Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM
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Martin Köhncke
Sascha Henke
Sylvia Keßler
Brückenbauwerke sind ein unverzichtbarer Teil unserer Infrastruktur. Ihre uneingeschränkte Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit sicherzustellen, ist eine große Herausforderung. Die Digitalisierung ist für diese Aufgaben unter Berücksichtigung der großen Anzahl an Brückenbauwerken ein hilfreiches Tool, das bisher nur unzureichend ausgeschöpft wird, weil eine einheitliche Methode zur Digitalisierung von Brückenbauwerken bislang fehlt. Neben der geometrischen Repräsentation sind insbesondere die Erfassung und Abbildung von semantischen Informationen wichtig. Allerdings werden nicht alle Informationen, die erfassbar sind oder vorliegen, auch zwingend benötigt. Dies ist von großer Bedeutung, um die Effizienz bei der Anreicherung von Bestandsbauwerksmodellen zu gewährleisten. Die benötigten Informationen sind daher in enger Abstimmung mit den Betreibern zu identifizieren und nach Möglichkeit nur diese zu überführen (Stichwort: Level of Information Need LoIN).
Das übergeordnete Ziel eines laufenden Forschungsprojekts (dtec.bw SHM) ist die Entwicklung eines praxistauglichen Vorgehens für die Anreicherung von geometrischen Bauwerksmodellen für das Unterhaltungsmanagement. Das Vorgehen für die Anreicherung wird am Beispiel von zwei Bestandsbrücken der Autobahn GmbH Nord aufgezeigt. Die teilweise lücken- und/oder fehlerhafte Datenlage bei Bestandsbauwerken soll behoben werden und durch eine zentrale Informationsbereitstellung ergänzt werden. Durch die Ergänzung und Aktualisierung der benötigten Informationen in einem Building Information Model soll das Unterhaltungsmanagement in die digitale Welt überführt werden.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 231 Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM Martin Köhncke M. Sc. Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr, Hamburg, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Sascha Henke Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr, Hamburg, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing. Sylvia Keßler Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr, Hamburg, Deutschland Zusammenfassung Brückenbauwerke sind ein unverzichtbarer Teil unserer Infrastruktur. Ihre uneingeschränkte Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit sicherzustellen, ist eine große Herausforderung. Die Digitalisierung ist für diese Aufgaben unter Berücksichtigung der großen Anzahl an Brückenbauwerken ein hilfreiches Tool, das bisher nur unzureichend ausgeschöpft wird, weil eine einheitliche Methode zur Digitalisierung von Brückenbauwerken bislang fehlt. Neben der geometrischen Repräsentation sind insbesondere die Erfassung und Abbildung von semantischen Informationen wichtig. Allerdings werden nicht alle Informationen, die erfassbar sind oder vorliegen, auch zwingend benötigt. Dies ist von großer Bedeutung, um die Effizienz bei der Anreicherung von Bestandsbauwerksmodellen zu gewährleisten. Die benötigten Informationen sind daher in enger Abstimmung mit den Betreibern zu identifizieren und nach Möglichkeit nur diese zu überführen (Stichwort: Level of Information Need LoIN). Das übergeordnete Ziel eines laufenden Forschungsprojekts (dtec.bw SHM) ist die Entwicklung eines praxistauglichen Vorgehens für die Anreicherung von geometrischen Bauwerksmodellen für das Unterhaltungsmanagement. Das Vorgehen für die Anreicherung wird am Beispiel von zwei Bestandsbrücken der Autobahn GmbH Nord aufgezeigt. Die teilweise lückenund/ oder fehlerhafte Datenlage bei Bestandsbauwerken soll behoben werden und durch eine zentrale Informationsbereitstellung ergänzt werden. Durch die Ergänzung und Aktualisierung der benötigten Informationen in einem Building Information Model soll das Unterhaltungsmanagement in die digitale Welt überführt werden. 1. Einleitung Eine funktionierende Infrastruktur basiert im Wesentlichen auf der Zuverlässigkeit und somit der Verfügbarkeit ihrer baulichen Anlagen. Hierbei ist die große Anzahl an Bauwerken ein nicht zu vernachlässigender Faktor; aktuell befinden sich ca. 40.000 Brücken im Netz der Bundesfernstraßen [1]. Dem Erhaltungsmanagement der Brückenbauwerke kommt damit eine besondere Bedeutung zu, für das die Digitalisierung ein essentielles Werkzeug darstellt. Die Digitalisierung kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn mit effizienten und einfach anzuwendenden Methoden die notwendigen Ergebnisse erzielt werden. 1.1 Digitalisierungsansätze Innerhalb der Digitalisierung gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen, die verfolgt werden, um die knappen Ressourcen für die Instandhaltung von Bestandsbauwerken besser zu nutzen. Zum einen ist hier das Building Information Modeling (BIM) zu nennen. Hierbei werden digitale, geometrische Modelle mit semantischen Informationen von Bauwerken angereichert und zentral für alle Projektbeteiligten verfügbar gemacht. Dadurch soll unter anderem die Transparenz der Kommunikation der Beteiligten erhöht werden, damit zum Beispiel immer mit dem aktuellen Planungsstand weitergearbeitet werden kann. BIM eignet sich für den gesamten Lebenszyklus, wird aber bisher vornehmlich in der Planung und teilweise in der Bauphase eingesetzt [8]. Weiterhin steht auch die Nutzung von Informationstechnologien bei bisher analogen Tätigkeiten, wie z. B. der Bauwerksprüfung und -dokumentation sowie Verwaltung der Brückenbauwerke im Fokus. Dieser Beitrag fokussiert auf die Informationsanreicherung von Bestandsmodellen für das Structural Health Monitoring (SHM) von Brückenbauwerken im Kontext von BIM. Dafür ist zunächst eine Definition von BIM und SHM erforderlich. 232 5. Brückenkolloquium - September 2022 Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM BIM wird als „kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung übergeben werden“ definiert [2]. Insbesondere für den Betrieb von Bestandsbauwerken ergibt sich das Problem, dass die relevanten Informationen nicht aus einem digitalen Planungs- und Bauprozess kommen, sondern oft als papiergebundene Planungsunterlagen, Bildaufnahmen oder in unterschiedlichen Dateiformaten zur Verfügung stehen. Die Informationen müssen also erst aufwendig für ein digitales Bauwerksmodell aufbereitet werden. Hierbei wird der Aufwand für die Aufbereitung durch die Anzahl der Informationen sowie deren Heterogenität, Qualität und Verfügbarkeit beeinflusst. Qualität und Verfügbarkeit hängen dabei oft auch von dem Alter der Bauwerke ab. Zusätzlich ist die Anzahl der notwendigen Informationen durch die Ziele, die damit erreicht werden sollen, bestimmt. Die Ziele können dabei von einfachen Informationsintegrationen zum Beispiel der Kosten und Termine bis hin zu komplexen Simulationen reichen. In diesem Fall werden für ein SHM-System die notwendigen Informationen und ihre möglichen Wege für die Integration in ein BIM-Modell aufgezeigt. Unter SHM wird die kontinuierliche automatische Überwachung einer Struktur durch festinstallierte Sensorsysteme verstanden. Diese sollen Schäden zuverlässig detektieren und lokalisieren [3]. Zukünftig soll die Bewertung des Bauwerkszustandes auf Basis der SHM-Messwerte möglichst automatisiert erfolgen. Die Ergebnisse sollen dann im BIM abrufbar sein. Für jedes Bauwerk sind entsprechend darauf angepasste Auswertealgorithmen zu entwickeln. Dadurch können Instandhaltungsmaßnahmen zielgerichteter durchgeführt, die Verfügbarkeit erhöht und die Kosten durch frühzeitiges Eingreifen reduziert werden. Allerdings gibt es auch Herausforderungen bei der Verwendung eines SHM. Zunächst sind hier die Kosten des Systems zu nennen, wobei die Kosten für Sensoren durch eine zunehmende Miniaturisierung und Steigerung der Leistungsfähigkeit und Robustheit in der Herstellung und Wartung in den letzten Jahren gesunken sind [4]. Allerdings sind die Kosten für das Anbringen der Sensoren an den meist komplexen und wenig zugänglichen Brückenbauwerken nicht zu vernachlässigen. Zusätzlich stellt sich die Frage nach der optimalen Positionierung der Sensoren, damit alle etwaigen, auftretenden Schäden zuverlässig detektiert werden können. Bereits vorliegende Schäden sind vorab über Inspektionen zu detektieren und sollten durch geeignete Sensorik überwacht werden, um die Entwicklung der Defektgrößen zu kontrollieren. Dafür müssen die Position und die Merkmale der Schäden bekannt sein. Damit ein SHM-System effizient genutzt werden kann, sollten alle dafür notwendigen Informationen zentral zur Verfügung stehen. Ein möglicher Ansatz ist es, die Informationen in einem BIM-Bestandsmodell zu integrieren. Im BIM werden die Detailierungsgrade von Bauwerken oft in einem sogenannten Level of Develop-ment (LOD) angegeben. Dieser wird nachfolgend zunächst vom Konzept des Level of Information Need (LoIN) abgrenzt. 1.2 LODversus LoIN-Konzept Der LOD gibt den Entwicklungsstand eines Bauwerks wieder und setzt sich dabei aus geometrischen und semantischen Informationen zusammen. Allerdings werden i. d. R. in der Planung alle Bauteile und Abschnitte betrachtet und teilweise mit allen verfügbaren Informationen verknüpft. Es hat sich diesbezüglich in der praktischen Umsetzung ein Stufenkonzept in 100er-Schritten etabliert, welches versucht, konkrete Aussagen zu den zu liefernden Informationen einer Stufe zu machen [5]. Die geometrischen und semantischen Informationen müssen dabei nicht zwangsläufig immer auf der gleichen Stufe sein. Oft ergeben sich auch für unterschiedliche Teile der Planung unterschiedliche Ausarbeitungsgrade, sodass kein Gesamt-LOD für alle Teile der Planung angegeben werden kann [10]. Die Unterteilung unterscheidet sich auch nach den beteiligten Akteuren, da diese teilweise eigene Anforderungen definieren. Die Anforderungen an die Entwicklungsgrade sind direkt zu Projektbeginn zu definieren, eine allgemeingültige Normung für das LOD existiert bisher nicht. Dem gegenüber steht das LoIN-Konzept, welches versucht, die verschiedenen LOD-Definitionen im europäischen Raum mithilfe der Norm EN 17412 zu harmonisieren. Grundsatz des LoIN ist, dass die notwendigen Informationen in Abhängigkeit konkreter Anwendungsfälle definiert werden. Eine Unterteilung des Informationsgehaltes in verschiedene Stufen entfällt [5]. So kann zum Beispiel festgelegt werden, dass für den Betrieb und die zugehörigen Anwendungsfälle die Informationen zu Kosten und Terminen in der Bauphase des Bauwerks eine deutlich geringere Bedeutung haben und somit nicht notwendigerweise abgebildet werden müssen. Allerdings ist für jeden Anwendungsfall dezidiert zu bestimmen, welche Informationen wann benötigt werden. Hinzu muss im Rahmen der Festlegungen auch definiert werden, aus welchem Dokument oder Plan die jeweiligen Informationen übernommen werden. Im weiteren Verlauf werden die Anwendungsfälle Planung, Installation und Betrieb eines SHM-Systems untersucht. Zunächst werden jedoch zwei im Rahmen des gegenständlichen Forschungsprojektes untersuchte Referenzbauwerke kurz vorgestellt. 2. Vorstellung der Referenzbauwerke Bei den beiden Referenzbauwerken handelt es sich zum einen um eine Plattenbalkenbrücke aus dem Jahr 1972. Ihre Gesamtlänge beträgt 245 m mit einer Breite von 22,7 m. Sie wurde als 2-stegige Spannbetonbrücke konstruiert. Die Brücke ist durch eine Längsfuge in die Teilbauwerke Ost und West aufgeteilt. Diese Referenzbrücke 5. Brückenkolloquium - September 2022 233 Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM wurde zudem im Jahr 2015 um eine externe Vorspannung in Längsrichtung ergänzt. Zum anderen handelt es sich um eine Brücke (Baujahr 1972) über die Autobahn A7 mit einer Spannweite von 50 m und einer Breite von 6 m. Das Bauwerk ist ein Mischsystem bestehend aus Zweigelenkrahmen und Bogensystem mit Kragarm. Der Träger ist als einzelliger Hohlkastenquerschnitt mit Verjüngung ausgeführt. Beide Brücken sind Spannbetonbauwerke und stehen somit stellvertretend für ca. 70% aller Bestandsbrücken im Bundesfernstraßennetz [6]. Aus diesem Grund eignen sie sich besonders für Untersuchungen, da die Ergebnisse auf eine breite Anzahl an weiteren Bauwerken übertragbar sind, auch wenn die einzelnen Brücken durch eine hohe Individualität gekennzeichnet sind. 3. Anwendungsfälle eines SHM-Systems Die Anwendungsfälle werden zunächst in drei Phasen unterteilt: Planung, Installation und den Betrieb. Eine Übersicht der Anwendungsfälle ist in der Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Anwendungsfälle des SHM-Systems geordnet nach den Phasen Planung, Installation und Betrieb Planung Installation Betrieb Visualisierung Bauwerk inkl. Informationen der SIB- Datenbank Modellbasierte Ausführung Visualisierung prozessierte Zeitreihen Visualisierung Schäden Dokumentation Sensorinstallation Visualisierung Key Performance Indikatoren Auswahl und Position Sensoren Dokumentation Anschlüsse und Kabelführung Datenmanagement der Messwerte 3.1 Planung Die Planung eines SHM-Systems findet aktuell zumeist im Kontext von Bestandsbrücken statt, welche durch Schäden in den regelmäßigen Bauwerksinspektionen aufgefallen sind. Erste Forschungsarbeiten zu Brücken, die direkt mit Sensoren eines Structural Health Monitorings ausgestattet sind, befinden sich in der Umsetzung. Der Bedarf an Forschungsergebnissen zu Bestandsbauwerken ist aktuell größer. Aus diesem Grund wird nachfolgend ausschließlich auf den Fall von Bestandsbrücken eingegangen. Die Dauerüberwachung zur frühzeitigen Erkennung von Schäden soll dabei Aufschluss über die weitere Entwicklung von Schäden geben und ein rechtzeitiges Eingreifen ermöglichen. Allerdings werden derartige Systeme zumeist nur bei sehr wichtigen Bauwerken eingesetzt, deren Verfügbarkeit für die Infrastruktur kritisch ist. Im Rahmen der Planung eines SHM sind zunächst die Art der Sensoren inkl. ihrer Position festzulegen. Das beispielhafte Vorgehen und die zu beantwortenden Fragen hierzu sind in der Abbildung 1 schematisch dargestellt. Abbildung 1: Schematischer Ablauf bei der Planung der Sensoren Dafür ergeben sich mehrere Hauptinformationsbedarfe: • zum einen die Bestandsbrücke, mit - der Geometrie, - den verwendeten Materialien, - aktuellen Zustandsnoten sowie - weitere Informationen zum Typ des Bauwerks - Informationen aus der SIB-Datenbank • und zum anderen die detektierten Schäden an den Bauteilen des Bauwerks, mit - ihren Geometrien, - Merkmale und auch - Entwicklungen über die letzten Bauwerksinspektionen. Daraus folgen die einzusetzenden Sensoren mit ihren Informationen und Eigenschaften. Insbesondere die Anwendungen, Messbereich, Abtastrate und Messgenauigkeiten, Robustheit gegenüber Umgebungseinflüssen, Messfehler und Rauschdichte, Anbaubarkeit sowie Ausführungsart mit/ ohne Kabel sind bei der Planung eines SHM-Systems wichtig, damit für die Brücke passende Sensorkonzepte erarbeitet werden können. Zusätzlich sind die Informationen zu den in den Sensoren verwendeten Kommunikationsprotokollen und eingebetteten Algorithmen von besonderer Bedeutung, welche auch abgebildet werden müssen, aktuell aber noch weiterer Forschung bedürfen [11]. Schließlich sind auch die Umgebungs- und Witterungsbedingungen für die Planung relevant, damit ggf. geeignete Schutzsysteme für die Sensoren berücksichtigt werden können. Schließlich werden auch Informationen benötigt zu möglichen Anschlüssen ans Internet, um die Messdaten z. B. an den Betreiber zu 234 5. Brückenkolloquium - September 2022 Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM übermitteln, sowie an die Stromversorgung zum Betrieb des SHM-Systems. Eine vereinfachte Darstellung der benötigten Informationen ist in Abbildung 2 dargestellt. Abbildung 2: Schematische Darstellung der benötigten Informationen für die Planung eines SHM-Systems 3.2 Installation Bei der Installation stehen die modellbasierte Ausführung und die Dokumentation des SHM-Systems im Vordergrund. Die modellbasierte Dokumentation unterstützt das ausführende Unternehmen dabei, die Sensoren entsprechend der Planung zu montieren. Zudem ergibt sich die Möglichkeit, sich die Position der Sensoren im BIM-Modell in Zusammenspiel mit dem Bauwerk anzusehen und Herausforderungen einfacher visuell zu identifizieren sowie hierauf aufbauend den Montageablauf ggf. zu optimieren. Weiterhin kann das BIM-Modell durch die Hinterlegung von GPS-Koordinaten der Sensorpositionen zur Kontrolle der tatsächlichen Installation genutzt werden. Die Dokumentation des SHM-Systems umfasst die genauen georeferenzierten Positionen der Sensoren, damit diese mit den Planpositionen abgeglichen werden können, da die Vor-Ort-Bedingungen manchmal eine Anpassung der Sensorposition erfordern. Genauso werden die verbauten Sensoren mit den spezifischen Informationen und einer eindeutigen Bezeichnung im Modell hinterlegt, damit die Messungen immer der jeweiligen Position zugeordnet werden können. Des Weiteren sind Bilder zur Einbausituation als Basisinformationen sinnvoll. Neben den Sensoren stellen auch die Anschlüsse an den Vor-Ort-Messrechner, die Stromquelle und das Internet wichtige Informationen des SHM-Systems dar. Die Länge der Anschlusskabel ist für die Auswertung der Messergebnisse relevant und sollte entsprechend ebenfalls im Modell dokumentiert werden. 3.3 Betrieb Die Visualisierung von Messergebnissen in prozessierten Zeitreihen sowie von Key Performance Indikatoren bedarf vorheriger Festlegungen, welche Daten visualisiert werden sollen und in welcher Frequenz die zugrunde liegenden Daten aktualisiert werden sollen. Die Form der Visualisierung mit den entsprechenden Skalen und Grenzwerten aber auch das Programm oder die Webseite, in der die Visualisierung gezeigt werden soll, sind ebenfalls relevant. Der Betrieb eines SHM-Systems ist insbesondere durch eine große Menge an Daten, die während der Messung entstehen, gekennzeichnet. Dadurch wird die effiziente Verarbeitung der Messwerte, die Übertragung der Ergebnisse und die Bereitstellung von historischen Messdaten zu einer Herausforderung. Die Verarbeitung benötigt klare Informationen zu den anfallenden Datengrößen, den Leistungsmerkmalen der Recheneinheiten und den Übertragungsraten. Zu den historischen Messwerten muss bekannt sein, in welchem Umfang und Format diese zur Verfügung stehen sollen. Eine vollständige Ablage aller Messwerte eines SHM-Systems bietet oft nur wenige Vorteile gegenüber einer selektiven Speicherung von reduzierten Messwerten, insbesondere wenn die Messung weiter zurückliegt. Hier bietet sich oft eine Speicherung der historischen Extremwerte und eines bestimmten Zeitraums nach dem Ereignis an. Es ist vom Betreiber der Bauwerke festzulegen, welcher Datenumfang direkt im BIM-Modell des SHM-Systems hinterlegt sein soll. Eine allgemeingültige Aussage ist hierzu nicht möglich. 4. Erfassung und Abbildung semantischer Informationen Nachdem die Informationskategorien identifiziert sind, stellt sich die Frage, in welcher Form die Informationen vorliegen und woher diese Informationen kommen können, um sie anschließend in einem BIM-Modell abzubilden. Hierbei wird zunächst nur zwischen digitalen und papiergebundenen Informationen unterschieden. Später wird dann auf die Besonderheiten von PDF- und JPG- Dateiformaten eingegangen. 5. Brückenkolloquium - September 2022 235 Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM Tabelle 2: Übersicht der Informationsformen und -quellen Kategorie Form Quelle Bauwerksinformationen papiergebunden z. B. Bauwerksbuch, Baupläne Sensoren digital z. B. PDF-Dateien Datenblätter, Messberichte Schäden digital z. B. JPG- Dateien, papiergebunden SIB-Bauwerkedatenbank, Inspektionsberichte, Nachrechnungen, Bilder von Schäden Umgebungsbedingungen digital, papiergebunden Wetterstation in Umgebung, Grundwasser- und Bodenkarten Anschlüsse papiergebunden, digital z. B. PDF-Dateien Versorgungspläne 4.1 Möglichkeiten der Informationsintegration Die Form und die Quellen stellen wichtige Einflussfaktoren auf die Integrationsfähigkeit in ein BIM-Modell dar. Es muss grundsätzlich unterschieden werden, ob die Informationen mit Bauteilen verlinkt sind oder tatsächliche Merkmale der Bauteile oder des Modells darstellen. Hier sei zum Beispiel die Möglichkeit genannt, das Datenblatt eines Sensors als PDF-Datei mit einer geometrischen Repräsentation zu verlinken. Dadurch wird die Information durch das BIM-Modell aufrufbar. Allerdings sind die Informationen in dem PDF nicht direkt maschineninterpretierbar und nur teilweise maschinenlesbar. Dadurch können die im Datenblatt enthaltenen Informationen oft nicht automatisiert weiterverarbeitet werden. Eine Alternative stellt die Modellierung der Informationen zum Beispiel als Merkmale des Sensors dar, wodurch diese wenigsten automatisiert ausgelesen werden können. Allerdings ist der manuelle Übertrag der Informationen in ein BIM- Modell mit einem erheblichen Aufwand verbunden, im Vergleich zum einfachen Verlinken der Informationen. Innovative Ansätze zur Interpretation von PDF-Dateien durch künstliche Intelligenz befinden sich aktuell in der Entwicklung. Dadurch könnte der Aufwand für die Anreicherung von BIM-Modellen signifikant reduziert werden. Bei der Übertragung aus bestehenden Datenbanken würde dadurch zudem die Fehleranfälligkeit reduziert werden. Aus diesem Grund muss innerhalb eines LoIN-Konzepts festgelegt werden, in welcher Form die Informationen verfügbar sein und mit welchen Schritten diese weiterverarbeitet werden sollen. Nachfolgend wird erläuternd dafür plakativ der Fall der Sensorpositionierung betrachtet. 4.2 Informationsanreicherung für Sensorpositionierung Die Sensorposition hängt vornehmlich von der Bauwerksgeometrie mit den Informationen zu den kritischen Bauteilen und den bisher detektierten Schäden ab. Diese Information vornehmlich in papiergebundener Form vor, weshalb hier aktuell noch großer manueller Aufwand für die Integration besteht. Wichtige Nebenbedingungen sind die Umgebungsbedingungen, wie Strahlungswerte, Temperaturbandbreite, Feuchte und weitere, sowie die Anschlussparameter. Insbesondere die Wetterdaten stehen heute schon digital über den Deutschen Wetterdienst zur Verfügung, hier können die Wetterdaten von 76 Wetterstationen über das Internet abgerufen werden. Es stehen auch historische Wetterdaten teilweise bis in das Jahr 1991 zur Verfügung. Die Anschlussparameter müssen dagegen meist wieder aus papiergebundenen Plänen entnommen werden. Die Verteilerkästen lassen sich aber auch bei Vor-Ort-Begehungen erfassen, allerdings fehlen dann oft weitere Informationen zum Leitungsverlauf, den bestehenden Leitungen und der Übertragungstechnik. All diese Informationen fließen aktuell in den Entscheidungsprozess eines oder mehrerer Ingenieure ein. Planungsalgorithmen für die Ermittlung der optimalen Sensorpositionen stehen noch nicht zur Verfügung, sodass bisher keine vollständige Automatisierung dieses Prozesses erfolgen kann. Dennoch entsteht durch die Zusammenführung aller relevanten Informationen in einem Modell der Vorteil, dass diese Informationen schneller auffindbar und leichter verknüpfbar sind. Abschließend lassen sich dann auch Bauteillisten für einen möglichen Beschaffungsprozess aus dem Modell ableiten. Der Informationsgehalt hängt dabei von dem Umfang der integrierten Informationen ab. Eine Besonderheit stellen bei der Informationsanreicherung von BIM-Modellen die Schäden dar, welche aktuell oft ausschließlich mit Bildern dokumentiert werden. Dadurch liegen zwar inhärente Informationen zu den Schäden, wie Größe und optischer Eindruck vor, diese können aber zumeist nur von Experten aus diesen Bildern herausgelesen und interpretiert werden. Weitere Informationen beispielsweise zu den Größen von Abplatzungen können anhand der Bilder zudem nicht ohne Weiteres erfasst werden. Weiterhin ist eine genaue Verortung der Schäden oft nur eingeschränkt möglich, da die Aufnahmen händisch in den Bauwerksplänen vermerkt werden. Diese Ungenauigkeit kann sich schließlich auf die Bewertung der Bauwerke auswirken. Aktuell werden zunehmend Versuche unternommen, durch Laserscanning in Verbindung mit Photogrammmetrie den IST-Zustand von Bauwerken zu dokumentieren. Die Vorteile einer genauen räumlichen Position und der Bestimmung der genauen Schadensgeometrie liegen dabei auf der Hand. Beispielsweise die Geometrieerfassung von Abplatzungen bietet die Möglichkeit tiefere Einblicke in das Ausmaß der Schädigung zu gewinnen, bspw. wie die verbleibende Betonüberdeckung ist. Allerdings 236 5. Brückenkolloquium - September 2022 Bedarfsorientierte Informationsanreicherung von Bestandsbrückenbauwerken im Kontext des SHM lassen sich solche feinen Geometrien aktuell nicht sehr gut in einem BIM-Modell abbilden, es sind aber erste Ansätze dokumentiert [7]. Zusätzlich bietet die Methode BIM auch die Möglichkeit das Management der großen Datenmengen aus den SHM effizient zu organisieren, sodass eine übergreifende Anwendung von BIM einen wesentlichen Vorteil gegenüber, der bisher nicht BIM-gestützten Umsetzung von SHM bietet [9]. 5. Zusammenfassung und Fazit Insgesamt lässt sich ein großer Bedarf für eine Digitalisierung von Bestandsbrücken feststellen, allerdings gibt es diesbezüglich aktuell noch keine einheitlichen Vorgehensweisen, die sich für das gesamte Fernstraßennetz eignet. Um dies zukünftig zu realisieren, sind insbesondere die Anwendungsfälle und die dafür benötigten Informationen von zentraler Bedeutung. Diese wurden am Beispiel eines SHM-Systems aufgezeigt, müssen aber noch detailliert ausgearbeitet werden. Erste Schritte in Richtung einer Digitalisierung mit BIM wurden genauso wie die Herausforderungen bei der Umsetzung diskutiert. Wesentliche Herausforderungen ergeben sich unter anderem aus der Form der Informationen (oft nicht digital bzw. i. d. R. nicht maschinenlesbar) und deren Quellen, welche eine automatisierte Integration in ein BIM-Modell erschweren. Des Weiteren gibt es Ansätze durch neue Technologien ergänzende Informationen aus den Bauwerksinspektionen für die Modellierung zu erlangen und zu nutzen. 6. Danksagung Die Autoren bedanken sich für die Förderung bei dtec. bw - Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr (https: / / dtecbw.de/ home) sowie der Autobahn GmbH Nord für ihre Unterstützung. 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