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Brückenkolloquium
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Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme

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Gregor Gebert
Über die Verbreiterung der 3,8 km langen Hochstraße Elbmarsch in Hamburg wurde bereits auf dem 2. Brückenkolloquium 2016 berichtet. In Vorbereitung auf die vorgesehene Verbreiterung erfolgten umfangreiche Bauwerksuntersuchungen. Von besonderer Bedeutung war dabei die vorgezogene Verbreiterung eines 100 m langen Abschnitts der Hochstraße als Pilotmaßnahme. Diese Maßnahme ist inzwischen abgeschlossen und es konnten wertvolle Erkenntnisse für die Ausführung der Gesamtmaßnahme gewonnen werden. Dies betrifft die Gründung in Bezug auf die Vermeidung von Mitnahmesetzungen und die Wirtschaftlichkeit, den Abbruch der Gesimskappe bei Erhalt der Anschlussbewehrung, das Einbringen von nachträglichen Bewehrungsanschlüssen in die bestehende Kragplatte der Fahrbahn, das Anbetonieren der neuen Verbundplatte an den Bestand und den Einbau der Querspannglieder mit Kopplung an die bestehenden Stabspannglieder. Im Zuge der Pilotmaßnahme erfolgten auch Untersuchungen zum Einfluss des Verkehrs auf die Betonage der Fahrbahnplatte sowie zum Austausch der Lager.
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4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 673 Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme Dipl.-Ing. Gregor Gebert DEGES GmbH, Berlin Zusammenfassung Über die Verbreiterung der 3,8 km langen Hochstraße Elbmarsch in Hamburg wurde bereits auf dem 2. Brückenkolloquium 2016 berichtet. In Vorbereitung auf die vorgesehene Verbreiterung erfolgten umfangreiche Bauwerksuntersuchungen. Von besonderer Bedeutung war dabei die vorgezogene Verbreiterung eines 100 m langen Abschnitts der Hochstraße als Pilotmaßnahme. Diese Maßnahme ist inzwischen abgeschlossen und es konnten wertvolle Erkenntnisse für die Ausführung der Gesamtmaßnahme gewonnen werden. Dies betrifft die Gründung in Bezug auf die Vermeidung von Mitnahmesetzungen und die Wirtschaftlichkeit, den Abbruch der Gesimskappe bei Erhalt der Anschlussbewehrung, das Einbringen von nachträglichen Bewehrungsanschlüssen in die bestehende Kragplatte der Fahrbahn, das Anbetonieren der neuen Verbundplatte an den Bestand und den Einbau der Querspannglieder mit Kopplung an die bestehenden Stabspannglieder. Im Zuge der Pilotmaßnahme erfolgten auch Untersuchungen zum Einfluss des Verkehrs auf die Betonage der Fahrbahnplatte sowie zum Austausch der Lager. 1. Einleitung Die Hochstraße Elbmarsch befindet sich südlich des Elbtunnels im Gebiet des Hamburger Hafens und umfasst mit der Anschlussstelle Hamburg-Waltershof die wichtige Verknüpfung zur Köhlbrandbrücke (Abb. 1). Das Bauwerk wird im Zuge der 8-streifigen Erweiterung der A7 um je einen und damit auf vier Fahrstreifen pro Richtung verbreitert. Die Gesamtbreite der Überbauten vergrößert sich von 17,75 auf 22,35 m. Bemerkenswert ist, dass dieses Szenario bereits bei der Herstellung des originären Bauwerks berücksichtigt wurde. Aufgrund des vorgehaltenen Raums zwischen beiden Überbauten kann die Verbreiterung nach innen, ohne zusätzlichen Grunderwerb erfolgen. Des Weiteren wurden die konstruktiven Voraussetzungen für die Verbreiterung geschaffen. Abb. 1: Hochstraße Elbmarsch mit AS HH-Waltershof 2. Das Bestandsbauwerk Das Spannbeton-Bauwerk besteht aus insgesamt 109 Feldern, die Breite der Überbauten beträgt jeweils 17,75 m. Zwischen beiden Überbauten besteht eine 10,5 m breite Lücke (Abb. 2). Die Regelstützweite beträgt zwischen ca. 32 und 35 m. Das Längssystem besteht aus einer Kette von Einfeldträgern. Jeweils drei Felder sind über Federplatten gekoppelt, so dass sich in Längsrichtung jeweils ca. 100 m lange Abschnitte ergeben, die zusammenwirken. Zwischen diesen Abschnitten sind mehrschlaufige Fahrbahnübergangskonstruktionen angeordnet. Abb. 2: Bestandsbauwerk mit „Lücke“ 674 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme Bei den Überbauten handelt es sich um 4-stegige Plattenbalken (Abb. 3). Die vorgespannten Hauptträger wurden in einer Feldfabrik gefertigt und mit einem Verlegegerät montiert. Danach erfolgte die Ergänzung der Querträger und der Fahrbahnplatte mit anschließender Quervorspannung. Die Unterbauten bestehen jeweils aus drei Einzelstützen in Verlängerung der mit Großbohrpfählen ausgeführten Tiefgründung. Im Auflagerbereich sind die Stützen durch einen Kopfbalken verbunden. Neben der beschriebenen Regelbauweise gibt es noch Sonderbereiche wie z.B. den Bereich der AS Waltershof mit verbreitertem Querschnitt zur Aufnahme zusätzlicher Fahrstreifen für die Aus- und Einfahrten. 3. Durchgeführte Voruntersuchungen Der Bauwerkszustand wurde im Vorfeld sorgfältig untersucht. Hierzu gehörten die Auswertung der Bauwerksprüfungen, Materialuntersuchungen, die Nachrechnung aller Teilbauwerke sowie die Beurteilung der Restnutzungsdauer. Die Untersuchungen ergaben, dass sich das Bauwerk entsprechend der Nutzungsdauer von 45 Jahren in einem insgesamt guten Zustand befindet und dass die vorhandenen Schäden durch Instandsetzungsmaßnahmen behoben werden können bzw. unkritisch sind für die weitere Nutzung. Die Nachrechnung gemäß Stufe 1 der Nachrechnungsrichtlinie erbrachte den Nachweis für das angestrebte Ziellastniveau Lastmodell LM1 gemäß DIN-Fachbericht. Dies ist für ein Bauwerk aus den 70er Jahren bemerkenswert, da seinerzeit die Bemessung für die geringeren Lasten der Brückenklasse 60 erfolgte. Die Berechnungen zur Restnutzungsdauer ergaben, dass die angestrebte Nutzung bis 2045 mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Durch die weitere Nutzung ergeben sich zunächst einmal deutlich niedrigere Kosten gegenüber einem Neubau. Ein weiterer, wesentlicher Aspekt ist, dass die verkehrlichen Auswirkungen in der Bauphase deutlich geringer sind, da das vorhandene Bauwerk weiter für die Verkehrsführung zu Verfügung steht. 4. Die Verbreiterung Der bestehende Überbau wird durch eine Stahlverbundkonstruktion (Abb. 3, 4) ergänzt. Abb. 3: Regelquerschnitt des verbreiterten Überbaus Ausschlaggebend für die Wahl einer Verbundkonstruktion waren die Gewichtsreduzierung in Bezug auf die rechnerisch sehr hoch ausgenutzten Bestandsgründungen sowie die im Vergleich zu einer Spannbetonlösung geringeren Zwangskräften infolge Schwinden und Kriechen in der Längsfuge zum Bestand. Die Stahlverbundkonstruktion wird über die Fahrbahnplatte monolithisch mit dem Bestand verbunden (Abb. 6). Abb. 4: Verbundquerschnitt der Verbreiterung (VFT- Träger) mit Anschluss an den Bestand Für die Kopplung des Neubauteils mit dem Bestand wird die vorhandene Quervorspannung in der bestehenden Fahrbahnplatte genutzt (Abb. 5). Bei der Errichtung des originären Bauwerks war diese Möglichkeit im Hinblick auf eine zukünftige Verbreiterung bereits berücksichtigt worden. Die im Abstand von 50 cm verlegten Einstabspanngliedern verfügen daher über ein Endgewinde, an welches der Verbreiterungsteil angekoppelt werden kann. Die durchgeführten Materialuntersuchungen hatten gezeigt, dass diese Gewinde noch immer funktionstüchtig sind. Die statischen Berechnungen haben zudem ergeben, dass nur jedes dritte Spannglied gekoppelt werden muss. Über die Kopplung der Querspannglieder hinaus ist der Einbau von zusätzlicher, schlaffer Bewehrung erforderlich, die über nachträgliche Bewehrungsanschlüsse realisiert werden müssen. Des Weiteren sind die Bügel der vorhandenen Kappenbewehrung beim Abbruch des Gesimses zu erhalten (Abb. 5). Abb. 5: Ausbildung der Fuge zwischen Bestand und Verbreiterung 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 675 Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme Zur Reduzierung der Zwangsbeanspruchungen aus Kriechen und Schwinden sowie aus Differenzsetzungen wird zwischen Neubau und Bestand zunächst eine 50 cm breite Längsfuge offengelassen, die erst nach dem Aufbringen der Ortbetonergänzung und einer 3-monatigen Ballastierung des Neubauteils mit Big-Packs ausbetoniert wird. Im Hinblick auf folgende Besonderheiten wurde für die Anschlussfuge eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erteilt: - Einsatz von Verbunddübeln (nachträgliche Bewehrungsanschlüsse) für nicht ruhende Einwirkungen - Kopplung der Quervorspannung der Fahrbahnplatte mit Spezialanfertigung einer Reduziermuffe (Übergang Stabspannglied Bestand D = 26 mm auf Stabspannglied Verbreiterung D = 26,5 mm) - Quervorspannung der Fahrbahnplatte mit Spanngliedern mit nachträglichem Verbund. 5. Die Pilotmaßnahme 5.1 Veranlassung Das Bauen im Bestand und insbesondere die Weiternutzung vorhandener Bauteile birgt stets erhebliche Risiken. Die Kopplung von alten und neuen Überbauten stellt darüber hinaus besondere Anforderungen bzgl. der Setzungs- und Verformungsverträglichkeit. Aufgrund der erheblichen Dimension der Gesamtmaßnahme, die Verbreiterung erfolgt auf 2 x 3,8 km Länge, waren daher besondere Überlegungen erforderlich, um diese Risiken zu minimieren. Ein ca. 100 m langes Teilstück der Verbreiterung wurde daher in den Achsen 9 - 12 als Pilotmaßnahme vorab realisiert (Abb. 6). Abb. 6: Lage der Pilotmaßnahme Mit der Pilotmaßnahme wurden wesentliche Erkenntnisse gewonnen, die Grundlage für die Ausschreibung der Gesamtmaßnahme waren. Für die besonderen Herausforderungen wurden spezifische Lösungen gefunden, die nun als erprobte Bauweise zur Verfügung stehen. 5.2 Gewonnene Erkenntnisse Gründung Analog zum Bestand wird auch der Ergänzungsteil tiefgegründet, wobei strenge Anforderungen bzgl. der zulässigen Setzungen gestellt wurden. Für den Endzustand war die Setzungsdifferenz zwischen Bestand und Neubau auf 5 mm zu begrenzen. Des Weiteren waren die Mitnahmesetzungen für die Bestandsgründungen während der Pfahlherstellung auf 10 mm begrenzt. Im Zuge der Pilotmaßnahme wurden zwei verschiedene Pfahltypen ausgeführt: In den Achsen 9 und 10 Ortbetonrammpfähle (Franki-Pfahl) und in den Achsen 11 und 12 Vollverdrängungsbohrpfähle. Für beide Pfahltypen wurden Pfahlprobebelastungen an Probepfählen durchgeführt. Bei der Ausführung hat sich gezeigt, dass Ortbetonrammpfähle ungeeignet sind, da diese zu größeren Mitnahmesetzungen am Bestand führten. Für die gesamte Verbreiterung werden daher ausschließlich Vollverdrängungsbohrpfähle vorgesehen. Im oberen Bereich stehen auf einer Tiefe von ca. 7 - 8 m Torfe und Kleie an. Die Ausführung der Vollverdrängungsbohrpfähle war daher zunächst mit einem Hülsenrohr vorgesehen. Die Hülsenrohre führen, bezogen auf die Gesamtmaßnahme, zu Mehrkosten von ca. 7 Mio. €. Es wurde daher untersucht, ob auch ohne Hülsenrohr eine qualitativ einwandfreie Pfahlausführung möglich ist. Dazu wurde ein weiterer Probepfahl ohne Hülsenrohr hergestellt, der dann vollständig freigelegt und geborgen wurde (s. Abb. 7). Das positive Ergebnis bestätigte die Erwartungen, so dass für die Gesamtmaßnahme auf Hülsenrohre verzichtet werden kann. Abb. 7: Freigelegter Vollverdrängungsbohrpfahl Abbruch Gesimskappe Für den Anschluss der neuen Verbundplatte an den Bestand waren die vorhandene Kappenanschlussbewehrung und insbesondere die Kopplungen für die Quervorspannung schadlos zu erhalten. Der Abbruch der Gesimskappe musste daher mit großer Sorgfalt durchgeführt werden. Bewährt hat sich schließlich der Abtrag mittels Hochdruckwasserstrahlen unter Einsatz eines Strahlroboters (Abb. 8, 9). Der Arbeitsfortschritt betrug hier ca. 16 - 18 m / Tag. 676 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme Abb. 8: Abbruch durch HDW unter Einsatz eines Strahlroboters Abb. 9: Freigelegte Bewehrung und aufgeraute Fuge Herstellen der nachträglichen Bewehrungsanschlüsse Über die Kopplung der Querspannglieder und die zu erhaltende Kappenbewehrung hinaus ist der Einbau weiterer Bewehrung erforderlich, die als nachträgliche Bewehrungsanschlüsse in der bestehenden Fahrbahnplatte zu verankern sind. Ursprünglich war vorgesehen, diese Bewehrungsanschlüsse mit dem Hammerbohrverfahren auszuführen. Als Problem stellte sich hier jedoch dar, dass die Bohrungen aufgrund der ungenau eingebauten Längsbewehrung im Bestand nicht im vorgesehenen Lochraster realisiert werden konnte. Damit ergaben sich teilweise erhebliche Abweichungen zu den der Statik zugrundeliegenden Annahmen. Das Bohrverfahren wurde daher auf ein Kernbohrverfahren umgestellt. Damit war es möglich, die im Weg befindliche Bewehrung - die mit dem Wegfall der Bestandsbrüstung ihr statisches Erfordernis verliert - zu durchbohren. Hiermit konnte ein der Statik entsprechendes, sauberes Lochraster realisiert werden (Abb. 10, 11). Die erteilte ZiE „Fuge“ war entsprechend anzupassen. Abb. 10: Ausführung der Bohrungen für die nachträglichen Bewehrungsanschlüsse Abb. 11: Sauberes Lochbild mit dem Kernbohrverfahren Einbau der Querspannglieder und der Bewehrung, Toleranzen und Höhenausgleich Für die Pilotmaßnahme war die Ausführung mit VFT-Trägern vorgesehen worden, aufgrund der Vorteile in Bezug auf eine serienmäßige Vorfertigung, den Verzicht auf eine Schalung vor Ort und damit eine insgesamt kürzere Bauzeit. Bei der Ausführung hat sich jedoch gezeigt, dass die Lage des Bestandes, maßgebend hier der Höhenverlauf der Außenkante, teilweise erheblich vom Sollzustand abweicht. Diese Abweichungen, die bis zu 9 cm betrugen, konnten nur teilweise durch eine Lagekorrektur der VFT-Träger und Höhenausglich der Ortbetonergänzung ausgeglichen werden. Dies hat den Einbau der Bewehrung und der Spannglieder teilweise erheblich erschwert (Abb. 12, 13). Die zusätzliche Last aus der Ortbetonergänzung erforderte auch eine entsprechendes Nachführen der Statischen Berechnung. Ein weiterer Punkt war, dass die vorhandenen Spanngliedkopplungen nicht exakt in der vorgesehenen Neigung eingebaut lagen, wodurch das Koppeln und Verlegen der neuen Spannglieder zu- 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 677 Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme sätzlich erschwert wurde. Hierbei hat sich die Ausführung als VFT-Träger mit dem bereits aufbetonierte Teil der Verbundplatte als hinderlich erwiesen, da damit der Spielraum für eine höhenmäßige Anpassung der neuen Verbundplatte erheblich eingeschränkt wird und sich damit eine Begrenzung der Toleranzen ergibt, die baupraktisch nur schwer zu realisieren ist. Als Erkenntnis aus der Pilotmaßnahme wurde daher formuliert, dass die Verbundplatte für die Gesamtmaßnahme in Ortbetonbauweise zu erfolgen hat. Dies erfordert zwar das Einschalen der Verbundplatte vor Ort, dafür ist jedoch eine deutlich bessere Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten möglich. Zudem reduzieren sich die Gewichte für das Einheben der Träger deutlich. Abb. 12: Kopplung der Querspannglieder (links Neubau / Rechts Bestand) Abb. 13: Vollständig verlegte Bewehrung Betonerhärtung unter Verkehr Beim Betonieren unter Verkehr stellt sich grundsätzlich die Frage, inwieweit die dabei induzierten Schwingungen die Erhärtung des Betons negativ beeinflussen. Da diese Schwingungen auf dem Bestandsüberbau bereits physisch deutlich spürbar sind, stellte sich die Frage, ob für die Betonage der Verbreiterung Verkehrseinschränkungen auf der A7 notwendig sein würden. Neben den Auswirkungen der Erschütterung auf die Festigkeit des jungen Betons wurden auch die möglichen Relativbewegungen im Bereich der Fuge zwischen Verbreiterung und Bestand als kritisch eingeschätzt. Von Interesse war auch, ob sich eine ausreichende Verbundfestigkeit entlang der einzubetonierenden und unter Schwingung stehenden Bewehrungseisen ausbilden würde. Dazu wurden am Bauwerk umfangreiche Versuche durchgeführt (s. Abb. 14). Es konnte gezeigt werden, dass die auftretenden, verkehrsinduzierten Erschütterungen und Relativverformungen beider Fugenränder keinerlei negativen Einfluss auf die Festigkeitsentwicklung des Betons haben. Die im Erhärtungszeitraum gemessenen maximale Schwinggeschwindigkeiten überstiegen nicht den in der Literatur genannten Grenzwert von v max = 20 mm/ s. Eine unzulässige Rissbildung infolge der Erschütterungen bzw. Relativbewegungen konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Abb. 14: Versuchskonzept Auf Verkehrseinschränkungen auf der A7 kann somit während der Betonierarbeiten entlang der 3,8 km langen Hochstraße verzichtet werden. Der damit verbundene volkswirtschaftliche Nutzen durch Stauvermeidung und Bauzeitverkürzung ist erheblich. Hierzu ist ein Fachaufsatz in Vorbereitung, der in Kürze in der Zeitschrift „Beton- und Stahlbetonbau“ erscheinen wird. Austausch der Lager Im Rahmen der Verbreiterung der K20 ist auch der Austausch der über 2000 Lager des Bestandsbauwerks vorgesehen. Bei den Lagern handelt es sich überwiegend um Elastomerlager bzw. Elastomergleitlager. Um hier Erfahrungen zu gewinnen, erfolgte mit der Pilotmaßnahme auch der Austausch der Lager am betreffenden Teil des Bestandsbauwerks. Zum einen ging es um die Frage, wie der Austausch der Lager im Detail funktioniert (Einsatz der Hilfskonstruktionen, Erneuerung Lagersockel etc.). Ein wesentlicher Aspekt war aber die Frage, wie der Zustand der äußerlich in einem guten Zustand befindlichen Lager generell zu beurteilen ist oder anders gefragt: Ist tatsächlich der Austausch aller 2000 Brückenlager erforderlich? Hierfür wurden einige der ausgebauten Lager gewonnen und bzgl. ihrer mechanischen und chemischen Eigenschaften untersucht. Im Er- 678 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg, Erkenntnisse aus der Pilotmaßnahme gebnis konnte festgestellt werden, dass die Verformungseigenschaften der Elastomere im Rahmen der Normwerte für neue Lager liegen. Mit dieser Erkenntnis war es möglich, den Umfang der auszutauschenden Lager für die Gesamtmaßnahme erheblich zu reduzieren, was bei der Gesamtzahl von über 2000 Lagern zu einer erheblichen Kosteneinsparung führt (s. auch Beitrag im Tagungsband „Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit“). 6. Fazit Die Hochstraße Elbmarsch ist schon aufgrund ihrer Länge ein herausragendes Fallbeispiel für den Umgang mit dem Bestand und den Erhalt vorhandener Bausubstanz. Die Komplexität der Aufgabe wird durch die Verknüpfung mit der Verbreiterung des Bauwerks nochmals erhöht. Die Vergabe für die Verbreiterung ist im Frühjahr 2020 erfolgt und die Maßnahme befindet sich in der Bauausführung. Mit der Pilotmaßnahme wurden wesentliche Erkenntnisse gewonnen, die in die Ausschreibung der Gesamtmaßnahme eingebracht wurden. Für die spezifischen Herausforderungen wurden praktikable Lösungen gefunden, die nun im größeren Maßstab als erprobte Bauweise umgesetzt werden. Ingenieurtechnische Innovation ist heute beim Bauen mit dem Bestand im Regelfall mehr gefordert, als beim Neubau. Während für den Neubau das aktuelle technische Regelwerk anzuwenden ist, entstehen beim Bauen im Bestand spezifische Fragestellungen, die durch das Regelwerk nicht ausreichend bzw. nicht zufriedenstellend geklärt sind. Dies führt zu erhöhten Ausführungs- und Genehmigungsrisiken. Mit der Pilotmaßnahme wurde ein Weg aufgezeigt, wie mit solchen Risiken präventiv umgegangen werden kann. Projektlegende Bauherr : Bundesrepublik Deutschland Auftragsverwaltung : Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Behörde für Verkehr, Wirtschaft und Innovation Projektdurchführung : DEGES GmbH Bauwerksentwurf : Ingenieurgemeinschaft K20 (Grassl/ Schüßler-Plan/ BUNG) Standort : Hamburg Fotonachweis: alle Abb. Quelle DEGES außer Foto 1 (Quelle LSBG Hamburg)