eJournals Brückenkolloquium 5/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
91
2022
51

Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken

91
2022
Stefan S. Grubinger
Simon Jimenez
Wolfgang Walcher
Alexander Huber
Slaven Kalenjuk
Matthias J. Rebhan
Mit zunehmendem Bauwerksalter, aber auch zu Folge der Abnahme des Erhaltungszustandes der Straßen- und Schieneninfrastruktur bzw. dem vermehrten Auftreten von Schäden und Schadensbildern, rücken Tätigkeiten wie die Prüfung und Inspektion von Infrastrukturbauwerken zusehends in den Vordergrund. Der Fokus liegt darin, den aktuellen Zustand eines Objektes bzw. dessen Veränderung möglichst zutreffend zu erfassen, um daraus folgend erforderliche Maßnahmen und Tätigkeiten abzuleiten, um die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Infrastruktur gewährleisten zu können. Im gesamten Bauwesen ist ein Rückstand in der Digitalisierung zu erkennen, wobei Building Information Modelling diesem Umstand als maßgeblicher Einfluss in der Baubranche entgegenwirkt. Diese Methode zur Planung, Erhaltung und Bewirtschaftung bezieht sich jedoch im Regelfall auf den Bereich des Neubaus und damit stark auf den Hochbau – im Tief- und Infrastrukturbau kommt die Planung und Ausführung basierend auf BIM-Modellen und Prozessen nur eingeschränkt zum Einsatz. Im Bereich des Bauens im Bestandes, der Instandhaltung und Instandsetzung aber auch der Prüfung und Inspektion von Infrastrukturbauwerken sind digitale Lösungen meist Mangelware. Die Bandbreite des Datenbestandes zu einem Bestandsbauwerk reicht von teils digitalen Unterlagen über analoge Planungen bis zum kompletten Fehlen von Planungs- und Dokumentationsunterlagen. Bei Bauwerksprüfungen und Kontrollen aber auch bei der Erhaltung und Instandsetzung sind diese Unterlagen jedoch unerlässlich. Diese in der Praxis oftmals vorhandene Lücke gilt es zu schließen und gleichzeitig eine Grundlage für die zuvor angeführten Aufgaben zu bilden. Einen Mehrwert und Ansatz, diesen Umständen mit einer praktikablen Lösung zu begegnen, stellt die Softwarelösung inspect3d dar, welche eine Kombination der digitalen Datenerfassung und Dokumentation in Symbiose mit den Möglichkeiten von Bauwerksmodellen und innovativen Technologien wie Augmented Reality bietet. Das Ergebnis ist ein digitales Tool, welches die Einbindung unterschiedlicher Datenquellen ermöglicht. Diese Daten werden als Grundlage für die Erfassung von Schäden und Mängeln verwendet – ähnlich der analogen Erfassung in Skizzen und Plänen, jedoch mit dem Unterschied, dass zu Folge der digitalen Erfassung und dem Einfügen von Annotationen bereits vor Ort eine eindeutige Verortung, Kennzeichnung und Beschreibung der erfassten Informationen stattfindet. Im nachfolgenden Beitrag wird der hierzu anwendbare Workflow – sowie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten anhand mehrerer Beispiele verdeutlicht.
kbr510217
5. Brückenkolloquium - September 2022 217 Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken Dipl.-Ing. BM Stefan S. Grubinger, Dipl.- Ing. Simon Jimenez recordIT GmbH, Graz, Österreich Dr. Wolfgang Walcher, Alexander Huber, MBA Robotic eyes GmbH, Graz, Österreich Dipl.-Ing. Slaven Kalenjuk Technische Universität Graz, Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme, Graz, Österreich Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr.techn. Matthias J. Rebhan, BM Technische Universität Graz, Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik, Graz, Österreich Zusammenfassung Mit zunehmendem Bauwerksalter, aber auch zu Folge der Abnahme des Erhaltungszustandes der Straßen- und Schieneninfrastruktur bzw. dem vermehrten Auftreten von Schäden und Schadensbildern, rücken Tätigkeiten wie die Prüfung und Inspektion von Infrastrukturbauwerken zusehends in den Vordergrund. Der Fokus liegt darin, den aktuellen Zustand eines Objektes bzw. dessen Veränderung möglichst zutreffend zu erfassen, um daraus folgend erforderliche Maßnahmen und Tätigkeiten abzuleiten, um die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Infrastruktur gewährleisten zu können. Im gesamten Bauwesen ist ein Rückstand in der Digitalisierung zu erkennen, wobei Building Information Modelling diesem Umstand als maßgeblicher Einfluss in der Baubranche entgegenwirkt. Diese Methode zur Planung, Erhaltung und Bewirtschaftung bezieht sich jedoch im Regelfall auf den Bereich des Neubaus und damit stark auf den Hochbau - im Tief- und Infrastrukturbau kommt die Planung und Ausführung basierend auf BIM-Modellen und Prozessen nur eingeschränkt zum Einsatz. Im Bereich des Bauens im Bestandes, der Instandhaltung und Instandsetzung aber auch der Prüfung und Inspektion von Infrastrukturbauwerken sind digitale Lösungen meist Mangelware. Die Bandbreite des Datenbestandes zu einem Bestandsbauwerk reicht von teils digitalen Unterlagen über analoge Planungen bis zum kompletten Fehlen von Planungs- und Dokumentationsunterlagen. Bei Bauwerksprüfungen und Kontrollen aber auch bei der Erhaltung und Instandsetzung sind diese Unterlagen jedoch unerlässlich. Diese in der Praxis oftmals vorhandene Lücke gilt es zu schließen und gleichzeitig eine Grundlage für die zuvor angeführten Aufgaben zu bilden. Einen Mehrwert und Ansatz, diesen Umständen mit einer praktikablen Lösung zu begegnen, stellt die Softwarelösung inspect3d dar, welche eine Kombination der digitalen Datenerfassung und Dokumentation in Symbiose mit den Möglichkeiten von Bauwerksmodellen und innovativen Technologien wie Augmented Reality bietet. Das Ergebnis ist ein digitales Tool, welches die Einbindung unterschiedlicher Datenquellen ermöglicht. Diese Daten werden als Grundlage für die Erfassung von Schäden und Mängeln verwendet - ähnlich der analogen Erfassung in Skizzen und Plänen, jedoch mit dem Unterschied, dass zu Folge der digitalen Erfassung und dem Einfügen von Annotationen bereits vor Ort eine eindeutige Verortung, Kennzeichnung und Beschreibung der erfassten Informationen stattfindet. Im nachfolgenden Beitrag wird der hierzu anwendbare Workflow - sowie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten anhand mehrerer Beispiele verdeutlicht. 1. Bestandsbauwerke im Infrastrukturbau Zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und der Verfügbarkeit von Straßen und Schienentrassen gerade in Ländern mit schwer zu erschließenden Regionen ist eine laufende Prüfung bzw. Inspektion dieser Bauwerke unerlässlich. Der Bestand an Bauwerken in Österreich (vgl. [1], [2] und [3]) zeigt, dass auf Grund der Topografie eine Vielzahl an Bauwerken vorhanden sind, welche eine Prüfung und Inspektion erfordern. Darüber hinaus kann auf Grund des steigenden Bauwerksalters eine Zunahme an Schäden und Mängeln erwartet bzw. auch bereits festgestellt werden. Neben den Einwirkungen aus steigenden Verkehrslasten und Zahlen ist hier, vor allem im Österreich, auch eine Steigerung von tausalz- und winterdienstbedingten Schäden (Korrosion, Forstabplatzungen, …) festzustellen, welche neben einer Abnahme der Dauerhaftigkeit in weiterer Folge auch eine Auswirkung auf die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit haben. Aus diesen Gründen wird eine hochwertige Prüfung immer wichtiger, um daraus folgend reaktive Maßnahmen in Form von Instandhaltungen und Instandsetzungen ableiten zu können, um eine weitere Abnahme des Erhaltungszustandes (vgl. [4]) sowie eine damit einhergehen- 218 5. Brückenkolloquium - September 2022 Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken de Auswirkung auf die Streckenverfügbarkeit möglichst gering zu halten. Vor allem im Bestand sind hier innovative Lösungen erforderlich, um zukünftige Prüf- und Inspektionsaufgaben wahrnehmen zu können. 2. Bauwerksprüfung und Datengrundlage Wie einleitend angeführt, stellt die wiederkehrende Bauwerksprüfung für Bauwerkserhalter und Prüfpersonal eine große Herausforderung dar. Neben den zeitlichen und technischen Herausforderungen ist ein wesentlicher Teil für die Ausführung dieser Tätigkeit die Erhebung der Bestandsunterlage um eine qualitativ hochwertige Prüfung durchführen zu können. 2.1 Bauwerksprüfung Aufgrund der geografischen Lage und Topografie Österreichs sind beispielsweise Stützbauwerke und Brücken zur Errichtung von Infrastruktureinrichtungen wie Straßen- oder Schienentrassen erforderlich. Hieraus resultiert, dass die Durchführung von laufenden Kontroll- und Prüftätigkeiten unerlässlich für die Sicherheit und Verfügbarkeit ist. Ein Hauptbestandteil dieser Tätigkeiten stellt die Erfassung des Erhaltungszustands [4] dar. Hierbei werden Veränderungen, meist in Form von Schäden am Objekt durch das Prüfpersonal (Bauwerksprüfer) erfasst. Darauf auf bauend findet anschließend eine Beurteilung statt. Schäden an Bauwerken können in unterschiedlichen Ausprägungen, Erscheinungsformen und Schweregraden vorliegen [5]. In Abhängigkeit des Bauwerkstyps, des Errichtungszeitpunkts und der vorliegenden Schäden stellt die Prüfung von bestehenden Bauwerken eine große Herausforderung sowohl für Bauwerkserhalter als auch das Prüfpersonal dar ([6]). Bei einer Bauwerksprüfung wird der Erhaltungszustand (vgl. [4]) eines Objekts erfasst, um darauf auf bauend das von diesem Objekt ausgehende Risiko zu bestimmen und erforderliche Erhaltungsmaßnahmen durch das Prüfpersonal bzw. den Bauwerkserhalter abzuleiten. Hierzu können (in Österreich) unterschiedliche Prüftätigkeiten (laufende Überwachung, Kontrolle oder Prüfung) sowie eine Vielzahl an Methoden, vgl. [4] und [5] und erforderlichenfalls auch Sonderprüfungen zur Anwendung kommen. Im Bereich der Autobahnen- und Schnellstraßen [7] sowie den Landesstraßen werden derartige Prüfungen nach dem Stand der Technik, definiert durch die Richtlinien Verkehr und Straße (RVS), durchgeführt. In Ausnahmefällen, wie beispielsweise im Bereich von Stützbauwerken (vgl. [6]), wo „der Erhaltungsverpflichtete eine Risikobewertung der nicht geankerten Stützbauwerke durchführen und basierend auf dem Ergebnis den Anwendungsbereich“ können Änderungen zulässig sein. 2.2 Datengrundlagen Als Grundlage für Bauwerksprüfungen sind Planunterlagen unweigerlich erforderlich und notwendig. Diese bilden die Grundlagen für den erforderlichen Prüfumfang und liefern die erforderlichen bau- und sicherheitstechnischen Informationen zu einem Bauwerk, welche die Aufgabenstellung für das Prüfpersonal festlegen. Weiters bieten diese Unterlagen auch die Grundlage, um Informationen zur Bauwerksprüfung im Feld zu erfassen. Beispiele hierfür sind Schadstellenbereiche, Bildnummern, Änderungen im Vergleich zur Vorprüfung oder Änderungen des Erhaltungszustandes. Derartige Unterlagen sind aktuell digital in Form von Plänen (meist *.dxf oder *.dwg Format), im PDF-Format bis hin zu Scans der Bestandsunterlagen vorhanden. Jedoch gibt es auch Situationen in dehnen keinerlei Unterlagen zu einem Bauwerk vorhanden sind, woraus folgend diese im Zuge der Prüfung und Inspektion - bzw. vorbereitend - erstellt werden müssen, um eine entsprechende Qualität der Prüfung zu gewährleisten. Neben dem Fehlen von Unterlagen muss im Zuge der Prüfung und Inspektion zudem davon ausgegangen werden, dass die vorhandenen Unterlagen aus der Planungsphase stammen und auf Grund von Änderungen nur bedingt den aktuellen Zustand darstellen. Gerade bei der Geometrie kann von nicht vollständigen und schlüssigen Unterlagen ausgegangen werden. 3. Workflow einer digitalen Bauwerksprüfung und digitale Bauwerksmodelle Um den oben angeführten Problemstellungen bei Bestandsunterlagen entgegenzuwirken bzw. um einheitliche und universal nutzbare Modelle zu einem Bestandsbauwerk zu schaffen, und mit einer digitalen Bauwerksprüfung verbundenen Vorteile nutzen zu können, gilt es einen entsprechenden Workflow einzuhalten. Dieser reicht von der vorab stattfindenden Erstellung der erforderlichen Modelle (und Planungsunterlagen), über die Implementierung in eine digitale Prüfsoftware und die Anbringung von entsprechenden Verortungs- und Vermarkungsmerkmalen im Zuge der Prüftätigkeiten. Anschließend kann bei einem digitalen Prüfprozess, identisch zur bisherigen Prüfung auch ein Prüf bericht in „analoger“ Form ausgegeben werden, um in die Dokumentation des Bauwerkserhalters aufgenommen werden zu können. 3.1 Workflow inspect3d Die Softwarelösung inspect3d ist ein Kooperationsprodukt der recordIT GmbH und der robotic eyes GmbH und hat den Ansatz einer über die Prüfzyklen durchgängigen, einfachen und nachvollziehbaren Bauwerksprüfung aufgegriffen. Im Zuge dieser Zusammenarbeit wurden die Kernkompetenzen der recordIT GmbH - die digitale Prüfung und Inspektion von Bauwerken, mit jenen der robotic eyes GmbH - der Lokalisierung und Verortung von Informationen im freien Raum, zusammengeführt. Das Ergebnis ist eine Softwarelösung, mit welcher Bauwerksprüfungen nach den technischen Vorgaben der Auftraggeber und Bauwerkserhalter (z. B. [4]) vorgenommen werden kann. Neben der räumlichen Verortung von Fotos und Informationen, vor allem im Hinblick auf die langzeitige und kumulierende Dokumentation am Bauwerk, sowie das Erstellen eines digitalen Zwillings, bietet dies eine Grundlage für weitere Arbeiten, Instandhaltungen und Planungen. Die so generierte „Single Source of Truth“ 5. Brückenkolloquium - September 2022 219 Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken (einzige Wahrheitsquelle) bildet die Grundlage für transparentes Reporting und zeitsparende Dokumentation. Anfallende Sperrzeiten für Arbeiten und Inspektionen können somit besser geplant und bezugnehmend auf aktuelle Methoden reduziert oder sogar gänzlich vermieden werden. Fotos und Informationen, die im Zuge von Kontrollen und Prüfungen erhoben und erstellt werden, werden noch vor Ort im 3D-Modell des Bauwerkes verortet und stehen für ein erneutes Aufrufen zur Verfügung. So wird sichergestellt, dass einmalig erfasste Informationen dauerhaft am Bauwerk verankert sind. Die Verortung und das Aufrufen der Informationen erfolgt über Tags (QR-Codes), welche entlang des Bauwerkes installiert sind und durch handelsübliche Hardware lesbar sind. Die obige Beschreibung der angeführten Softwarelösung inspect3d (vgl. [10]) lässt sich in Arbeitsschritten wie folgt anführen: 1. Erstellung eines 3D Modelles des Bauwerkes (vgl. 3.2) basierend auf fotogrammmetrischen oder Laserscandaten; 2. Ableitung eines digitalen Bauwerksmodelles; 3. Implementierung des Modelles in die digitale Prüflösung; 4. Durchführung der Prüfung inkl. automatisierter Vermarkung vorgefundener Mängel und Schäden im digitalen Bauwerksmodell; 5. Export des erforderlichen Prüfberichtes und/ oder Speichern der erhobenen Informationen online. Wie aus oben angeführtem Workflow zu erkennen ist, erfordert die Durchführung einer digitalen Bauwerksprüfung mit inspect3d ein digitales Bauwerksmodell. Die Grundlagen zu derartigen Modellen werden in Kapitel 3.2 näher ausgeführt. Abb. 1 zeigt die Erstellung eines derartigen Modelles robotergestützt und direkt am Bauwerk. Abb. 1: Erstellung eines 3D-Modelles des Bauwerkes Im Anschluss wird dieses 3D-Modell dazu verwendet, um ein Bauwerksmodell zu erstellen, welches in die Softwarelösung inspect3d übernommen wird. Diese Software ermöglicht eine Erfassung von Bildern im Zuge der Prüfung. Neben Bildern können zusätzlich Informationen direkt vor Ort erfasst werden. Diese reichen von einer einheitlichen Beschlagworten von Schadensbildern (z. B. freiliegende Bewehrung, Abplatzung, Feuchtstelle, …) bis hin zu frei definierbaren Anmerkungen und Bildbeschreibungen. Zudem bietet die Softwarelösung den Vorteil, dass gemeinsam durch mehrere Benutzer*Innen eine Prüfung parallel vorgenommen werden kann. Wie in Abb. 2 zu erkennen ist, können mehrere Personen ein Bauwerk gleichzeitig - ohne Informationsverlust und ohne eine erforderliche Überarbeitung - prüfen und erfassen. Abb. 2: Durchführung einer digitalen Bauwerksprüfung am Beispiel eines Tunnels Neben der Erfassung von Bildern und Informationen ist es auf Grund der angeführten Anbringung von Tags am Bauwerk (vgl. Abb. 7) möglich, automatisiert eine Vermarkung der Schadstellen direkt am Bauwerk vorzunehmen. Ein Beispiel hierfür ist in Abb. 3 zu erkennen. Abb. 3: Vermarkung von Schadstellen im digitalen Bauwerksmodell Dieses zeigt, dass in diesem Bereich (oranger Rahmen) ein Bild aufgenommen wurde, und bildet damit den Erhaltungszustand im Zuge der Prüfung ab. Ein großer Vorteil einer derartigen Lösung ist, dass damit neben dem Bildinhalt auch die genaue Position der Aufnahme sichergestellt ist, woraus folgend eine nachvollziehbare und reproduzierbare Prüfung und Inspektion gegeben ist. 3.2 Digitale Bauwerksmodelle zur Bauwerksprüfung Die Grundlage für die digitale Bauwerksprüfung mittels inspect3d sind 3D-Bauwerksmodelle. Diese können einerseits aus vorhandenen BIM-Modellen stammen und durch Informationen zum Ist-Zustand ergänzt werden. Zur Erfassung des Bestandes können 3D-Messverfahren wie Laserscanning oder Fotogrammmetrie eingesetzt werden. Diese beiden Technologien unterscheiden sich letztendlich in der geometrischen Qualität. Beide Verfahren liefern 3D-Punktwolken, die in weiteren digitalen Verarbeitungsschritten zu wasserdichten 3D-Modellen verarbeitet werden. Sind die Fotodaten lagerichtig ver- 220 5. Brückenkolloquium - September 2022 Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken ortet, so können die 3D Modelle fotorealistisch texturiert werden. Mobile Mapping Systeme beschreiben „Kartierungssysteme“, welche im Vorbeifahren (Auto, vgl. Abb. 4) oder im Vorbeifliegen (Drohnen) Bild- und Scandaten von der Umgebung erfassen. Diese Systeme spielen insbesondere bei langen, linienförmigen Strukturen (Tunnel, Stützbauwerken, Brücken) sowie bei stark befahrenen Verkehrsabschnitten oder unzugänglichen Orten (Brückentragwerke) ihre Stärken aus. Die Verortungsgenauigkeit liegt dabei im cm-Bereich. Im Gegensatz zu anderen Anwendungsgebieten derartiger Methoden (vgl. [11]) ist hier die Auflösung und Genauigkeit der erfassten Modelle eher zweitrangig. Vielmehr steht hier die vollflächige und effiziente Aufnahme des Bauwerkes im Vordergrund. Abb. 4: Mobile Mapping System zur Erfassung von Infrastrukturbauwerken Neben der Erfassung der Geometrie des Bauwerkes im Ist-Zustand können durch die Erweiterung der verwendeten Messplattformen auch weitere Informationsquellen genutzt werden. Beispiel hierfür sind Wärmebildkameras, um beispielsweise Feuchtstellen zu erkennen oder auch um freiliegenden Bewehrungselement zu erkennen. Die Intensität des zurückgestreuten Laserlichtes lässt zudem Schilder bzw. Bodenmarkierungen erkennen. Derartige Auswertungen können einen erheblichen Mehrwert für die Bauwerksprüfungen bringen. 4. Beispiele zur digitalen Bauwerksprüfung an Infrastrukturbauwerken Der in Kapitel 3 vorgestellte Workflow inspect3d und die dazugehörige Erstellung von digitalen Bauwerksmodellen wurden bereits an einer Vielzahl an Infrastrukturbauwerken erprobt. Nachfolgend werden einige dieser Beispiele kurz dargestellt und beschrieben, um einen Einblick in die erforderlichen Tätigkeiten und die damit verbunden Möglichkeiten zu geben. Tunnelkontrolle Feldkirchen Nach einer Erhebung der Tunnelgeometrie wurde für die Missstandsaufnahme, im Zuge einer 2-jährigen wiederkehrenden Tunnelkontrolle, die Softwarelösung inspect3d eingesetzt, um die im Tunnel festgestellten Missstände und Fotos automatisch, lagerichtig und wiederauffindbar zu verorten. Der Ablauf für die Ingenieur*Innen wurde als positiv und intuitiv im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden empfunden. Vor allem entfällt das aufwändige Verorten von Fotos am Plan oder auf Planblättern. Abb. 5: Datenerfassung im Zuge der Prüfvorbereitung Abb. 6: Abgeleitetes Modell eines Tunnels inklusive 3D-Polylinien zur Kennzeichnung der Tunnelblöcke Abb. 7: Angebrachtes Tags zur Lokalisierung innerhalb des Tunnels Wie bereits in Kapitel 3 (vgl. Abb. 3) angeführt, wird neben der Erfassung von Bildern und Informationen auch eine Vermarkung der Aufnahme im digitalen Bauwerksmodell ermöglicht. Ein derartiges Vorgehen, wie in Abb. 8 zu erkennen, ermöglicht es, dass neben der Sammlung 5. Brückenkolloquium - September 2022 221 Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken der Informationen die Prüfung zudem nachvollziehbar dargestellt wird. Ein direkt hieraus generierbarer Vorteil ist, dass zukünftige Prüfungen neben den Bildern (mit dem erfassten Ist-Zustand) zudem auf die Lage der Aufnahme zugreifen können und somit eine erhebliche Zeitersparnis geschaffen wird. Abb. 8: Prüfergebnis basierend auf Augmented Reality im Onlineviewer Weiters kann diese Art der Darstellung auch dazu verwendet werden, um die Prüfung im Büro nachzuvollziehen. So kann das gesamte digitale Bauwerksmodell neben der Erfassung der Informationen auch zur Auf bereitung dieser verwendet werden. Vor allem für Bauwerkserhalter kann hieraus ein erheblicher Vorteil generiert werden, welcher von der Nachvollziehbarkeit der Prüfung bis zur Nachbereitung der Ergebnisse und die Auf bereitung von Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen reicht. Unterflurtrasse Weiz Neben der Anwendung für Kontrollen und Prüfungen von Bauwerken eignet sich der in diesem Beitrag vorgestellte Workflow auch dazu Bauwerke bereits ab der Übernahme das Bauwerk zu dokumentieren. Ein Beispiel hierfür ist die Unterflurtrasse Weiz, welche im Jahr 2022 durch das Land Steiermark fertiggestellt wurde. Neben einer umfassenden Dokumentation dieser Linienbaustelle im Zuge der Errichtung (vgl. [9]) wurde ebenfalls eine digitale Übernahme des Bauwerks mit inspect3d vorgenommen. Abb. 9: Ansicht der Unterflurtrasse Weiz (vgl. [9]) im Zuge der Erfassung des digitalen Bauwerksmodelles Grundlage bietet das vorab generierte 3D-Modell welches als Grundlage für die Übernahme diente. Der Bauwerkserhalter konnte somit mit einer Aufnahme einerseits eine Grundlage für die zukünftigen Prüfungen und Kontrollen schaffen und erhielt andererseits ein Bauwerksmodell des gesamten Bauwerkes. Weitere Anwendungsbereiche Neben den oben angeführten Beispielen eines Tunnels oder einer Unterflurtrasse sind vor allem im Bereich der Straße auch Stützbauwerke und Brücken einer periodischen Prüfungen und Inspektion zu unterziehen. Neben der Erfassung der Schäden und Mängel sind hier, bedingt durch die Bauwerkhöhe und die Zugänglichkeit weitere technische Ausrüstung und Equipment erforderlich. In den beiden nachfolgenden Abbildungen ist dies schematisch für diese Bauwerkstypen dargestellt. Abb. 10: Erforderlicher Aufwand bei der Prüfung von geankerten Konstruktionen im Bereich der Schiene (vgl. [8]) Abb. 11: Prüfung einer Brücke mittels Brückeninspektionsgerät (vgl. [12]) Abb. 10 zeigt die Prüfung einer geankerten Konstruktion im Streckennetz der ÖBB. Wie in diesem Bild zu erkennen ist, ist hierzu neben einer Sperre des Gleises in diesem Bereich auch ein entsprechendes Hebegerät erforderlich, um eine handnahe und visuelle Prüfung des gesamten Bauwerkes zu ermöglichen. In Abb. 11 ist ein Brückeninspektionsgerät zur Zugänglichkeit der Unterseite einer Brücke zu erkennen. Hierzu ist ebenfalls eine (Teil-)Sperre dieses Streckenbereiches erforderlich, und ggf. entsprechende Verkehrsabsicherung. 222 5. Brückenkolloquium - September 2022 Von fehlenden Bestandsunterlagen zu einem belastbaren Bauwerksmodell für die handnahe und visuelle Prüfung von Infrastrukturbauwerken Diese beiden Beispiele lassen erkennen, dass mit einer Digitalisierung des Prüf- und Inspektionsprozesses durch die Schaffung digitaler Bauwerksmodelle und die darauf auf bauende Vermarkung und Annotierung von Schäden und Mängeln eine maßgebliche Reduktion des Prüfaufwandes einhergehen kann. Neben dem vereinfachten Wiederauffinden von Schadstellen und den gegebenen Vergleichsmöglichkeiten mit der Vorperiode, kann somit die Prüfung des Weiteren auch durch wechselndes Prüfpersonal ohne Informationsverlust nachvollziehbar rekonstruiert werden. Daraus folgend lässt sich einer Zeitersparnis im Zuge der Prüfung und Inspektion von Bauwerken ableiten, ohne dass hieraus folgend Einschränkungen oder eine Abnahme der Prüfqualität und des Prüfergebnisses zu erwarten ist. 5. Zusammenfassung und aktuelle Entwicklungen Mit dem hier vorliegenden Beitrag wurde ein aktuell in Entwicklung und bereits an Bauwerken erprobter Workflow vorgestellt, welcher sich mit der Digitalisierung von Bauwerksprüfungen im Infrastrukturbereich befasst. Hierbei liegt der Fokus in der Schaffung einer einheitlichen digitalen Grundlage - um den Ist-Zustand des Bauwerkes in Bezug auf seine Geometrie und seine Ausrüstung zu erfassen, und darauf auf bauend Mängel und Schäden einpflegen zu können. Es zeigte sich, dass auf Grund von fehlenden Bestandsunterlagen bzw. unzureichender Informationsdichte dieser, eine umfassende Auf bereitung des Bestandsbauwerkes erforderlich ist, um die Vorteile und Möglichkeiten einer digitalen Erfassung der Ergebnisse einer Bauwerksprüfung zu ermöglichen. Anhand einiger Beispiele konnte aufgezeigt werden, dass diese Form der digitalen Bauwerksprüfung bei einer großen Bandbreite an Infrastrukturbauwerken anwendbar ist. Neben Tunneln und Wannen können bei entsprechender Zugänglichkeit auch Brücken und Stützbauwerke - aber auch kleinere Bauwerke wie Überkopfwegweiser oder Lärmschutzwände entsprechend in den vorgestellten Workflow implementiert werden. Dieser besteht maßgeblich aus einem, basierend auf Laserscandaten erstellen, digitalen Modell des Bauwerkes, in welches Fehlstellen, Schäden und Mängel bereits vor Ort vermarkt und annotiert werden können. Neben der effizienteren Erfassung dieser Daten und Informationen im Zuge der Prüfung kann damit auch ein erheblicher Mehrwert für Folgeprüfungen generiert werden. Dieser besteht vor allem in der einfachen Vergleichsmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Prüfperioden und der daraus resultierenden Zeitersparnis. Zudem wird durch das digital erstellte Modell weiters eine Planungs- und Datengrundlage für erforderliche Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen gegeben, welche durch den Bauwerkserhalter bzw. dessen Planer verwendet werden können. Neben der Digitalisierung des Prüfprozesses an sich konnte durch die Integration digitaler Techniken wie Augmented Reality ein interessanter Ansatz mit in die Bauwerksprüfung aufgenommen werden. Neben der Vereinfachung der Prüfung durch eine interaktive und intuitive Steuerung kann hiermit auch die Nachvollziehbarkeit der Prüfung - sowohl für das Prüfpersonal als auch Dritte - erhöht werden. Derartige Ansätze werden zukünftig zunehmen und bringen vor allem unter Beachtung steigender Kosten, einer Abnahme des Erhaltungszustandes, aber auch dem Fachkräftemangel eine zielführende Möglichkeit dar, um Bauwerksprüfungen - als Grundlage der Zuverlässigkeit von Bauwerken - gewährleisten zu können. Literaturverzeichnis [1] Rebhan, M.J.: Korrosionsschäden bei Winkelstützmauern. Dissertation TU Graz, 2019. [2] Grubinger, S. S.: Risikomanagement bei bestehenden Stützbauwerken im Streckennetz des Landes Steiermark. Masterarbeit, TU Graz. 2020. [3] Forschungsgruppe SIBS: Abschlussbericht Forschungsprojekt. SIBS - Sicherheitsbewertung bestehender Stützbauwerke. VÖBU. 2019. [4] RVS 13.03.61: Qualitätssicherung bauliche Erhaltung - Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunstbauten - Nicht geankerte Stützbauwerke. Österreichische Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr, Wien, 2014. [5] ÖGG: Empfehlungen zur vertieften Prüfung und Beurteilung bestehender, unverankerter Stützbauwerke. Österreichische Gesellschaft für Geomechanik, Salzburg, 2019. [6] Nöhrer, F., M.J. Rebhan, B. Saurug, R. Marte, S.S. Grubinger, G. Mauerhofer, Long-term experiences for the safety Assessment of existing retaining structures in Styria, Geomechanics and Tunnelling 12 (2019), No. 5. [7] Kirchmair, M.: Ungeankerte Stützbauwerke der ASFINAG, Erfahrungen und Vorgangsweise. Fachtagung Stützmauern, Bern, 2017. [8] Forschungsgruppe NAT. Abschlussbericht Projekt NAT - Neuerungen in der Ankertechnik. Technische Universität Graz. Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik. Noch nicht veröffentlicht. [9] Grubinger, S.S., Rebhan, M.J., Jimenez, S., Hinrichs, R., Rappold, M.; Dokumentation einer Straßenbaustelle - es muss ja nicht immer BIM sein! , 2. Kolloquium Straßenbau in der Praxis. TAE Esslingen. 2021. [10] https: / / inspect3d.at/ [11] Kalenjuk, S., Lienhart, W., & Rebhan, M. (2021). Processing of mobile laser scanning data for largescale deformation monitoring of anchored retaining structures along highways. Computer-Aided Civil and Infrastructure Engineering , 36(6), 678-694. https: / / doi.org/ 10.1111/ mice.12656 [12] https: / / blog.asfinag.at/ hinter-den-kulissen/ brueck entragwerkskontrolle/