Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick
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Gero Marzahn
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5. Brückenkolloquium - September 2022 17 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Gero Marzahn Bundesministerium für Digitales und Verkehr 1. Einleitung Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland über eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Allerdings machen der überproportionale Anstieg des Schwerverkehrs in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere im Güterverkehr sowie die Altersstruktur der Infrastruktur umfängliche Erhaltungsmaßnahmen zur Verbesserung des Zustandes und Erhöhung der Tragfähigkeit vieler älterer Brücken erforderlich. Viele Brücken müssen verstärkt oder gar erneuert werden, um auch in Zukunft den Anforderungen aus dem Verkehr auf Dauer gerecht werden zu können. Während bislang jedes Bundesland einzeln auf die Brücken seines Gebiets geschaut hat, können wir jetzt - wo die Verwaltungsverantwortung für die Brücken im Autobahnnetz bei der Autobahn GmbH in einer Hand liegt - eine Gesamtbetrachtung vornehmen und das Autobahnnetz als Ganzes in den Blick nehmen. Daher wird mit dem vorliegenden Bericht eine Bilanz zu den Brücken an Bundesfernstraßen gezogen sowie eine Übersicht zum aktuellen Stand der Umsetzung der Modernisierung von Brücken an Bundesfernstraßen gegeben. 2. Brückenbestand an Bundesfernstraßen Mit Stand September 2021 befinden sich fast 40.000 Brücken in der Baubzw. Unterhaltungslast des Bundes, d. h. sowohl Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen als auch zur Überführung von Straßen und Wegen über Bundesfernstraßen. Berücksichtigt man, dass bei Autobahnen i. d. R. jede Fahrtrichtung auf einem eigenen Brückentragwerk liegt oder große Flussbrücken in Strom- und Vorlandbrücken unterteilt werden, entspricht die Anzahl der o. g. Brücken 52.386 Teilbauwerken. Davon befinden sich 27.915 Teilbauwerke im BAB-Netz und 24.471 Teilbauwerke im Netz der Bundesstraßen. Da ein Teilbauwerke im Wesentlichen für ein Brückentragwerk steht, wird bei allen nachfolgenden Auswertungen jeweils auf Teilbauwerke bzw. gleichlautend auf Brücken-Teilbauwerke Bezug genommen, auch wenn nicht in jedem Einzelfall darauf gesondert hingewiesen wird. Wird z. B. die Lage der Brücken-Teilbauwerke betrachtet, befinden sich von den 27.915 Teilbauwerken im BAB- Netz 20.693 Teilbauwerke im Zuge einer BAB-Strecke, diese werden also direkt durch mehrstreifigen Autobahnverkehr belastet, während 7.222 Teilbauwerke als Überführungsbauwerke dienen. Im Bundesstraßennetz befinden sich von den gesamten 24.471 Teilbauwerken 19.393 Teilbauwerke im Zuge einer Bundesstraße, während 5.078 Teilbauwerke als Überführungsbauwerke genutzt werden. Die Gesamtbrückenfläche aller Bundesfernstraßenbrücken erreicht etwa 31 Mio. m 2 Brückenfläche (entsprechend ca. 4.350 Fußballfelder in Standardgröße 105 m x 68 m), die Gesamtlänge summiert sich auf zirka 2.150 km auf (entspricht etwa der Luftlinie Berlin-Rom). Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg verlangte moderne, leistungsfähige Straßen. Groß angelegte Ausbauprogramme vor allem im Autobahnnetz waren die Antwort, weshalb die meisten, auch vielfach heute noch genutzten Brücken in den westlichen Bundes-ländern aus den Jahren 1960 bis 1985 stammen. In den östlichen Bundesländern setzte eine größere Erneuerungs- und Ausbauwelle im Autobahnbau nach der Wiedervereinigung 1990 ein, erkennbar am zweiten Peak der Altersstruktur der Brücken im Bild 1. Das Autobahnnetz in Ostdeutschland ist damit deutlich jünger als das in den westlichen Bundesländern einhergehend mit einem allgemein besseren baulichen Zustand und höheren Tragfähigkeit der Bauwerke. Auch wenn die großen Brücken meist sofort ins Auge fallen, so sind es doch die kleineren Brücken, die von der Anzahl her das Gros der Brücken bei den Bundesfernstraßen ausmachen. Fast 50 % der Brücken besitzen weisen Brückenlängen kleiner 30 m auf. Dagegen sind die Großbrücken mit Längen von mindestens 100 m mit knapp 7 % an der Gesamtanzahl vertreten (ca. 3.700 Teilbauwerke), dennoch verbirgt sich hierhinter eine große Brückenfläche von über 50 % der Gesamtbrückenfläche der Bundesfernstraßenbrücken. Gemessen an der Brückenfläche haben Spannbetonbrücken im Bereich der Bundesfernstraßen mit etwa 70-% den weitaus größten Anteil am Bestand, gefolgt von Brücken in Stahlbetonbauweise mit einem Anteil von etwa 17-%. Stahl- und Stahlverbundbrücken sind mit jeweils 7- % am Gesamtbestand vertreten. Andere Bauweisen, z.-B. Mauerwerkbrücken, rangieren deutlich darunter. 18 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 1: Altersstruktur der Brücken an Bundesfernstraßen anteilig nach Anzahl an Teilbauwerken 3. Bestandsaufnahme zum Bauwerkszustand 3.1 Zustandsnote - Bewertung des baulichen Zustands Regelmäßig werden die Brücken einer Brückenprüfung nach DIN 1076 unterzogen. Hierbei werden die Bauwerke durch besonders geschulte und langjährig erfahrene Bauwerksprüfingenieure im Wesentlichen handnah auf Schäden, Verschleiß und Alterungserscheinungen hin geprüft. Alle sechs Jahre findet eine „Hauptprüfung“ und drei Jahre nach der Hauptprüfung eine „Einfache Prüfung“ statt, ergänzt durch jährliche „Besichtigungen“ und halbjährliche „Laufende Beobachtungen“ ausgeführt durch geschultes Personal der Straßenmeistereien. Die Bewertung des vorgefundenen Zustands erfolgt anhand der Kriterien Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit. Mit einer Zustandsnote (ähnlich dem Schulsystem zwischen 1,0 und 4,0) inkl. einem Prüf bericht wird der bauliche Zustand der Brücke im Bauwerksbuch dokumentiert und in einer Bauwerksdatenbank abgelegt. Die Zustandsnote ist ein wichtiges Kriterium zur Planung von Erhaltungsmaßnahmen. Der aktuelle Zustand für Brücken der Bundesfernstraßen ist im Bild- 2 getrennt für Bundesautobahnen und Bundesstraßen dargestellt. Die roten Säulen repräsentieren die Zustandsnotenverteilung der Autobahnbrücken und die blauen Säulen die der Brücken an Bundesstraßen mit den stärksten Anteilen jeweils in den mittleren Zustandsnotenbereichen. Schlechtere Bauwerkszustände sind mit Zustandsnoten von drei und größer bewertet. Allerdings bedeutet eine ungenügende Zustandsnote von 3,5 nicht eine sofortige oder kurzfristige Sperrung des Tragwerks, vielmehr wird Bedarf zum Handeln aufgezeigt. Die Zustandsnoten sind bewusst so angelegt, dass bei der Ermittlung über alle Bauteile schlechtere Teilnoten durchschlagen, um den Verwaltungen frühzeitig die Möglichkeit einzuräumen, das Bauwerk instandzusetzen, bevor größere Schäden eintreten. 5. Brückenkolloquium - September 2022 19 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 2: Zustandsnotenverteilung für Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen anteilig nach Brückenfläche Der bauliche Zustand von Bundesstraßenbrücken ist tendenziell besser als jener von Autobahnbrücken. Zurückzuführen ist dieser Sachverhalt auf das deutlich geringere Güterverkehrsaufkommen mit allgemein geringeren Fahrzeuggesamtgewichten auf den Bundesstraßen. Autobahnen sind deutlich schwerer beladen, was in Summe für die Autobahnbrücken zu einer permanent hohen Brückenauslastung führt mit allen negativen Konsequenzen, wie z. B. beschleunigte Alterung und Verschleiß. Insbesondere hohe Achslasten, teilweise auf Überladungen oder falsche Beladungen der Lkw zurückzuführen, setzen den Autobahnbrücken zu. Faktisch fast alle Schäden an den Rheinbrücken sind Folge einer zu hohen örtlichen Belastung durch hohe Achslasten. Von daher nehmen wir zukünftig nicht nur den baulichen Zustand der Brücken stärker in den Fokus, sondern werden auch Anstrengungen für eine engmaschigere Überwachung des Verkehrs unternehmen. Hinsichtlich der baulichen Zustände von Brücken fällt die Zustandsbewertung von Großbrücken (Brücken mit Längen größer 100 m) generell schlechter aus als jene von kleineren Brücken, weil sich statische Defizite und Schäden bei entsprechenden Brückenlängen aufsummieren. Im Bild-3 ist die Verteilung der Zustandsnoten in Bezug auf die Brückenanzahl und in Bezug zur Brückenfläche dargestellt. Durch die regelmäßige Bauwerksprüfung nach DIN 1076 ist sichergestellt, dass unter Verkehr stehende Brücken überwacht und Schäden rechtzeitig erkannt werden. Sofern erforderlich, z. B. zur Überwachung von geschädigten Bauteilen, werden die Brücken darüber hinaus mittels eines sensorischen Brückenmonitorings kontinuierlich im 24/ 7-Dauerbetrieb überwacht (z. B. Rheinbrücken Leverkusen A-1, Duisburg-Neuenkamp A-40, Rhein-Herne-Kanalbrücke A-43). Dadurch werden zusätzliche Informationen zum Brückenzustand oder spezielle Informationen zur Schadensentwicklung an ausgewählten Tragwerksstellen in Echtzeit gewonnen, die dann in die Zustandsbewertung einspeist werden können. Die Verkehrssicherheit ist somit stets gewährleistet. 20 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 3: Zustandsnotenverteilung für Großbrücken größer 100 m Länge an Bundesfernstraßen anteilig nach Anzahl an Teilbauwerken und Brückenfläche 3.2 Traglastindex - Bewertung der Tragfähigkeitseigenschaften Die Zustandsnote als Ergebnis einer äußeren, handnahen Sichtprüfung des Bauwerks ist nur bedingt geeignet, mögliche Tragfähigkeitsdefizite einer Brücke einzuordnen. Aus dem enorm gestiegenen Schwerverkehr sowie aus Schwächen in den ursprünglichen Bemessungsvorschriften können Defizite gegenüber den heute geforderten Anforderungen bestehen, die sich auch nicht zwingend aus dem äußerlich erkennbaren Zustand der Brücken ableiten lassen, sofern keine äußeren Schäden erkennbar sind. Es erfordert einen „Blick in das Innere“ eines Tragwerks, um u. a. Abweichungen vom Soll im Tragverhalten zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Diese Abweichungen können bereits daraus resultieren, dass aufgrund der hohen Verkehrsbeanspruchung die Ausnutzung des Tragwerks übermäßig hoch ist, somit die zulässige Beanspruchung übersteigt, weshalb die Nutzungsfähigkeit eingeschränkt wird und Alterung sowie Verschleiß zunehmen. Durch die überproportionale Verkehrsentwicklung haben die Brücken eine Nutzungsänderung erfahren. Der Traglastindex als ein neuer, weiterer zusätzlicher Kennwert ist hier besser geeignet. Er repräsentiert die strukturellen Eigenschaften eines Tragwerks, die maßgeblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Brücke haben. Die Bewertung erfolgt in einem Soll-Ist-Vergleich zwischen erforderlicher bzw. zukunftsfähiger Brückentragfähigkeit (Ziellastniveau gemäß der vom Bund eingeführten Nachrechnungsrichtlinie) und der rechnerisch tatsächlich vorhandenen Tragfähigkeit. Darüber hinaus werden noch bauart- oder materialbedingte Parameter berücksichtigt. Die Bewertung erfolgt in fünf Stufen: I bis V. Mit aufwachsender Stufe nehmen die Abstände zum aktuellen Ziellastniveau zu: Stufe I = keine Abweichung, Stufe V = die meisten Abweichungen. Indirekt lassen sich aus der Stufung ebenfalls Dringlichkeiten ableiten; die Stufe V umfasst demnach auch die dringlichsten Problemstellungen. Die Einordnung in die Indexstufe V muss dabei nicht bedeuten, dass eine kurzfristige Brückensperrung erforderlich ist. Sie gibt aber den Hinweis, dass aufgrund der festgestellten Zahl an statisch relevanten Kriterien die vorhandenen Reserven der Brücke zunehmend aufgebraucht sein könnten. Hierdurch wird Handlungsbedarf aufgezeigt, der im Rahmen der Brückenmodernisierung abgearbeitet wird. Eventuell können belastungsmindernde verkehrliche Maßnahmen oder Beschränkungen notwendig werden, um die Restnutzungsdauer der Bauwerke zu verlängern. Eine aktuelle Verteilung der Traglastindizes getrennt nach Bundesautobahnen und Bundestraßen ist in Bild-4 dargestellt. Bauwerke mit höherem Traglastindex ab Stufe III werden hinsichtlich der Modernisierung besonders priorisiert angegangen, weil bei diesen Brücken die Reserven zunehmend aufgebraucht sind. Die große Anzahl an Bauwerken mit Handlungsbedarf weist auf die Herausforderungen hin, die für alle Beteiligten aus den Planungsbüros, den Baufirmen und den Verwaltungen bereits heute und auch in den nächsten Jahren anstehen. Angesichts der immensen Aufgabe ist es wichtig, den Beruf des Bauingenieurs attraktiv zu gestalten, um ausreichend viele Nachwuchsingenieure gewinnen zu können. 5. Brückenkolloquium - September 2022 21 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 4: Verteilung der Traglastindizes bei Brücken an Bundesautobahnen und Bundesstraßen anteilig nach Brückenfläche Von den 27.915 Brücken-Teilbauwerken im Autobahnnetz sind 8.665 Teilbauwerke der Stufe III und damit einer mittleren Dringlichkeit, 2.154 Teilbauwerke der dringlicheren Stufe IV und 1.001 Teilbauwerke der dringlichsten Stufe V zugeordnet (Tabelle-1). Wie bei den Zustandsnoten sieht die Verteilung der Indexstufen des Traglastindex bei den Brücken der Bundesstraßen günstiger aus. Von den 24.471 Teilbauwerken im Netz der Bundesstraßen sind gegenwärtig 3.307 Teilbauwerke der Indexstufe III, 824 Teilbauwerke der Indexstufe IV und 759 Teilbauwerke der dringlichsten Indexstufe V zugeordnet (Tabelle-2). Tabelle 1: Traglastindex für Brücken der Autobahnen nach Anzahl und Fläche der Teilbauwerke (A-Bauwerke = Bauwerke im Zuge von BAB, Ü-Bauwerke = Bauwerke über eine BAB) 1) Geh- und Radwegbrücken, 2) Wirtschaftswege oder Brücken ohne Tragfähigkeitseinstufung Tabelle 2: Traglastindex für Brücken der Bundesstraßen nach Anzahl und Fläche der Teilbauwerke (A-Bauwerke = Bauwerke im Zuge von B, Ü-Bauwerke = Bauwerke über eine B) 1) Rad- und Gehwege, 2) Wirtschaftswege oder Brücken ohne Tragfähigkeitseinstufung 22 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick 4. Aktuelle Herausforderungen im Brückenbau 4.1 Verkehrsentwicklung Der überproportionale Anstieg des Schwerverkehrs in den letzten Jahrzehnten, sowohl bei den Fahrzeuggesamtgewichten, den Achslasten als auch in der Häufigkeit (DTV und Jahresfahrleistung, Bild- 5), in Verbindung mit der Altersstruktur der Brücken machen Erhaltungsmaßnahmen zur Verbesserung des Zustandes und vor allem der Tragfähigkeit vieler älterer Brücken erforderlich. Dem Anstieg der Verkehrsleistung steht bei den älteren Brücken oftmals eine eingeschränkte Tragfähigkeit gegenüber, die sich neben bauartspezifischen Defiziten vor allem aus den damaligen normativ geforderten Brückentragfähigkeiten ergibt. Die Brückentragfähigkeit wird anhand der Brückenstatik festgelegt, indem entsprechende normative Verkehrslastmodelle bei der Dimensionierung der Tragwerke berücksichtigt werden. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Steigerung ergeben (Bild-6). Folglich sind ausgewiesene Brückentragfähigkeiten an jeweilige Normungsstände gebunden. a) Entwicklung des durchschnittlichen täglichen Verkehrs (DTV) in Kfz/ 24h b) Entwicklung der jährlichen Fahrleistung in Mrd. Kfz-km Bild 5: Entwicklung der Verkehrsleistung: a) DTV und b) Fahrleistung [1] 5. Brückenkolloquium - September 2022 23 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 6: Normative Verkehrslastmodelle in Verbindung mit der Entwicklung der zulässigen Fahrzeuggesamtgewichte und Achslasten gemäß StVO Im Bild-7 sind die vorhandenen Brückentragfähigkeiten aller Bauwerke an Bundesfernstraßen dargestellt. Aktuelle Brückenneubauten werden seit 2013 für das europäische Lastmodell LMM bzw. wurden davor seit 2003 für das Lastmodell LM1 nach DIN-Fachbericht 101 ausgelegt. Diese Brückengeneration erfüllt alle aktuellen Anforderungen an Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit. Bei den Brücken der Brückenklasse 60/ 30 erfüllen zumindest die jüngeren Bauwerke ab Herstelljahr 1985 weitgehend alle heute gestellten Anforderungen. Brücken älterer Jahrgänge vor 1985 sind jedoch für deutlich geringere Verkehrslasten ausgelegt worden. Immerhin zählen zu dieser Gruppe über 50 % der Bestandsbrücken an Bundesfernstraßen. Diese Bauwerke werden in den nächsten Jahren zu modernisieren sein. Bild 7: Tragfähigkeitsverteilung für Brücken im Zuge der Bundesfernstraßen anteilig nach Anzahl der Teilbauwerke Bei Brücken der Brückenklasse 60 oder geringer sind die einstmals vorhandenen Tragreserven inzwischen zunehmend aufgebraucht. Hier bedarf es Verstärkungen oder Ersatz älterer Bauwerke für einen möglichst ungehinderten Verkehrsfluss. Verkehrliche Einschränkungen, z. B. Lkw-Überholverbot, Lkw-Abstandsgebot auch im Stau etc. können eine Interimslösung sein, um Tragwerksschwächen zu kompensieren, solange die Verstärkung noch nicht umgesetzt oder der Ersatzneubau noch nicht fertiggestellt wurde. Die Kompensationsmaßnahmen sind in der Nachrechnungsrichtlinie des Bundes [2] geregelt. 4.2 Bauliche Defizite Bauliche Defizite aus der Herstellung der Bauwerke sind ebenfalls an Ausgabestände von Normen gebunden. Bei Spannbetonbrücken betrifft dies neben der Koppelfugenproblematik und der Verwendung von gegenüber Spannungsrisskorrosion sensitiven Spannstählen vorrangig das Querkrafttragverhalten, weil sich u. a. die Bemessungsansätze über die Jahrzehnte insbesondere bei Spannbetonbrücken mehrfach geändert haben und erst seit 1966 Mindestbewehrungsgrade zur Verhinderung eines spröden Versagens quantitativ gefordert werden. Bei Stahl- und Stahlverbundbrücken steht neben der Materialermüdung von Stahlbauteilen das Stabilitätsverhalten, z. B. das Beulen großer Blechfelder von Stahlträgern, bei den Untersuchungen im Vordergrund. Die Beulnachweise hoher Hauptträgerstege genügen erst seit 1978 den heutigen, aktuellen Anforderungen. Ältere Stahl- und Stahlverbundbrücken, die vor 1980 gebaut wurden und bei denen die Methodik der heutigen Nachweisverfahren noch keine Anwendung fand, können je nach Ausführung das systemische Problem einer zu geringen Beulsicher- 24 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick heit in sich tragen. Aufgrund der aktuellen Probleme mit der Rahmedetalbrücke, A-45, wurde eine entsprechende Untersuchung zu möglichen Beulverformungen für ähnlich aufgebaute Brücken bei den Ländern und der Autobahn GmbH des Bundes veranlasst. Bei der Entwicklung von Bauvorschriften werden regelmäßig erkannte Defizite und Schwächen adressiert und durch angepasste oder neue Regelungen bei der Normenfortschreibung abgestellt. So kann festgestellt werden, dass ab 1985 ein Normungsstand erreicht war, der in wesentlichen Zügen für die konstruktive Durchbildung der Tragwerke vielfach auch heute noch Bestand hat. 5. Modernisierung von Brücken der Bundesfernstraßen 5.1 Grundsätzliche Vorgehensweise bei der Brückenmodernisierung Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Modernisierung von Brücken ist im Bild-8 dargestellt. Durch eine Nachrechnung nach Nachrechnungsrichtlinie des Bundes [2] werden die Abweichungen vom Soll einer Brücke hinsichtlich Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit genau ermittelt, bewertet und mögliche Abhilfemaßnahmen erörtert, während der Traglastindex hierfür nur ein Indiz vermittelt. Anhand einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt die Festlegung baulicher Maßnahmen, die dann finanziert und umgesetzt werden. Bild 8: Ablauf der Brückenmodernisierung Die Bauwerke, die prioritär zu untersuchen sind, müssen zuvor nach baulichen und/ oder verkehrlichen Kriterien aus dem zu untersuchenden Bauwerksbestand herausgefiltert werden. 5.2 Bisherige Priorisierung von Einzelbauwerken (BASt-Liste) Ausgehend von der von Bund und Ländern gemeinsam erarbeiteten „Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand der Bundesfernstraßen“ wurden in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und den Ländern in einem ersten Schritt ca. 2.500 Teilbauwerke aus dem Gesamtbestand der Brücken der Bundesfernstraßen herausgefiltert und hinsichtlich ihrer Dringlichkeit zur statischen Untersuchung und ggf. Verstärkung gereiht. Weil sehr unterschiedliche Faktoren und Kriterien Einfluss auf die Dringlichkeit haben, wurde ein multi-kriterieller Ansatz zu Bewertung der Bauwerke gewählt: • Zustandsbewertung der Bauwerke: Zustandsnote und Substanzkennzahl, • Bauwerksalter, • Besondere Brückencharakteristika: Großbrücken (Länge ≥ 100 m), Brücken mit Einzelstützweiten ≥ 20 m, fehlende Temperaturlastfälle in der Brückenstatik, Angaben zu Koppelfugen und bestimmten Spannstählen bei Spannbetonbrücken in Abhängigkeit vom Baujahr, • Verkehrsbelastung: DTV-SV (durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke des Schwerverkehrs). Die Priorisierung der Bauwerke umfasste damit eine qualitative Bewertung sowohl der Streckenabschnitte als auch der darin befindlichen Brücken, indem mittels eines Punktesystems die Einzelkriterien benotet und mathematisch miteinander zu einer Bewertungsziffer (Prioritätszahl) verbunden wurden. Hohe Bewertungsziffern führen zu entsprechenden Dringlichkeiten, wodurch die Reihung letztlich gegeben war. Sie sind jedoch kein Ausdruck einer etwaigen Gefährdung von Bauwerken. Großbrücken stellten sich regelmäßig hierbei als besonders dringlich dar, weil diese Einzelschäden und Defizite aufsummieren. Die Bauwerksliste wurde aus Übersichtlichkeitsgründen anfangs auf 2.500 Teilbauwerke begrenzt, weshalb die BASt-Liste tatsächlich nur einen begrenzten Ausschnitt des gesamten Untersuchungsraums darstellt. Von den 2.500 Teilbauwerken ist inzwischen ein erheblicher Anteil abgearbeitet worden oder wird derzeit bearbeitet (Bild-9). Während 833 Teilbauwerke fertiggestellt wurden, befinden sich 1.157 Teilbauwerke in der Bearbeitung, d. h. diese werden statisch nachgerechnet oder hinsichtlich notwendiger Verstärkungsmaßnahmen beplant, oder es werden bereits die planerischen Vorarbeiten für einen Ersatzneubau vorangetrieben, wenn dieses Vorgehen wirtschaftlicher ist. Etwa 484 Bauwerke müssen noch bearbeitet werden. 5. Brückenkolloquium - September 2022 25 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 9: Stand der Abarbeitung besonders dringlich eingeschätzter Bauwerke (Bauwerke der BASt-Liste, BAB und B) 5.3 Neue Priorisierung von Einzelbauwerken im Netz der Autobahnen Vor dem Hintergrund vorliegender mehrjähriger Erfahrungen von Brückennachrechnungen wurden die Brücken des gesamten Bestandsnetzes der Bundesfernstraßen mit zugeschärften technischen Kriterien aktuell erneut ausgewertet und Bilanz gezogen. Hierbei wurde vor allem der Traglastindex erstmals herangezogen, der seinerzeit bei der ersten grundlegenden Auswertung der Bestandsbauwerke, die zur BASt-Liste führte, noch nicht verfügbar war. Das Ergebnis der Auswertung ist in Abschnitt 3.2, insbesondere in den Tabellen 1 und 2, wiedergegeben und beschrieben. Mit dem Traglastindex lässt sich die Priorisierung von Modernisierungsmaßnahmen der BASt-Liste sinnvoll fortschreiben, indem zum einen Brücken mit technischen Unzulänglichkeiten sehr einfach und schnell identifiziert, zum anderen durch die gestufte Indexdarstellung die Dringlichkeiten hinsichtlich notwendiger Modernisierungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Darüber hinaus können mit dem Traglastindex ähnlich den Zustandsnoten aggregierte Darstellungen erzeugt werden, anhand derer Vergleiche von Brücken untereinander auch zu verschiedenen Zeitpunkten möglich werden. Die Priorisierung wird sehr transparent. Die sehr breite Untersuchungsbasis gewährleistet darüber hinaus, dass alle Bauwerke der ehemaligen BASt-Liste in der Priorisierung mit dem Traglastindex aufgehen. Von daher ist es folgerichtig, dass der Traglastindex die BASt-Liste als Priorisierungsinstrument ablöst. Bei der Netzanalyse gilt es jedoch zu beachten, dass der Traglastindex zwar als Leitgröße, jedoch nicht als alleinige Grundlage für die Priorisierung von Erhaltungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen an Brücken dienen sollte. Eine Priorisierung erfordert zumindest auch die Berücksichtigung des baulichen Erhaltungszustandes der Brücken, also die Bewertung nach Zustandsnoten. Darüber hinaus können weitere Parameter, wie z. B. die Verkehrsbedeutung der Strecke (u. a. Korridorbetrachtung in der Brückenmodernisierung), geplante Um-, Ausbau oder Erhaltungsmaßnahmen der Strecke sowie eine geplante gemeinsame Abwicklung von Baumaßnamen an Strecke und Bauwerken im Sinne einer Baustellenkoordination berücksichtigt werden. Für eine Gesamtnetzanalyse im BAB-Netz werden in Summe alle Bauwerke im Zuge einer Autobahn und nur teilweise Überführungsbauwerke betrachtet, hier mit der Einschränkung nur für die Überführung höherwertiger klassifizierter Straßen über eine Autobahn (B-, L-, Kreisstraßen), also keine Gemeindestraßen und Wirtschaftswege. Gemeinde- und Wirtschaftswege werden nicht in die Untersuchung einbezogen, weil die verkehrliche Bedeutung und damit auch die Anforderungen an diese Kategorie von Straßen und Wegen geringer und nicht vergleichbar mit den übrigen Brücken sind. Insgesamt wurden damit 23.395 Bauwerke betrachtet. Damit ergibt sich eine erste Übersicht zur Anzahl der zu priorisierenden Bauwerke (Tabelle-3), aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Stufen des Traglastindex, und Bauwerken, die keiner Maßnahme bedürfen. Von Bedeutung sind hierbei insbesondere jene Teilbauwerke, die einen Traglastindex III, IV oder V aufweisen. 26 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Tabelle 3: Priorisierung von Autobahnbrücken (A- und Ü-Bauwerke, jeweils Teilbauwerke) nach dem Traglastindex 1) Kleine Brücken oder Brücken ohne Tragfähigkeitseinstufung Die Priorisierung mit den Traglastindex fokussiert vor allem auf Tragfähigkeitsdefizite der Bauwerke. Brücken, die derzeit dem Traglastindex I zugeordnet sind, weisen in der Regel das Tragfähigkeitsniveau LM1 nach DIN- Fachbericht 101 oder LMM nach Eurocode 1 auf und erfüllen alle aktuellen Anforderungen an die Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit. Diese Brücken bedürfen keiner weiteren speziellen Untersuchung. Bauwerke, die derzeit in die Brückenklasse 60/ 30 (BK60/ 30) eingestuft sind und 1985 oder später gebaut wurden - hierbei handelt es sich um Bauwerke, die in Bezug auf die konstruktive Durchbildung den heutigen Anforderungen genügen, z. B. alle Brücken in Strecken der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) - sind in Abhängigkeit von Stützweitenverhältnissen und der Verkehrsbelastung der Indexstufe III oder II zugeordnet und können aufgrund der vorhandenen Tragreserven und Robustheit nachrangig betrachtet werden oder sogar unberücksichtigt bleiben. Dagegen sind Bauwerke der Tragfähigkeitsklasse BK60/ 30 mit Baujahr vor 1985 trotz Traglastindex III als prioritär anzusehen, weil bei dieser Generation von Brücken technische Sachverhalte anders beurteilt wurden als heute. Das Verhältnis der Bauwerke mit einem Baujahr vor und nach 1985 wird in etwa als hälftig abgeschätzt. Bauwerke der Indexstufe IV und V weisen die größten Abweichungen vom Soll auf. Hierunter fallen viele Autobahnbrücken mit einer Brückenklasse 60 und geringer. Aufgrund der teilweise sehr großen Abweichungen zwischen IST- und SOLL-Tragfähigkeit bei Brücken der Indexstufe IV und V kann nahezu immer wegen fehlender technischer Machbarkeit oder Unwirtschaftlichkeit von Verstärkungsmaßnahmen eine Modernisierung durch einen Ersatzneubau angenommen werden. Im Bild- 10 ist die regionale Verteilung der Autobahnbrücken (Teilbauwerke) mit einer Indexstufe IV und V dargestellt. Eine Konzentration auf die älteren Autobahnen in den westlichen Bundesländern ist zu erkennen, d. h. hier ist ein entsprechend großer Bedarf an Modernisierungsmaßnahmen von Autobahnbrücken vorhanden. 5. Brückenkolloquium - September 2022 27 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 10: Regionale Verteilung von Autobahnbrücken (A- und Ü-Bauwerke, jeweils Teilbauwerke) mit einem Traglastindex der Stufe IV und V im Autobahnnetz) Teilbauwerke mit einem Traglastindex III und einem Baujahr vor 1985 werden verstärkt oder ebenfalls ersetzt, wohingegen Bauwerke mit einem Traglastindex III mit einem Baujahr nach 1985 oder auch Bauwerke mit dem besseren Traglastindex II im Regelfall wenig Verstärkungsaufwand erfordern und deshalb als nachrangig angesehen werden; aus statischer Sicht sind i. d. R. vorerst keine dringenden Maßnahmen erforderlich. Neben dem Traglastindex als Leitgröße fließt final auch der bauliche Zustand der Brücken in die Priorisierung ein. Dies gilt insbesondere für jene Teilbauwerke, die einen schlechten Bauwerkszustand aufweisen, weil Schäden, Alterungserscheinungen und Verschleiß sich mittelfristig nachteilig auf die Tragfähigkeit eines Bauwerks auswirken können. Deshalb werden zu den obigen Auswertungen nach dem Traglastindex folglich noch jene Teilbauwerke hinzugerechnet, die eine schlechte Zustandsbewertung (Zustandsnote >- 3,5) haben, jedoch nicht den Indexstufen III, IV oder V zugeordnet sind. Dies sind im Autobahnnetz 61 Teilbauwerke. 28 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Folglich lässt sich der voraussichtliche Gesamtbedarf an zu modernisierenden Autobahnbrücken (Teilbauwerke) wie folgt abschätzen: Traglastindex III zu 50 % 4.461 Teilbauwerke Traglastindex IV 2.287 Teilbauwerke Traglastindex V 1.274 Teilbauwerke Zustandsnote > 3,5 61 Teilbauwerke Gesamtnetz BAB 8.083 Teilbauwerke 5.4 Besonders dringliche Einzelbauwerke im Netz der Bundesstraßen Bei den Bundesstraßen lassen sich die Gesamtaufwendungen hinsichtlich Brückenmodernisierung in derselben Weise wie bei den Autobahnen zusammenfassen, indem alle Bauwerke im Zuge einer Bundesstraße und alle Überführungsbauwerke höherwertiger klassifizierter Straßen über eine Bundesstraße (B-, L-, K-Straßen), also keine Gemeindestraßen und Wirtschaftswege, in die Betrachtung einbezogen werden. Insgesamt wurden 20.552 Bauwerke bewertet. Tabelle 4: Priorisierung von Brücken der Bundesstraßen (Teilbauwerke) nach dem Traglastindex 1) Wirtschaftswege oder Brücken ohne Tragfähigkeitseinstufung, 2) Rad- und Gehwege Die Anzahl an zu priorisierenden Bauwerken ergibt sich aus der Zuordnung zu den Traglastindexstufen, wie in Tabelle-4 ersichtlich ist, aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Traglastindexstufen. Wiederum von Bedeutung sind hierbei insbesondere jene Teilbauwerke mit einem Traglastindex IV oder V (Bild-11), und hälftig die der Indexstufe III. Auch wenn sich die schlecht bewerteten Brücken (Teilbauwerke) nicht an ausgewiesenen Hauptstrecken festmachen, so ist doch wie bei den Autobahnbrücken beim Traglastindex ein deutliches Ost-West-Gefälle zu beobachten. Wegen der schlechten Zustandsbewertung einiger Bauwerke sind trotz eines Traglastindex von I oder II noch etwa 100 Teilbauwerke mit einer Zustandsnote größer 3,5 hinzuzurechnen, so dass in der Gesamtschau ca. 3.000 Teilbauwerke im Bundesstraßennetz vordringlich zu modernisieren sind: Traglastindex III zu 50 % 1.576 Teilbauwerke Traglastindex IV 714 Teilbauwerke Traglastindex V 640 Teilbauwerke Zustandsnote > 3,5 100 Teilbauwerke Gesamtnetz BStr. 3.030 Teilbauwerke 5. Brückenkolloquium - September 2022 29 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 11: Regionale Verteilung von Brücken im Netz der Bundesstraßen (A- und Ü-Bauwerke, jeweils Teilbauwerke) mit einem Traglastindex der Stufe IV und V) 6. Modernisierung von Autobahnkorridoren (Brückenmodernisierungsnetz) Für eine systematische Modernisierung eines Autobahn- Gesamtnetzes ist es nicht sinnvoll und auch nicht zielführend, allein und losgelöst von zusammenhängenden Streckenzügen singuläre Bauwerke zu betrachten. Wegen der bedeutenden überregionalen Verbindungsfunktion der Autobahnen muss die Brückenmodernisierung im Autobahnnetz differenzierter angegangen werden. Anstelle von Einzelbauwerken müssen vielmehr wichtige Netzabschnitte und Korridore mit hoher Verkehrsbedeutung vordringlich modernisiert werden (Bild 12), um den Verkehr zwischen Metropolen, Industriezentren und Seehäfen verlässlich, verkehrssicher und mit hoher Verfügbarkeit aufnehmen und abwickeln zu können. Dringliche Autobahnabschnitte können somit schneller zukunftsfähig hergerichtet und in leistungsfähigerer Form verkehrswirksam werden; sie tragen somit in kürzerer Zeit zur Steigerung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bei. 30 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 12: Brückenmodernisierungsnetz (gelb hinterlegte BAB-Strecken) Die Strategie zur Modernisierung von Autobahnbrücken wurde auf die Modernisierung von Brücken ganzer Streckenzüge ausgeweitet. Auf diese Weise konzentriert sich die Brückenmodernisierung zwar in erster Linie auf ein vordringlich herzurichtendes Teilnetz an BAB-Strecken (Brückenmodernisierungsnetz), derweil der Verkehr im übrigen Teilnetz fließen kann, lässt aber dennoch ausreichend Ressourcen für die Modernisierung von besonders dringlichen Einzelbauwerken außerhalb des prioritären Netzes und für eine ungeschmälerte Fortführung sonstiger Erhaltungsmaßnahmen an Autobahnbrücken zu. Denn trotz Fokussierung auf das Brückenmodernisierungsnetz dürfen besonders dringliche Einzelbauwerke außerhalb des Teilnetzes sowie die normalen Erhaltungsmaßnahmen an allen Brücken nicht vernachlässigt werden. Mit dieser durchgehenden Netzstrategie soll in den nächsten acht Jahren ein Teilnetz aus Autobahnstrecken mit leistungsfähigen Brücken zukunftssicher hergerichtet werden, während Nachbarstrecken außerhalb des Brückenmodernisierungsnetzes mit ausreichender Zuverlässigkeit den Verkehr abwickeln. Das Brückenmodernisierungsnetz deckt mit einer Länge von rund 7.000-km etwas mehr als die Hälfte des Autobahnnetzes ab und enthält 10.683 Teilbauwerke (Tabelle 5). 5. Brückenkolloquium - September 2022 31 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Die Festlegung der Korridore erfolgte in enger Abstimmung mit den Straßenbauverwaltungen der Länder, später auch unter Mitwirkung der Autobahn GmbH des Bundes. Hierbei wurden Maßnahmen des neuen Bedarfsplans 2016, Maßnahmen der Streckenerhaltung (soweit bekannt), Strecken des europäischen TEN-V-Kernnetzes, Zulaufstrecken zu Seehäfen sowie Strecken, die von der Schwertransportindustrie als besonders wichtig deklariert wurden, berücksichtigt. Während in den ersten Darstellungen des prioritären Netzes die Bundesautobahnen A 45 und A 81 nicht Bestandteil des Brückenmodernisierungsnetzes waren, sind sie seit diesem Jahr integraler Teil des Netzes. Dieser Schritt ist sinnvoll, weil beide Autobahnen zu großen Teilen nur aus Brückenbauwerken bestehen und kaum Umfahrungsmöglichkeiten für unplanmäßige Ausfälle bieten. Daher sind beide Strecken möglichst schnell zukunftsfest zu machen. Die Auswertung der aktuellen Tragfähigkeitseinstufung der Bauwerke im Zuge von BAB-Strecken des Brückenmodernisierungsnetzes inkl. der neu zugeordneten Autobahnen A-81 und A-45 (Tabelle-5) zeigt, dass in Bezug zur Gesamtanzahl von 10.683 Teilbauwerken im prioritären Netz etwas weniger als die Hälfte in die nicht zukunftsfähige Brückenklasse 60 oder geringer eingestuft sind, was einem Traglastindex IV und V und teilweise III (ca. 70-%) entspricht. Der Anteil ist hoch, aber auch nachvollziehbar. Denn tendenziell werden durch das Brückenmodernisierungsnetz die Hauptrouten im Autobahnnetz erfasst, vielfach in Westdeutschland, die durch ihre Verbindungsfunktion von Metropolen und Industriezentren besonders viel und vor allem schweren Güterverkehr zu tragen haben. Fast immer trifft es hierbei die älteren Autobahnen mit Brücken, die für deutlich geringere Verkehre vor 1985 gebaut wurden und die aufgrund des permanent hohen Verkehrsaufkommens eine andauernde hohe Bauwerksauslastung aufweisen. Tabelle 5: Traglastindex der Brücken im Brückenmodernisierungsnetz (Bauwerke nur im Zuge von BAB-Strecken) 1) Kleine Brücken oder Brücken ohne Tragfähigkeitseinstufung Für die Priorisierung im Brückenmodernisierungsnetz werden jene Teilbauwerke mit einem Traglastindex der Stufen IV und V sowie anteilig die Stufe III berücksichtigt. Der Anteil der Bauwerke der Stufe III wird hier mit etwa 70 % als dringlich angerechnet. In Summe ergeben sich Stand heute für das Brückenmodernisierungsnetz 3.946 zu modernisierende Teilbauwerke im Zuge von Autobahnen, darunter viele kleinere Standardbauwerke. Derzeit befinden sich 1.296 Teilbauwerke in verschiedenen Phasen der Planung oder des Baus, sind also in Bearbeitung und werden nachgerechnet, verstärkt, als Ersatzneubauten beplant oder sind bereits im Bau. Aus diesem Kontingent rekrutiert sich zu wesentlichen Teilen die Planungsreserve für die nächsten Jahre. Weitere 2.650 Teilbauwerke müssen einer Bearbeitung noch zugeführt werden (Tabelle-6). Tabelle 6: Abarbeitungsstand der Brücken im Zuge von Autobahnen im Brückenmodernisierungsnetz nach Anzahl der Teilbauwerke Anzahl noch zu modernisierender Teilbauwerke 3.946 Davon sind in Bearbeitung noch nicht in Bearbeitung 1.296 2.650 Auch wenn die Brückenmodernisierung noch nicht den eingeschwungenen Zustand erreicht hat und weitere Anstrengungen hinsichtlich Planungs- und Baubeschleunigung notwendig sind, so ist doch im Bild-13 zu erkennen, dass die massiven Investitionen in die Brückenerhaltung und -modernisierung den negativen Trend in der Zustandsentwicklung der Bauwerke gestoppt haben. Der Anteil der mit sehr gut bis gut bewerteten Bauwerke (grüne Farbkodierung) bezogen auf die Gesamtbrückenfläche aller Brücken der Bundesfernstraßen hat sich stabilisiert, der Anteil der Bauwerke mit schlechterem Zustand (Zustandsnote größer 3,0, rote Farbkodierung) ist spürbar verringert worden. 32 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 13: Zustandsnotenverteilung für Brücken an Bundesfernstraßen im Jahresvergleich anteilig nach Brückenfläche 7. Finanzierung und Mittelumsatz bei der Brückenmodernisierung Insgesamt hat das BMDV die Investitionen in die Erhaltung der Bundesfernstraßen (Strecke und Brücke) kräftig aufgestockt. Ausgehend von derzeit rund 4,5 Mrd. Euro pro Jahr, von denen im Jahr 2022 rund 1,6- Mrd. Euro in die Brückenerhaltung fließen werden, ist nun in Umsetzung des Koalitionsvertrages seitens des BMDV eine weitere schrittweise Erhöhung der Erhaltungsmittel auf 5,7 Mrd. Euro im Jahr 2026 angestrebt. Der jährliche Mittelbedarf für die Brückenerhaltung inkl. Modernisierung ist weiterhin hoch und muss zukünftig gesteigert werden. Mit den gesteigerten Investitionen sind alle geplanten jährlichen Maßnahmen ordnungsgemäß umsetzbar. Der höhere Mittelbedarf ist eng mit einer notwendigen Steigerung der Leistungsfähigkeit der Autobahn GmbH des Bundes verbunden. Wurden in den letzten Jahren im Mittel etwa 200 Autobahnbrücken modernisiert, so verlangt das immense Aufgabenportfolio nahezu eine Verdopplung des Bauumsatzes auf ca. 400 Autobahnbrücken pro Jahr (Bild-14), wenn die Brückenmodernisierung im Autobahnnetz in etwa zwei Dekaden geleistet werden soll. Bild-14: Geplanter jährlicher Aufwuchs der modernisierten und fertiggestellten Autobahnbrücken bis zum Jahr 2026 5. Brückenkolloquium - September 2022 33 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Anhand einer Modellrechnung mit Mittelwerten lässt sich der dafür erforderliche Mittelbedarf ableiten. Bezogen auf alle Brücken-Teilbauwerke im Autobahnnetz ergibt sich eine rechnerische Vergleichsbrücke mit folgenden Kenndaten: mittlere Länge 50 m, mittlere Breite 15 m und mittlere Brückenfläche 750 m 2 . Mittelbedarf für Brückenmodernisierung der Autobahnbrücken Wurden bisher im Mittel der letzten Jahre ca. 200 Autobahnbrücken (Teilbauwerke) in einem Jahr modernisiert, so ergeben sich anhand der Vergleichsbrücke mit einem aktuellen mittleren Kostenansatz von ca. 4000-EUR/ m² ein aktueller Mitteleinsatz von ca. 600 Mio. EUR pro Jahr für die Brückenmodernisierung im Autobahnbereich. Diese Summe ist in der Wirtschaftsplanung der Autobahn GmbH für das Jahr 2022 enthalten (Bild 15): 750 m² ´ 4000,00 EUR/ m² ´ 200 TBW = 600 Mio. EUR Da die Zahl der modernisierten Brücken im Autobahnnetz bis zum Jahr 2026 auf ca. 400 Autobahnbrücken (Teilbauwerke) pro Jahr ansteigen soll und darüber hinaus auf der Kostenbasis von 2022 eine 4 %ige jährliche Kostensteigerung in Ansatz gebracht werden muss (neuer Kostenansatz 1,04 4 ´ 4000 EUR/ m² = 4.700 EUR/ m²) ergibt sich ein notwendiger Haushaltmitteleinsatz von ca. 1,4 Mrd. EUR allein für die Autobahnen, für den wir uns einsetzen werden: 750 m² ´ 4700,00 EUR/ m² ´ 400 TBW = 1.410 Mio. EUR ≈ 1,4 Mrd. EUR Im Bild 15 ist der erforderliche Mittelaufwuchs für die Modernisierung der Autobahnbrücken dargestellt. * geschätzte 600-Mio.-€ sind in der Wirtschaftsplanung der Autobahn GmbH für die Jahre 2022 ff. bereits enthalten Bild 15: Erforderlicher Mittelaufwuchs für die Modernisierung von Autobahnbrücken Mittelbedarf für Brückenmodernisierung der Bundesstraßenbrücken Für die Brücken der Bundesstraßen sind analoge Betrachtungen anzustellen. Wurden in den letzten Jahren ca. 250 bis 300 Mio. EUR für die Brückenmodernisierung verausgabt, werden bei vergleichbarem jährlichen Modernisierungsaufwand inkl. einer 4-%igen jährlichen Preisentwicklung im Jahr 2026 bekanntermaßen etwa 400-Mio. EUR zu veranschlagen sein. Mittelbedarf für übliche Bauwerkserhaltung Die Aufwendungen der üblichen Erhaltungsmaßnahmen, z. B. Betoninstandsetzung bei Betonbrücken, Erneuerung des Korrosionsschutzes von Stahlbrücken, Lagertausch etc., werden sich für die Bundesfernstraßen (BAB und B) bei vergleichbarem Aufgabenumfang bis 2026 bei etwa ca. 700 Mio. EUR jährlicher Kosten (inkl. jährlicher Preisentwicklung) einpendeln. Gesamter Mittelbedarf für die Bundesfernstraßen In der Gesamtbetrachtung der Bauwerkserhaltung werden für die Brückenmodernisierung für die Bundesfernstraßenbrücken (BAB und B) im Jahr 2026 etwa 1,8 Mrd. EUR benötigt werden. Hinzukommen die Aufwendungen für übliche Erhaltungsmaßnahmen in Höhe von 700 Mio. EUR, so dass in Summe die erforderlichen Erhaltungsmittel auf ca. 2,5-Mrd. EUR im Jahr 2026 anwachsen werden (Bild 16). Für diese Summe werden wir uns einsetzen. 34 5. Brückenkolloquium - September 2022 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick Bild 16: Erforderlicher Mittelaufwuchs für die Erhaltung der Bundesfernstraßen Es zeichnet sich folglich ab, dass die notwendigen Investitionsmittel in die Bauwerkserhaltung in den kommenden Jahren dringend verstärkt werden müssen, um die gewaltige Aufgabe der Zukunftssicherung der Brücken der Bundesfernstraßen zu stemmen. Für diesen Mittelaufwuchs werden wir uns bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen einsetzen. Personalbedarf Zur Umsetzung der Investitionsmittel ist ein entsprechender Personaleinsatz erforderlich, so dass der jeweilige Bedarf stark mit dem Jahresbauprogramm verwoben ist. In Abhängigkeit vom verfügbaren eigenen Personalbestand (inkl. Personalaufwuchs) muss der darüber hingehende Bedarf über Drittmittelvergaben an Ingenieurbüros gedeckt werden, um das ambitionierte Bauprogramm sowohl bei den Bundesstraßen als auch bei den Bundesautobahnen realisieren zu können. Die notwendigen Ingenieurmittel (eigenes Personal und Ingenieurverträge) für die notwendigen Planungen lassen sich etwa mit 18 % der Baukosten abschätzen. 8. Rechtlich flankierende Maßnahmen für Ersatzneubauplanungen für Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen Ein wesentlicher Zeitfaktor bei der Vorbereitung von Brückenmodernisierungsmaßnahmen ist die Schaffung von Baurecht. In Bezug auf Ersatzneubauplanungen für Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen sind zwei Gesetzesanpassungen aus der letzten Legislaturperiode hervorzuheben: • Um den Ersatz von hoch belasteten Brücken zu beschleunigen, hat der Bund mit dem in 2018 in Kraft getretenen Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich Regelungen zur Planungsbeschleunigung geschaffen. Dies bringt insoweit eine Erleichterung, als dass anstelle eines Planfeststellungsverfahrens auch dann ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werden kann, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. • Mit dem Gesetz zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich aus 2020 wird der Begriff der „Änderung“ einer Bundesfernstraße in §-17 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) legaldefiniert und restriktiver gefasst, um Maßnahmen leichter als Unterhaltungsmaßnahmen und damit ohne Baurechtverfahren durchführen zu können. Über eine 1: 1 Wiederherstellung hinaus sind auch konstruktive Anpassungen der neuen Infrastruktur als Unterhaltungsmaßnahmen möglich. Rein konstruktive Verbesserungen der Straße zur Anpassung an aktuelle Regelwerke, Standards, Sicherheits- oder Verkehrsbedürfnisse können dann zwar eine bauliche Umgestaltung der Straße darstellen, aber überschreiten nicht zwingend die Erheblichkeitsschwelle, sind damit keine Änderungen im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG und werden somit nach einer Einzelfallprüfung als Unterhaltungsmaßnahmen qualifiziert. Bereits nach geltender Rechtslage kann der Ersatz einer abgängigen Autobahnbrücke an Ort und Stelle genehmigungsfrei und auch ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen. Maßgebend sind stets die Umstände des Einzelfalls. Empfehlenswert ist die frühzeitige Einbindung und Abstimmung des Vorhabenträgers mit den zuständigen Behörden. In dieser Legislatur stehen vor allem die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und die Optimierung interner Verfahrensabläufe im Fokus. Eine Digitalisierung des Planungs- und Genehmigungsverfahrens ist geboten, um dieses Verfahren unter der Zielsetzung der Beschleunigung, Qualitätssicherung sowie unter Wahrung der Öffentlichkeitsbeteiligung zu modernisieren. Durch Digitalisierung können Schnittstellen eingespart und Entscheidungswege beschleunigt werden. Digitale Projekte, wie Wissensplattformen zum Datenaustausch, zum Beispiel beim Artenschutz, könnten zukünftig einen Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung leisten. Auch die Nutzung von Building Information Modeling (BIM) soll weiter vorangetrieben werden. Neben der Digitalisierung spielt auch die Qualität interner Verwaltungsstrukturen und Prozesse eine entscheidende Rolle bei der Planungsdauer. Damit die internen Strukturen und Prozesse gut funktionieren, ist ausreichendes, gut ausgebildetes Personal erforderlich, das interdisziplinär zusammenarbeitet. Notwendig sind auch eine effiziente Projektorganisation, eine frühzeitige Ab- 5. Brückenkolloquium - September 2022 35 Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick stimmung mit allen Beteiligten, klare Entscheidungswege sowie ein effizientes Controlling. Darüber hinaus sollen auch alle noch bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zur Planungsbeschleunigung ausgeschöpft werden. Welche Gesetzesanpassungen für die Baurechtsschaffung von Brückenersatzneubauten erfolgen können, wird aktuell geprüft. Dies schließt auch die Prüfung der Legalplanung für ausgewählte Brückenbauwerke als Pilotvorhaben ein. Generell gilt, dass mit der Genehmigung von Vorhaben auf Grundlage des Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes bislang noch keine praktischen Erfahrungen bestehen. Im Rahmen des derzeit laufenden Vertragsverletzungsverfahrens der EU KOM gegen dieses Gesetz hatte die Bundesregierung im Juli 2021 gegenüber der Europäischen Kommission ihre Position dargelegt. 9. Schlussfolgerungen und Ausblick Durch die ungünstige Altersstruktur mit vielen Brücken jenseits der 50 Jahre einerseits und der ungebremsten Zunahme des Güterverkehrs andererseits müssen viele Brückenbauwerke im deutschen Bundesfernstraßennetz verstärkt oder erneuert werden, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein. Die Problemstellungen der älteren Brücken sind erkannt; sie werden zielgerichtet angegangen. Dafür werden die Brücken nachgerechnet und Defizite aufgedeckt, Abhilfemaßnahmen erarbeitet und baulich umgesetzt. Fast immer sind die notwendigen Maßnahmen bei laufendem Verkehr durchzuführen. Zur zielgerichteten Umsetzung dieser Aufgabe wurde ein Programm zur Brückenmodernisierung aufgelegt, welches für die nächsten Jahre eine Schwerpunktaufgabe darstellt. Das Programm Brückenmodernisierung konzentriert planerische und bauliche Aktivitäten auf die zukunftssichere Ausrichtung verkehrswichtiger Korridore vorwiegend im Autobahnnetz. Die Korridore bestehen aus zusammenhängenden Autobahnstrecken, die in Summe das Brückenmodernisierungsnetz bilden und mit 7.000 km etwas mehr als die Hälfte des deutschen Autobahnnetzes umfassen. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass ausreichend Ressourcen für die Modernisierung von einzelnen Brücken außerhalb des prioritären Netzes zur Verfügung stehen, um ungewollte Ausfälle zu verhindern. Ansonsten bleiben Strecken außerhalb des Brückenmodernisierungsnetzes möglichst frei von Baumaßnahmen, um den Autobahnverkehr flüssig abwickeln zu können. Sonstige Erhaltungsmaßnahmen an Autobahnbrücken werden bedarfsgerecht fortgeführt. Nach Fertigstellung des Brückenmodernisierungsnetzes werden die notwendigen Arbeiten in der verbliebenen Hälfte des Autobahnnetzes fortgesetzt. Ziel ist es, größere Streckenabschnitte für die Modernisierung zusammenzufassen, z. B. durch andere, funktionale Vergabeformen, um die Effektivität der Umsetzung von Modernisierungsmaßnahmen zu steigern. Unmittelbar verkehrswirksame Verbesserungen würden Raum gewinnen, je mehr zukunftssichere Autobahnabschnitte vorhanden sind und je länger die daraus zusammengesetzten Streckenabschnitte werden. Die Leistungsfähigkeit und Zukunftssicherheit des deutschen Autobahnnetzes hängen maßgeblich von einer erfolgreichen Brückenmodernisierung ab. Für eine Umsetzung in angemessenen Zeiträumen müssen insbesondere die personellen, aber auch die finanziellen Mittel bedarfsgerecht verstärkt und auf hohem Niveau über viele Jahre hinweg fortgeführt werden. Literatur [1] BMDV-(2020) Verkehrsinvestitionsbericht [2] BMVI- (2011) Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), Bonn/ Berlin, 05/ 2011, 1. Ergänzung, 04/ 2015