Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
91
2022
51
Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau
91
2022
Christian Dommes
Josef Hegger
Die Bemessung von Bauteilen ohne rechnerisch erforderliche Querkraftbewehrung erfolgt im Eurocode 2 der zweiten Generation (prEC2, Fassung vom Oktober 2021) auf Basis der Critical Shear Crack Theory unter Berücksichtigung der Schubschlankheit im Bemessungsschnitt. Zudem kann der positive Einfluss der Vorspannung mit zwei Ansätzen (Grundgleichung CSCT mit kvp und Alternative mit k1 · σcp) berücksichtigt werden. Bei der Bemessung von Bauteilen mit rechnerisch erforderlicher Querkraftbewehrung wird weiterhin ein Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung verwendet. Die aktuellen Ansätze der stabilen Fassung des prEC2 für Bauteile ohne Querkraftbewehrung werden durch Vergleichsberechnungen an zwei realen Brückenbeispielen ((1) Dicke vorgespannte Platte, (2) Fahrbahnplatte in Querrichtung) mit den derzeit gültigen Bemessungsregeln nach EC2-2/NA(D) verglichen.
kbr510323
5. Brückenkolloquium - September 2022 323 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau Auswirkungen geänderter Nachweisverfahren für die Querkrafttragfähigkeit für Bauteile ohne Querkraftbewehrung Christian Dommes M. Sc. Institut für Massivbau (IMB), RWTH Aachen University Univ.-Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger Institut für Massivbau (IMB), RWTH Aachen University Zusammenfassung Die Bemessung von Bauteilen ohne rechnerisch erforderliche Querkraftbewehrung erfolgt im Eurocode 2 der zweiten Generation (prEC2, Fassung vom Oktober 2021) auf Basis der Critical Shear Crack Theory unter Berücksichtigung der Schubschlankheit im Bemessungsschnitt. Zudem kann der positive Einfluss der Vorspannung mit zwei Ansätzen (Grundgleichung CSCT mit k vp und Alternative mit k 1 -·-σ cp ) berücksichtigt werden. Bei der Bemessung von Bauteilen mit rechnerisch erforderlicher Querkraftbewehrung wird weiterhin ein Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung verwendet. Die aktuellen Ansätze der stabilen Fassung des prEC2 für Bauteile ohne Querkraftbewehrung werden durch Vergleichsberechnungen an zwei realen Brückenbeispielen ((1) Dicke vorgespannte Platte, (2) Fahrbahnplatte in Querrichtung) mit den derzeit gültigen Bemessungsregeln nach EC2-2/ NA(D) verglichen. 1. Motivation und Problemstellung Im Zuge der Fortschreibung der Eurocodes für die Bemessung und Konstruktion von Tragwerken aus Beton werden mit der stabilen Fassung des prEN 1992-1-1 (2021- 10) [1] neue bzw. veränderte Bemessungsregeln zur Sicherstellung der Querkrafttragfähigkeit im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) vorgestellt. Die neuen Nachweisformate haben einen direkten Einfluss auf die erforderlichen Bewehrungsmengen und Querschnittsabmessungen von Brückenbauwerken in Stahl- und Spannbetonbauweise. Die Konsequenzen für die Wirtschaftlichkeit der Bauweise durch die derzeit geplanten Änderungen müssen daher detailliert untersucht werden. Zur Überprüfung der rechnerischen Tragfähigkeiten und resultierenden Bewehrungsmengen werden die für die Weiterentwicklung des Eurocode 2 vorgesehenen Nachweisformate in prEN 1992-1-1 [1] mit den derzeit gültigen Nachweisformaten gemäß DIN EN 19922/ NA(D) [2; 3] verglichen. Maßgebliche Unterschiede und Gründe für Abweichungen werden herausgearbeitet. Hierzu werden Vergleichsrechnungen und Parameterstudien an zwei Brückenquerschnitten aus der Praxis durchgeführt. Ziel ist die Identifikation von Anwendungsbereichen im Brückenbau, in denen im Vergleich zur derzeitigen Regelwerkslage stark abweichende Ergebnisse zu erwarten sind. Gründe für maßgebende Abweichungen werden herausgearbeitet und bewertet. Bei der derzeitigen Querkraftbemessung von Stahl- und Spannbetonbauteilen wird zwischen drei Nachweisen unterschieden: (1) dem Nachweis für Bauteile ohne Querkraftbewehrung sowie für Bauteile mit rechnerisch erforderlicher Querkraftbewehrung (2) dem Nachweis der Querkraftbewehrung und (3) dem Nachweis der Maximalbzw. Druckstrebentragfähigkeit. Nach aktuellem Eurocode 2 erfolgt die Bemessung für Bauteile mit Querkraftbewehrung über ein Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung. Diese Vorgehensweise wird im Entwurf für den neuen EC2 [1] beibehalten. Unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit der Längsbewehrung darf die minimale Neigung der Druckstreben für Stahlbeton zu cotθ-≤-2,5 und für Spannbeton zu cotθ-≤-3,0 angenommen werden. Darüber hinaus ist eine Anrechenbarkeit der geneigten Spannglieder auf die Querkrafttragfähigkeit möglich. Stärkere Änderungen ergeben sich bei der Querkraftbemessung für Bauteile ohne Querkraftbewehrung, die zukünftig mit einem Bemessungsansatz der Critical Shear Crack Theory (CSCT) erfolgt [4-7]. Wesentliche Einflussgrößen wie der Maßstabseffekt, der Einfluss von Normalkräften und die Schubschlankheit werden neu formuliert. 2. Stand der Technik 2.1 Biegeschubversagen bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung nach EC2/ NA(D) [2; 3] Ein Querkraftversagen tritt bei Stahlbetonbauteilen ohne Querkraftbewehrung durch die Entwicklung eines maßgebenden Schubrisses ein, der sich aus einem Biegeriss bildet. Die Bemessungsgleichung des EC2 nach Gl.-(1) basiert auf einer statistischen Regressionsanalyse von Zsutty-[8]. Zsutty benannte die Betonfestigkeit, den Längsbeweh- 324 5. Brückenkolloquium - September 2022 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau rungsgrad und die Schubschlankheit-a/ d als Haupteinflussparameter. Später wurde der Ansatz von Zsutty erweitert und in den Model-Code von 1978 und 1990 aufgenommen. Aus Gründen der einfacheren Anwendung wurde die Schubschlankheit in der darauf auf bauenden Bemessungsgleichung für den EC2 nicht berücksichtigt: (1) Der Einfluss einer Vorspannung auf die Querkrafttragfähigkeit wird über die Betonlängsspannung auf Höhe des Schwerpunktes berücksichtigt. Die Herleitung des Einflusses erfolgte auf der sicheren Seite liegend über die Anrechnung der zur Auf hebung des Dekompressionsmomentes erforderlichen Querkraft [9]. Die untere Grenze der Querkrafttragfähigkeit ist durch den Mindestwert nach Gl.-(2) festgelegt. (2) Während in Deutschland für die Beiwerte C Rd,c -=-0,15 und k 1 -=-0,12 in Gl.-(1) reduzierte Werte zu verwenden sind, dürfen entsprechend dem Grunddokument nach EC2 mit C Rd,c -=-0,18 und k 1 -=-0,15 größere Beiwerte angenommen werden. Ebenfalls wurden im NA(D) abgeminderte Werte für v min festgelegt. 2.2 Biegeschubversagen bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung nach prEC2 [1] Die Bemessung für Bauteile ohne rechnerisch erforderliche Querkraftbewehrung erfolgt auf Basis der Critical Shear Crack Theory (CSCT). Grundlegend basiert die CSCT auf der Annahme, dass die Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung durch die Ausbildung eines kritischen Risses, der den Lastabtrag einer direkten Druckstrebe stört und somit ein Querkraftversagen auslöst, bestimmt wird. Nach prEC2 wird der Querkraftnachweis auf Basis von einwirkenden Schubspannungen gemäß Gl.-(3) geführt: (3) Entgegen dem aktuellen EC2/ NA(D) darf die einwirkende Bemessungsquerkraft V Ed infolge der Komponenten geneigter Druck- und Zugstreben für Querschnitte ohne Querkraftbewehrung nicht abgemindert werden. Auf einen expliziten Nachweis der Querkrafttragfähigkeit kann gemäß prEC2 verzichtet werden, sofern die einwirkende Schubspannung den Mindestwert nach Gl.-(4) nicht überschreitet. (4) mit: d dg vom Größtkorn und der Betonfestigkeit abhängiger Einflussparameter, der die Rauigkeit des Schubrisses berücksichtigt: 16+D lower - ≤- 40- mm für f ck - ≤- 60 N/ mm ² 16+D lower ·(60/ f ck ) 4- ≤-40-mm für f ck ->-60 N/ mm² (5) Gemäß [10] wird D lower - als der bei der Festlegung des Betons kleinstezulässigeWert- D dergröbstenGesteinskörnungsfraktion im Beton definiert, wobei- D die obere Siebgröße einer mit- d / D beschriebenen Gesteinskörnung ist. Sobald die einwirkende Schubspannung die Mindesttragfähigkeit übersteigt, ist ein Nachweis der Querkrafttragfähigkeit nach Gl.-(6) zu führen (Grundgleichung): (6) Im Gegensatz zum aktuellen EC2/ NA(D), bei dem der Traganteil infolge Vorspannung als additiver Term in der Bemessungsgleichung eingeht, wird der Einfluss von Kräften in Stablängsrichtung nach prEC2 durch eine effektive Schubspannweite-a cs berücksichtigt [11]. Die effektive Schubspannweite berechnet sich nach Gl.-(7). (7) In Gl. (6) darf-d durch die mechanische Schubspannweite-a v nach Gl.-(8) ersetzt werden: (8) Sofern Normalkräfte (z.-B. infolge Vorspannung) auf den Querschnitt einwirken, darf die statische Nutzhöhe-d in Gl.-(6) entweder mit dem Anpassungsbeiwert k vp nach Gl.-(9) multipliziert (Grundgleichung) oder durch die mechanische Schubspannweite-a v ersetzt (Variante B) werden. Hierbei gilt die generelle Vorzeichendefinition nach prEC2, die besagt, dass Zugkräfte ein positives Vorzeichen und Druckkräfte ein negatives Vorzeichen tragen. Die Vorspannung ist bei beiden Varianten in den Schnittgrößen M Ed , V Ed und N Ed zu berücksichtigen. (9) In [12] ist erstmals zusätzlich eine alternativer Ansatz zur Berechnung der Tragfähigkeit bei Bauteilen mit Drucknormalkräften angegeben. Diese Bemessungsgleichung basiert auf einem Ansatz aus [13], der auch die Grundlage für den additiven Term für die Vorspannung im aktuellen EC2 bildet. Der additive Term in Gl.-(10) beschreibt die Querkraft, die notwendig ist, um den Zustand der Dekompression auf Querschnittsebene zu erreichen (Alternative). (10) Im Gegensatz zum aktuellen EC2 ist der Beiwert-k 1 nicht konstant, sondern abhängig von der statischen Nutzhöhe und der Exzentrizität der einwirkenden Vorspannung. Nach [12] wird der Beiwert-k 1 gemäß Gl.-(11) ermittelt. (11) Kann der Querkraftwiderstand des Bauteils ohne Querkraftbewehrung nach Gl.-(6) nicht erbracht werden, so ist eine Querkraftbewehrung in Form von Bügeln vorzusehen. 5. Brückenkolloquium - September 2022 325 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau 3. Fallbeispiele Für den Vergleich der Querkraftbemessung nach EC2/ NA(D) und prEN1992-1-1 werden zwei Fallbeispiele vorgestellt. Die rechnerischen Querkraftwiderstände werden nachfolgend detailliert ermittelt und verglichen. Zur Verallgemeinerung der Bemessungsergebnisse werden anschließend Parameterstudien auf Basis der einzelnen Fallbeispiele durchgeführt. Um den Vergleich mit dem zugrundeliegenden Fallbeispiel zu erleichtern, wird der jeweilige Wert des Fallbeispiels in jeder Parametervariation kenntlich gemacht. Es werden die Querkrafttragfähigkeiten ohne Querkraftbewehrung in Abhängigkeit ausgewählter Parameter in Relation zum Bemessungswert der Einwirkungen verglichen. Das erste Fallbeispiel ist eine schiefwinklige Stadtbrücke mit Vollplattenquerschnitt in Spannbeton-Bauweise ohne Bügelbewehrung. Die Konstruktionshöhe beträgt 1,00-m bei einer Überbaubreite von 12,20-m. An beiden Seiten sind Kappen mit einer Breite von je 2,10-m angeordnet, sodass sich eine Fahrbahnbreite von 8-m ergibt. Die Gesamtlänge von 68-m setzt sich aus drei Feldern mit den Stützweiten 21,50-m - 25,00-m - 21,50-m zusammen. An diesem Fallbeispiel werden die Einflüsse des Größtkorns, des Längsbewehrungsgrades, des Maßstabseffekts und einer Vorspannung auf die rechnerische Querkrafttragfähigkeit untersucht. Zusätzlich werden die Einflüsse aus Betonfestigkeit und Schubschlankheit bewertet. Zur Querkraftbemessung in Querrichtung wird als zweites Bemessungsbeispiel ein zweistegiger Plattenbalkenquerschnitt in Spannbetonbauweise gewählt. Die Konstruktionshöhe beträgt 1,75-m bei einer Überbaubreite von 14,50-m (inkl. Kappen). Die Querschnittshöhe des gevouteten Kragarms im Abstand-d zum Rand des Steges beträgt 0,4-m. Die Gesamtlänge der Brücke von 190-m setzt sich aus sechs Feldern mit den Stützweiten 24,50-m - 4- ×- 35,00- m - 24,50- m zusammen. Analog zu Fallbeispiel-1 wird die Fahrbahnplatte ebenfalls ohne Querkraftbewehrung ausgebildet. Neben den Einflussgrößen aus Fallbeispiel-1 wird zusätzlich der Traganteil geneigter Gurte untersucht. In den folgenden Abschnitten werden als Vergleichsmaßstab die berechneten Querkrafttragfähigkeiten gegenübergestellt. Da die Querkraftbemessung auf Querschnittsebene erfolgt, wird nicht vertieft auf die Lastermittlung eingegangen. Die maßgebenden Schnittgrößen wurden mit der Software InfoCAD berechnet und berücksichtigt die ständigen Einwirkungen (Eigengewicht-g, Ausbaulast-Δg, Stützensenkung-s), die veränderlichen Einwirkungen (Temperatur-ΔT, Wind-w, Verkehrslastmodell-1 mit UDL und TSLast, Horizontallasten aus Bremsen und Anfahren) sowie die Vorspannung und das zeitabhängigen Materialverhalten (Kriechen, Schwinden und Relaxation). 4. Analytische Tragfähigkeiten für Bauteile ohne Querkraftbewehrung Während die Nachweise im EC2/ NA(D) über eine Berechnung der maximalen Querkräfte erfolgt, wird in prEC2 die Tragfähigkeit über die Begrenzung der maximalen Schubspannungen nachgewiesen. Für den Vergleich werden die maßgebenden Schubspannungen nach prEC2 über den inneren Hebelarm- z und die Stegbreite-b w entsprechend Gl.-(3) in maßgebende Querkräfte umgerechnet. Der Einfluss der Vorspannung auf die Querkrafttragfähigkeit kann bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung nach prEC2 auf zwei Arten berücksichtigt werden (Grundgleichung nach Gl.-(6) bzw. Alternative nach Gl.- (10)). Bei Anwendung der Grundgleichung gibt es zwei Varianten: Entweder wird die statische Nutzhöhe in Gl.-(6) mit dem Faktor-k vp multipliziert (Variante A) oder die statische Nutzhöhe-d wird durch das Produkt aus mechanischer Schubspannweite-a v und dem Faktor-k vp ersetzt (Variante B). Im alternativen Ansatz nach Gl.-(10) wird der Einfluss der Vorspannung durch das Produkt aus Längsvorspannung-σ cp und dem Faktor-k 1 als additiver Term berücksichtigt. In dieser Untersuchung werden die Grundgleichung (Gl.-(6)) und die Alternative (Gl.-(10)) mit den Varianten A und B gegenübergestellt. In Tab.-1 sind die verschiedenen Ansätze und Auswahlmöglichkeiten gegenübergestellt. Tab.-1: Gleichungen zur Bemessung der Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung nach prEC2 Vorspannung Variante Formel zur Bestimmung von V Rd,c Grundgleichung k vp A B Alternative (k 1 ⋅ σ cp ) A B 4.1 (1) Dicke vorgespannte Platte In Abb.-1 sind die Querkrafttragfähigkeiten nach prEC2 für das Fallbeispiel-1 entsprechend Tab.-1 dargestellt. Mit Variante A ergeben sich sowohl für die Grundgleichung als auch für die Alternative jeweils geringere Tragfähigkeiten. Mit Variante B, in der die statische Nutzhöhe-d im Nenner durch die mechanische Schubspannweite-a v ersetzt wird, werden höhere Tragfähigkeiten ermittelt. 326 5. Brückenkolloquium - September 2022 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau Abb.-1: Bemessungsergebnisse der Querkrafttragfähigkeit-V Rd,c nach EC2/ NA(D) und prEC2 4.2 (2) Fahrbahnplatte in Querrichtung Bei der Bemessung für Querkraft von Fahrbahnplatten mit gevouteten Querschnitten nach EC2/ NA(D) werden in der Regel die Querkrafttraganteile aus den geneigten Gurten berücksichtigt werden. Während dieser Querkrafttraganteil nach dem Grunddokument EC2 nur in bügelbewehrten Querschnitten angesetzt werden darf (6.2.1(2)), erlaubt EC2/ NA(D) dies auch für Platten ohne Querkraftbewehrung (NCI zu 6.2.1 (3)). Der Entwurf von prEC2 sieht die Berücksichtigung dieses Traganteils analog zum EC2 nur für bügelbewehrte Querschnitte vor. Daher wird die Querkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) um den Traganteil der geneigten Betondruckstrebe V ccd erweitert. Die maßgebende Querkrafttragfähigkeit ergibt sich unter Berücksichtigung der Kraftkomponente des Druckgurtes rechtwinklig zur Bauteilachse: (12) Die rechnerischen Tragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 für Fallbeispiel-2 sind in Abb.-2 gegenübergestellt. In den ersten beiden Säulen sind die Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) dargestellt. Der Traganteil-V ccd nach EC2/ NA(D) beträgt für dieses Fallbeispiel 55-kN/ m und ist farblich hervorgehoben. In den weiteren Säulen werden die Querkrafttragfähigkeiten nach der Grundgleichung und der Alternativer nach prEC2 für die Varianten A und B wiedergegeben. Für die Berechnung mit Variante B wurde stets ein dunklerer Farbton gewählt als für Variante A. Abb.-2: Bemessungsergebnisse der Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung nach EC2/ NA(D) und prEC2 Nach Abb.- 2 kann nach EC2/ NA(D) die einwirkende Querkraft durch den Mindestwert der Querkrafttragfähigkeit- V Rd,c,min,EC2/ NA(D) (Gl.- (2)) aufgenommen werden, wenn gleichzeitig der Anteil V ccd berücksichtigt wird. Der Querkraftwiderstand V Rd,c,EC2/ NA(D) (Gl.- (1)) liegt auch mit V ccd unterhalb der einwirkenden Querkraft V Ed -=-260-kN/ m. Für den Entwurf des neuen Eurocodes prEC2 erreicht die Grundgleichung in Kombination mit k vp und a v die höchste Tragfähigkeit von 230-kN/ m. Die Alternative nach Gl.-(10) mit dem additiven Term erreicht dagegen 213-kN/ m und der Mindestwert V Rd,c,min,prEC2 ergibt eine Querkrafttragfähigkeit von 218-kN/ m. Für die Variante A (Ansatz der statischen Nutzhöhe-d) ergeben sich analog zu Fallbeispiel-1 geringere Tragfähigkeiten als mit Variante B, welche die statische Nutzhöhe-d im Nenner durch die mechanische Schubspannweite-a v ersetzt. Abb.-2 zeigt, dass die Querkrafttragfähigkeit nach prEC2 für alle Varianten unter der maßgebenden Tragfähigkeit V Rd,c,min nach EC2/ NA(D) liegt. Ein wesentlicher Grund hierfür ist auch der Querkrafttraganteil des geneigten Druckgurtes-V ccd , der bei Bauteilen ohne Querkraftbewehrung nach prEC2 nicht angesetzt werden darf. Diese Regelung war bereits im aktuellen Grunddokument von EC2 enthalten, wurde jedoch im EC2/ NA(D) für Bauteile ohne Querkraftbewehrung aufgehoben. Da die Grundgleichung mit dem k vp -Faktor im Fallbeispiel-2 für den Nachweisschnitt im Abstand d vom Kragarmanschnitt eine größere Querkrafttragfähigkeit ergibt als der alternative Ansatz mit dem additiven Term-k 1 -· σ cp , wird im Folgenden eine Untersuchung der Einwirkungen und Widerstände abhängig vom Abstand zum Kragarmanschnitt durchgeführt (Abb.-3). Die einwirkende Querkraft ist als rote durchgezogene Linie dargestellt, während die Widerstände nach EC2/ NA(D) in Blau und die Werte nach prEC2 in Orange angegeben sind. Für die Ermitt- 5. Brückenkolloquium - September 2022 327 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau lung der Widerstände nach prEC2 wurde auch die Schubschlankheit berücksichtigt (Variante B). Grundlage einer solchen Untersuchung ist die aufwändige Ermittlung der Schnittgrößen mittels FE-Analyse. Da die mitwirkende Breite zum Abtrag der Querkraftbeanspruchung mit abnehmendem Abstand zum Auflager geringer wird, ist eine Ermittlung der maßgebenden Schnittgrößen anhand eines Stabswerks nicht ausreichend. Stattdessen ist eine vertiefte Untersuchung z.-B. mit einem Schalenmodell durchzuführen, um die Aktivierung einer größeren mitwirkenden Breite mit zunehmenden Lastabstand abzubilden. In Abb.-3 sind die einwirkende Querkraft und die Querkraftwiderstände für den Bereich bis 4-·-d vom Anschnitt dargestellt. Da die Aufstandsfläche der Radlast so angeordnet wurde, dass deren Rand im Abstand von 2-·-d des Kragarmanschnitts entfernt liegt, war eine Abminderung für auflagernahe Lasten nicht erforderlich. Unabhängig vom Abstand zum Kragarmanschnitt wird nach EC2/ NA(D) im Vergleich zu prEC2 ein höherer Querkraftwiderstand ermittelt, da nach EC2/ NA(D) im Gegensatz zu prEC2 der Traganteil der geneigten Druckstrebe-V ccd berücksichtigt wird. Mit zunehmendem Abstand zum Auflager sinkt der Traganteil V ccd . Im Gegensatz zu EC2/ NA(D), bei dem der Mindestwert der Querkrafttragfähigkeit-V Rd,c,min unabhängig vom Abstand zum Auflager maßgebend ist, liegt die Querkrafttragfähigkeit nach prEC2 über dem Mindestwert. Abb.-3: Einwirkende Querkraft und Querkraftwiderstände nach EC2/ NA(D) und prEC2 für verschiedene Bemessungsschnitte 4.3 Fazit Die Berechnungen zeigen, dass die Bemessung nach prEC2 grundsätzlich als geeignet angesehen werden kann, um mit geringfügigen Anpassungen in einem Nationalen Anwendungsdokument vergleichbare Ergebnisse wie nach der aktuellen Fassung EC2/ NA(D) zu erzielen. Dazu sind weitergehende Untersuchungen mit variierenden Randbedingungen erforderlich. Nachfolgend wird daher in systematischen Parameterstudien mit einer Bandbreite von brückenbauspezifischen Randbedingungen untersucht, welche Einflussparameter dazu führen, dass prEC2 für Querschnitte ohne Querkraftbewehrung in einigen Fällen mit der Grundgleichung (Gl.- (6)) in Kombination mit dem k vp -Faktor eine höhere Querkrafttragfähigkeit erreicht und in anderen Fällen der alternative Ansatz mit dem additiven Term k 1 -·-σ cp nach Gl.-(10) die größere Querkrafttragfähigkeit ergibt. 5. Parameterstudien für Bauteile ohne Querkraftbewehrung Im Folgenden werden die Einflussfaktoren auf die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten nach prEC2 und EC2/ NA(D) für Bauteile ohne Querkraftbewehrung anhand von Parameterstudien an der Vollplatte (Fallbeispiel- 1) und der Fahrbahnplatte in Querrichtung (Fallbeispiel-2) untersucht. Für jeden Parameter erfolgte eine separate Auswertung, wobei die übrigen Einflussgrößen konstant gehalten wurden. Die Querkrafttragfähigkeiten nach prEC2 werden entweder mit der Grundgleichung (Gl.-(6)) in Kombination mit dem Faktor-k vp (Gl.-(9)) oder mit der Alternative nach Gl.-(10) ermittelt. In beiden Fällen wird zwischen den Varianten A und B unterschieden, die entweder die statische Nutzhöhe-d (Variante A) oder die mechanische Schubspannweite-a v (Variante B) in der Grundgleichung verwenden. Analog zu den Berechnungen der Fallbeispiele werden die maßgebenden Schubspannungen in Querkrafttragfähigkeiten-V Rd umgerechnet. Zusätzlich zu den rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten-V Rd ist die einwirkende Querkraft-V Ed im Bemessungsschnitt-d vom Auflagerrand in Rot dargestellt. 5.1 Längsbewehrungsgrad ρ l Abb.-4: Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 abhängig vom Längsbewehrungsgrad-ρ l In Abb.- 4 sind die Querkrafttragfähigkeiten für Fallbeispiel-1 nach EC2/ NA(D) und prEC2 in Abhängigkeit 328 5. Brückenkolloquium - September 2022 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau des Längsbewehrungsgrades dargestellt. Nach beiden Bemessungsansätzen werden mit steigendem Längsbewehrungsgrad höhere rechnerische Querkrafttragfähigkeiten ermittelt. Bei sehr geringen Längsbewehrungsgraden-ρ l ergeben sich nach prEC2 mit der Grundgleichung nach Gl.-(6) sehr geringe Querkraftwiderstände, die dem Grenzwert Null zustreben. Für die Berechnungsansätze nach Gl.-(10) und EC2/ NA(D) mit einem additiven Term aus Vorspannung k 1 -·-σ cp verbleibt für-ρ l -=-0 der rechnerische Querkrafttraganteil der Vorspannung. Im Bemessungsfall greift für kleine Längsbewehrungsgrade die Mindestquerkrafttragfähigkeit. Nach EC2/ NA(D) und prEC2 mit Gl.-(10) (k 1 -·-σ cp ) werden bis ρ l -≤-0,02 annähernd identische Querkrafttragfähigkeiten ermittelt. Da der ansetzbare Längsbewehrungsgrad in EC2/ NA(D) auf ρ l -≤-0,02 begrenzt wird, ergibt sich keine rechnerische Traglaststeigerung nach EC2/ NA(D) für ρ l >-0,02. Aufgrund der fehlenden Begrenzung steigt die Querkrafttragfähigkeit nach prEC2 auch für ρ l ->-0,02 weiter an und übersteigt die Werte nach EC2/ NA(D). Die Berücksichtigung der Vorspannung mit-k vp ergibt im Vergleich zur Berücksichtigung mit-k 1 -·-σ cp für alle dargestellten Längsbewehrungsgrade geringere Tragfähigkeiten. Rechnerisch würden sich für sehr große Werte-ρ l höhere Tragfähigkeiten mit Berücksichtigung der Vorspannung durch den Faktor-k vp ergeben. In der Praxis sind so hohe Längsbewehrungsgrade allerdings nicht üblich. Da die Vorspannung nach EC2/ NA(D) auch in der Berechnung der Mindestquerkrafttragfähigkeit-V Rd,c,min berücksichtigt wird, ergibt sich im Vergleich zu prEC2 eine deutlich höhere Mindestquerkrafttragfähigkeit. 5.2 Vorspannung-σ cp Der positive Einfluss der Vorspannung auf die Querkrafttragfähigkeit darf nach prEC2 mit einem der folgenden Ansätze erfasst werden: Mit der Grundgleichung (Gl.-(6)) in Kombination mit dem Faktor-k vp (Gl.-(9)) oder mit der Alternative nach Gl.-(10). In beiden Fällen wurde durch Verwendung der mechanischen Schubspannweite- a v (Variante B) in der Grundgleichung eine höhere Querkrafttragfähigkeit ermittelt als mit Variante A (Verwendung der statischen Nutzhöhe-d in der Grundgleichung). Beide Ansätze (Grundgleichung und Alternative) werden in diesem und dem folgenden Kapitel vergleichend untersucht, um herauszuarbeiten, welcher Ansatz unter welchen Randbedingungen zu einer höheren rechnerischen Querkrafttragfähigkeit führt. Im Folgenden sind die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 für die Fallbeispiele-1 und 2 in Abhängigkeit der Druckspannung-σ cp im Schwerpunkt des Querschnitts dargestellt. In Abb.-5 sind die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 in Abhängigkeit der vorhandenen Normalspannung infolge Vorspannung-σ cp für Fallbeispiel-1 abgebildet. Beide Ansätze des prEC2 liefern für eine Vorspannung-σ cp -=-0 eine identische rechnerische Querkrafttragfähigkeit. Mit zunehmender Vorspannung steigen die Querkrafttragfähigkeiten nach prEC2 mit Berücksichtigung der Vorspannung über den additiven Term k 1 -·-σ cp (Gl.-(10)) und EC2/ NA(D) linear an, bis jeweils die obere Grenze von σ cp -≤-0,2-·-f cd maßgebend wird. Aufgrund des höheren Bemessungswertes der Betondruckfestigkeit f cd nach prEC2 im Vergleich zu EC2/ NA(D) greift die Begrenzung später. Die Querkrafttragfähigkeiten, die nach prEC2 mit dem k vp Faktor (Grundgleichung, Gl.-(6)) ermittelt werden, liegen deutlich unter den Ergebnissen nach der Alternative (prEC2 Gl.-(10)) und EC2/ NA(D). Für kleine Werte der Vorspannung (σ cp - ≤- 3- N/ mm²) ergibt sich nach der Grundgleichung eine sehr geringe Steigerung der rechnerischen Querkrafttragfähigkeit infolge Vorspannung, während die Querkrafttragfähigkeit für σ cp ->-3-N/ mm² schneller ansteigt. Durch die untere Grenze von k vp -≥-0,1 (Gl.-(9)) ergibt sich allerdings ab σ cp - ≥ -4,9-N/ mm² keine weitere Zunahme der Querkrafttragfähigkeit. Dadurch liefert die Alternative nach prEC2 mit dem additiven Term k 1 -·-σ cp in Fallbeispiel-1 für alle hier untersuchten Werte σ cp eine höhere Querkrafttragfähigkeit als die Grundgleichung nach prEC2 mit k vp . Abb.-5: Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 abhängig von der Vorspannung σ cp Für geringe Vorspannungen-σ cp -≤- 0,5-N/ mm² liegt der Mindestwert der Querkrafttragfähigkeit- V Rd,c,min,prEC2 über beiden Ansätzen (Grundgleichung und Alternative) nach prEC2. Während die Mindestquerkrafttragfähigkeit V Rd,c,min nach prEC2 unabhängig von der Vorspannung ist, steigt der Mindestwert der Querkrafttragfähigkeit-V Rd,c,min nach EC2/ NA(D) mit zunehmender Vorspannung linear an. Dennoch wird der Mindestwert nach EC2/ NA(D) für Fallbeispiel-1 nicht maßgebend. Schubschlankheit-λ-=-M-/ -(V-·-d) Die günstigen Einflüsse geringer Schubschlankheiten λ-=-M-/ -(V- ·-d) dürfen nach prEC2 in der Querkraftbemessung berücksichtigt werden. Neben dem Ansatz mit 5. Brückenkolloquium - September 2022 329 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau dem additiven Term k 1 - ·-σ cp (Alternative, Gl.-(10)) kann der günstige Einfluss der Vorspannung nach prEC2 auch über eine Modifizierung der wirksamen Schubspannweite erfasst werden (Grundgleichung , Gl.- (6)). In Abb.- 6 sind daher die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten für Fallbeispiel-1 in Abhängigkeit der Vorspannung für verschiedene Schubschlankheiten-λ abgebildet (Grundgleichung). Das Diagramm umfasst die Querkrafttragfähigkeiten nach den Varianten A (durchgezogene Linien) und B (gestrichelte Linien) entsprechend Tab.-1. Für die gleiche Schubschlankheit-λ werden die Tragfähigkeiten nach Variante A und B mit der gleichen Farbe dargestellt. Zudem sind die Tragfähigkeiten nach der Alternative (Gl.-(10)) mit dem additiven Term k 1 -·-σ cp abgebildet. Ein Vergleich der durchgezogenen und gestrichelten Linien einer Farbe in Abb.- 6 zeigt, dass die Berücksichtigung der effektiven Schubspannweite- a cs (Variante B) für alle Varianten und Schubschlankheiten zu einer Steigerung der rechnerischen Querkrafttragfähigkeit führt. Diese Erhöhung ist bei geringen Schubschlankheiten besonders stark ausgeprägt. Hieraus resultieren rechnerische Traglaststeigerungen von bis zu 25-% (V Rd,λ=1_ A -=-1200-kN, V Rd,λ=1_ B -=-1500-kN). Mit steigender Schubschlankheit verringert sich die Zunahme der rechnerischen Tragfähigkeit durch Berücksichtigung der effektiven Schubspannweite-a cs . Für λ-=-3 ergeben sich lediglich geringe Unterschiede in den rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten. Abb.-6: Einfluss unterschiedlicher Schubschlankheiten auf die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten In Abb.-7 sind die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 sowie die einwirkende Querkraftbeanspruchung-V Ed im Bemessungsschnitt-d vom Auflagerrand in Abhängigkeit der Schubschlankheit-λ abgebildet. Die Querkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) (blaue Linie) ist konstant, da die Schubschlankheit-λ nicht in der Bemessung berücksichtigt wird. Nach der Grundgleichung des prEC2 (Gl.-(6) (orange durchgezogene Linien) ergeben sich mit zunehmender Schubschlankheit abnehmende Querkrafttragfähigkeiten. Im ersten Teil der Kurven ist die Abnahme nahezu linear, während sich die Querkrafttragfähigkeit für größere Schubschlankheiten exponentiell verringert. Dies ist zum einen auf die zunehmende wirksame Schubspannweite-a cs infolge der wachsenden Schubschlankheit zurückzuführen und zum anderen auf die untere Begrenzung von k vp -≥-0,1, die für kleine einwirkende Momente-M Ed maßgebend wird. Die Abnahme der wirksamen Schubspannweite-a cs bewirkt auch eine Abminderung der rechnerischen Querkrafttragfähigkeit nach der Alternative nach prEC2 (Gl.- (10), orange gestrichelte Linien). Der Vergleich der Ansätze (Grundgleichung und Alternative) bestätigt, dass das k vp Verfahren nur für Systeme mit geringen Schubschlankheiten ähnliche Tragfähigkeiten ermittelt wie der alternative Ansatz mit dem additiven Term k 1 -·-σ cp . Abb.-7: Einfluss variierender Schubschlankheiten auf die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten 5.3 Größtkornparameter-d dg Abweichend zur Bemessung nach EC2/ NA(D) wird in prEC2 die Gesteinskörnung des Betons durch den Faktor-d dg berücksichtigt (Gln. (4), (5) und (6)). Mit steigendem Korndurchmesser wird eine größere Rauigkeit in Schubrissen angenommen, wodurch eine höhere Schubspannung über den Riss übertragen werden kann. Entsprechend nimmt die rechnerische Querkrafttragfähigkeit nach prEC2 mit steigendem Größtkornparameter-d dg zu. In Abb.-8 sind die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten für die Vollplatte (Fallbeispiel-1) dargestellt. Während der Durchmesser der Gesteinskörnung nach EC2/ NA(D) keinen Einfluss auf die Querkraftbemessung nach EC2/ NA(D) hat, ergeben sich nach prEC2 erwartungsgemäß mit steigendem d dg größere Querkrafttragfähigkeiten. So kann die rechnerische Querkrafttragfähigkeit nach prEC2 in Fallbeispiel -1 durch die Erhöhung des Größtkorns von d dg -=-d dg,min -=-16-mm auf d dg - =- d dg,max - =- 40- mm von 1400- kN um 13- % 330 5. Brückenkolloquium - September 2022 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau auf 1580- kN vergrößert und in Fallbieispiel- 2 von 180-kN um 39-% auf 250-kN erhöht werden. Da der Einfluss der Vorspannung bei der Alternative (Gl.- (10)) mit dem additiven Term k 1 - ·- σ cp unabhängig vom Größtkornparameter-d dg berücksichtigt wird, steigt die rechnerische Querkrafttragfähigkeit nach der Grundgleichung (Gl.-(6)) mit wachsendem d dg schneller an als nach der Alternative (Gl.-(10)), da der gesamte Term mit dem zunehmendem Größtkornparameter-d dg multipliziert wird. In Fallbeispiel- 1 ergeben sich dennoch nach der alternativen Berechnung mit k 1 - ·-σ cp für alle d dg höhere rechnerische Querkrafttragfähigkeiten als mit dem Ansatz über k vp (Grundgleichung). Ein Vergleich der Bemessungsansätze EC2/ NA(D) und prEC2 zeigt, dass für Fallbeispiel-1 ab einem Größtkornparameter-d dg -≥-29-mm mit Gl.-(10) (k 1 -·-σ cp ) nach prEC2 eine höhere rechnerische Querkrafttragfähigkeit ermittelt wird. Die Tragfähigkeiten nach prEC2 Gl.-(6) mit dem k vp -Faktor liegen unter den Tragfähigkeiten nach EC2/ NA(D). Für Fallbeispiel-2 ergibt sich für prEC2 ab d dg -=-35-mm eine höhere Tragfähigkeit-V Rd,c als nach EC2/ NA(D). Abb.-8: Querkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 abhängig vom Größtkornparameter d dg 5.4 Maßstabseffekt-k und-d dg / d mit Berücksichtigung der empirischen Vorfaktoren und Teilsicherheitsbeiwerte Im Bereich der Rissspitze von Schubrissen kann eine Zugspannung im Beton übertragen werden. Dieser als Bruchprozesszone bezeichnete Bereich ist unabhängig von der Bauteilhöhe und wird lediglich durch die Materialeigenschaften des Betons bestimmt. Mit dem Maßstabseffekt wird berücksichtigt, dass der über die Bruchprozesszone abgetragene Querkraftanteil für kleine Bauteile relativ betrachtet höher ist als für größere Bauteile-[14]. Während der Maßstabseffekt in der Bemessung nach EC2/ NA(D) über den Faktor berücksichtigt wird, geht er nach prEC2 durch die dritte Wurzel des Quotienten aus Größtkornparameter-d dg zur statischen Nutzhöhe-d in die Berechnung der Querkrafttragfähigkeit ein. In Abb.-9 sind die Faktoren zur Berücksichtigung des Maßstabseffekts bei der Ermittlung der Querkrafttragfähigkeiten (durchgezogene Linien) sowie der Mindestquerkrafttragfähigkeiten (gestrichelt) in Abhängigkeit der statischen Nutzhöhe-d für variierende Größtkornparameter-d dg dargestellt. Für die Bemessung nach prEC2 sind die Quotienten für einen Größtkornparameter-d dg -=-16-mm und d dg -=-40-mm abgebildet. Zwischenwerte von-d dg liegen innerhalb der beiden dargestellten Kurven. Da neben dem Maßstabseffekt auch die empirischen Vorfaktoren- C Rd,c und Teilsicherheitsbeiwerte- γ bei der Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit-V Rd,c und der Mindestquerkrafttragfähigkeit-V Rd,c,min geändert wurden, wird ein Vergleich einschließlich der konstanten Faktoren in den Gleichungen durchgeführt. In Abb.-9 sind die Produkte der konstanten Beiwerte zur Bestimmung von V Rd,c und V Rd,c,min dargestellt. Die restlichen Faktoren sind Tab.-2 zu entnehmen. Für statische Nutzhöhen 250-mm-<-d-<-1000-mm liegt der Faktor (blaue durchgezogene Linie) zur Bestimmung der Querkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) zwischen den Werten nach prEC2 für den maximalen und minimalen Größtkorndurchmesser-d dg (braune und orangene durchgezogene Linien). Für kleine statischen Nutzhöhen d-<-250-mm ergeben sich nach prEC2 deutlich höhere rechnerische Querkrafttragfähigkeiten. Diese kleinen Querschnittsabmessungen sind in der Brückenpraxis in der Regel nicht üblich und werden daher nicht maßgebend. Während bei der Ermittlung der Mindestquerkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) nur ein sehr geringer Effekt des Maßstabseffektes zu erkennen ist, wird der Maßstabseffekt nach prEC2 deutlich stärker berücksichtigt. Abb.-9: Maßstabseffekt und Teilsicherheitsfaktoren nach EC2/ NA(D) und prEC2 mit variieren dem Größtkornparameter d dg 5. Brückenkolloquium - September 2022 331 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau Tab.-2: Zahlenwerte der Einflussfaktoren auf den Maßstabseffekt nach EC2/ NA(D) und prEC2 v min * γc γv f yd [-] [-] [-] [N/ mm²] -=-0,0525 für -≤-600-mm; -=-0,0375 für -≥-800-mm Zwischenwerte interpoliert (Gl.-(2)) 1,5 1,4 435 5.5 Betondruckfestigkeit-f ck Die Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung hängt neben dem Längsbewehrungsgrad, Maßstabseinfluss und Vorspanngrad auch von der Betondruckfestigkeit ab. Analog zum EC2/ NA(D) wird die charakteristische Betondruckfestigkeit nach prEC2 für die Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit-V Rd,c mit der dritten Wurzel und zur Bestimmung der Mindestquerkrafttragfähigkeit-V Rd,c,min mit der Quadratwurzel angesetzt. In Abb.-10 sind die rechnerischen Querkraft- und Mindestquerkrafttragfähigkeiten für Fallbeispiel-1 dargestellt. Mit steigender Betondruckfestigkeit wird für alle Bemessungsansätze i.d.R. eine höhere Querkrafttragfähigkeit ermittelt. Eine Ausnahme bilden die rechnerischen Tragfähigkeiten nach prEC2 für hohe Betonfestigkeitsklassen. Für die Ermittlung der Beton- und Mindestquerkrafttragfähigkeit wird nach prEC2 (Gln.- (4) und (6)) das Produkt aus Größtkornparameter-d dg und charakteristischer Betondruckfestigkeit-f ck berücksichtigt. Für Betonfestigkeitsklassen >-C60/ 75 wird d dg in Abhängigkeit von f ck reduziert. Die Abminderung von d dg vermindert die rechnerische Querkrafttragfähigkeit in größerem Maße, als dass die höhere Betondruckfestigkeit positiv wirkt, wie die Darstellung in Tab.-3 zeigt. Abb.-10: Querkraft- und Mindestquerkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 mit d dg = 32 mm Tab.-3: Vergleich des Produkts aus Größtkornparameter und Betondruckfestigkeit C70/ 85 C60/ 75 Obwohl eine höhere Betondruckfestigkeit angenommen wird, reduziert sich die rechnerische Querkrafttragfähigkeit des Betonquerschnitts. Mit zunehmendem d dg ist dieser Effekt stärker ausgeprägt. Je nach gewählten Parametern variiert die Betondruckfestigkeit, ab der sich eine rechnerische Reduzierung einstellt. In sind die Querkrafttragfähigkeiten mit identischen Randbedingungen und einem Größtkornparameter-d dg -=-40-mm in Abhängigkeit der Betonfestigkeit dargestellt. Ab einer Betondruckfestigkeit von etwa 70-N/ mm² findet die beschriebene Abminderung der Querkrafttragfähigkeit statt. Der Knick in den Verläufen der Querkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) (blaue durchgezogene Linien) in Abb.-10 bei einer Betondruckfestigkeit von ca. 35-N/ mm² wird durch die Begrenzung des positiven Einflusses der Vorspannung auf σ cp -≤-0,2- ·-f cd hervorgerufen. Für kleine Betonfestigkeitsklassen greift die obere Grenze von 0,2- ·- f cd , sodass der Querkrafttraganteil der Vorspannung linear mit der Betonfestigkeit steigt. Für hohe Betondruckfestigkeiten ist σ cp -≤-0,2-·-f cd eingehalten und der Anteil der Querkrafttragfähigkeit infolge Vorspannung bleibt konstant. Dieser Knick ist daher auch in der rechnerischen Querkrafttragfähigkeit nach prEC2 mit k 1 -·-σ cp zu sehen. Da der Bemessungswert der Betondruckfestigkeit-f cd nach prEC2 allerdings höher angenommen wird als nach EC2/ NA(D), endet die Begrenzung des positiven Effekts der Vorspannung σ cp -≤-0,2-·-f cd bereits für geringere charakteristische Betondruckfestigkeiten. Die rechnerische Mindestquerkrafttragfähigkeit V Rd,c,min,EC2/ NA(D) (gestrichelte blaue Linie) nähert sich für große Betondruckfestigkeiten an die Querkrafttragfähigkeit-V Rd,c,EC2/ NA(D) an, da die Betondruckfestigkeit zur Ermittlung von V Rd,c,min mit der Quadratwurzel berücksichtigt wird, während diese zur Ermittlung von V Rd,c mit der dritten Wurzel eingeht. Für große Betondruckfestigkeiten ergeben sich dadurch trotz Vernachlässigung des Längsbewehrungsgrades bei der Ermittlung von V Rd,c,min ähnliche Querkrafttragfähigkeiten wie mit dem Ansatz für V Rd,c . Dieser Effekt ist für die Tragfähigkeiten nach prEC2 nicht vorhanden, da der positive Einfluss der Vorspannung bei der Ermittlung der Mindestquerkrafttragfähigkeit nicht berücksichtigt wird. 5.6 Querkrafttraganteil der geneigten Betondruckstrebe V ccd Der Traganteil der geneigten Betondruckstrebe-V ccd darf nach EC2/ NA(D) auch für nicht querkraftbewehrte Bauteile angesetzt werden, obwohl das Grunddokument nach EC2 dies nicht vorsieht. Im Entwurf des neuen Eurocodes 332 5. Brückenkolloquium - September 2022 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau prEC2 darf der Querkrafttraganteil-V ccd allein bei querkraftbewehrten Bauteilen anrechenbar angesetzt werden. In Abb.-11 sind die Tragfähigkeiten in Abhängigkeit der Neigung des Druckgurtes dargestellt. Aufgrund des geringen Längsbewehrungsgrades in Fallbeispiel-2 ist nach EC2/ NA(D) die Mindestquerkrafttragfähigkeit maßgebend. Abb.-11: Querkraft- und Mindestquerkrafttragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 abhängig von der Voutengeometrie Der Vergleich der Tragfähigkeiten nach EC2/ NA(D) und prEC2 zeigt, dass durch die Berücksichtigung des Querkrafttraganteils- V ccd (hellblaue Linien) mit zunehmender Neigung der Voute eine deutlich höhere rechnerische Querkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) resultiert. Durch experimentelle Untersuchungen konnte der Querkrafttraganteil-V ccd für gevoutete, nicht querkraftbewehrte Bauteile nicht bestätigt werden-[15]. Daher werden die Tragfähigkeiten nach prEC2 mit denen nach EC2/ NA(D) ohne Berücksichtigung von-V ccd verglichen. Aufgrund der geringen Schubschlankheit ergibt die Grundgleichung in Kombination mit dem Beiwert-k vp nach prEC2 die höchsten Tragfähigkeiten, während die rechnerische Tragfähigkeit mit dem additiven Term k 1 -·-σ cp (Alternative) niedriger ist. 6. Zusammenfassung und Ausblick Die Bemessung von Bauteilen ohne rechnerisch erforderliche Querkraftbewehrung erfolgt im Eurocode 2 der zweiten Generation (prEC2) auf Basis der Critical Shear Crack Theory. Hierbei fließt die Schubschlankheit im Bemessungsschnitt in die Bemessungsgleichung ein. Wichtig ist zudem, dass aktuell zwei Ansätze (Grundgleichung CSCT mit k vp und Alternative mit k 1 -·-σ cp ) zur Berücksichtigung der Vorspannung im prEC2 angegeben sind. Bei der Bemessung von Bauteilen mit rechnerisch erforderlicher Querkraftbewehrung wird weiterhin ein Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung verwendet. Dabei können die Druckstrebenwinkel innerhalb festgelegter Grenzen in Abhängigkeit der Normalkraft und der Bauweise (Stahlbeton oder Spannbeton) frei gewählt werden. In diesem Artikel wurden die aktuellen Ansätze der stabilen Fassung des prEC2 durch Vergleichsberechnungen mit den derzeit gültigen Bemessungsregeln nach EC2/ NA(D) verglichen. Hierbei wurden die Ansätze für Bauteile ohne Querkraftbewehrung auf zwei Beispielbrücken ((1) Dicke vorgespannte Platte, (2) Fahrbahnplatte in Querrichtung) angewandt, die stellvertretend für den Brückenbau und die dort üblichen Querschnitte ausgewählt wurden. Die rechnerischen Querkraftwiderstände wurden ermittelt und miteinander verglichen. Zur Verallgemeinerung der Aussagekraft der Bemessungsergebnisse wurden anschließend Parameterstudien auf Basis der einzelnen Fallbeispiele durchgeführt. An Fallbeispiel-(1) und (2) wurden die Einflüsse aus Längsbewehrungsgrad, Vorspannung, Schubschlankheit, Größtkorn, Maßstabseffekt, Betonfestigkeit und geneigter Gurte auf die rechnerische Querkrafttragfähigkeit untersucht. Die systematische Untersuchung der rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung zeigt, dass eine Berücksichtigung der effektiven Schubspannweite-a cs nach den Gln. 8.18 und 8.19 in prEC2 (Gln.-(7) bis (9)) die rechnerische Querkrafttragfähigkeit sowohl für die Grundgleichung als auch für die Alternative mit k 1 - ·- σ cp zur Berücksichtigung der Vorspannung erhöht. Für Nachweise von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung liefert die alternative Berücksichtigung der Vorspannung mit k 1 -·-σ cp in Bauteillängsrichtung mit großen Stützweiten höhere Tragfähigkeiten. Aufgrund der geringeren vorhandenen Schubschlankheiten kann die Grundgleichung nach prEC2 für Nachweise in Bauteilquerrichtung teilweise höhere Querkrafttragfähigkeiten erreichen. Zudem wurde gezeigt, dass die Mindestquerkrafttragfähigkeit nach EC2/ NA(D) aufgrund der Berücksichtigung der Vorspannung für die meisten Anwendungen über der nach prEC2 liegt. Nachfolgend werden auf Basis der zuvor erarbeiteten Erkenntnisse aus den Fallbeispielen und Parameterstudien Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die weitere Diskussion und zukünftige Optimierung der Querkraftbemessung nach der neuen Generation von Eurocode-2 gezogen. Für die Bemessung von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung (prEC2 Kapitel 8.2.2) können die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Längsbewehrungsgrad-ρ l Der Längsbewehrungsgrad wird nach prEC2 nicht auf 0,02- [-] begrenzt. Diese Grenze wurde in EC2/ NA(D) zur Vermeidung von überbiegebewehrten Bauteilen ohne Querkraftbewehrung mit sprödem Bruchverhalten festgelegt. Nach Versuchsauswertungen kann die Querkrafttragfähigkeit mit dem Berechnungsansatz auch für hohe Längsbewehrungsgrade zutreffend abgebildet werden. Eine Begrenzung von-ρ l ist daher nicht erforderlich. Vorspannung-σ cp und Schubschlankheit-λ 5. Brückenkolloquium - September 2022 333 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau Der positive Einfluss der Vorspannung auf die Querkrafttragfähigkeit kann nach prEC2 mit zwei unterschiedlichen Ansätzen erfasst werden. Während der Ansatz nach der CSCT mit k vp (Grundgleichung) nur bei Schubschlankheiten-λ-<-2 höhere Tragfähigkeiten ergibt, sind die Berechnungsergebnisse des alternativen Ansatzes mit einem additiven Term vergleichbar zu denen nach EC2/ NA(D). Da die rechnerische Betondruckfestigkeit nach prEC2 größer ist als nach EC2/ NA(D) ( f cd,prEC2 ->-f cd,EC2/ NA(D) ), können aufgrund der Begrenzung auf σ cp -≤-0,2-·-f cd in EC2/ NA(D) und prEC2 nach prEC2 höhere Vorspannungen in Ansatz gebracht werden. Für den Brückenbau mit hohen Vorspanngraden resultiert dadurch tendenziell eine erhöhte Tragfähigkeit. Faktor-k 1 im alternativen Ansatz Im Gegensatz zu EC2/ NA(D) wird der Traganteil der Vorspannung in Abhängigkeit der Bauteilhöhe erfasst. Der Vorfaktor für den alternativen Ansatz nach prEC2 (k 1 - ·- σ cp ) kann für kleine Bauteilhöhen einen Wert bis 0,15 annehmen. Für große Bauteilhöhen sinkt er bis auf 0,07. In den Fallbeispielen wird durch die alternative Bemessung ein zum EC2/ NA(D) mit k 1 -=-0,12 vergleichbarer Wert ermittelt. Größtkornparameter-d dg Das Größtkorn wird in prEC2 abweichend zum EC2/ NA(D) in der Querkraftbemessung berücksichtigt. Mit zunehmendem Größtkorndurchmesser wird eine höhere Tragfähigkeit ermittelt. Ab einem Größtkornparameter von d dg -≥-35 werden in den Fallbeispielen nach prEC2 im Vergleich zu EC2/ NA(D) höhere Tragfähigkeiten ermittelt. Da im Brückenbau hohe Betondeckungen vorgesehen sind, ist oft die Verwendung grobkörniger Gesteinskörnungen möglich, sodass durch einen größeren Traganteil infolge Rissreibung höhere Querkrafttragfähigkeiten erzielt werden können. Gewichteter Maßstabseffekt k und d dg / d Der Maßstabseffekt wurde in prEC2 gegenüber EC2/ NA(D) angepasst. Dadurch ergeben sich nach prEC2 für kleine statische Nutzhöhen (abhängig vom Größtkornparameter- d dg ) vergleichbare Querkrafttragfähigkeiten wie nach EC2/ NA(D). Mit zunehmendem-d werden die rechnerischen Querkrafttragfähigkeiten nach prEC2 deutlich stärker abgemindert. Charakteristische Betondruckfestigkeit-f ck Durch die rechnerische Abminderung der Betondruckfestigkeit für >-C60/ 75 nach prEC2 wird für hohe Betonfestigkeitsklassen im Gegensatz zum EC2/ NA(D) keine weitere Zunahme der Querkrafttragfähigkeit ermittelt. Die Berücksichtigung des spröderen Versagens höherfester Betone scheint in prEC2 für die Querkraftbemessung zu stark ausgeprägt. Obwohl die Fallbeispiele Betonfestigkeiten <- C60/ 75 aufweisen, könnte diese Abminderung in Zukunft für Brückenbauwerke aus höherfesten Betonen maßgebend werden. Die rechnerische Abminderung für >- C60/ 75 nach prEC2 ist daher kritisch zu hinterfragen. Traganteil geneigter Betondruckgurte- V ccd Der Querkrafttraganteil geneigter Betondruckgurte darf nach EC2/ NA(D) abweichend vom Grunddokument von EC2 berücksichtigt werden. Da dieser Traganteil weiterhin experimentell nicht bestätigt werden kann, wird er in prEC2 nicht berücksichtigt. Im Fallbeispiel-2 ergeben sich auch deswegen nach prEC2 geringere rechnerische Querkrafttragfähigkeiten. Der Wegfall des Traganteils des geneigten Druckgurtes für Bauteile ohne Querkraftbewehrung ist aufgrund fehlender experimenteller Absicherung notwendig. Literatur [1] CEN: Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken. Teil 1-1: Allgemeine Regeln - Regeln für Hochbauten, Brücken und Ingenieurbauwerke (10-2021). [2] Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN): Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln. Berlin: Beuth (April 2013). [3] Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN): Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken - Bemessungs- und Konstruktionsregeln. Deutsche Fassung EN 1992-2: 2005 + AC: 2008. Berlin: Beuth (Dezember 2010). [4] Muttoni, A., Fernández Ruiz, M.: From experimental evidence to mechanical modeling and design expressions: The Critical Shear Crack Theory for shear design. Structural Concrete 111 (2019), S. 1147. [5] Cavagnis, F., Fernández Ruiz, M., Muttoni, A.: A mechanical model for failures in shear of members without transverse reinforcement based on development of a critical shear crack. Engineering Structures 157 (2018), S. 300-315. [6] Cavagnis, F., Fernández Ruiz, M., Muttoni, A.: Shear failures in reinforced concrete members without transverse reinforcement. An analysis of the critical shear crack development on the basis of test results. Engineering Structures 103 (2015), S. 157-173. [7] Muttoni, A., Fernández Ruiz, M.: Shear Strength of Members without Transverse Reinforcement as Function of Critical Shear Crack Width. ACI Structural Journal 105 (2008), S. 163-172. [8] Zsutty, T. C.: Beam Shear Strength Prediction by Analysis of Existing Data. ACI Journal 65 (1968), S. 943-951. [9] Walraven, J. C.: Background document for EC-2, Chapter 6.2 Shear. Delft 2002. [10] Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN): Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität. Deutsche Fassung EN 206: 2013+A1: 2016. Berlin: Beuth (Januar 2017). [11] Muttoni, A., Fernández Ruiz, M., Simões, J. T., Cavagnis, F.: Background document to provisions for Shear and Punching Shear Design. Closed Form 334 5. Brückenkolloquium - September 2022 Weiterentwicklung des Eurocodes 2 für den Brückenbau solutions based on Model Code 2010 and Critical Shear Crack Theory. Lausanne, Switzerland 2016. [12] CEN/ TC 250/ SC 2/ WG 1: prEN 1992-1-1/ 2020-11: Eurocode 2: Design of Concrete Structures - Part 1-1: General rules for buildings, bridges and civil engineering structures. Seventh Draft by Project Team SC2.T1 (2020). [13] Hedman, O., Losberg, A.: Design of Concrete Structures with Reagrd to Shear Forces. In: Regan, P. E., Taylor, H. P. (Hg.): Shear and Torsion. Explanatory and Viewpoint Papers on Model Code chapters 11 and 12 prepared by members of CEB Commission V, S. 184-209. [14] Zilch, K., Zehetmaier, G.: Bemessung im konstruktiven Betonbau. Nach DIN 1045-1 (Fassung 2008) und EN 1992-1-1 (Eurocode 2): Springer 2010. [15] Reißen, K.: Zum Querkrafttragverhalten von einachsig gespannten Stahlbetonplatten ohne Querkraftbewehrung unter Einzellasten. Dissertation. Aachen 2017.
![](media.xav/kbr51.jpg?SID=&iid=10055&sinst=&ssinst=&_csrf=3763F949B8AB4CD6BB03FB1A3CE78B1A723FC6F5)