Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton
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Oliver Steinbock
Manfred Curbach
Thomas Bösche
Innerhalb des Projektes V 1.2 Nachweis- und Prüfkonzepte für Normung und Zulassung im Rahmen von C³-Carbon Concrete Composites wird in Sachsen nun erstmals ein Brückenbauwerk mit Carbonbeton verstärkt. Im konkreten Vorhaben arbeiten Planungsbüro und Forschungseinrichtung eng mit dem Bauherrn zusammen, sodass im August 2020 eine schiefwinklige Stahlbetonplattenbrücke mit einer Stützweite von 8,30 m auf Biegung verstärkt wird. Ziel der Verstärkung ist es, dass Ziellastniveau von der Brückenklasse BK 30/30 auf die Brückenklasse BK 60/30 anzuheben, da sich die Brücke im Umleitungsbereich der BAB A 4 befi ndet und somit einer erhöhten Beanspruchung unterliegt. Da erstmals eine Brücke mit Carbonbeton verstärkt wird, war eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) notwendig. Der Beitrag fasst die notwendigen Untersuchungen zur Erlangung der ZiE zusammen und zeigt die Besonderheiten auf, die bei der statischen Bemessung bzw. Ausführung der Konstruktion mit Carbonbeton zu beachten sind
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 651 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Dipl.-Ing. Oliver Steinbock TU Dresden - Institut für Massivbau, 01062 Dresden (IMB) und Curbach Bösche Ingenieurpartner Beratende Ingenieure PartG mbB, Bergstraße 21a, 01069 Dresden (CBing) Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach TU Dresden - Institut für Massivbau, 01062 Dresden (IMB) und Curbach Bösche Ingenieurpartner Beratende Ingenieure PartG mbB, Bergstraße 21a, 01069 Dresden (CBing) Prof. Dr.-Ing. Thomas Bösche HTW Dresden - Lehrgebiet Massivbau, Friedrich-List-Platz 1, 01069 Dresden Curbach Bösche Ingenieurpartner Beratende Ingenieure PartG mbB; Bergstraße 21a, 01069 Dresden (CBing) Zusammenfassung Innerhalb des Projektes V 1.2 Nachweis- und Prüfkonzepte für Normung und Zulassung im Rahmen von C³-Carbon Concrete Composites wird in Sachsen nun erstmals ein Brückenbauwerk mit Carbonbeton verstärkt. Im konkreten Vorhaben arbeiten Planungsbüro und Forschungseinrichtung eng mit dem Bauherrn zusammen, sodass im August 2020 eine schiefwinklige Stahlbetonplattenbrücke mit einer Stützweite von 8,30 m auf Biegung verstärkt wird. Ziel der Verstärkung ist es, dass Ziellastniveau von der Brückenklasse BK 30/ 30 auf die Brückenklasse BK 60/ 30 anzuheben, da sich die Brücke im Umleitungsbereich der BAB A 4 befindet und somit einer erhöhten Beanspruchung unterliegt. Da erstmals eine Brücke mit Carbonbeton verstärkt wird, war eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) notwendig. Der Beitrag fasst die notwendigen Untersuchungen zur Erlangung der ZiE zusammen und zeigt die Besonderheiten auf, die bei der statischen Bemessung bzw. Ausführung der Konstruktion mit Carbonbeton zu beachten sind. 1. Einführung Abbildung 1: Prozentuale Verteilung des Straßenbrückenbestandes in Deutschland nach Verwaltungsebene bezogen auf die Anzahl von Brückenbauwerken nach [1] und [2]; Grafik: O. Steinbock In Bezug auf die Anzahl der Straßenbrücken liegt etwa jede zweite Brücke in der Verantwortung der Kommunen, siehe hierzu [1]. Nur etwa 1,2 % stehen unter Verwaltung der Wasserstraßen. Das andere Gros der Brücken wird durch Bund und Länder verwaltet, siehe Abbildung 1. Dem Bund als oberste Verwaltungsebene obliegen dabei ≈ 39.600 Brücken [2], was einem Anteil von ≈ 29 % entspricht. Ungefähr ein Fünftel (≈ 20 %) werden durch die Länder verwaltet. Die Brücken in der Baulast des Bundes sind in der Regel Bestandteil von Verkehrswegen höherer Ordnung. Zwangsläufig ergeben sich hierdurch größere Stützweiten. 652 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Abbildung 2: Prozentuale Verteilung des Straßenbrückenbestandes in Deutschland nach Verwaltungsebene und Hauptwerkstoff des Überbaus bezogen auf die Brückenfläche nach [1] und [2]; Grafik: O. Steinbock Dies zeigt ein Vergleich der Anteile unterschiedlicher Baustoffe mit Bezug auf die Brückenfläche in der Verwaltung von Kommunen und Bund. Die annähernd 70.000 Brücken in der Verwaltung der Kommunen stellen meist Bauwerke mit kleiner Stützweite dar. Dies kann bei einer Betrachtung der Brückenfläche bestätigt werden. Nach [3] liegt die durchschnittliche Brückenfläche einer Brücke des Bundes bei ≈ 760 m², die einer kommunalen Brücke bei ≈ 180 m² [1]. Mit ≈ 87 % auf Bundesebene und ≈ 70 % auf kommunaler Ebene bilden die Stahl- und Spannbetonbrücken die Mehrheit, siehe Abbildung 2. Auffällig hierbei ist jedoch die gegenläufige Verteilung der Anteile an Stahlbeton und Spannbetonkonstruktionen. Während die Brücken in der Verwaltung des Bundes vornehmlich als Spannbetonkonstruktionen (≈ 69 %) ausgeführt sind, sind es bei den Kommunen ≈ 54% des Gesamtbestandes, die der Stahlbetonweise zugeordnet werden. Dies ist wiederrum auf die kleineren Stützweiten kommunaler Brücken zurückzuführen. Die Betrachtung zeigt die besondere Relevanz von Stahlbeton- und Spannbetonbrücken im Brückenbestand von Deutschland. Abbildung 3: Prozentuale Verteilung des Straßenbrückenbestandes in Deutschland nach Verwaltungsebene und Bauwerksalter bezogen auf die Anzahl von Brückenbauwerken nach [1] und [2]; Grafik: O. Steinbock Ergänzend hierzu wird das Bauwerksalter der Brücken in der Verwaltung von Bund und Kommunen betrachtet, siehe Abbildung 3. Es zeigt sich, dass die kommunalen Brücken tendenziell älter sind als die Brücken des Bundes. Etwa 17 % der kommunalen Brücken stammen noch aus der Vorkriegszeit, ein ähnlicher Anteil aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Somit sind rund ein Drittel der Bauwerke in kommunaler Verwaltung älter als 60 Jahre. Bei den Bundesfernstraßen liegt der Anteil mit ≈ 8% deutlich niedriger. Eine große Bautätigkeit kann in den Jahren zwischen 1960-1980 bzw. 1985 ausgemacht werden. 2. Verstärkungsmethoden im Überblick Grundsätzlich kann zwischen Sanierungsmaßnahmen (vornehmlich zur Wiederherstellung der Dauerhaftigkeit) und Verstärkungsmaßnahmen (Sicherstellung der Tragfähigkeit) unterschieden werden. Weiter können Verstärkungsmaßnahmen in Instandsetzung und Ertüchtigung unterteilt werden, siehe Abbildung 4. Während die Instandsetzung einen Erhalt der Tragfähigkeit vorsieht (z. B. Koppelfugeninstandsetzung), wird bei der Ertüchtigung eine Erhöhung der Tragfähigkeit angestrebt (z. B. Biegeverstärkung zur Erhöhung der Brückenklasse). 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 653 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Sanierungsmaßnahme Ziel: Dauerhaftigkeit Verstärkungsmaßnahme Ziel: Tragfähigkeit Instandsetzung Ziel: Tragfähigkeit erhalten Ertüchtigung Ziel: Erhöhung der Tragfähigkeit Abbildung 4: Unterscheidung in Instandsetzung und Ertüchtigung bei der Verstärkung von Tragwerken; Grafik: O. Steinbock Bei Verstärkungsmaßnahmen empfiehlt sich die Unterscheidung in globale und lokal begrenzte Verstärkungsmaßnahmen. Einen ausführlichen Überblick über mögliche Verstärkungsmaßnahmen und deren Anwendungen geben [4] sowie [5]. Hinsichtlich der Verstärkungsmethoden kann zwischen systembezogenen und querschnittsergänzenden Maßnahmen unterschieden werden, siehe Abbildung 5. Die systembezogenen Maßnahmen bewirken z. B. durch das Aufstellen zusätzlicher Hilfsstützen oder Längsträger eine Änderung des statischen Systems in Längsrichtung des Linienbauwerkes Brücke. Daher sind sie den globalen Verstärkungsmaßnahmen zuzuordnen. Systembezogene Maßnahmen Querschnittsergänzende Maßnahmen Homogen - Bewehrung in Nuten - Stahlbetonergänzungen - Textilbetonverstärkungen Änderung des statischen Systems zusätzliche Hilfsstützen zusätzliche Längsträger Extern externe Vorspannung Geklebt aufgeklebte Zugelemente Abbildung 5: Mögliche Verstärkungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen; Grafik: O. Steinbock Die querschnittsergänzenden Maßnahmen können sowohl lokal als auch global erfolgen und führen nur in Sonderfällen (z. B. Wegfall von Gelenken) bzw. nur indirekt (z. B. Änderung der Steifigkeiten) zu Änderungen am statischen System. Weiter kann hier zwischen externen, geklebten und homogenen Maßnahmen unterschieden werden. Während vollständig im Verbund liegende Zugelemente mit üblichen Bemessungsmethoden nachgewiesen werden können, sind für geklebte Bewehrungen besondere Bemessungsansätze notwendig. Eine Alternative zu den querschnittsergänzenden Maßnahmen im Verbund stellt die externe Vorspannung dar. Sie bietet einen vergleichsweise hohen Verstärkungsgrad und ist für vorgespannte Tragwerke gängig [5]. Eine Carbonbetonverstärkungsmaßnahme kann aufgrund ihres großflächigen Auftrages auf das Altbetonbauteil zu den homogenen Verstärkungsmaßnahmen gezählt werden. 3. Aktuelle Rahmenbedingungen für die Anwendung von Carbonbetonverstärkungsmaßnahmen Das Verfahren zur Verstärkung von Stahlbetontragwerken mit Textilbeton ist seit dem 01.06.2015 bauaufsichtlich zugelassen [6] und bereits gängige Praxis. Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) beschränkt sich auf den Hochbau bzw. Innenbauteile. Die Anforderungen für eine Anwendung im Brückenbau bzw. Ingenieurbau sind höher. Zum einen treten im Brückenbau vorwiegend nicht ruhende Lasten auf, zum anderen handelt es sich bei einer Brücke in der Regel um Außenbauteile mit den einhergehenden chemischen und klimatischen Einflüssen. Die in abZ [6] zugelassene Materialkombination wird den Anforderungen des Brückenbaus nicht gerecht. Daher ist es notwendig auf andere Kombinationen des Verbundwerkstoffes Carbonbeton zurückzugreifen. Im Rahmen von Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) kann die Verstärkungsmethode mit Carbonbeton aber auch auf Brückenbauwerke erweitert werden. Eine entsprechende ZiE wurde für die Verstärkungsmaßnahme einer Brücke im Rahmen des Projektes V1.2 Nachweis- und Prüfkonzepte für Normung und Zulassung im Rahmen von C 3 -Carbon Concrete Composite erreicht. Die Planung und Konzeption der Verstärkungsmaßnahme sowie die notwendigen Untersuchungen zur Erlangung der ZiE wurden in Rahmen der wissenschaftlichen Tätigkeit (IMB) sowie im Rahmen der Tätigkeit im Planungsbüro (CBing) vom Hauptautor durchgeführt und begleitet. Die Umsetzung des Bauvorhabens ist hierbei Teil des 100-Bauwerke-Programms des Freistaates Sachsen zur Verbesserung des Zustands von Bauwerken im Zuge von Staatsstraßen. Als Bauherrenvertreter (LASuV Landesamt für Straßenbau und Verkehr) und Projektpartner fungiert die LISt (LISt Gesellschaft für Verkehrswesen und ingenieurtechnische Dienstleistungen mbH). 4. Beschreibung des Tragwerks 4.1 Ziel der Verstärkungsmaßnahme Bei dem betrachteten Brückenbauwerk handelt es sich um eine einfeldrige Stahlbetonbrücke, die eine Staatsstraße über einen Bach überführt. Das Bauwerk liegt in unmittelbarer Nähe zur BAB A4 und ist Bestandteil 654 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton einer Ausweichroute der Autobahn. Aufgrund örtlich ansässiger Firmen sowie der Nutzung als Ausweichroute ist die Belastung durch Schwerverkehr für die Straßenkategorie ungewöhnlich hoch. Daher wird eine Ertüchtigung des Tragwerks in die Brückenklasse BK 60/ 30 angestrebt. Dabei darf das Lichtraumprofil nicht weiter eingeschränkt werden, um einen Einstau des unterseitigen Baches im Falle eines Hochwasserereignisses auszuschließen, siehe Abbildung 6. Abbildung 6: Seitenansicht Bestand; Foto: Oliver Steinbock 4.2 Bauwerksübersicht Die Brücke liegt in Landkreis Bautzen in Sachsen. Die Stützweite des im Grundriss schiefwinkligen Tragwerks beträgt ≈ 9,30 m. Der Überbau ist schlaff bewehrt und wurde 1951 errichtet. Das Bauwerk ist in die Brückenklasse 30/ 30 eingestuft. Eine rechnerische Bewertung des Bestandsbauwerks ergab einen hohen Auslastungsgrad auf Biegung. Abbildung 7: Bestandszeichnung und Bewehrungsanordnung der Stahlbetonbrücke Das Plattentragwerk des Überbaus ist mit einem Dachgefälle in Längsrichtung, sowie einem Gefälle in Querrichtung mit 3% ausgeführt, sodass sich variable Konstruktionshöhen des Überbaus ergeben. Diese variiert somit zwischen ≈ 0,52 m und ≈ 0,78 m. Die Auflagerausbildung erfolgte als bewehrtes Linienlager. Der Überbau wurde mit Betonstahl der Güte St I glatt bewehrt. In der Stahlbetonplatte wurden keine Bügel verbaut, sodass die Bewehrungsführung auf Längs- und Querreisen reduziert ist. Zeittypisch sind die zu den Auflagerbereichen hin aufgebogenen Längseisen zur Aufnahme der schrägen Hauptzugspannungen. Einen Überblick über den Verlauf der Bewehrungsführung gibt Abbildung 7. Im Rahmen von Bauwerkserkundungen wurde eine widerlagerparallele Anordnung der Querbewehrung festgestellt. Das Bauwerk ist repräsentativ für noch häufig im Bestand vertretene kleine Bauwerke von Kommunen und Staatsstraßen. Wie in der Einführung erläutert, weisen diese Brücken im Durchschnitt ein höheres Bauwerksalter auf und sind daher nach älteren Konstruktionsprinzipien und Regelwerken entworfen. 4.3 Baustoffe Die Betongüte des Überbaus ist in den Planunterlagen mit B 225 angegeben. Nach [7] und [8] könnte dieser lediglich der Festigkeitsklasse C12/ 15 nach [9] zugeordnet werden. Aufgrund der geringen Betonfestigkeit wurden in Abstimmung mit dem Bauherrn am Bauwerk zusätzliche Bauwerksuntersuchungen vorgenommen. Neben der Entnahme von Bohrkernen wurden auch Haftzugfestigkeiten am Bauwerk ermittelt. Trotz der lokal schwankenden Betonfestigkeit konnte der Beton in die Festigkeitsklasse C 25/ 30 eingestuft werden. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 655 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Abbildung 8: Ermittelte Haftzugfestigkeiten am Bauwerk; Grafik: O. Steinbock In einem ersten Durchlauf wurden die Haftzugfestigkeiten an der Betonoberfläche ermittelt. Auch hier kam es zu einer vergleichsweise großen Streuung. Die Ergebnisse gemessen an der teils angewitterten Oberfläche blieben hierbei unter den Anforderungen an einen Erwartungswert von σ Hz ≈ 1,0 N/ mm², der für eine Verstärkungsmaßnahme mit Carbonbeton notwendig ist, zurück. Daher wurden in einem zweiten Schritt die Oberflächenzugfestigkeiten in einer Tiefe von ≈ 10 mm ermittelt, da nach erfolgter Oberflächenvorbereitung auch in dieser Tiefe die spätere Verstärkung appliziert werden soll. Mit Ausnahme einer geringen Unterschreitung an Bohrkern BK 2 wurden die erforderlichen Haftzugfestigkeiten erreicht, siehe Abbildung 8. Der verbaute Betonstahl weist die Güte St I auf. Der Durchmesser der Längseisen beträgt im vorliegenden Fall Ø = 35 mm, wohingegen in Querrichtung lediglich Stabdurchmesser mit Ø= 12 mm verbaut wurden. Aufgrund des geringen Bewehrungsgrades wurde auf eine Untersuchung des Materials verzichtet und die in den Regelwerken [7] und [8] ausgewiesenen Materialkennwerte übernommen. Gegenüber heute üblichen kaltgeformten Betonstahl B 500 S weist der verbaute Betonstahl geringere Festigkeiten auf. Des Weiteren handelt es sich um einen warmgeformten Betonstahl, dass sich in einer abweichenden Werkstoffkennlinie mit zwei ausgeprägten Fließplateaus, darstellt. Zudem ist der Betonstahl glatt und weist somit ein schlechteres Verbundverhalten als gerippter Betonstahl auf. Bisher im Labor untersuchte und verstärkte Bauteile waren stets mit Betonstahl der Güte B 500 S und gerippter Oberfläche ausgeführt, siehe [10] bzw. [11]. Außerdem wiesen die Bauteile nur für den Hochbau übliche Durchmesser bis 20 mm auf, sodass für die Zulassung im Einzelfall zusätzliche Untersuchungen notwendig wurden. Für die die Verstärkungsmaßnahme ist das sogenannte Referenzentextil des C³-Vorhabens (SITgrid 040) vorgesehen. Ein für den Brückenbau geeigneter Feinkornbeton ist bereits in der abZ [6] enthalten und erfüllt die Anforderungen an die Expositionsklassen. Im Konkreten handelt es sich hierbei um eine Fertigmischung der Firma Pagel Spezial-Beton TF 10. Für die Verarbeitung wird lediglich Wasser zugegeben, wobei die Konsistenz hier durch die Wasserzugabe an die Umgebungsbedingungen angepasst wird. Das Zugtragverhalten an Kleinbauteilversuchen, welches bereits in den verschiedenen Forschungsvorhaben aus C 3- Carbon Concrete Composite erforscht wurde (z. B. [12] oder [13]) , kann jedoch nicht ohne weiteres auf das Tragverhalten am Bauteil übertragen werden. Grund hierfür ist, dass insbesondere im Brückenbau die Besonderheiten des Bestandsbauwerks berücksichtigt werden müssen. Die kleinbauteiligen Versuche zeigen aber das mögliche Potenzial des Verbundwerkstoffes und bilden die Grundlage für die Vorbemessung der Verstärkungsmaßnahme. Der Teilsicherheitsbeiwert von γ tex = 1,20 wurde aus der abZ [6] übernommen. Jüngere Untersuchungen zeigen, dass aufgrund der verbesserten Ausführungsqualität der Ausgangsmaterialien hier eine Reduktion denkbar ist, siehe [14]. 5. Experimentelle Untersuchungen für die Erteilung der ZiE 5.1 Grundlagen Zusätzlich zu den Kleinbauteilversuchen werden ebenfalls Großbauteilversuche benötigt, um die Übertragbarkeit aus den Kleinbauteilen auf die Großbauteilversuche zu bestätigen oder Anpassungen zu verifizieren. Nachfolgend sind die durchgeführten Großbauteilversuche aufgezeigt. Im Rahmen der Entwurfsplanung wurde ein Verstärkungsgrad mit Carbonbeton von drei Lagen textiler Bewehrung in Längsrichtung und einer zusätzlichen Lage in Querrichtung für die Stahlbetonplatte ermittelt. Die Herausforderung bei der Übertragung der Kräfte in der Verbundfuge bei mehreren Lagen Carbonbetonverstärkung bedurften keiner weiteren Untersuchung, da die vorgesehene Anzahl der Gelege keine abweichenden Tragmechanismen gegenüber der abZ [6] erwarten ließ. Die abZ [6] ermöglicht eine unbewehrte Feinkornbetonschichtstärke von bis zu 30 mm zwischen tragender Verstärkungsschicht und Übergangsfuge (Altbeton - Verstärkungsschicht). Die vorgeschlagene Lösung sieht mit einem Gesamtaufbau von ≈ 25 mm und somit einem maximalen Abstand von ≈ 20 mm für die in Querrichtung verlegte Matte, eine geringe Stärke vor. Die Versuche konnten somit auf ein- und zweilagig verstärkte Balken reduziert werden. Das Bauwerk soll jedoch bereits nach einer kurzen Sperrpause wieder für den Verkehr freigegeben werden. Aufgrund der vorwiegend nicht ruhenden Belastung, sowie der angestrebten schnellen Verkehrsfreigabe, war das Versuchsprogramm an die Anforderungen anzupassen. 656 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Abbildung 9: Schal- und Bewehrungsplan in Feldmitte der Prüfkörper PK 1 bis PK 3; Grafik: O. Steinbock Die Untersuchungen an den Großbauteilen erfolgten an teilverstärkten Plattenstreifen mit einer Stützweite von ≈ 5,4 m. Diese Stützweite ist notwendig, um die erforderlichen Spannungen in den Bewehrungselementen zu erzeugen und das Tragverhalten am Bauwerk nachzuempfinden. Es wurden gängige 4-Punkt-Biegeversuche vorgesehen. Die Geometrie der Prüfkörper betrug 20 x 50 cm, siehe Abbildung 9. Um nahe an der späteren Ausführung zu verbleiben, wurden die Plattenstreifen mit großen Stabdurchmessern (Durchmesser 35 mm) bewehrt. Des Weiteren wurden glatte Rundeisen als Stäbe in der Stahlgüte St37 verwendet. Hierfür kann warmgeformter Baustahl verwendet werden, da dieser im Materialverhalten historischen Betonstählen gleicht. Anzumerken ist jedoch, dass das vorliegende Material höhere Festigkeiten gegenüber dem im Bauwerk verbauten St I erreichte. Die Herstellung der Probekörper erfolgte in einem Fertigteilwerk. Erfahrungsgemäß sind hier keine Betonrezepturen mit Festigkeiten ≤ C30/ 37 verfügbar. Die Vergleichbarkeit mit dem Bauwerk in situ ist dennoch gegeben, da eine höhere Auslastung der Verbundfuge im Rahmen des Versuchsprogramms erfolgte. In Summe wurden vier Großbauteilversuche durchgeführt. Der Prüfkörper PK 1 verblieb unverstärkt und diente als Ausgangsbasis um den Verstärkungsgrad zu erfassen. Prüfkörper PK 2 und PK 4 umfassen zwei zyklische Versuche bei einlagiger Verstärkung, wobei PK 4 mit konventionellem Betonstahl BSt 500 S und Durchmesser 25 mm bewehrt wurde. Dadurch konnten mögliche Unterschiede im Tragverhalten verifiziert werden. Abgerundet wird das Versuchsprogramm durch den Probekörper PK 3. Hier wurde eine zweilagige Verstärkungsschicht appliziert, um Auswirkungen eines höheren Verstärkungsgrades beurteilen zu können. Die Applikation der Verstärkungsschicht erfolgte an der Unterseite der Versuchsträger über eine Breite von etwa 35 cm. Die geringe Breite ist damit zu begründen, dass ansonsten nicht die Biegezugzone versagt hätte, sondern die Betondruckzone. Der Probekörper ist zudem mit Querkraftbügeln ausgeführt um ein Versagen auf Querkraft auszuschließen. Diese Anpassungen sind der Übertragung auf den Labormaßstab geschuldet. 5.2 Verstärkung der Bauteile Abbildung 10: Verstärkungsschema der Probekörper 2 bis 4; Grafik: N. Oette Die Herstellung im Fertigteilwerk ermöglichte die Anordnung einer Waschbetonschicht im Rahmen der Produktion. Hierbei wurde eine mittlere Rautiefe von 1,0 mm angestrebt, die über einen sogenannten Waschlack sichergestellt wurde. Die Rauigkeit wurde somit in geringerer Qualität als am späteren Bauwerk gefordert, ausgeführt (≥ 1,5 mm). Einen Überblick über den Verstärkungsaufbau gibt Abbildung 10. Die Verstärkung der Bauteile erfolgte in der am Bauwerk vorgesehenen Konfiguration mit SITgrid 40 in Materialkombination mit Pagel TF 10 und wurde im Laminierverfahren aufgebracht. Analog der geplanten Ausführung am Bauwerk wurde eine Übergreifungslänge der Gelege von 70 cm vorgesehen. Die Applikation folgte dem Verfahren nach der abZ [6], jedoch nicht mit Schichtdicken von 6 mm sondern 5 mm. Da im Rahmen der ZiE bereits Bauteilversuche nach sieben Tagen durchgeführt wurden, wurde die Dauer der Nachbehandlung verkürzt. Im Konkreten wurde diese auf fünf Tage reduziert, da an der Verstärkungsschicht Messtechnik anzubringen war. Hierfür war eine trockene Unterlage notwendig bzw. musste die Messtechnik einen Tag vor dem Belastungsversuch appliziert werden. 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 657 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Abbildung 11: Applikation der Verstärkungsschicht und Einbetten der Gelege, Foto: O. Steinbock 5.3 Belastungsregime bzw. Versuchsdurchführung Aufgrund des vorliegenden begrenzten Versuchsumfangs von vier Probekörper wurde ein spezielles Belastungsregime entwickelt. Dies wurde notwendig, da keine Referenzversuche an 28 Tage alten verstärkten Probekörper durchgeführt wurden, alle bisherigen Großbauteilversuche aus [10], [11] bzw. parallel laufenden Forschungsvorhaben [12] jedoch auf ebensolchen basieren. Daher wurde ein dreistufiges Lastregime für die verstärkten Probekörper entwickelt. In Abschnitt 1 erfolgt eine zweistufige statische Belastung des Probekörpers. In der ersten Stufe verblieb die Prüflast unterhalb des Niveaus der Erstrissbildung. In der anschließenden Stufe wurde eine Last oberhalb des abgeschlossenen Rissbildes gewählt und somit ein Rissbild in den Probekörper eingeprägt. Im anschließenden Abschnitt 2 wurde die zyklische Belastung des Probekörpers durchgeführt. Im Konkreten wurden hierzu 10.000 Lastwechsel über dem Auslastungsniveau der häufigen Kombination ausgeführt. Die Oberlast lag zwischen der in Abschnitt 1 angefahrenen Lasten womit eine zyklische Belastung an einem Probekörper mit abgeschlossenem Rissbild durchgeführt werden konnte. Die Unterlast wurde hier sehr gering gewählt und ergibt sich aus der versuchstechnischen Durchführung, da eine Mindestauflast im System verbleiben muss um ein Aufschwingen des Versuchskörpers zu verhindern. Der abschließende Abschnitt 3 untersuchte die Resttragfähigkeit des zuvor statisch und zyklisch belasteten Prüfkörpers. Dabei wurden drei Haltezeiten von jeweils 1 min eingelegt, die sich auf dem Niveau der Oberlast des zyklischen Abschnittes, einem Lastniveau welches der Beanspruchung des rechnerischen Grenzzustandes der Tragfähigkeit am Bauwerk entspricht, sowie auf Bruchlastniveau des unterstärkten Körpers PK 1. Nach diesen Haltezeiten wurde der verstärkte Träger bis zum Bruch belastet. Somit war es möglich eine Aussage zur Tragfähigkeit von sehr früh belasteten Verstärkungsschichten zu treffen. Exemplarisch hierfür steht der Versuchsablauf zu PK 2 in Abbildung 12. Abbildung 12: Belastungsregime PK 2 An den Probekörpern wurden jeweils zwei Dehnmessstreifen (DMS) an der Betonoberseite angebracht. Um die vertikalen Durchbiegungen aufnehmen zu können, wurden vier vertikale Wegaufnehmer in punktsymmetrischer Anordnung angebracht. Ergänzt wurden die konventionellen Messmittel durch zusätzlich eingelegte Glasfaserkabel, die auf die Bewehrungselemente geklebt wurden. Für die Stahlbewehrungselemente bzw. im Probekörper verbaute Elemente wurden hierfür stahlummantelte Glasfasern verlegt. Auf den Carbongelegen wurden ebenfalls Glasfasern, jedoch ohne zusätzliche Ummantelung verlegt. Die Messfasern dienten dem Abgreifen der Spannungen in den einzelnen Zugelementen. Da diese für den vorliegenden Beitrag nur von untergeordneter Relevanz sind, werden die Ergebnisse nur in Auszügen für PK 2 dargestellt. Weitere Informationen hierzu können zeitnah der in Arbeit befindlichen Veröffentlichung [16] entnommen werden. 5.4 Versuchsbegleitende Untersuchungen Gemäß abZ [6] sind zur Überprüfung der Ausführungsqualität Haftzugprüfungen notwendig. Üblicherweise werden diese 28 Tage nach Ausführung der Verstärkungsschicht durchgeführt. Es sind verschiedene Versagensformen bei Carbonbetonverstärkungen möglich: • Versagen im Altbeton (nachfolgend VA) • Versagen in der Verbundzone zwischen Altbetonbauteil und Verstärkungsschicht (VZ) • Versagen in der Textilebene (TE) • weitere Versagen (SON) Nach abZ [6] wird ein Versagen in der Altbetonschicht gefordert (siehe Tabelle 1/ Anlage 3 in [6]). Tritt dagegen ein Versagen in einer anderen Ebene der Verstärkungsschicht auf, sind im Mittel 3 N/ mm² bzw. der kleinste Werte ≥ 2 N/ mm² zu erreichen. Da diese Werte die Haftzugfestigkeiten für eine vier Wochen alte Verstärkung vorgeben, sind diese für das Bauvorhaben nicht maßgebend. Grund hierfür ist, dass das Bauwerk bereits nach ≈ 10 Tagen für den Verkehr wieder freigegeben werden soll. Daher sind für die Baumaßnahme neue Kennwerte zu definieren. 658 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Abbildung 13: Versagensarten bei Verstärkungsmaßnahmen mit Carbonbeton, Grafik entnommen aus [17] Daher wurden Haftzugprüfungen an allen verstärkten Prüfkörpern durchgeführt. Die Prüfungen erfolgten im Anschluss der Bauteilversuche in den Bereichen, die im Versuch nur gering beansprucht wurden bzw. in denen die Verbundfuge unbeschädigt war. Die Prüfung der Bauteile erfolgte stets sieben Tage nach der Verstärkungsmaßnahme. Die Haftzugprüfungen wurden am 8. Tag durchgeführt, da in Anschluss an die Bauteilprüfungen zunächst die Ringnut zu bohren, der Stempel aufzukleben war und der Kleber anschließend aushärten musste. Im Mittel ergaben sich Haftzugfestigkeiten von 2,08 N/ mm² bei Versagen in der Verbundzone (6 Werte) bzw. 2,10 N/ mm² bei Versagen in der Textilebene (10 Werte). Da beide Versagensmechanismen auftraten kann davon ausgegangen werden, dass im Mittel eine Haftzugfestigkeit von ≈ 2,09 N/ mm² in der Verbundzone vorhanden ist. Wie bereits erwähnt ist das Versagen in der Textilebene mit dem frühen Prüfzeitraum zu begründen. Nennenswerte Unterschiede hinsichtlich der erreichten Haftzugfestigkeiten können aus den Versagensarten nicht abgeleitet werden. Um Eingangswerte für die Qualitätskontrolle bei der baulichen Umsetzung ableiten zu können, wird auf Grundlage der Untersuchungen ein Quantilwert abgeleitet. Dieser liegt im Bauwesen bei den üblichen 5%. Die Auswertung erfolgte hierbei in Anlehnung an DIN EN 1990-0. Unabhängig von der Versagensart wurde zur Überprüfung der Ausführungsqualität ein Wert von f HZ,0,05 = 1,19 N/ mm² beziehungsweise im Mittel von f HZ,MW = 2,09 N/ mm² am Bauwerk festgelegt. 5.5 Versuchsergebnisse Großbauteile Es erfolgt eine ausführliche exemplarische Darstellung für Versuchskörper Pk 1 und PK 2. Die übrigen Versuchskörper wurden analog bewertet und beurteilt. Die einzelen Auswertungsschritte können aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt werden. PK 1 dient als Referenzbalken für die Versuche an glattstahlbewehrten Probekörpern mit großen Durchmessern bei gleichzeitig niedriger Stahlfestigkeit, siehe Abbildung 14. Abbildung 14: Referenzprüfkörper PK 1 während Bauteilversuch; Foto: O. Steinbock Abbildung 15 zeigt das Kraft-Verformungsverhalten des Referenzbalkens PK 1 in Bauteilmitte. Bereits bei einer geringen Beanspruchung zeigt sich der Übergang vom Zustand I in den Zustand II bei Berücksichtigung der Anfangsverformungen infolge Eigengewicht. Die Verformungen nehmen anschließend nahezu linear zu. Ab einer mittigen Verformung von ≈ 50 mm bzw. einer Prüflast von ≈ 82 kN geht der Bewehrungsstahl ins Fließen über und die Verformungen nehmen ohne weitere Laststeigerung zu. Der Probekörper erreichte eine Versagenslast von ≈ 83 kN. Wie prognostiziert stellte sich ein Versagen der Zugzone bzw. ein Fließen der Bewehrung ein. Trotz des zu erwartenden schlechteren Verbundes des Glattstahls gegenüber heutigen Rippenstählen stellte sich ein verteiltes Rissbild mit einem Rissabstand von 10-20 cm ein (siehe Abbildung 16). Abbildung 15: Last-Verformungsverhalten PK 1; Grafik: O. Steinbock Bei PK 2 handelt es sich um einen zu PK 1 analog bewehrten Probekörper, jedoch mit einlagiger Carbonbetonverstärkung an der Unterseite. Das Belastungsregime sah hier zunächst zwei statische Versuche mit anschließender zyklischer Belastung und abschließender Prüfung der Tragfähigkeit vor, siehe Abbildung 12. Für die bes- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 659 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton sere Anschaulichkeit werden lediglich die Verformungen in Feldmitte wiedergegeben (siehe Abbildung 17). Da der Prüfkörper gemäß Belastungsregime dreimal statisch belastet wurde, ist das Verformungsverhalten dieser drei Abschnitte dargestellt. Das Verformungsverhalten während des zyklischen Versuches wurde in einem separaten Diagramm dargestellt (siehe Abbildung 18). Abbildung 16: Rissbild an PK 1; Foto: O. Steinbock Da im zyklischen Abschnitt des Versuches keine nennenswerte bzw. erkennbare Zunahme (≤ 0,1 mm) der Verformung zu verzeichnen ist, konnten die Verformungsanteile der einzelnen Versuchsreihen addiert werden. Das Bauteil geht verbunden mit der Erstrissbildung analog PK 1 sehr schnell in den Zustand II über. Ein ähnliches Steifigkeitsverhältnis stellt sich bei der Zweitbelastung ein, wobei das Bauteil soweit belastet wurde, bis sich ein ausgeprägtes Rissbild (Rissweiten ≤ 0,2mm) einstellte. Somit wurde ein am Bauteil zu erwartender Risszustand eingeprägt, um einen realitätsnahen Zustand für die anschließende zyklische Prüfung zu erzeugen. Abbildung 17: Last-Verformungsverhalten PK 2 mit Erstbelastung - Zweitbelastung - zyklischer Lastwechsel - Traglastbestimmung; Grafik: O. Steinbock Ein feiner abgestuftes Rissbild zeigt sich nach erfolgter Bauteilprüfung mit größeren Rissweiten in Verbindung mit einem Rissabstand von 8-17 cm, siehe Abbildung 19. Ergänzt wird an dieser Stelle ein Kommentar zur Rissbildung in der Verstärkungsschicht. Hier zeigt sich ein noch feineres Rissbild (u. a. auf das Verbundverhalten des Textils zurückzuführen). Abbildung 18: Last-Verformungsverhalten PK 2 - zyklischer Versuchsabschnitt, Grafik: O. Steinbock Hinsichtlich des Last-Verformungs-Verhaltens zeigt sich im Anschluss an den zyklischen Versuch ein für Stahlbeton eher untypisches Verhalten, siehe Abbildung 17. Gegenüber den ersten beiden Belastungen zeigt sich ein merklich steiferes Bauteilverhalten. Vergleichbares wurde bereits in früheren zyklischen Versuchen, u. a. in [18] beobachtet, als Laststeigerungen bei zyklischen Versuchen verzeichnet wurden. Eine mögliche Begründung war hier, dass einen höheres Betonalter der verstärkten Träger gegenüber den Referenzträgern vorhanden war, jedoch wurden auch Gefügeverfestigungen durch die stetige Belastung nicht ausgeschlossen. Jüngste Untersuchungen von [19] bestätigen diesen versteifenden Effekt an kleinteiligen Dehnkörpern. In diesem Zusammenhang überrascht es nicht, dass die Durchbiegungen bei gleichem Lastniveau geringer sind als am Referenzbauteil. Dennoch zeigt sich ein hohes Verformungsvermögen des Bauteils, sodass durch die Verstärkungsmaßnahme die Rotationsfähigkeit des Querschnitts nur in geringem Maße beeinflusst wurde. Die beiden Haltezeiten bei ≈ 60 kN und 83 kN zeigen versuchsbedingt (weggesteuerter Versuch) einen geringen Abfall der Prüflast. Zusätzliche Verformungen oder Rissbildungen bei den Haltezeiten konnten nicht beobachtet werden. 660 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton Abbildung 19: Rissbild Pk 2 nach Versagen, Foto: O. Steinbock Da sich beim Einzelriss bzw. geringer Rissbildung, bedingt durch die unterschiedlichen Verbundeigenschaften unterschiedliche Einleitungslängen (l s bzw. l p ) ergeben, resultieren hieraus auch unterschiedliche Spannungen in den Bewehrungselementen. Das schlechtere Verbundverhalten von Glattstählen gegenüber üblichen Bewehrungsstählen mit gerippter Oberfläche ist nicht nur bedingt durch das einerseits ungünstigere Verhältnis von Stabdurchmesser zu Kontaktfläche (Glattstähle weisen i. d. R. größere Durchmesser auf, da die Festigkeiten geringer sind) sondern auch durch die Oberfläche. Während dies bei der Bemessung von Stahlbetontragwerken im Grenzzustand der Tragfähigkeit (abgeschlossenes Rissbild) vernachlässigbar ist, da die verbundbedingten Spannungsumlagerungen innerhalb des Querschnittes im ausgeprägten Zustand II (GZT) nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, sind diese bei Einzelrissen bzw. im ungerissenen Zustand I von besonderer Relevanz. Daher sind z.B. bei Ermüdungsnachweisen die unterschiedlichen Spannungen der Bewehrungselemente zu berücksichtigen um die tatsächliche Spannungsschwingbreite im jeweiligen Bewehrungselement zu erhalten. In EC 1992, siehe auch [20] wird dies über den Korrekturfaktor η berücksichtigt. Dieser basiert auf der Annahme, dass die Dehnungsverläufe von Beton- und Spannstahl affin zueinander sind, womit über den Verhältniswert der gemittelten Verbundfestigkeiten ξ = τ pm / τ sm die Spannungsumlagerungen unter Berücksichtigung der Lage im Querschnitt bei Biegebeanspruchung ausreichend genau bestimmt werden kann. Diese Analogie soll auch auf textilverstärkte Bauteile im Gebrauchszustand übertragen werden und ist Gegenstand der Arbeit von [16]. Unabhängig davon konnte die Effektivität der Verstärkung mit Carbonbeton auch bei glattem Betonstahl mit großen Durchmessern nachgewiesen werden. Insbesondere zeigte sich, dass bereits nach sieben Tagen sehr große Kräfte übertragen werden können. Die erreichten Spannungen im Carbongelege lagen im Bereich von 2107 N/ mm² bis 2139 N/ mm² für die glattstahlbewehrten Probekörper. Auf der sicheren Seite liegend wurde lediglich eine charakteristische Festigkeit am Bauteil von ≈ 2050 N/ mm² angesetzt, da der Versuchsumfang vergleichsweise gering war. Die Ergebnisse zeigten damit, dass die Brücke bereits nach sieben Tagen wieder für den Verkehr freigegeben werden könnte. Da die am Großbauteil erreichten Spannungen unterhalb der in kleinteiligen Versuchen ermittelten Zugfestigkeiten lagen, sind die am Großbauteil bestimmten Werte maßgebend. Unter Berücksichtigung von Abminderungs- und Sicherheitsfaktoren konnte eine Bemessungsspannung von ≈ 1460 N/ mm² im Carbongelege angesetzt werden. 6. Umsetzung am Bauwerk Die Ausführung sieht im Detail eine Verstärkungsmaßnahme mit drei Lagen Carbongelege in Längsrichtung und einer zusätzlichen Lage in Querrichtung vor, exemplarisch hierzu siehe Abbildung 20. Damit wird weiterhin die lastverteilende Wirkung der Platte sichergestellt. Die Ausführung erfolgt mit Matten in der Größe 5,0 m x 2,5 m. Diese Größe stellt eine gute Handbarkeit beim Einbau sicher. Die Oberflächenvorbereitung erfolgt im Sandstrahlverfahren. Die Applikation der Verstärkungsmaßnahme wird im Spritzdüsenverfahren „frisch in frisch“ hergestellt. Nach aktuellen Planungen werden die Verstärkungsarbeiten inklusive Nachbehandlung maximal 10 Tage in Anspruch nehmen. Im Anschluss wird die Tragfähigkeit des Tragwerks mittels einer Probebelastung überprüft und somit die höhere Brückenklasse experimentell belegt. Über die baubegleitenden zusätzlichen Versuche, die Erfahrungen aus der Umsetzung sowie die Probebelastung wird an anderer Stelle berichtet. Abbildung 20: Planauszug zu Bewehrungslage 1 - Stahlbetonplatte; Planerstellung: F. Papst (CBing) 7. Resümee und Danksagung Die Ausführungen zeigen das Potenzial von Verstärkungsmaßnahmen mit Carbonbeton in Hinblick auf die Erhaltung des Brückenbestandes in Deutschland. Die Carbonbetonbauweise könnte sich hier als wirtschaftliche Instandsetzungs- und Verstärkungsmaßnahme sowie minimalinvasive Methode gegenüber anderen baulichen Maßnahmen durchsetzen. An dieser Stelle möchten wir zum einem dem Fördermittelgeber Projektträger Jülich für die finanzielle Unterstützung des Vorhabens, zum anderen einigen Kollegen danken. Seitens des Instituts für Massivbau gilt besonde- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 661 Ertüchtigung einer Stahlbetonplattenbrücke mit Carbonbeton rer Dank Elisabeth Schütze und Juliane Wagner für die Bereitstellung von Unterlagen, seitens des Büros CBing an Ferdinand Papst und Alexander Peter für die zeichnerisch konstruktive Umsetzung der Verstärkungsmaßnahme. Zudem sei Herrn Niclas Oette bei der Zusammenstellung von Versuchsergebnissen im Rahmen seiner Diplomarbeit gedankt. Literatur [1] Deutsches Institut für Urbanistik GmbH (Hrsg.): Ersatzneubau Kommunale Straßenbrücken. Endbericht. Online unter: https: / / www.bauindustrie.de/ media/ documents/ Studie_Ersatzneubau-Bruecken. pdf, geprüft am 17.6.2019 [2] Homepage der Bundesanstalt für Straßenbau (BASt) - Brückenstatistik 2019: https: / / www.bast. de/ BASt_2017/ DE/ Statistik/ Bruecken/ Brueckenstatistik.pdf? __blob=publicationFile&v=11, geprüft am 17.06.2019 [3] Naumann, J.: Brückenertüchtigung jetzt - Ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Mobilität auf Bundesfernstraßen. In: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. (Hrsg.): Studie im Auftrag von Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.; Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.; Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V.. Berlin: 2011. [4] Schnellenbach-Held, M.; Peeters, M.; Scherbaum, F.: Sachstand Verstärkungsverfahren - Verstärken von Betonbrücken im Bestand. In: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen BASt (Hrsg.): Brücken und Ingenieurbau Heft B 75. Gladbach. 2010. [5] Schnellenbach-Held, M.; Welsch, T.; Fickler, F.; Hegger, J.; Reißen, K.: Verstärkungen älterer Beton- und Spannbetonbrücken. In: Bundesanstalt für Straßenwesen BASt bzw. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.): Erfahrungssammlung - Dokumentation 2016. 2016. [6] Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z.31.10- 182. Verfahren zur Verstärkung von Stahlbeton mit TUDALIT (Textilbewehrter Beton). Deutsches Institut für Bautechnik. Geltungsdauer: 01.06.2015 bis 01.06.2016. bzw. Verlängerung: 01.12.2016 bis 01.06.2021. Berlin. [7] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie). Ausgabe 2011-05. [8] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.): Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie). Ausgabe 05/ 2011. 1. Ergänzung. 2015-04 [9] DIN EN 206-1; Beton-Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität. Ausgabe 2001-07. Deutsche Fassung [10] Curbach, M.; Lorenz, E.; Schütze, E.; Schladitz, F.; Weiland, S.: Gesamtbericht der experimentellen Untersuchungen zur allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für ein Verfahren zur Verstärkung von Stahlbeton mit TUDALIT® (Textilbewehrter Beton), Dresden: 2014, unveröffentlicht, dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) vorliegend. [11] Beckmann, B; Frenzel, M.; Lorenz, E.; Schladitz, F.; Rempel, S.: Biegetragverhalten von textilbetonverstärkten Platten. Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015) Spezial, S. 47-53. [12] Homepage C 3 -Carbon Concrete Composites. https: / / www.bauen-neu-denken.de/ , geprüft am 24.07.2020 [13] Schütze, E.: Prüfmethoden für die Charakterisierung von Carbonbeton. Dissertation in Vorbereitung: Institut für Massivbau der TU Dresden. Dresden. [14] Häußler-Combe, U.; Weselek, J.: Ermittlung von Teilsicherheitsbeiwerten bei Carbonbeton. Beton- und Stahlbetonbau. 115 (2020) 3, S. 209-217. [15] Curbach, M; Schladitz, F.; Weselek, J.; Zobel, R: Eine Vision wird Realität. Der Betonbau der Zukunft ist nachhaltig, leicht, flexibel und formbar - dank Carbon. Der Prüfingenieur 51 (2017) 11, S. 20-35. [16] Steinbock, O.: Verstärkung von Stahl- und Spannbetonbrücken unter der Verwendung von Carbonbeton. Dissertation in Vorbereitung: Institut für Massivbau der TU Dresden. Dresden. [17] Verstärken mit Textilbeton nach abZ Z-31.10-182: TUDALIT (Hrsg.): Ein Leitfaden für planende Architekten und Ingenieure, für Ausführungsunternehmen und für Bauherren. Dresden. 2016. [18] Curbach, M; Wellner, S.; Ortlepp, R.; Scheerer, S. Curbach, M.: Plattenbalken mit Querkraftverstärkung aus Textilbeton unter nicht vorwiegend ruhender Belastung. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013) 3, S. 169-178. [19] Wagner, J.; Zum Tragverhalten von Carbonbeton unter zyklischer Beanspruchung. Dissertation in Vorbereitung: Institut für Massivbau der TU Dresden. Dresden. [20] Handbuch Eurocode 2 Betonbau - Bemessung und Konstruktion von Betonbrücken (basierend auf DIN EN 1992-2 und Nationaler Anhang CI zu 3.3.7)