Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1922-1-1:2021 für die Begrenzung der Rissbreiten bei Stahlbeton-, Spannbeton- und Verbundbrücken
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Eva Stakalies
Reinhard Maurer
Fabian Kischkewitz
Bernd Naujoks
Die Überarbeitung der 2010 für Bauwerke (bzw. 2012 für Brückenbauwerke) in Deutschland bauaufsichtlich eingeführten Regelwerke – der Eurocodes – gemäß Mandat M/515 der Europäischen Kommission [1] findet aktuell in den einzelnen Gremien (Working Groups) des CEN statt. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wurden daher die Auswirkungen der Fortschreibung des Eurocodes 2 [2] auf die Bemessung und Konstruktion von Brückenbauwerken aus Spannbeton, Stahlbeton und Stahl-Beton-Verbund untersucht und bewertet. Dabei werden die drei Schwerpunktthemen „Querkrafttragfähigkeit“, „Begrenzung der Rissbreite bei Betonbrücken“ und „Begrenzung der Rissbreite bei Verbundbrücken“ bearbeitet. Nachfolgend werden die Themen „Begrenzung der Rissbreiten bei Betonbrücken“ und „Begrenzung der Rissbreite bei Verbundbrücken“ behandelt. Hierfür wurden zunächst die theoretischen Hintergründe der aktuell gültigen Konzepte mit den fortgeschriebenen Konzepten des Eurocodes 2 verglichen und die abweichenden Grundlagen dargestellt. Darauf aufbauend wurden umfangreiche Vergleichsrechnungen zu den einzelnen konkreten Nachweisformaten durchgeführt und deren Ergebnisse ausgewertet. Abschließend wurden Handlungsempfehlungen für die aktuelle Normenarbeit in den entsprechenden Gremien erarbeitet.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 317 Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1992-1-1: 2021 für die Begrenzung der Rissbreiten bei Stahlbeton-, Spannbeton- und Verbundbrücken Eva Stakalies M. Sc. TU Dortmund, Dortmund, Deutschland Univ. Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer TU Dortmund, Dortmund, Deutschland Dipl.-Ing. (FH) Fabian Kischkewitz M. Eng. Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland Univ. Prof. Dr.-Ing. Bernd Naujoks Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland Zusammenfassung Die Überarbeitung der 2010 für Bauwerke (bzw. 2012 für Brückenbauwerke) in Deutschland bauaufsichtlich eingeführten Regelwerke - der Eurocodes - gemäß Mandat M/ 515 der Europäischen Kommission [1] findet aktuell in den einzelnen Gremien (Working Groups) des CEN statt. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wurden daher die Auswirkungen der Fortschreibung des Eurocodes 2 [2] auf die Bemessung und Konstruktion von Brückenbauwerken aus Spannbeton, Stahlbeton und Stahl-Beton-Verbund untersucht und bewertet. Dabei werden die drei Schwerpunktthemen „Querkrafttragfähigkeit“, „Begrenzung der Rissbreite bei Betonbrücken“ und „Begrenzung der Rissbreite bei Verbundbrücken“ bearbeitet. Nachfolgend werden die Themen „Begrenzung der Rissbreiten bei Betonbrücken“ und „Begrenzung der Rissbreite bei Verbundbrücken“ behandelt. Hierfür wurden zunächst die theoretischen Hintergründe der aktuell gültigen Konzepte mit den fortgeschriebenen Konzepten des Eurocodes 2 verglichen und die abweichenden Grundlagen dargestellt. Darauf auf bauend wurden umfangreiche Vergleichsrechnungen zu den einzelnen konkreten Nachweisformaten durchgeführt und deren Ergebnisse ausgewertet. Abschließend wurden Handlungsempfehlungen für die aktuelle Normenarbeit in den entsprechenden Gremien erarbeitet. 1. Einleitung Ein wichtiges Kriterium zur Erfüllung der Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit einer Spannbeton-, Stahlbeton- oder Verbundkonstruktion sind die Rissbreiten im Beton. Diese gilt es auf unschädliche Grenzwerte zu begrenzen. Dabei kommt geeigneten Nachweisverfahren eine entscheidende Bedeutung zu, im Hinblick auf eine sichere und zugleich wirtschaftliche Bemessung. Der Fragestellung zur Ermittlung einer wirtschaftlichen Mindestbewehrung zur Rissbreitenbeschränkung kommt nicht zuletzt hinsichtlich des Aspekts einer ressourcenschonenden Nutzung der zur Verfügung stehenden Materialien eine hohe Bedeutung zu. Der vorliegende Bericht vergleicht die Ansätze zur Begrenzung der Rissbreite gemäß DIN EN 1992-2 [1] und DIN EN 1992-2/ NA [2] sowie DIN EN 1994-2 [3] und DIN EN 1994-2/ NA [4] mit den Ansätzen aus dem Entwurf prEN 1992-1-1: 10-2021 [5] im Hinblick auf die Auswirkungen für die erforderliche Bewehrungsmenge zur Rissbreitenbeschränkung bei typischen Querschnitten von Brückenüberbauten sowie bei Widerlagerwänden. Ziel der Vergleichsbetrachtung soll sein, eine qualitative Aussage zu den Auswirkungen der neuen Ansätze im Vergleich zu den aktuellen Ansätzen besonders auf die Menge der erforderlichen Mindestbewehrung bei Brückenüberbauten und Widerlagerwänden zu machen sowie diese zu quantifizieren. 2. Regelungen gemäß prEN 1992-1-1 [10-2021) [5] Auf eine genaue Herleitung der Formeln in Abschnitt 9.2 der Norm wird an dieser Stelle verzichtet und stattdessen auf den Abschlussbericht des Forschungsberichtes [6] verwiesen. Um einige der gezogenen Schlussfolgerungen besser nachvollziehen zu können, werden an dieser Stelle die maßgebenden Formeln aufgeführt. Die Formelnummerierung entspricht der aktuellen Fassung in [5]. Die einzelnen neuen Faktoren werden hier der Übersichthalber nicht erläutert. Siehe hierzu die Norm [5] sowie den Abschlussbericht [6]. 2.1 Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreiten Abweichend vom bisherigen Konzept wird die Mindestbewehrung nun über drei Formeln in Abhängigkeit des Beanspruchungszustandes ermittelt. 318 5. Brückenkolloquium - September 2022 Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1992-1-1: 2021 für die Begrenzung der Rissbreiten Abb. 1: Formeln aus prEN 1992-1-1 [5] 2.2 Vereinfachte Begrenzung der Rissbreiten Abweichend vom bisherigen Konzept wird die zulässige Spannung in Abhängigkeit des Stabdurchmessers bzw. des Stababstandes nicht mehr über Tabellen abgegriffen, sondern über Formeln direkt berechnet. Abb. 2: Formeln aus prEN 1992-1-1 [5] 5. Brückenkolloquium - September 2022 319 Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1992-1-1: 2021 für die Begrenzung der Rissbreiten 2.3 Direkte Berechnung der Rissbreiten Abweichend vom bisherigen Konzept wird nicht mehr eine maximale Rissbreite in Höhe der Bewehrungslage berechnet, sondern eine rechnerische Oberflächenrissbreite. Abb. 3: Formeln aus prEN 1992-1-1 [5] 3. Untersuchungen zu Betonbrücken 3.1 Berechnung der Rissbreite Die direkte Berechnung der Rissbreite basiert in allen drei Normen bzw. dem Normentwurf prEN 1992-1-1: 10-2021 auf der Multiplikation des rechnerischen Rissabstandes mit dem mittleren Dehnungsunterschied (ε sm - ε cm ) zwischen der Stahlbewehrung und dem umgebenden Beton. Die wesentlichen Unterschiede der Rissformeln sind: - Keine Unterscheidung zwischen den Zuständen der Einzelrissbildung und dem abgeschlossenem Rissbild in prEN 1992-1-1: 10-2021 - Berücksichtigung einer verbundfreien Länge in prEN 1992-1-1: 10-2021 bei der Berechnung des Rissabstandes - In bestimmten Fällen Berücksichtigung einer Schwinddehnung in prEN 1992-1-1: 10-2021 bei der Ermittlung des mittleren Dehnungsunterschieds - Unterscheidung zwischen reinem Zug und reiner Biegung sowie der Verbundbedingungen in prEN 1992-1- 1: 10-2021 bei der Ermittlung des Rissabstandes durch Einführung zusätzlicher Beiwerte (k 1/ r , k fl , k b ) Aufgrund der unterschiedlichen Rissformeln werden bei sonst gleichen Parametern nach prEN 1992-1-1: 10-2021 i.d.R. größere Rissbreiten ermittelt als gemäß DIN EN 1992-2/ NA, woraus deutlich größere Bewehrungsquerschnitte resultieren, wenn der Nachweis bei der Bemessung maßgebend wird. 3.2 Mindestbewehrung für die Begrenzung der Rissbreite Die Ansätze zur Ermittlung der Mindestbewehrung gemäß DIN EN 1992-2/ NA und prEN 1992- 1- 1: 10- 2021 unterscheiden sich von den Gleichungen her sehr deutlich. Es folgt eine stichpunktartige Auflistung der wesentlichen Unterschiede. - Es fehlt die Theorie und die Rissformel für die Einzelrissbildung - Es bestehen deutliche Unterschiede bei der Ermittlung der effektiven Betonzugfläche. A c,eff = h c,eff . b Dadurch wird die Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbrieten in dicken Stahlbetonbauteilen unterschätzt. - Unmittelbare Unterteilung der Mindestbewehrungsermittlung nach Beanspruchungsart (Biegung, Normalkraft, kombinierte Beanspruchung) und Unterteilung der Bewehrung nach stärker und schwächer gezogenem Rand in prEN 1992-1-1: 10-2021 - In Abhängigkeit vom angesetzten Faktor k w signifikante Unterschiede bei der zulässigen Stahlspannung s s,lim gegenüber s s . - Für eine Kombination aus Biegung und Normalkraft deutlich voneinander abweichende Ergebnisse. Für Stege vorgespannter Brückenüberbauquerschnitte ab einer bestimmten Vorspannkraft ist gemäß prEN 1992- 1-1: 10-2021 keine bzw. lediglich eine sehr geringe Mindestbewehrung erforderlich. Für den Zuggurt wird dagegen im Vergleich zu DIN EN 1992-2/ NA, bei Annahme der gleichen zulässigen Stahlspannung, eine deutlich erhöhte Mindestbewehrung ermittelt. 3.3 Begrenzung der Rissbreite ohne direkte Berechnung Die vereinfachte Begrenzung der Rissbreite durch die Begrenzung des Stabdurchmessers oder der Stababstände unterscheidet sich für die Nachweisverfahren hinsichtlich der Vorgehensweise. Während in DIN EN 1992-2 und DIN EN 1992-2/ NA der Grenzdurchmesser der Bewehrung bzw. der maximale Stababstand aus Tabellen in Abhängigkeit der Stahlspannung und der zulässigen Rissbreite abgelesen werden kann, werden in prEN 1992-1-1: 10-2021 zwei Gleichungen zur unmittelbaren Ermittlung der jeweiligen Werte angegeben. Eine Vergleichsbetrachtung war an dieser Stelle lediglich für die Ermittlung des Grenzdurchmessers sinnvoll. Die Untersuchung hat ergeben, dass die teilweise deutlichen Abweichungen zwischen den Formaten stark vom Bewehrungsgrad abhängen. 3.4 Vergleichsrechnungen an üblichen Brückenquerschnitten und Widerlagerwänden In Längsrichtung ist bei Spannbetonbrücken i.d.R. die Mindestbewehrung auf Grundlage der Rissschnittgrößen maßgebend. In Querrichtung wurden Fahrbahnplatten ohne Vorspannung untersucht. Hier erfolgte eine Vergleichsbetrachtung der rechnerischen Rissbreite gemäß DIN EN 1992-2/ NA und prEN 1992-1-1: 10--2021 für die häufige Einwirkungskombination. In Bestätigung der vorausgegangenen Untersuchungen wurde gemäß dem Entwurf des EC2 für die betrachteten Nachweisschnitte jeweils eine um absolut ca. 0,1 mm größere Rissbreite bei einem Zielwert von 0,2 mm ermittelt. Schließlich erfolgten Vergleichsrechnungen für typische Abmessungen von Widerlagerwänden unter frühem Zwang (zentrischer Zug). Nach dem Entwurf prEN 1992- 1-1: 10-2021 ergeben sich im Vergleich zu DIN EN 1992- 2/ NA besonders bei dicken Widerlagerwänden deutlich kleinere Mindestbewehrungsmengen, was vor allem an 320 5. Brückenkolloquium - September 2022 Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1992-1-1: 2021 für die Begrenzung der Rissbreiten der neuen Definition für die effektive Betonzugfläche A c,eff liegt. 3.5 Zusammenfassende Wertung Die derzeit verwendeten Konzepte in DIN EN 1992-2/ NA zur Begrenzung der Rissbreiten und die Ermittlung der Mindestbewehrung haben sich seit den 1990er Jahren bewährt. Sie beruhen auf mechanisch anschaulichen Modellen für die Einzelrissbildung und das abgeschlossene Rissbild. Dagegen ist im Entwurf prEN 1992-1-1: 10-2021 die Einzelrissbildung nicht berücksichtigt. Neben Schwächen in den theoretischen Grundlagen [7] werden die Anforderungen an das Kriterium „ease of use“ nicht erfüllt. Die Bemessungsergebnisse sind im Vergleich zum derzeitigen Konzept in DIN EN 1992-2/ NA teilweise unwirtschaftlich und teilweise unsicher. Es wird daher keine Veranlassung gesehen, das Konzept der DIN EN 1992-2/ NA gegen das neue Konzept in prEN 1992-1-1: 10-2021 auszutauschen. Letzteres ist in der vorliegenden Form für die Anwendung bei Betonbrücken ungeeignet. Es wird empfohlen den Abschnitt 9.2 in prEN 1992-1-1: 10-2021 vollständig abzulehnen. 4. Untersuchungen zu Verbundbrücken Erste Voruntersuchungen haben gezeigt, dass die reine Adaption der in prEN 1992-1-1 (10-2021) [5] aufgeführten Gleichungen und Nachweise zu deutlich erhöhten Mengen bei der erforderlichen Bewehrung von Verbundbrücken führt. Es ist zudem zu erwähnen, dass schon heute der Bewehrungsgehalt von Fahrbahnplatten im Verbundbrückenbau oftmals zu Schwierigkeiten auf der Baustelle führt, vor allem was die Einbaubarkeit betrifft. Die erforderlichen Verbundmittel (Kopf bolzendübel) verschärfen die Thematik weiter. Schadensfälle bezüglich erhöhter Rissbildung sind jedoch nicht bekannt, vielmehr zeigt sich in jüngsten Monitoring-Untersuchungen, dass sich Verbundbrücken auch nach einiger Nutzungsdauer noch im ungerissenen Zustand I befinden können. Daher sollte eine rein rechnerisch begründete Erhöhung des Bewehrungsgehaltes unter allen Umständen vermieden werden. Die für den reinen Stahlbzw. Spannbetonbau hergeleiteten Formeln sind nicht ohne weiteres auf die im Verbundbau spezifischen Randbedingungen adaptierbar. Um ein genaues Bild über Größe und Art der Abweichungen zu bekommen, sind systematische Vergleichsrechnungen, mit einer entsprechenden Variation der maßgebenden Parameter durchgeführt worden. Es lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: 4.1 Ermittlung der Mindestbewehrung Die in prEN 1992-1-1 (10-2021) angegebenen Formeln zur Berechnung der erforderlichen Mindestbewehrung können nicht (ohne massive Anpassungen) auf den Verbundbau angewendet werden. Die maßgebenden Gründe hierfür sind: - Die verbundbauspezifischen Randbedingungen (Nachgiebigkeit der Verbindungsmittel, Umlagerung der Schnittgrößen auf den vorhandenen Stahlträger bei Erstrissbildung, abweichende Zugspannungsverteilung über den Betongurt aufgrund abweichender geometrischer Querschnittsgestaltung) sind in den Ansätzen nicht berücksichtigt. - Das Konzept ist deutlich abweichend vom bisherigen mechanisch recht einfachen Ansatz der DIN EN 1994- 2 [3], nachdem die Risskraft des gesamten gezogenen Betongurtes (unter Berücksichtigung der abmindernden Einflüsse) in Abhängigkeit der zulässigen Rissbreite über die Bewehrung aufgenommen wird. - Die neuen Ansätze sind komplizierter (drei Formeln statt einer) und mechanisch für den Anwender nicht mehr nachvollziehbar, was zu einer deutlich höheren Fehleranfälligkeit führt. - Die Ansätze selbst sind u. A. in folgenden Belangen noch fraglich: - enorme Abhängigkeit von N Ed , ohne Erläuterung für Schwindbehinderung - mangelnde Abhängigkeit der Formeln für kombinierte Beanspruchung von der Plattendicke h C - Höhe des Wirksamkeitsbereiches der Bewehrung h c,eff unabhängig von der Bauteildicke - unterschiedliche Sensitivität der EC 2 Formeln gegenüber der Betondeckung - mangelnde Nachvollziehbarkeit pauschaler Vorfaktoren (z. B. 0,3 vor N Ed ) bei kombinierter Beanspruchung (Moment + Normalkraft) - Inkonsistente (und daher nicht nachvollziehbare) Abhängigkeit von der Zugfestigkeit f ct,eff - alleinige Berücksichtigung der abmindernden Einflüsse auf der „rechten Seite“ bei den Grenzbedingungen. - Die Ansätze wurden für reine Stahlbetonbauteile hergeleitet. Diese Ansätze passen nicht in allen Einzelheiten zu den vorherrschenden Bedingungen im Verbundbau (z. B.: Ansatz gleicher Dehnungen der beiden Bewehrungslagen im Betongurt oder Berücksichtigung ideeller Querschnittswerte bei den Umrechnungen). - Aufgrund der Berücksichtigung des Beanspruchungszustandes bei der Ermittlung der Mindestbewehrung resultiert auch hier schon eine aufwändige iterative Berechnung. - Abkehr vom Konzept einer rechnerischen Maximalrissbreite zu einer mittleren Rissbreite. Dies wird pauschal über einen Beiwert k W (Vorschlag k W = 1,7) bei der zulässigen Stahlspannung gesteuert. Für diesen Faktor gibt es bei Verbundbrückenbauwerken keine Datenbasis. Eine pauschale Festlegung kann nicht getroffen werden. Eine blinde Adaption des für Stahlbetonbauwerke festgelegten Wertes, wäre nicht zielführend. - Die Ausarbeitung des bisherigen Dokuments ist noch verbesserungswürdig. Zum Beispiel werden für unterschiedliche Werte gleiche Bezeichnungen in einer Formel verwendet (z. B. s s,lim bei Formel zur Mindestbewehrung auf „rechter“ und „linker“ Seite). 5. Brückenkolloquium - September 2022 321 Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1992-1-1: 2021 für die Begrenzung der Rissbreiten 4.2 Vereinfachte Begrenzung der Rissbreite bei direkter Einwirkung Die in prEN 1992-1-1 (10-2021) angegebenen Formeln zur vereinfachten Begrenzung der Rissbreite können nicht (ohne massive Anpassungen) auf den Verbundbau angewendet werden. Die maßgebenden Gründe hierfür sind: - Die errechneten Werte sowohl für die Begrenzung der Stabdurchmesser als auch für die Begrenzung der Stababstände liegen so deutlich unter den bisherigen Werten, dass eine Bemessung im deutschen Brückenbau mit diesen Ansätzen baupraktisch und wirtschaftlich nicht möglich ist. - Die verbundbauspezifischen Randbedingungen (Nachgiebigkeit der Verbindungsmittel, Umlagerung der Schnittgrößen auf den vorhandenen Stahlträger bei Erstrissbildung, abweichende Zugspannungsverteilung über den Betongurt aufgrund abweichender geometrischer Querschnittsgestaltung) sind in den Ansätzen nicht berücksichtigt. - Die neuen Ansätze sind komplizierter und mechanisch (aufgrund der vielen eingeführten Beiwerte) für den Anwender nicht mehr nachvollziehbar, was zu einer deutlich höheren Fehleranfälligkeit führt. - Abkehr vom Konzept einer rechnerischen Maximalrissbreite zu einer mittleren Rissbreite. Dies wird pauschal über einen Beiwert k W (Vorschlag k W = 1,7) bei der zulässigen Stahlspannung gesteuert. Für diesen Faktor gibt es bei Verbundbrückenbauwerken keine Datenbasis. Eine pauschale Festlegung kann nicht getroffen werden. Eine blinde Adaption des für Stahlbetonbauwerke festgelegten Wertes, wäre nicht zielführend. - Der vereinfachend berücksichtigte Einfluss der Spannungsverteilung über den Querschnitt mittels k fl ist zu grob. Die Auswirkung im Grenzbereich zwischen „gerade keine Druckzone“ und „geringer Druckzone“ sind mechanisch nicht sinnvoll. 4.3 Bewertung hinsichtlich Zielsetzung Mandat M/ 515 der Europäischen Kommission ,ease-of-use‘ Die Anwenderfreundlichkeit wurde mit der Fortschreibung der Ansätze zur Begrenzung der Rissbreite in keiner Weise gesteigert. Die Formelapparate sind deutlich mehr und komplexer geworden. Der Anteil an Beiwerten zur Berücksichtigung stahlbetonspezifischer Randbedingungen hat zugenommen. Empirisch ermittelte Faktoren haben zugenommen. Für den Anwender verlieren die Ansätze dadurch an mechanischer Nachvollziehbarkeit. Zusätzlich wird durch eine undurchsichtige Nomenklatur die Fehleranfälligkeit gesteigert. Reduktion national festgelegter Parameter Grundsätzlich hat sich die Erfordernis National festzulegender Parameter alleine aufgrund der Mehrung von Beiwerten und Formeln erhöht. Auf Grundlage der vergleichenden Untersuchungen wird dieses Thema jedoch noch einmal verschärft, da eine Adaption der Formeln für die deutsche Brückenbaupraxis nur über massive Anpassungen möglich wäre. Es scheint jedoch nicht zielführend dies über Parameter zu tun, da die Ansätze so grundlegend verschieden sind. Vielmehr muss eine komplette Alternativ-Berechnung ermöglicht werden. Dies mindert neben der Anwenderfreundlichkeit auch das Vertrauen des Anwenders in die Normung. Harmonisierung der Eurocodes Dieses Ziel wurde sicherlich verfehlt. Die speziell für den Stahlbetonbau hergeleiteten Formeln eignen sich nicht zur Implementierung in der Verbundbaupraxis. Die im Verbundbau vorherrschenden Randbedingungen sind nicht ohne massive Anpassungen mit den neuen Ansätzen abbildbar. „Reine“ Verweise zwischen den Normen sind somit nicht sinnvoll möglich. 4.4 Handlungsempfehlungen zum weiteren Vorgehen Aufgrund der Herleitung für den reinen Beton- Stahlbeton- und Spannbetonbau beinhalten die Formeln zur Begrenzung und Berechnung der Rissbreiten gemäß prEN 1992-1-1 (10-2021) die speziellen im Verbundbau vorherrschenden Randbedingungen nicht. Die Abweichungen zu den mittels aktuellem Normenkonzept ermittelten Bewehrungsmengen sind, wie vorangehend gezeigt, deutlich. Einige Ergebnisse der Auswertung nach pr EN 1992-1-1 sind nicht schlüssig. Da ebenfalls einige der Ansätze in sich noch fraglich sind [7], können die Ansätze auch nicht ohne weiteres durch Anpassungen auf eine Anwendbarkeit im Verbundbau zugeschnitten werden. Für die Ausarbeitung des Nationalen Anhangs zur überarbeiteten DIN EN 1994-2 wird daher empfohlen einen Verweis auf das entsprechende Kapitel 9.2 in prEN 1992-1-1 nicht in Erwägung zu ziehen. Des Weiteren wird empfohlen auch keine weiteren Anstrengungen zu unternehmen, die neuen Ansätze auf die im Verbundbau vorherrschenden Randbedingungen anzupassen. Vielmehr sollte das Kapitel 9.2 gänzlich abgelehnt werden. Literatur [1] CEN. Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln: EN 1992-2: 2005 + AC: 2008. Berlin: Beuth; 12-2010. [2] Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln; 04-2013. [3] CEN. Eurocode 4: Bemessung und Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton - Teil 2: Allgemeine Bemessungsregeln und Anwendungsregeln für Brücken: EN 1994-2: 2005 + AC: 2008. Berlin: Beuth; 12-2010. [4] Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 4: Bemessung und Konstruktion von 322 5. Brückenkolloquium - September 2022 Auswirkungen der geänderten Nachweisverfahren in prEN 1992-1-1: 2021 für die Begrenzung der Rissbreiten Verbundtragwerken aus Stahl und Beton - Teil 2: Allgemeine Bemessungsregeln und Anwendungsregeln für Brücken; 12 2010. [5] CEN. Entwurf - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken: Teil 1-1: Allgemeine Regeln - Regeln für Hochbauten, Brücken und Ingenieurbauwerke; 10-2021. [6] BMVI. Schlussbericht zu Z30/ SeV/ 288.3/ 2119/ StB24 - Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau - Auswirkungen geänderter Nachweisverfahren für Querkrafttragfähigkeit und Rissbreitenbegrenzung; - in Veröffentlichung -. [7] Tue NV, Fehling E, Schlicke D, Krenn C. Rissbreitennachweis und Mindestbewehrung nach EC 2 - aktuelles Modell versus Vorschlag für die Revision. Beton- und Stahlbetonbau 2021; 116 [https: / / doi.org/ 10.1002/ best.202100038]
