Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung
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2020
Sebastian May
Alexander Schumann
Elisabeth Schütze
Manfred Curbach
Im Rahmen zweier Forschungsprojekte im Rahmen des Vorhabens C3 – Carbon Concrete Composite wurden zahlreiche kleinteilige Versuche und Großbauteilversuche zum Ermüdungsverhalten von Carbonbeton durchgeführt. Dabei wurden neben den reinen Materialprüfungen der Carbonbewehrungen zur Bestimmung von S-N-Kurven auch drei Plattenbalken mit Carbongelegen einlagig verstärkt und auf ihr zyklisches Tragverhalten untersucht. Die Stahlbetonplattenbalken wiesen dabei vor der Carbonbeton-Verstärkung ein Defizit in der Querkrafttragfähigkeit auf. Die zyklischen Bauteilprüfungen wurden über 2 × 106 Lastwechsel auf unterschiedlichen Lastniveaus gefahren. Anschließend wurden die Resttragfähigkeiten bestimmt. Als Referenz dienten dabei sowohl unverstärkte Probekörper im rein statischen als auch im zyklischen Bauteilversuch sowie zwei verstärkte Plattenbalken unter statischer Last. Alle zyklisch beanspruchten, verstärkten
Bauteile hielten der geforderten Lastwechselzahl stand und versagten bei der Resttragfähigkeitsprüfung auf demselben Lastniveau wie die Referenzbalken. Bei den unverstärkten Bauteilen wurde hingegen ein Abfall um ~30 % infolge einer zyklischen Belastung bei der Resttragfähigkeit festgestellt. Eine Eignung der Carbonbeton-Verstärkung für zyklisch beanspruchte Bauteile ist somit gezeigt.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 643 Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung Sebastian May TU Dresden / CARBOCON GmbH, Dresden, Deutschland Alexander Schumann CARBOCON GmbH, Dresden, Deutschland Elisabeth Schütze CARBOCON GmbH, Dresden, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing., Dr.-Ing. E. h. Manfred Curbach TU Dresden, Dresden, Deutschland Zusammenfassung Im Rahmen zweier Forschungsprojekte im Rahmen des Vorhabens C 3 - Carbon Concrete Composite wurden zahlreiche kleinteilige Versuche und Großbauteilversuche zum Ermüdungsverhalten von Carbonbeton durchgeführt. Dabei wurden neben den reinen Materialprüfungen der Carbonbewehrungen zur Bestimmung von S-N-Kurven auch drei Plattenbalken mit Carbongelegen einlagig verstärkt und auf ihr zyklisches Tragverhalten untersucht. Die Stahlbetonplattenbalken wiesen dabei vor der Carbonbeton-Verstärkung ein Defizit in der Querkrafttragfähigkeit auf. Die zyklischen Bauteilprüfungen wurden über 2 × 10 6 Lastwechsel auf unterschiedlichen Lastniveaus gefahren. Anschließend wurden die Resttragfähigkeiten bestimmt. Als Referenz dienten dabei sowohl unverstärkte Probekörper im rein statischen als auch im zyklischen Bauteilversuch sowie zwei verstärkte Plattenbalken unter statischer Last. Alle zyklisch beanspruchten, verstärkten Bauteile hielten der geforderten Lastwechselzahl stand und versagten bei der Resttragfähigkeitsprüfung auf demselben Lastniveau wie die Referenzbalken. Bei den unverstärkten Bauteilen wurde hingegen ein Abfall um ~30 % infolge einer zyklischen Belastung bei der Resttragfähigkeit festgestellt. Eine Eignung der Carbonbeton-Verstärkung für zyklisch beanspruchte Bauteile ist somit gezeigt. 1. Einleitung Ein großer Anteil der Stahl- und Spannbetonbrücken in Deutschland, insbesondere von Bundesfernstraßen, wurde im Zeitraum von 1965 bis 1985 errichtet [1], [2]. Diese sind demnach seit vielen Jahrzehnten ständig wachsenden Beanspruchungen durch Verkehr ausgesetzt. Vor allem durch die hohe dynamische Beanspruchung, u. a. durch die Zunahme des Güterverkehrs, für den diese Brücken bei ihrer Errichtung nicht ausgelegt waren, weist der Bestand häufig Tragfähigkeitsdefizite auf [3]. Neben Torsionslängsbewehrung, Gurtanschluss und Ermüdung in den Koppelfugen zeigt die Nachrechnung der Bestandsbauwerke vor allem bei der Querkraft rechnerische Defizite [4]. Diese sind im Allgemeinen auf einen nach früheren Normen ausgelegten, nach heutigem Kenntnisstand aber zu geringen Querkraftbewehrungsgrad zurückzuführen. Kann die Querkrafttragfähigkeit auch mit alternativen Nachweisformaten nicht nachgewiesen werden, ist eine Querkraftverstärkung erforderlich, um einen Ersatzneubau zu vermeiden. Eine Option zur Verstärkung solcher Bauwerke stellt der Verbundwerkstoff Textilbzw. Carbonbeton dar. Dieses seit über 20 Jahren erforschte Material besteht aus einer gitterartigen textilen Carbonbewehrung und einem feinkörnigen Hochleistungsbeton und hat sich aufgrund seiner hervorragen Eigenschaften für eine Vielzahl von Anwendungen bewährt. Da Carbon nicht korrodiert und eine hohe Tragfähigkeit aufweist, kann Carbonbeton insbesondere für dünne Schichten und Bauteile eingesetzt werden. Das zeigt sich sowohl in Anwendungen für den Neubau, wie z. B. Fassadenelementen und Schalentragwerken (vgl. z. B. [5], [6]), als auch im Einsatz als Instandsetzungs- und Verstärkungsmaterial für verschiedenste Tragwerke (vgl. z. B. [7], [8]). In beiden Haupteinsatzbereichen nehmen mit zunehmendem Kenntnisstand zur Leistungsfähigkeit von Carbonbeton hinsichtlich Material- und Tragverhalten die Anwendungen im Brückenbau immer 644 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung mehr zu. Die ersten textilbewehrten Brücken enthielten noch Glasbewehrungen, ergänzt durch eine Längsvorspannung mit Monolitzen (s. bspw. [10] und [11]). Durch die hohe Tragfähigkeit von Carbon ist aber mittlerweile auch der Bau reiner Carbonbetonbrücken möglich (s. bspw. [12] und [13]). Beispiele für den Einsatz von Carbonbeton für die Brückensanierung wie [14] zeigen zudem, dass das Material erfolgreich beim Bauen im Bestand Anwendung findet. Ein nächster wichtiger Schritt in der Entwicklung der Carbonbetonbauweise ist nun die Verstärkung von Brückenbauwerken mit Carbonbeton. Das betrifft neben dem bereits gut erforschten und mit einem etablierten Bemessungskonzept hinterlegten Bereich der Biegeverstärkung (vgl. bspw. [15]) vor allem auch die häufig erforderliche Querkraftverstärkung. Erste vielversprechende Untersuchungen zur Querkraftverstärkung finden sich bereits bei Brückner [16]. Der Carbonbeton ist bei der Anwendung im Brückenbau allerdings nicht nur quasi-statischen Belastungen ausgesetzt, sondern muss auch Ermüdungsbelastungen standhalten. Auch Untersuchungen zur Ermüdung wurden in kleinerem Umfang bereits an verschiedenen Textilien sowie an verstärkten Bauteilen durchgeführt ([17] bis [21]). Die Untersuchungen hatten jedoch bislang eher Stichprobencharakter. Zudem wurden die verwendeten Bewehrungsmaterialien seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit wesentlich verbessert, was teilweise aber auch abweichende Tragmechanismen zur Folge hatte. Deshalb wurden umfangreiche Untersuchungen zur Ermüdungsfestigkeit von Carbonbeton mit den aktuellen Hochleistungsmaterialien in den C 3 -Vorhaben V1.2 und V2.1 [22] durchgeführt. Dabei wurde sowohl das Materialverhalten von Carbonbeton unter Ermüdungsbeanspruchung erforscht als auch die Verstärkungswirkung in Bauteilversuchen unter quasi-ständiger und unter zyklischer Belastung untersucht. Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser Versuche vorgestellt. Der Fokus liegt auf den zyklischen Bauteilversuchen mit Querkraftverstärkung, anhand derer das Potential für den Einsatz von Carbonbeton für die Querkraftverstärkung ermüdungsbeanspruchter Bauteile, wie bspw. Brückenträger, gezeigt werden soll. 2. Zyklische Großbauteilversuche zur Querkrafttragfähigkeit carbonbetonverstärkter Balken 2.1 Ermüdungsverhalten Carbonbeton Als Basis für die Bewertung des Ermüdungsverhaltens von Carbonbeton wurden in den C 3 -Projekten V1.2 und V2.1 an verschiedenen stabförmigen und textilen Carbonbewehrungen Versuche zum Materialverhalten unter zyklischer Belastung durchgeführt. Dabei wurde sowohl das Zugtragverhalten des Verbundwerkstoffs unter Zugschwellbelastung untersucht als auch das Verbundermüdungsverhalten. Das Vorgehen bei den experimentellen Untersuchungen und die bisherigen Ergebnisse zu den textilen Bewehrungen sind beispielsweise in [23] und [24] veröffentlicht. In den Untersuchungen wurde festgestellt, dass sich das Ermüdungsverhalten von Carbonbeton nicht einheitlich charakterisieren lässt. So zeigen Wagner et al. [23] in einem Vergleich von zwei verschiedenen textilen Carbonbewehrungen beispielsweise, dass sich sowohl die Lastniveaus (Oberspannung), bei denen eine Ermüdungsbeanspruchung zum Versagen führt, als auch der Einfluss weiterer Parameter, wie Unterspannung und Amplitude, auf die erreichbaren Lastwechselzahlen von Material zu Material unterscheiden. Gemeinsam ist den untersuchten Materialien aber, dass eine messbare Materialermüdung erst bei sehr hohen Oberspannungen eintritt. So kam es im Falle des Carbongeleges, anhand dessen anschließend die Querkraftverstärkung untersucht wurde, erst bei Oberspannung von mindestens 60 % der Textilzugfestigkeit zu einem Versagen vor Erreichen der Grenzschwingspielzahl von 2 × 10 6 Lastwechseln, siehe Abbildung 1. Für das geprüfte Material konnte eine Abhängigkeit der erreichbaren Lastwechselzahl von der Unterspannung und somit auch von der Amplitude festgestellt werden: je größer die Amplitude, desto geringer die Schwingspielzahl. Anhand des Treppenstufenverfahrens wurde die Dauerschwingfestigkeit individuell für verschiedenen Unterspannungen ermittelt, wie Abbildung 1 zu entnehmen ist. Interessant war auch, dass Proben, die bei Erreichen der Grenzschwingspielzahl nicht versagt hatten, nur bei sehr großen Amplituden geringe Anzeichen einer ermüdungsinduzierten Schädigung zeigten. Dies wurde anhand von Restfestigkeitsprüfungen festgestellt, in denen für Unterspannungen von mehr als 30 % im Mittel keine Reduktion der Festigkeit nach der zyklischen Belastung nachgewiesen werden konnte. Bei der geringsten Unterlast von 30 % gab es vereinzelt Restfestigkeiten, die merklich unterhalb der Zugfestigkeit des Textils lagen - erst hier wird möglicherweise der Beginn einer Schädigung sichtbar. Die für die Bauteilversuche gewählte Carbonbewehrung zeigt also in weiten Lastbereichen ein sehr gutes Ermüdungsverhalten mit hoher Ermüdungsfestigkeit. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 645 Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung Abbildung 1: S-N-Kurven der Materialkombination SITgrid 040 und Pagel TF10, entnommen aus [23] 2.2 Probekörper Die zyklisch untersuchten Großbauteile entsprachen geometrisch und materiell den statisch geprüften Balken. Für eine ausführliche Beschreibung sei auf [25] und [26] verwiesen. Nachfolgend werden die wesentlichen Daten zur Nachvollziehbarkeit noch einmal genannt. Als Probekörper kamen Plattenbalken mit den Abmessungen nach Abbildung 2 zur Anwendung. Die Länge der Probekörper war 5,1 m. Die Probekörper wurden mit Bügeln Ø6-25 bewehrt. Um ein Querkraftversagen zu erzielen, wurde gezielt ein niedriger Querkraftbewehrungsgrad gewählt. Als Längsbewehrung wurden 6Ø25 angeordnet. Abbildung 2: Verwendeter Probekörper Die Bauteile wurden mit einem Beton der Festigkeitsklasse C20/ 25 in einem Fertigteilwerk hergestellt. Als Stahlbewehrung kamen konventionelle Bewehrungsstäbe B500B zum Einsatz (Tabelle 1). Tabelle 1: Eigenschaften der Stahlbewehrung, ermittelt nach [28] Eigenschaft Symbol Einheit Wert Streckgrenze Ø6/ 8/ 12/ 25 f ym N/ mm² 513/ 529/ 542/ 551 Zugfestigkeit Ø6/ 8/ 12/ 25 f tm N/ mm² 621/ 623/ 646/ 669 E-Modul Ø6/ 8/ 12/ 25 E sm N/ mm² 188.299/ 187.916/ 185.152/ 208.475 Nach der Betonage wurden die Bauteile 2 Tage in der Schalung belassen und nachbehandelt. Anschließend erfolgte die Lagerung der Bauteile vor Witterung geschützt bis zur Verstärkung der Bauteile. Vor der Verstärkung der Bauteile nach 28 Tagen wurden die rauen Oberflächen der Probekörper mittels Sandstrahlen hergestellt. Die erforderliche Rautiefe orientierte sich an den Anforderungen aus der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) für das Verstärken von Bauteilen mit Textilbeton [27]. Die Carbonbetonverstärkung wurde nach 28 Tagen im Spritzverfahren in Dresden aufgebracht (Abbildung 3). Die Verstärkung wurde dabei nur auf die Seitenflächen des Steges aufgebracht (Abbildung 2). Abbildung 3: Verstärkung der Bauteile mit Carbonbeton im Spritzverfahren Die Verstärkung erfolgte mit dem in der abZ geregelten Feinbeton (Pagel TF10) und einem neuartigen Carbongelege (SITgrid040). Der Feinbeton wies die Eigenschaften nach Tabelle 2 auf. Tabelle 2: Eigenschaften des Feinbetons, ermittelt am Mörtelprisma 160 mm × 40 mm × 40 mm nach [29] Eigenschaft Symbol Einheit Wert Biegezugfestigkeit R fm N/ mm² 5,82 Druckfestigkeit R cm N/ mm² 79,42 646 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung Das Carbongelege wurde im Rahmen des C³-Projektes V1.2 entwickelt [22]. Es weist die geometrischen Kenngrößen nach Abbildung 4 und die statischen nach Tabelle 3 auf. In Tragrichtung besitzt das Carbongelege eine Bewehrungsfläche von 141 mm²/ m. Abbildung 4: Verwendetes Carbongelege SITgrid040 Die Plattenbalken wurden mit einer 10 mm dicken Carbonbetonschicht, die eine Lage Carbongelege enthielt. verstärkt. Nach den Verstärkungsarbeiten erfolgte eine intensive Nachbehandlung der Balken. Die Prüfungen wurden 28 Tage nach der Verstärkung im Otto-Mohr-Laboratorium der Technischen Universität in Dresden gestartet. Tabelle 3: Eigenschaften der Carbonbewehrung Eigenschaft Symbol Einheit Wert Tränkungsmaterial - - Polyacrylat Bewehrungsfläche Kett- (KR)/ Schussrichtung a t mm²/ m 141,0/ 28,0 Kett-/ Schussfadenabstand s t mm 12,7/ 16 Bruchspannung 1-/ 2-lagig KR (nach [30]) f tm,f N/ mm² 3.160/ 3.340 Bruchdehnung 1-/ 2-lagig KR (nach [30]) ε mf ‰ 15,1/ 14,0 E-Modul 1-/ 2-lagig KR (nach [30]) E mf N/ mm² 211.277/ 238.265 2.3 Versuchsaufbau und -durchführung Insgesamt wurden 8 Bauteile experimentell untersucht, 3 unverstärkte und 5 verstärkte Plattenbalken. Die statischen Prüfungen, sowohl verstärkt als auch unverstärkt, dienten als Referenz zur Festlegung der zyklischen Lastniveaus. Zur Definition eines Gebrauchslastniveaus wurde auf Basis der statischen Referenzversuche unter Berücksichtigung eines globalen Abminderungsbeiwertes von 1,75 die Lastniveaus in Tabelle 4 definiert. Zusätzlich wurde für einen verstärkten Plattenbalken ein weiteres Lastniveau gewählt, bei welchem die Mittellast der Bruchlast des statischen Referenzversuches des unverstärkten Plattenbalkens entspricht. Somit sollte zusätzlich eine überhöhte zyklische Beanspruchung untersucht werden. Für alle zyklisch beanspruchten Balken wurde eine Ziellastwechselanzahl von 2,0 Millionen definiert. Tabelle 4: Festgelegte Lastniveaus Probekörper Belastung Verstärkt PB-S-1 statisch - PB-S-2 statisch - PB-S-9 statisch Ja PB-S-10 statisch ja PB-S-22 zyklisch (240/ 291/ 343) 1 Ja PB-S-24 zyklisch (510/ 600/ 690) 1 Ja PB-S-25 zyklisch (240/ 291/ 343) 1 - PB-S-26 zyklisch (338/ 410/ 483) 1 Ja Die Probekörper wurden im 4-Punkt-Biegeversuch nach Abbildung 5 auf ihre Tragfähigkeit untersucht. Die Bauteile wiesen dabei eine Schubschlankheit von 3,3 auf. Die Messeinrichtung für die Bauteilversuche zeigt Abbildung 6. Ausführlichere Informationen zu Versuchsaufbau, -durchführung oder Messkonzept sind [25] zu entnehmen. Abbildung 5: Prüfaufbau nach [25] 1 Unter-/ Mittel-/ Oberlast 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 647 Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung Abbildung 6: Messkonzept nach [25] 2.4 Ergebnisse 2.4.1 Ergebnisübersicht Alle vier zyklisch geprüften Bauteile erreichten die definierte Lastwechselzahl von 2 Mio. Anschließend wurden die Bauteile auf ihre statische Resttragfähigkeit geprüft. In der nachfolgenden Tabelle sind die erreichten Resttragfähigkeiten und die Prüflasten der Referenzprobekörper gegeben, ebenso die dazugehörigen Betonfestigkeiten des Altbetongrundkörpers, die am Tag der Resttragfähigkeitsprüfung bestimmt wurden. Tabelle 5: Betonkennwerte und Bruchlasten Probekörper Altbeton [N/ mm²] Bruchlast f cm,zyl E cm f ct,sp [kN] PB-S-1 1 35,8 26.618 2,46 606 PB-S-2 1 36,5 28.217 1,91 595 PB-S-25 2 36,0 28.528 2,81 394 PB-S-9 3 37,8 28.512 2,69 845 PB-S-10 3 34,9 27.417 1,74 847 PB-S-22 4 37,7 26.655 2,73 864 PB-S-24 4 39,6 26.473 3,01 831 PB-S-26 4 36,0 28.528 2,81 786 Die dazugehörigen zyklischen und statischen Kraft-Verformungs-Kurven sind in Abbildung 7 gezeigt. 1 unverstärkt, statisch 2 unverstärkt, zyklisch 3 verstärkt statisch 4 verstärkt, zyklisch Abbildung 7: Kraft-Verformungs-Diagramm, statische und zyklische Bauteilprüfungen 2.4.2 Unverstärkte Probekörper Die beiden unverstärkten statischen Referenzbalken (PB- S-1/ -2) versagten bei einer mittleren Bruchlast von 601 kN, vgl. [25]. Der unverstärkte, zyklisch beanspruchte Plattenbalken PB-S-25 versagte hingegen schon bei der Last von 394 kN. Dies entspricht einem Abfall von 34 %. Im Diagramm ist zu erkennen, dass während der zyklischen Prüfung zudem die Mittendurchbiegung deutlich größer als im statischen Test war. Zu Beginn der zyklischen Belastung lag die Bauteilverformung bei ca. 8 mm, am Ende bei ca. 17 mm. Die hohe Zunahme der Verformung bei gleichbleibendem Lastniveau lässt auf eine Schädigung und damit einhergehend eine Abnahme der Steifigkeit des Bauteils während der zyklischen Beanspruchung schließen. Nach dem vollständigen Entlasten wurde eine Verformung von 7 mm in Feldmitte gemessen. Dieser Anstieg der Verformung unter Eigengewicht spricht ebenso für eine Schädigung des Grundkörpers infolge der zyklischen Beanspruchung. Die statischen Referenzprüfungen sind in [25] ausführlicher dargestellt. Das Bauteilversagen des zyklisch beanspruchten Probekörpers ist in Abbildung 8 gezeigt. Dabei ist neben dem offenen kritischen Schubriss ein Verbund-/ Verankerungsversagen der Längsbewehrung zu erkennen. bei den statischen Referenzbauteilen konnte nur ein Reißen der Bügelbewehrung festgestellt werden. Während der zyklischen Beanspruchung muss es daher zu einer Schädigung des Verbundes/ der Verankerung der Längsbewehrung im Auflagerbereich gekommen sein. Des Weiteren konnte während der zyklischen Prüfung ein Aufgehen des maßgebenden Schubrisses festgestellt werden. Neben dem Verankerungsversagen wird aufgrund der Schubrissbreite auch ein Bügelversagen vermutet. Welche der beiden Versagensarten für den Probekörper PB-S-25 schlussendlich maßgebend geworden ist, wird in [26] weiter untersucht. 648 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Querkraftverstärkung aus Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung Abbildung 8: PB-S-25: Schubriss und Verbundbzw. Verankerungsversagen der Längsbewehrung 2.4.3 Verstärkte Probekörper Die verstärkten Referenzbauteile PB-S-9/ -10 erreichten eine Bruchlast von 845 bzw. 847 kN. Die beiden Bauteile versagten u. a. durch ein Aufbrechen/ Ablösen der Verstärkungsschicht vom Grundkörper, siehe [25]. Die statischen Prüfungen der Resttragfähigkeiten ergaben für die Bauteile PB-S-22 eine Prüflast von 864 kN, für PB- S-24 von 831 kN und PB-S-26 von 786 kN. Die Abweichungen der drei zyklisch vorbelasteten Bauteile liegen nur bei ca. ± 5 % gegenüber den rein statisch geprüften Plattenbalken. Die verstärkten Bauteile und somit auch die verwendete Carbonbewehrung zeigen dadurch eine nahezu gleichbleibende Ermüdungsfestigkeit auf Höhe der Kurzzeitfestigkeit für die untersuchten Lastniveaus. Während der zyklischen Prüfungen der verstärkten Plattenbalken stellte sich im Vergleich zum unverstärkten zyklisch beanspruchten Balken PB-S-25 eine deutlich geringere Zunahme der Mittendurchbiegung ein (vgl. Abbildung 7). Die carbonbetonverstärkten, zyklisch- und querkraftbeanspruchten Bauteile zeigen alle ähnliche Versagensmechanismen wie die Referenzbalken PB-S-9/ -10 (vgl. [25]). Neben dem Lösen der Verstärkungsschicht im schubbeanspruchten Bereich sowie unterhalb des Druckgurtes und am unteren Bereich des Steges war ein Aufbrechen des Plattenbalkensteges zu erkennen. Diese Versagensart ist noch relativ unbekannt (vgl. [25]) und wird daher u. a. aktuell vertieft untersucht [26]. Abbildung 9: PB-S-24: links: Lösen der Verstärkungsschicht; rechts: Aufbrechen des Plattenbalkensteg 3. Zusammenfassung und Ausblick Gegenüber den unverstärkten Referenzbalken konnten die verstärkten Bauteile eine deutliche Laststeigerung zeigen. Die zyklische Beanspruchung des unverstärkten Plattenbalkens setzte dessen Resttragfähigkeit um ca. 1/ 3 hinab. Diese Abnahme ist auf eine Verbundschädigung zwischen der Stahllängsbewehrung und dem Beton zurückzuführen. Die verstärkten Bauteile zeigten trotz teils höherer zyklischer Beanspruchung keinen Abfall der statischen Tragfähigkeit im Vergleich zum unverstärkten Referenzträger. Die Carbonbeton-Verstärkung hat somit sowohl ihr Potential bei der nachträglichen Ertüchtigung von querkraftbeanspruchten als auch zyklisch beanspruchten Stahlbetonbauteilen gezeigt. Ein Übergang aus der Forschung an einzelne Pilotprojekte im Brückenbau ist daher denkbar. Die hochfeste Carbonbewehrung zeigt des Weiteren eine nahezu gleichbleibende Ermüdungsfestigkeit auf Höhe der Kurzzeitfestigkeit, für die hier untersuchten Lastniveaus, Probekörper und Materialien. Dank Die Autoren des Artikels möchten an dieser Stelle dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Förderung der Vorhaben C³-V1.2 (FKZ: 03ZZ0312) und C³-V2.1 (FKZ: 03ZZ0321), den den Kolleg*innen des Otto-Mohr-Laboratoriums für die Versuchsdurchführung sowie den beteiligten Projektpartnern für den aktiven Wissensaustausch danken. 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