eJournals Brückenkolloquium 5/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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Nachhaltige Verstärkung der 1,8 km langen Spannbetonbrücke auf der A13 bei Ferrara, Italien, durch externe Vorspannung

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Kay Löffler
Marco A. Bizzozero
Die verkehrstechnisch hochbelastete, insgesamt 1,8 km lange Spannbetonbrücke auf der A13 nördlich von Ferrara verbindet die Stadt Bologna im Süden mit der Region Venedig. Die aus insgesamt 42 Feldern mit Spannweiten von 32–70 m bestehende Brücke mit zwei getrennten Überbauten ist im Bereich der Strombrücke als doppelstegiger Plattenbalken ausgeführt. Die Nachrechnung der Brücke hat ergeben, dass für eine nachhaltige Verstärkung die Brückenlängsträger durch Anordnung von jeweils insgesamt acht externen Spanngliedern, feldweise angeordnet in Spanngliedpaaren beidseitig der Träger und in polygoner Spanngliedführung, zu unterstützen sind. Besondere Herausforderung hierbei ist es, aufgrund der hohen Verkehrsbelastung der Brücke die Sperrzeiten auf ein Minimum zu beschränken. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der ersten Verstärkungsphase der Träger mit Spannweiten von 57–70 m vom Bauherrn erstmalig in Italien ein werksvorgefertigtes, bereits voll korrosionsgeschütztes und beliebig nachspannbares DYWIDAG-Draht EX Spannsystem gewählt, dass direkt von der Transporttrommel in die Verankerungs- und Umlenkelemente entlang der Träger eingezogen werden kann. In den insgesamt acht Feldern der ersten Verstärkungsphase wurden somit insgesamt 64 externe Draht EX-Spannglieder des Typs EX 30 (Pm0=1473 kN) bzw. EX 42 (Pm0=2062 kN) installiert. Je Feld betrug die Einbauzeit der jeweils acht Spannglieder von der Anlieferung bis zum Abschluss der Spannarbeiten weniger als fünf Tage, wobei die zeitweilige einseitige Sperrung der Autobahn auf den Einziehvorgang und die Spannarbeiten beschränkt wurden. Zusammen mit der Montage der Spannglieder wurde auch ein entsprechendes Monitoring-Konzept integriert, bei dem die Spannkraft jedes zweiten Spanngliedes sowie die Durchbiegung des Brückenträgers in Feldmitte kontinuierlich überwacht wird. Die Vorspannung von in Italien weitgehend standardisierten Brückengeometrien durch modulare, werksvorgefertigte, standardisierte DYWIDAG-Spannsysteme ermöglicht somit einen optimierten Einbaufortschritt und verbindet die Gegebenheiten der bestehenden Konstruktionsweise mit den Erfahrungen aus für die Verstärkung optimierten Spannsystemen.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 193 Nachhaltige Verstärkung der 1,8 km langen Spannbetonbrücke auf der A13 bei Ferrara, Italien, durch externe Vorspannung Dipl.-Ing. Kay Löffler DYWIDAG-Systems-International GmbH, Langenfeld (Rheinland) Lifespan Management, Repair and Strengthening Ing. Marco A. Bizzozero DYWIDAG-Systems S.R.L, Cusago (MI) Senior technical manager Italy Zusammenfassung Die verkehrstechnisch hochbelastete, insgesamt 1,8 km lange Spannbetonbrücke auf der A13 nördlich von Ferrara verbindet die Stadt Bologna im Süden mit der Region Venedig. Die aus insgesamt 42 Feldern mit Spannweiten von 32-70 m bestehende Brücke mit zwei getrennten Überbauten ist im Bereich der Strombrücke als doppelstegiger Plattenbalken ausgeführt. Die Nachrechnung der Brücke hat ergeben, dass für eine nachhaltige Verstärkung die Brückenlängsträger durch Anordnung von jeweils insgesamt acht externen Spanngliedern, feldweise angeordnet in Spanngliedpaaren beidseitig der Träger und in polygoner Spanngliedführung, zu unterstützen sind. Besondere Herausforderung hierbei ist es, aufgrund der hohen Verkehrsbelastung der Brücke die Sperrzeiten auf ein Minimum zu beschränken. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der ersten Verstärkungsphase der Träger mit Spannweiten von 57-70 m vom Bauherrn erstmalig in Italien ein werksvorgefertigtes, bereits voll korrosionsgeschütztes und beliebig nachspannbares DYWIDAG-Draht EX Spannsystem gewählt, dass direkt von der Transporttrommel in die Verankerungs- und Umlenkelemente entlang der Träger eingezogen werden kann. In den insgesamt acht Feldern der ersten Verstärkungsphase wurden somit insgesamt 64 externe Draht EX-Spannglieder des Typs EX 30 (P m0 =1473 kN) bzw. EX 42 (P m0 =2062 kN) installiert. Je Feld betrug die Einbauzeit der jeweils acht Spannglieder von der Anlieferung bis zum Abschluss der Spannarbeiten weniger als fünf Tage, wobei die zeitweilige einseitige Sperrung der Autobahn auf den Einziehvorgang und die Spannarbeiten beschränkt wurden. Zusammen mit der Montage der Spannglieder wurde auch ein entsprechendes Monitoring-Konzept integriert, bei dem die Spannkraft jedes zweiten Spanngliedes sowie die Durchbiegung des Brückenträgers in Feldmitte kontinuierlich überwacht wird. Die Vorspannung von in Italien weitgehend standardisierten Brückengeometrien durch modulare, werksvorgefertigte, standardisierte DYWIDAG-Spannsysteme ermöglicht somit einen optimierten Einbaufortschritt und verbindet die Gegebenheiten der bestehenden Konstruktionsweise mit den Erfahrungen aus für die Verstärkung optimierten Spannsystemen. 1. Einleitung Die insgesamt ca. 1,8 km lange Autobahnbrücke über den Fluss Po sichert als Teil der am 6. Juni 1970 für den Verkehr freigegeben A13 die verkehrstechnische Anbindung der Region Emilia-Romana mit der Region Venezien und verbindet direkt die wirtschaftlichen Zentren Bologna im Süden mit Padua im Norden. Bild 1: Brücke über den Po (Flussfelder) Der aus zwei getrennten Überbauten bestehende Brückenzug ist als eine Reihe von insgesamt 42 vorgespannten Plattenbalken ausgebildet worden. Die Vorlandbrücken bzw. Brückenrampen (insgesamt 12 + 15 Felder) sind dabei 5-stegig, der Hauptbrückenzug ist dagegen 2-stegig. Die Spannweiten je Feld betragen zwischen 32 m und 70 m. Der Flussbereich besteht aus insgesamt sechs Feldern, wobei in diesem Bereich beide Überbauten auf gemeinsamen Flusspfeilern aufgelagert sind. Ähnlich wie in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren auch in Italien Nachrechnungsrichtlinien entwickelt, um die Bestandsbauwerke vor dem Hintergrund einer kontinuierlich gestiegenen Verkehrsbelastung zu überprüfen. Im Rahmen der Verstärkungsmaßnahme dieser Brücke wurde vorgesehen, insbesondere die zweistegigen Plattenbalken der Flussfelder durch eine beidseitige Anordnung eines polygonförmig angeordneten, externen Spanngliedpaares in Längsrichtung zu verstärken. 194 5. Brückenkolloquium - September 2022 Nachhaltige Verstärkung der 1,8 km langen Spannbetonbrücke auf der A13 bei Ferrara, Italien, durch externe Vorspannung Bild 2: Polygonförmiger Spanngliedverlauf Daneben erfolgte eine entsprechende Betonsanierung der Träger und Flusspfeiler u.a. mit der Applikation von CFK-Lamellen. Die Verstärkungsmaßnahme erfolgte i.d.R. feldweise, wobei die Zugänglichkeit durch ein unter das entsprechende Feld abgehängtes Gerüst gegeben wurde, das über ein zwischen den Überbauten angeordnetes Zugangsgerüst jeweils erreicht werden konnte. Im Rahmen einer ersten Instandsetzungsphase wurden im Bereich des Flusses acht Felder mit insgesamt 64 Spanngliedern eingebaut und vorgespannt. 2. Auswahl des Spannverfahrens Durch die hohe Verkehrsbelastung der Brücke war eine wesentliche Maßgabe, Sperrzeiten z. B. zur Andienung von Materialien von der Autobahn zum Brückenträger so weit wie möglich zu minimieren. Relevante Arbeiten, die eine etwaige Verkehrssperrung bedurften, mussten entweder am Wochenende oder nachts durchgeführt werden. Der Verstärkungsmaßnahme lag ferner eine umfangreiche statische Nachrechnung zugrunde, die während des Einbaus und dem Vorspannen der Träger auch vermessungstechnisch begleitet wurde. So sollte das gewählte Spannverfahren die Möglichkeit bieten, die Spannkräfte, abhängig von der Brückenverformung, beliebig anzupassen, d. h. ggf. von den Vorgabewerten höhere und niedrigere Spannkräfte aufzubringen. Unter den o. g. Randbedingungen wurde durch den Bauherrn Autostrade per l’Italia das werksmäßig vorgefertigte und auf einer Transporttrommel direkt am Einbauort einziehbare DY- WIDAG-Draht EX Spannverfahren gemäß ETA-07/ 0186 [1] mit i.d.R. 42 Einzeldrähten und einer max. Vorspannkraft von P m0 =2062 kN gewählt. Bild 3: Spannankerkopf Abweichend davon kamen im Feld 27 (Nord und Süd), welches ein Übergangsfeld zu den Rampen darstellt, Spannglieder des gleichen Typs, jedoch mit 30 Drähten und einer max. Vorspannkraft von P m0 =1473 kN zum Einsatz. Durch die Werksvorfertigung der Spannglieder kann auf eine Anlieferung von Teilmaterialen und entsprechenden Maschinen zum Auf bau der Spannglieder auf dem Gerüst weitgehend verzichtet werden und die Zeit zur Andienung der Materialien minimiert werden. Ferner ist beim Draht EX-Spannsystem der Ringraum zwischen dem Zuggliedern (Drähten) und dem PE-Hüllrohr bereits im Werk mit Korrosionsschutzmasse ausinjiziert worden. Ein Injiziervorgang auf der Baustelle mit erhitzter Korrosionsschutzmasse und möglichen Leckagen kann so, insbesondere im ökologisch empfindlichen Flussbereich, vermieden werden. Da die Verankerung des Spanngliedes durch Gewindeelemente erfolgt ist eine Anpassung der aufzubringenden Vorspannkraft sowohl beim initialen Spannvorgang sowie auch zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit möglich. Anders als bei litzenbasierten Spanngliedern, bei denen das Absetzten der Spannkraft systembedingt mit einem Keilbiss und damit einer oberflächlichen Beschädigung des Zuggliedes verbunden ist, wird bei den Draht EX-Systemen durch die Verwendung von Gewindeelementen und die Verankerung über Stauchköpfchen das Zugglied auch bei wiederholten Anpassungen der Vorspannkräfte nicht beschädigt. Dies ermöglich höchste zukunftssichere Flexibilität für den Auftraggeber. Seit über zwanzig Jahren in Deutschland, insbesondere auch bei der Brückenverstärkung, verwendet hat durch die Kombination der o. g. 5. Brückenkolloquium - September 2022 195 Nachhaltige Verstärkung der 1,8 km langen Spannbetonbrücke auf der A13 bei Ferrara, Italien, durch externe Vorspannung Systemvorteile mit den projektbezogenen Anforderungen das DYWIDAG-Draht EX-System erstmalig auch in Italien Anwendung gefunden. 3. Verankerungsbereiche und Umlenkungen Die Verankerung der beidseitig am Träger angeordneten Spanngliedpaare erfolgte insbesondere bei den Feldern mit einer Spannweite von 70 m durch Stahlkonsolen, die das Ende des Trägers -förmig umschlossen haben. Dadurch wurde u.a. auch das synchrone Vorspannen jeweils eines Spanngliedpaares erforderlich. In den Feldern 27 Nord und Süd war eine U-förmige Ankerkonsole konstruktiv aufgrund eines geschlossenen Stützquerträgers nicht möglich. Daher wurden in diesen Feldern die Stahlankerkonsolen mittels Stahlbolzen durch den Bestandsträger durchgeankert. Jeweils von den Ankern ausgehend wird das Spannglied nach ca. 9 m umgelenkt und parallel zum Untergurt des Trägers geführt. Die Umlenkung erfolgt auch hierbei durch unter den Gurt des Trägers angebrachte Stahlkonsolen. Zur höheren Flexibilität des Systems und kontrollierte Umlenkung der Spannglieder, werden in die Aussparungsrohre der Stahlkonstruktion Umlenkschalen aus Kunststoff eingelegt, die auch noch während des Spannprozesses entsprechend der individuellen Spanngliedlage ausgerichtet werden können, um eine optimale Stützung des Spanngliedes zu ermöglichen. Bild 4: U-förmige Verankerungskonsolen Bild 5: Verankerung in Feld 27 Bild 6: Umlenkkonsolen 4. Messkonzept für die spätere Spannkraftkontrolle Im Rahmen der Verstärkungsmaßnahme wurde durch den Brückenbetreiber auch ein umfangreiches Messkonzept entwickelt und umgesetzt. Jeweils vier der acht Längsspannglieder sind durch DYWIDAG mit Kraftmessdosen ausgestattet worden. Zusammen mit Dehnungsaufnehmern in Feldmitte und einer drahtlosen Datenkommunikation zu einem zentralen Server können somit etwaige Veränderungen der Konstruktion kurzfristig erkannt werden. 5. Einbau der Spannglieder Der Einbau der zusätzlichen Längsspannglieder erfolgte durch ein Team der DYWIDAG zusammen mit der örtlichen, für die Sanierungsmaßnahme durch die Autostrade per l’Italia beauftragten, Bauunternehmung. Bedingt durch die feldweise Verstärkung hat sich mit Fortgang des Projektes schnell auch ein sich wiederholender Einbauablauf eingespielt. Durch die hohe Flexibilität und enge Zusammenarbeit mit dem Team der Bauunternehmung konnte somit der Ablauf routiniert und zügig abgewickelt werden. 5.1 Anlieferung und Einziehen Die Anlieferung der Spannglieder erfolgte i.d.R direkt vor dem Einbau der Spannglieder. Erfolgte die Andienung der Spannglieder im Bereich der ersten Flussfelder noch über das Zugangsgerüst zwischen den Überbauten, so wurden die Spannglieder in Flussmitte von der Fahrbahn mittels eines Autokrans auf das Gerüstniveau herabgelassen und von dort aus direkt mittels einer Winde durch die Umlenksättel in die finale Spanngliedlage gebracht und temporär auf dem Gerüst abgelegt. Dies erfolgte in der Regel im Rahmen einer max. 6-8-stündigen Sperrung am Wochenende, wobei jeweils acht bis sechszehn Spannglieder im Rahmen einer Sperrung eingezogen werden konnten. Die Sperrung wurde u. a. auch erforderlich, damit das jeweilige Brückenfeld einer vermessungstechnischen 0-Messung unterzogen werden konnte. 196 5. Brückenkolloquium - September 2022 Nachhaltige Verstärkung der 1,8 km langen Spannbetonbrücke auf der A13 bei Ferrara, Italien, durch externe Vorspannung Bild 7: Andienung der Spannglieder Bild 8: Einziehen der Spannglieder auf Gerüstniveau Bild 9: Temporäres Ablegen des Spanngliedes 5.2 Spannen der Längsspannglieder Prinzipiell ist das Spannen von Längsspanngliedern auch unter Verkehr möglich, jedoch wurde im Rahmen dieses Projektes eine begleitende Verformungsmessung des Überbaus auf Fahrbahnniveau während der einzelnen Spannschritte durchgeführt, um die auftretende Anhebung des Trägers z. B. in Feldmitte mit den prognostizierten Werten zu vergleichen. Dadurch bedingt erfolgten die Spannarbeiten jeweils in einem Nachteinsatz (max. 6-8 Stunden) unter einer erneuten Sperrung des Brückenabschnitts. Die Auslesung der Kraftmessdosen am Festanker sowie des Hydraulikdrucks der Spannpressen am Spannanker und die Ergebnisse der festgestellten Verformungen auf der Fahrbahn führten darauf hin zu entsprechenden Anpassungen der finalen Absetzkräfte des Spannsystems. In Feld 27 kam erschwerend hinzu, dass zum Spannen der Draht EX-Spannglieder aufgrund des geschlossenen Stützquerträgers nur ein begrenzter Arbeitsraum von ca. 70 cm vorhanden war. Durch Verwendung entsprechender Sonderspannpressen konnten auch diese Felder voll vorgespannt werden. Bild 10: Spannen der Spannglieder 6. Zusammenfassung Die Verstärkung einer Bestandsbrücke mit Spanngliedern muss zügig und mit möglichst geringem Einfluss auf die Nutzung der Brücke durchgeführt werden können. Eine einfache Anpassung der Spannglieder an die jeweiligen Bedingungen und Anforderungen des Bestandbauwerkes ist Grundlage für eine erfolgreiche Abwicklung einer Verstärkungsmaßnahme. Im Rahmen der ersten Phase des Verstärkungsprojektes der Autobahnbrücke über den Po bei Ferrara konnten durch die Verwendung werksmäßig vorkonfektionierter DYWIDAG-Drahtspannglieder die für den Einbau der Spannglieder notwendigen Sperrungen zeitlich minimiert werden. Mit dem Einbau von insgesamt 64 Spanngliedern des Typs DYWIDAG-Draht EX in insgesamt acht Brückenfelder ist nun die Grundlage für eine weitere nachhaltige Nutzung der Bestandsbrücke gelegt. Durch die feldweise Sanierung und insbesondere die enge Zusammenarbeit zwischen der Autostrade per l’Italia, den beauftragten Bauunternehmen und DYWIDAG konnten die Arbeitsabläufe weiter optimiert und der Einbau der Spannglieder zügig durchgeführt werden. Der Anfang ist gemacht! Literaturnachweis [1] Europäische Technische Bewertung SUSPA-Draht EX, Externes Spannverfahren für das Vorspannen von Tragwerken mit 30 bis 84 Spannstahldrähten, DYWIDAG-Systems International GmbH