Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
91
2020
41
Austausch von 2000 Lagern – Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit
91
2020
Tobias Block
Mit einer Länge von 3,8 km ist die Hochstraße Elbmarsch (K20) immer noch Deutschlands längste Straßenbrücke. 45 Jahre nach ihrer Fertigstellung werden am Bauwerk nun umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen. Alleine aufgrund ihrer Anzahl spielen dabei die verbauten Elastomerlager eine wesentliche Rolle. Der Bericht beschreibt das experimentelle und analytische mehrstufige Vorgehen zur Beurteilung dieser Bauteile, das dazu geführt hat, das der größte
Teil der Brückenlager für eine weitere Nutzung im Bauwerk verbleiben kann.
kbr410685
4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 685 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit Dr.-Ing. Tobias Block ISB Block und Becker Beratende Ingenieure PartGmbB Bochum Zusammenfassung Mit einer Länge von 3,8 km ist die Hochstraße Elbmarsch (K20) immer noch Deutschlands längste Straßenbrücke. 45 Jahre nach ihrer Fertigstellung werden am Bauwerk nun umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen. Alleine aufgrund ihrer Anzahl spielen dabei die verbauten Elastomerlager eine wesentliche Rolle. Der Bericht beschreibt das experimentelle und analytische mehrstufige Vorgehen zur Beurteilung dieser Bauteile, das dazu geführt hat, das der größte Teil der Brückenlager für eine weitere Nutzung im Bauwerk verbleiben kann. 1. Experimentelle Untersuchungen im Rahmen der Pilotmaßnahme 1.1 Einleitung Um eine Einschätzung über den Einfluss der Alterung und die Leistungsfähigkeit der Bestandslager vornehmen zu können, sind im Rahmen einer Pilotmaßnahme Elastomerlager aus dem Brückenbauwerk in den Achsen 10 bis 12 des Bauwerkes K20 an der Autobahn 7 entnommen worden. Im Zuge der Erstellung eines Lageraustauschkonzeptes erfolgte eine Bestandsaufnahme aller Lager, die sich im Bauwerk K20 befinden [1]. Insgesamt sind 2020 Lager verbaut worden. Den größten Anteil davon machen 1100 Elastomerlager ohne Gleitteil (54 %) und 840 Elastomerlager mit Gleitteil (42 %) aus. Die in diesem Beitrag beschriebenen Untersuchungen konzentrieren sich daher auf diese beiden Lagertypen, die beispielhaft in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt sind. Abbildung 1 Typ 3, Elastomerlager ohne Gleitteil (allseitig beweglich) Abbildung 2 Typ 1, Elastomerlager mit Gleitteil (allseitig beweglich) Um eine Aussage über den gealterten Zustand der Lager treffen zu können, ist ein Versuchsprogramm entwickelt worden, das das Verhalten der Lager in unterschiedlichen Belastungssituationen experimentell abbildet. Korres- 686 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit pondierend dazu wurden visuelle Kontrollen und Materialuntersuchungen durchgeführt [8]: 1. Statische Druckversuche nach DIN EN 1337-3 • Beurteilung der vertikalen Tragfähigkeit • Ermittlung von Schädigungen • Bestimmung des Drucksekantenmoduls 2. Statische Schubversuche nach DIN EN 1337-3 • Beurteilung der horizontalen Verformbarkeit • Ermittlung von Schädigungen • Bestimmung des Schermoduls 3. Gleitreibungsprüfungen nach DIN EN 1337-2 • Beurteilung der Funktion von Gleitteilen • Bestimmung von Reibungszahlen 4. Bestimmung der Shore-Härte (Shore A) • Bestimmung der oberflächennahen Werkstoffhärte 5. Thermogravimetrische Analyse (TGA) • Bestimmung von Massenanteilen verschiedener Bestandteile des Elastomers 6. Wasserstrahlschneiden • Verifizierung des Schichtaufbaus und der Schichtdicken • Ermittlung von eventuell vorliegenden Schädigungen Tabelle 1 fasst die durchgeführten Untersuchungen in Abhängigkeit der Lagertypen zusammen. Tabelle 1 Übersicht über die experimentellen Untersuchungen 1.2 Statische Druckversuche nach DIN EN 1337-3 Im Rahmen von statischen Druckversuchen nach DIN EN 1337-3 [3] wurde das Druckstauchungsverhalten der Lagertypen 1 und 3 anhand von jeweils fünf ausgebauten Lagern untersucht. Die Versuchsdurchführung nach [3] sieht zwei vollständige Be- und Entlastungszyklen sowie eine anschließende stufenförmige Belastung mit fünf Stufen vor (20%, 40%, 60%, 80% und 100% der maximalen Last). Bei jedem Schritt muss die Last für mindestens 2 min konstant gehalten werden. Als maximale Prüflast wurde die maximale Designlast der Auflagerkräfte in Höhe von 3.400 kN für alle Lagertypen angesetzt. Dadurch ergab sich eine maximale Druckspannung von 20,1 N/ mm 2 für den Lagertyp 3 (ohne Gleitteil) und 20,5 N/ mm 2 für den Lagertyp 1 (mit Gleitteil). Aus den ermittelten Versuchsdaten lassen sich die Drucksekantenmodule E CS berechnen, die in Abbildung 3 aufgeführt sind. Die Lager zeigten bei maximaler Last ein gleichmäßiges Ausbauchen der Elastomerschichten in den Randbereichen, was für einen guten Haftverbund nahe der Oberfläche spricht. Bei zwei der untersuchten Lager vom Typ 1 konnten radial umlaufende, oberflächennahe Risse mit Rissweiten zwischen 0,1 und 0,5 mm festgestellt werden. Diese führten jedoch nicht zu einem Abfall oder einem Abknicken in der Last-Verformungskurve. Abbildung 3 Drucksekantenmodule nach DIN EN 1337-3 1.3 Statische Schubversuche nach DIN EN 1337-3 In statischen Schubversuchen nach DIN EN 1337-3 [3] wurden die Schermodule an fünf Elastomerlagern ohne Gleitteil (Typ 3) bestimmt. Die Versuchsdurchführung sieht zwei Schubverformungszyklen bei einer gleichzeitig wirkenden Druckspannung von 6 N/ mm 2 vor. Die Höhe der Schubverformung sollte zwischen 0,7 und 1,0 der durchschnittlichen Ausgangsdicke aller bei Schub wirkenden Elastomerschichten (T q ) betragen und wurde im vorliegenden Fall zu 0,825 ( ≙ 33 mm Schubverformung) festgelegt. Die experimentell ermittelten Schermodule konnten anschließend zu 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 687 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit mit t s2 Scherspannung bei 0,58 T q t s1 Scherspannung bei 0,27 T q e q2 Scherbeanspruchung bei 0,58 T q e q1 Scherbeanspruchung bei 0,27 T q berechnet werden. Abbildung 4 zeigt die ermittelten Schermodule für den Lagertyp 3 in Abhängigkeit der einzelnen Belastungsäste. Abbildung 4 Schermodule nach DIN EN 1337-3 Die Lager zeigten während der gesamten Versuchsdurchführung eine gleichmäßige Aufnahme der Scherspannung, welche typischerweise einen S-förmigen Charakter hat. Während der Versuche konnten keine augenscheinlich wahrnehmbaren Schädigungen der Lager beobachtet werden. 1.4 Gleitreibungsprüfungen An den Elastomerlagern mit Gleitteil (Typ 1) sind Gleitreibungsprüfungen in Anlehnung an DIN EN 1337-2 [2] durchgeführt worden. Durch diese Untersuchungen konnten Gleitreibungskoeffizienten (Haft- und Gleitreibung) bei unterschiedlichen Pressungen in Abhängigkeit von der Versuchsgeschwindigkeit ermittelt werden. Die Versuchsdurchführung erfolgte dabei mit nicht gereinigten Gleitteilen, um eine realistische Aussage über das Verhalten im Bestand treffen zu können. Bei dieser Vorgehensweise konnte jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Prüfergebnisse durch die zusätzliche Verschmutzung der Gleitflächen während des Ausbaus beeinflusst wurden. Die Gleitreibungsuntersuchungen wurden auf zwei unterschiedlichen Lastniveaus (während des Versuches wirkende vertikale Auflast) durchgeführt, da die Reibungskoeffizienten der vorliegenden Werkstoffkombinationen von diesem Parameter abhängig sind. Als minimale vertikale Auflast wurde die minimale Designlast der Auflagerkräfte in Höhe von 831 kN angesetzt. Dadurch ergibt sich in der Gleitebene eine Druckspannung von 7,7 N/ mm 2 . Das zweite Lastniveau ergab sich aus der maximalen Kapazität des Versuchsstandes und wurde zu 2.800 kN ( ≙ 26 N/ mm 2 ) festgelegt. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Versuchsparameter zeigt Tabelle 2. Anhand der ermittelten Daten können die Haftreibungs- und Gleitreibungskoeffizienten unter Berücksichtigung des Einflusses der Reibung aus dem Gegenlager wie folgt bestimmt werden: Abbildung 15 fasst die Ergebnisse der Reibungskoeffizienten in Abhängigkeit der Versuchsparameter zusammen. Tabelle 2 Versuchsparameter der Gleitreibungs-prüfungen Abbildung 5 Reibungskoeffizienten nach DIN EN 1337-2 Eine Schädigung einzelner Bauteile der Lager war während und nach der Versuchsdurchführung nicht zu beobachten. Die Reinigung der verwendeten PTFE-Platten hat ergeben, das lediglich in den Schmiertaschen der Randbereiche leichte Abnutzungserscheinungen zu beobachten waren. 688 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit 1.5 Auftrennen der Lager Nach Durchführung der mechanischen Prüfungen sind einzelne Lager beider Typen mittels Wasserstrahlschnitt aufgetrennt worden, um den Schichtaufbau sowie die vorhandenen Schichtdicken zu ermitteln. Diese geometrischen Größen waren zur Ermittlung der in den Abschnitten 1.1 und 1.2 dargestellten mechanischen Kennwerte (Drucksekantenmodule, Schermodule) notwendig. Weiterhin ergab sich durch diese Vorgehensweise die Möglichkeit zur Entnahme und Untersuchung von Materialproben aus dem Inneren der Lager (s. Abschnitt 1.4). Abbildung 6 zeigt beispielhaft ein Bild eines aufgetrennten Probekörpers vom Typ 3. Eine augenscheinliche Schädigung im Inneren der Lager war nicht feststellbar. Die Überdeckung der Stahlbleche sowie der Verbund zwischen Stahlblechen und Elastomerschichten waren bei den untersuchten Probekörpern ohne Beanstandung. Abbildung 6 Aufgetrenntes Lager vom Typ 3 (Randbereich) 1.6 Thermogravimetrische Analyse Mit Hilfe der Thermogravimetrischen Analyse (TGA) kann auf die Zusammensetzung einzelner Gruppen von Bestandteilen im Elastomer geschlossen werden. Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob es Veränderungen in der Materialzusammensetzung gegeben hat, die auf den Einfluss der Alterung zurückzuführen sind, wurden an einem repräsentativen Lager vom Typ 3 Elastomerproben aus dem Inneren und aus der Deckschicht entnommen. Während das Elastomer im Lagerinneren geschützt ist, ist die Deckschicht über die Dauer des Einsatzes im Brückenbauwerk Umwelteinflüssen ausgesetzt gewesen. An den entnommenen Proben wurde eine Thermogravimetrischen Analyse nach ISO 9924-1 und -2 [4] durchgeführt. Unter Zugabe von Spülgasen und Sauerstoff wurden die Proben erhitzt und die dadurch eintretenden Masseänderungen bestimmt. Tabelle 3 zeigt eine Zusammenfassung der festgestellten Massenanteile. Die Abweichungen zwischen Innen- und Deckschicht sind innerhalb der einzelnen Gruppen sehr gering. Leicht flüchtige Stoffe im Elastomer, wie Weichmacher und Beschleuniger, fallen in die Gruppe der pyrolisierbaren Bestandteile. Anhand der entnommenen Proben am Lager sind auch hier die Massenanteile mit 51,0 % (Deckschicht) und 53,4 % (Innenschicht) vergleichbar und geben somit keinen Hinweis auf eine signifikante Änderung in der Materialzusammensetzung infolge Alterung. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, das jeweils nur eine Probe aus einem einzigen Lager untersucht wurde. Dieses befand sich jedoch an einem Randträger mit maximaler Exposition. Für eine allgemeingültige Aussage wäre eine deutlich höhere Anzahl an Untersuchungen an unterschiedlichen, über die Gesamtlänge des Bauwerkes verteilten Lagern wünschenswert. Tabelle 3 Massenanteile der durch die TGA festgestellten Bestandteile 1.7 Bestimmung von Shore-Härten Die Shore-Härte ist eine Kennzahl, die über die Eindringtiefe eines Eindringkörpers (federbelasteter Stift) in das Elastomermaterial ermittelt wird und somit ein Maß für die Werkstoffhärte ist. Mit einem manuellen Härteprüfer sind an den Oberflächen der ausgebauten Brückenlager Shore-Härten (Shore A) ermittelt worden. Für die umlaufenden Deckschichten wurden dabei Werte zwischen 66 und 75 Shore A an beiden Lagertypen gemessen. Bei den Lagern vom Typ 3 sind nach Entfernung der Riffelbleche zusätzlich Messungen an den Grundflächen (Kontaktflächen) der Lager durchgeführt worden. Diese Flächen waren durch die Riffelbleche geschützt und optisch in einem deutlich besseren Zustand als die Mantelflächen. Die Shore-Härten lagen bei diesen Flächen zwischen 60 und 65 Shore A. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass eine Verhärtung des Materials an den Mantelflächen, die unter Umwelteinflüssen gestanden haben, stattgefunden hat. Durch das geringe Verhältnis zwischen Mantelfläche und Volumen der Lager von 0,01 1/ mm (Formfaktor S = 12,17) ist davon auszugehen, dass die Verhärtungen nur kleine Bereiche der Lager betreffen. Da das Verfahren zur Bestimmung der Shore-Härte nicht unter Laborbedingungen unter Einhaltung der erforderlichen Rahmenbedingungen nach DIN ISO 7619-1 [5] angewendet werden konnte (Einsatz eines Messständers; 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 689 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit Oberfläche, Ebenheit, Dicke der Probekörper) sollten die ermittelten Ergebnisse nicht als Absolutwerte verwendet werden. Sie sind aber gut geeignet, innerhalb der untersuchten Stichprobe Tendenzen festzustellen. 1.8 Zusammenfassung der experimentellen Untersuchungen Die Untersuchungen umfassten die Ermittlung von mechanischen Kennwerten in unterschiedlichen Belastungssituationen sowie Materialparametern des Werkstoffes Elastomer. Folgende Kernaussagen konnten für die untersuchten Lager getroffen werden: • In zentrischen Druckversuchen konnten die maximalen rechnerischen Designdruckspannungen von den Lagern aufgenommen werden. Das Spannungs-Dehnungsverhalten ist dabei immer progressiv gewesen (kein Abfall der Druckspannungen). Die Streuung der Drucksekantenmodule ist gering. An zwei Lagern vom Typ 1 sind bei maximaler Druckspannung oberflächennahe Risse in Höhe der Elastomerschichten aufgetreten, die jedoch keinen Einfluss auf das Spannungs-Dehnungsverhalten der Lager hatten. Eine ausreichende Überdeckung der Bewehrungsbleche war weiterhin vorhanden. • Die nach EN 1337-3 [3] an den Lagern Typ 3 ermittelten Schermodule liegen im Bereich neuwertiger bewehrter Elastomerlager (G min = 0,86 MPa, G max = 0,95 MPa, G neu = 0,90 MPa). • Die in Anlehnung an DIN EN 1337-2 [2] untersuchten Gleitteile sind vollständig funktionsfähig. Die Änderung der Gleitreibungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Druckspannung und der Verformungsgeschwindigkeit ist plausibel. An einer gereinigten PTFE-Platte waren nur geringe Abnutzungserscheinungen in den Randbereichen feststellbar. • Die anhand einer TGA-Analyse ermittelten Massenanteile von 2 Elastomerproben, die aus dem Inneren eines Lagers und aus deren Mantelfläche entnommen wurden, sind vergleichbar und geben somit keinen Hinweis auf eine signifikante Änderung in der Materialzusammensetzung infolge Alterung. • Die an den Mantelflächen der Lager ermittelten Shore-Härten (Shore A) fallen höher aus, als die an den Kontaktflächen ermittelten Werte, die durch Riffelbleche geschützt waren, was auf eine Alterung infolge Umwelteinflüssen zurückzuführen sein könnte. Die verhärteten Bereiche sind jedoch klein im Vergleich zum Gesamtvolumen der Lager (< 10 %). • Der äußerliche Erhaltungszustand der untersuchten Lager war abgesehen von Verschmutzungen ohne Beanstandung. Zusammenfassend kann anhand der untersuchten Elastomerlager kein Einfluss infolge Alterung festgestellt werden, der die Funktion dieser Bauteile signifikant beeinträchtigen könnte und somit gegen eine weitere Nutzung spricht. 2. Lageraustauschkonzept Unter Berücksichtigung der in Abschnitt 1 dargestellten Erkenntnissen ist im Anschluss an die Pilotmaßnahme ein mehrstufiges Lageraustauschkonzept entwickelt worden, das sowohl den Erhaltungszustand der vorhandenen Lager, als auch veränderte Lastverteilungen und Erfordernisse aus dem Bauablauf berücksichtigt. 2.1 Lagersonderprüfung nach DIN 1076 Um eine erste Bewertungsgrundlage zu schaffen, sind sämtliche Lager des Brückenbauwerkes K20 im Rahmen einer Lagersonderprüfung nach DIN 1076 [6] abschnittsweise untersucht worden. In Abhängigkeit vom Lagertyp wurden dabei insbesondere Schädigungen untersucht, die im Zusammenhang mit einem fortgeschrittenem Alterungsprozeß oder einer Be-einträchtigung der Funktionweise stehen. Weiterhin wurde eine umfangreiche Fotodokumentation erstellt, die es erlaubte, den größten Teil der Lager umlaufend darzustellen. Die Schadensauswertung erfolgte im Nachgang nach RI- EBW-PRÜF [7] in den Kategorien Standsicherheit (S), Verkehrssicherheit (V) und Dauerhaftigkeit (D). 2.2 Prüfung durch den Lagergutachter Die in Abschnitt 2.1 ermittelten Daten stellten die Grundlage für eine nachgelagerte Beurteilung durch den Lagergutachter dar. Hierbei wurden über den gesamten Untersuchungsumfang 22 verschiedene Auffälligkeiten festgestellt. Diese sind entsprechend ihrer Auswirkungen auf die Funktion der Lager bzw. auf deren Dauerhaftigkeit kategorisiert worden, wobei auch mögliche Instandsetzungsmaßnahmen in die Beurteilung mit eingeflossen sind. Die Beurteilung jedes Lagers resultierte in einem Vorschlag zur weiteren Verwendung des Bauteils (Verbleib im Bauwerk, Austausch des Lagers, erforderliche Instandsetzungsmaßnahme, weitere Nutzung unter der Voraussetzung regelmäßiger Kontrolle). Beispielhaft sei der “Schadenstyp 1” genannt, bei dem sich Mörtelreste entlang der Seiten der Elastomerlager befinden (Abbildung 7). 690 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit Abbildung 7 Schadenstyp 1 Die horizontale Verformbarkeit dieser Lager ist eingeschränkt. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass der Elastomerwerkstoff durch Kontakt bei horizontaler Verformung beschädigt wird. Das dargestellte Problem läßt sich jedoch durch Abstemmen der Mörtelreste beheben, sodass das Lager im Bauwerk verbleiben kann, wenn es ansonsten unbeschädigt und intakt ist. Geringe Gleitspalthöhen bei Gleitlagern, tiefe Risse im Elastomer oder stark korrodierte Führungsleisten bei einachsig verschiebbaren Lagern führten jedoch zu einem vollständigen Austausch der betroffenen Lager. 2.3 Statische Nachrechnung Mit der geplanten Verbreiterung der K20 gehen eine Ergänzung des statischen Systems und eine Änderung der Auflagerkräfte für bestimmte Bereiche einher. Zudem wird die Verteilung der Horizontalkräfte auch durch neu einzubauende Lager mit unterschiedlichen Geometrien und Steifigkeiten verändert. Im Rahmen einer statischen Bewertung wurde überprüft, ob ein zusätzlicher Austausch intakter Lager aufgrund von Lasterhöhungen erforderlich war. 2.4 Anforderungen aus dem Bauablauf In großen Bereichen des Bauwerkes sind gleichartige Lagerungssysteme zur Anwendung gekommen. Hier sind zum Einen die in den Durchlaufträgersystemen mittig angeordneten “K-Achsen” zu nennen, in denen frei bewegliche sowie geführte rechteckige Elastomerlager ohne Gleitteil angeordnet wurden (s. Abbildung 1) . In den Endfeldern unterhalb der Übergangskonstruktionen (“Ü-Achsen”) wurden aufgrund der größeren horizontalen Verschiebungen runde Elastomerlager mit Gleitteil verwendet (s. Abbildung 2). Beim Austausch eines einelnen Lagers innerhalb einer K- Achse und dem damit verbundenen Anhub der gesamten Achse wäre ein unplanmäßiges Ablösen einzelner Lagerbauteile erfolgt. Dadurch hätte nicht sichergestellt werden können, dass sich die nicht auszutauschenden Lager nach dem Absetzvorgang wieder in ihrer ursprünglichen Position befinden. Weiterhin wäre durch den Anhub der Haftverbund zwischen der oberen Lagerplatte und dem Mörtelbett oder zwischen oberer Lagerplatte und dem Elastomerpad überwunden worden, womit eine spätere Übertragung von Verformungen in horizontaler Richtung nicht mehr sichergestellt gewesen wäre. Aus diesem Grund führte der Austausch eines einzelnen Lagers innerhalb einer K-Achse immer zu einem Austausch aller Lager der betroffenen Achse. Anders stellte sich die Situation an den Ü-Achsen dar. Durch die verwendeten Gleitteile oberhalb der Elastomerlager führte der Anhub der gesamten Achse zu einem planmäßigen Ablösen der Gleitplatte vom Gleitmaterial aus PTFE. Durch das vorherige und begleitende Einmessen der Lager wurde sichergestellt, dass sich die Lager nach dem Absetzen der Brückenachse wieder in der ursprünglichen Position befinden. Um die im Rahmen eines Anhubs nicht auszutauschenden Gleitlager in ihrer Position zu sichern, wurde eine Krallenkonstruktion entwickelt, die den oberen Gleitteil des Lagers gegen zugehörigen Längsträger verspannt hat. Somit konnten die Lager, bei denen ein Austausch aufgrund der in Abschnitt 2.1 bis 2.3 beschriebenen Gründen nicht erforderlich war, für die weitere Nutzung im Bauwerk verbleiben. Abbildung 8 Lagerwechsel, Achse 30 4. Kolloquium Brückenbauten - September 2020 691 Austausch von 2000 Lagern - Untersuchungen an Elastomerlagern nach 45 Jahren Einsatzzeit Abbildung 9 Hydraulische Presse und Krallenkonstruktion Abbildung 10 Demontage eines Lagers 3. Fazit Im Rahmen von experimentellen Voruntersuchungen an Bestandslagern mit 45 Jahren Einsatzdauer konnte die grundsätzliche Eignung für eine weitere Nutzung der Bauteile festgestellt werden. Mit Hilfe der dargestellten mehrstufigen Analyse wurden anschließend die Brückenlager identifiziert, die unter dem Aspekt einer Restnutzungsdauer bis in das Jahr 2045 auszutauschen sind. Weiterhin wurden über eine statische Nachrechnung und Anforderungen, die sich aus dem Bauablauf ergaben, weitere Lager für einen Austausch ermittelt. Insgesamt ergab sich dadurch eine Gesamtanzahl von 483 auszutauschenden Lagern. Gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Wechsel von allen 2020 Brückenlagern ergab sich durch die beschriebene Vorgehensweise eine Einsparung in Höhe von mehr als 10 Mio € sowie eine deutliche Reduzierung der Bauzeit. Quellen: [1] Ingenieurbüro Grassl GmbH, H17555, Sonderprüfung der Lager nach DIN 1076, Gesamtbericht vom 27.06.2019 [2] DIN EN 1337-2, Lager im Bauwesen - Teil 2: Gleitteile, Juli 2004 [3] DIN EN 1337-3, Lager im Bauwesen - Teil 3: Elastomerlager, Juli 2005 [4] ISO 9924, Kautschuk und Kautschukerzeugnisse - Bestimmung von Vulkanisaten und unvulkanisierten Mischungen durch Thermogravimetrie [5] DIN ISO 7619-1, Elastomere oder thermoplastische Elastomere - Bestimmung der Eindringhärte - Teil 1: Durometer-Verfahren (Shore-Härte), Februar 2012 [6] DIN 1076, Ingenieurbauten im Zuge von Straßen und Wegen - Überwachung und Prüfung, November 1999 [7] RI-EBW-PRÜF, Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfung nach DIN 1076, Ausgabe 2013 [8] fobatec GmbH, Gutachten zu experimentellen Untersuchungen an Elastomerlagern aus dem Bauwerk K20 in Hamburg, 17.05.2018