gerissen A Riss ≤ 0,03 A KF (A Riss= t * l) 0 0 1 Risstiefe in den Viertelspunkten des Risses gemessen 016-05 033-05 Brettschichtholz, Klebefuge (KF) gerissen 0,03 A KF < A Riss ≤ 0,1 A KF (A Riss = t* l) 1 0 2 Risstiefe in den Viertelspunkten des Risses gemessen 016-06 033-06 Brettschichtholz, Klebefuge (KF) gerissen A Riss > 0,1 A KF (A Riss = t * l) 2 0 3 OSA = statischer Nachweis erforderlich Bei den Schadensbeispielen wird lediglich eine Unterteilung der Risse hinsichtlich des Materials vorgenommen. Aussagen zur Rissursache werden nicht betrachtet. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 633 Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken - Haben wir alles, was wir brauchen? Beispielsweise wären insbesondere bei Rissen infolge Querzugbeanspruchung Sofortmaßnahmen erforderlich. Bereits kleinste Änderungen in der Beanspruchungssituation könnten zu einem Risswachstum und im schlimmsten Fall zu einem Tragwerksversagen führen. Ebenfalls sind die Kriterien zur Risstiefe zu Hinterfragen. Die in den Schadensbeispielen genannten Kriterien gibt es lediglich im Bereich der Brückenprüfung. Hierbei ist insbesondere die Bewertung von Klebfugenrissen (Delaminierungen) hinsichtlich der Rissfläche A zu hinterfragen. Eine Bewertung nach der Rissfläche bei Brettschichtholz ist in den anderen Bereichen des Holzbaus nicht üblich und somit nicht nachvollziehbar. Ebenso ist die Praxistauglichkeit zu bezweifeln, da für jeden einzelnen Riss erst die Fläche berechnet werden muss. Die zulässigen Risstiefen der Schadensbeispiele weichen von den üblichen im Holzbau (Hochbau) ab. Entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgt die Bewertung von Rissen in Holzbauteilen anhand folgender Kriterien: Zulässige Risstiefen für Vollholz, Sortierklasse S10 gemäß DIN 4074-1, [4]: • R T ≤ 50 % des Querschnitts (gilt für Schwindrisse) • Zulässige Risstiefe Brettschichtholz gemäß RADO- VICS/ WIEGAND 2005 [5]: • Biege-Schubbeanspruchung R T ≤ 33 % des Querschnitts • Querzugbeanspruchung R T ≤ 25 % des Querschnitts Die Risstiefen werden dabei gemäß DIN 4074 (Abbildung 6) ermittelt: Abbildung 6: Bestimmung der Risstiefe gemäß DIN 4074 [4] Für Risse von beiden Seiten ergibt sich bei Brettschichtholz somit eine zulässige Risstiefe von 1/ 6 der Trägerbreite. Risse in Folge mechanischer Einwirkungen sind nie zulässig. Verbindungsmittel Holzbrücken sind keine monolithischen Bauwerke sondern haben eine Vielzahl an Fügestellen, bei denen i. d. R. stabförmige Bauteile miteinander verbunden werden. Aufgrund dessen ist die Aufnahme mangelhafter Verbindungen ein maßgeblicher Bestandteil der Bauwerksprüfung. Bewertungsmöglichkeiten von Verbindungen beschränken sich anhand den Schadensbeispielen der RI-EBW-PRÜF lediglich auf die einzelnen Verbindungsmittel (Tabelle 4). Tabelle 4: Schadensbeispiele der RI-EBW-PRÜF zu „Verbindungsmitteln“ BSP-ID Beschreibung S V D Bemerkung Brücken, Verbindungsmittel 017-01 034-01 Verbindungsmittel bei Hauptbauteilen locker, lose in Abhängigkeit von der Anzahl 1-3 0 1-3 017-02 034-02 Verbindungsmittel bei Hauptbauteilen gerissen, abgeschert, fehlt in Abhängigkeit von der Anzahl 2-4 0 2-4 017-03 034-02 Verbindungsmittel bei Hauptbauteilen korodiert in Abhängigkeit von der Anzahl 1-3 0 1-3 Bewertungsbespiele für gesamthafte Knotenpunkte wie beispielsweise biegesteife Schlitzblechverbindungen oder reine Holz-Holz-Verbindungen sind nicht vorhanden. 4. Lösungsansätze 4.1 Qualifikation der Prüfer Für die Bauwerksprüfung von Holzbrücken sollte ein Aufbaulehrgang für die Prüfer vorgeschrieben werden. Hierfür wäre die Entwicklung eines passenden Ausbildungskurses erforderlich. 4.2 Vorgaben der DIN 1076 und RI-EBW-PRÜF Prüfhandbuch Als Hilfestellung zur Bauwerksprüfung sollte das Muster Prüfhandbuch der Qualitätsgemeinschaft Holzbrückenbau [6] herangezogen werden. Im Rahmen des For- 634 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Bestehende Regelwerke zur Prüfung von Holzbrücken - Haben wir alles, was wir brauchen? schungsprojektes „Entwicklung einheitlicher Richtlinien für den Entwurf, den Bau, die Überwachung und Prüfung geschützter Holzbrücken - Protected Timber Bridges (ProTimB)“ [7] wurde das o. g. Muster- Prüfhandbuch für Holzbrücken entwickelt. Das Muster-Prüfhandbuch gibt bauwerksspezifische Prüfhinweise- und Anweisungen für die Prüfung von Holzbrücken, welche deutlich über die Vorgaben der DIN 1076 sowie der RI-EBW- PRÜF hinausgehen. Neben der Prüfung sollten Holzbrücken auch regelmäßig gewartet werden, hierfür ist die Erstellung eines ergänzenden Wartungshandbuches empfehlenswert. Überarbeitung der Schadensbeispiele Das Muster-Prüfhandbuch enthält lediglich bauwerksspezifische Prüfhinweise- und Anweisungen für die Prüfung von Holzbrücken. Eine Überarbeitung der Schadensbeispiele und der Schadensbewertung gemäß RI-EBW-PRÜF erfolgte hierbei nicht. Wie in Kapitel 3 aufgezeigt wurde ist eine Überarbeitung und Ergänzung der Schadensbeispiele aus Sicht des Verfassers dringend erforderlich. Dies betrifft insbesondere die Schadens- und Bewertungsbeispiele hinsichtlich Holzfeuchte, Pilzschäden, Risse und Verbindungen. 5. Literatur [1] DIN 1076 - Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen; Überwachung und Prüfung, Ausgabe 11/ 19999 [2] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 (RI-EBW-PRÜF), 2017 [3] Scheiding et al.: Holzschutz, Holzkunde-Pilze und Insekten-Konstruktive und chemische Maßnahmen-Technische Regeln-Praxiswissen, Hanser Verlag München, 2016. [4] DIN 4074 1 - Sortierung von Holz nach der Tragfähigkeit, 2012 [5] Radovic, B.; Wiegand, T.: Oberflächenqualität von Brettschichtholz, 2005 [6] Qualitätsgemeinschaft Holzbrückenbau: Prüfhandbuch für Holzbrücken (Muster), 2018 [7] Entwicklung einheitlicher Richtlinien für den Entwurf, den Bau, die Überwachung und Prüfung geschützter Holzbrücken - Protected Timber Bridges (ProTimB), Forschungsvorhaben Fachhochschule Erfurt