Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Echelsbacher Brücke – Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens
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Gerhard Pahl
Stefan Wilfer
Die Echelsbacher Brücke verbindet die Gemeinden Bad Bayersoien und Rottenbuch. Das Bauwerk überführt die B 23 über die ca. 180 m breite Ammerschlucht in einer Höhe von ca. 76 m. Aufgrund der topografischen Situation vor den Ammergauer Alpen besitzt das Bauwerk eine enorme Bedeutung in der südwestlichen Region Oberbayerns.
Die 1928 errichtete Brücke in Melan-Spangenberg-Bauweise war seinerzeit die weitgespannteste Melan-Bogenbrücke der Welt. Die erhöhte Verkehrsbelastung, aber auch die vorhandenen Schäden an der filigranen Betonkonstruktion, ließen eine wirtschaftliche Instandsetzung auf das erforderliche Lastniveau nicht zu. Ein Ersatzneubau mit Erhalt der denkmalgeschützten Bogenkonstruktion war notwendig.
Die vielfältigen Herausforderungen des Denkmalschutzes, des Natur- und des Artenschutzes bestimmten die Planung und Bauausführung.
Die Echelsbacher Brücke mit dem schlanken, abgesetzten Gewölbebogen, der die Bestandsbögen schützend überspannt, stellt eine optimierte Interpretation des bestehenden Tragwerks dar und ist unverwechselbar und einzigartig.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 361 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens Gerhard Pahl DR. SCHÜTZ INGENIEURE, Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB, Kempten (Allgäu) Stefan Wilfer DR. SCHÜTZ INGENIEURE, Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB, Kempten (Allgäu) Die Echelsbacher Brücke verbindet die Gemeinden Bad Bayersoien und Rottenbuch. Das Bauwerk überführt die B 23 über die ca. 180 m breite Ammerschlucht in einer Höhe von ca. 76 m. Aufgrund der topografischen Situation vor den Ammergauer Alpen besitzt das Bauwerk eine enorme Bedeutung in der südwestlichen Region Oberbayerns. Die 1928 errichtete Brücke in Melan-Spangenberg-Bauweise war seinerzeit die weitgespannteste Melan-Bogenbrücke der Welt. Die erhöhte Verkehrsbelastung, aber auch die vorhandenen Schäden an der filigranen Betonkonstruktion, ließen eine wirtschaftliche Instandsetzung auf das erforderliche Lastniveau nicht zu. Ein Ersatzneubau mit Erhalt der denkmalgeschützten Bogenkonstruktion war notwendig. Die vielfältigen Herausforderungen des Denkmalschutzes, des Natur- und des Artenschutzes bestimmten die Planung und Bauausführung. Die Echelsbacher Brücke mit dem schlanken, abgesetzten Gewölbebogen, der die Bestandsbögen schützend überspannt, stellt eine optimierte Interpretation des bestehenden Tragwerks dar und ist unverwechselbar und einzigartig. 1. Allgemeines und Randbedingungen 1.1 Beschreibung des Bestandsbauwerks - Denkmalschutz Die Echelsbacher Brücke ist eine Melan-Konstruktion mit einer Bogenspannweite von 130 m. Zwei Bogenrippen (Kastenquerschnitte) mit einer Breite von 1,50 m und variabler Höhe von 2,00 m am Bogenscheitel bis 3,20 m am Bogenkämpfer sind mit Querträgern im Abstand von ca. 10,60 m bis 12,80 m verbunden. Die Wanddicke der Bogenrippen beträgt 35 cm. Diese Bogenkonstruktion war seinerseits die weitgespannteste Melan-Bogenkonstruktion der Welt und steht unter Denkmalschutz. Auf diesen Bögen waren die nicht denkmalgeschützten Melan-Stützen und Melan-Längsträger angeordnet (Abb. 1). Die Fahrbahnplatte war aus Stahlbeton. Die Melan-Bauweise, benannt nach dem österreichischen Bauingenieur Joseph Melan (1853 bis 1941), ist gekennzeichnet durch ein einbetoniertes Stahlfachwerk. Bei der Herstellung dient das Stahlfachwerk als Traggerüst, an dem die Schalung angehängt wird. Das Stahlfachwerk wird vollständig einbetoniert. Im Normalfall wird das Stahlfachwerk auch für die Lastabtragung im Endzustand herangezogen (steife Bewehrung des Betonquerschnittes). Eine Verbesserung dieser Bauweise erfolgte durch den deutschen Bauingenieur Heinrich Spangenberg (1879-1936). Das Stahlfachwerk wird dabei vor der Betonage mit einer Kiesschüttung vorbelastet. Diese Kiesschüttung entspricht ungefähr dem Betoneigengewicht und wird während der Betoniervorgänge sukzessive abgelassen. Die Verformungen des Stahlfachwerks während der Betonage werden dadurch deutlich reduziert und es besteht nicht die Gefahr der Rissbildung in bereits erhärteten Betonquerschnitten. Dieses verbesserte Konstruktionsprinzip wurde auch bei der Echelsbacher Brücke angewendet. Abb. 2 zeigt die Prinzipskizze der Schalung mit der Kiesvorbelastung. Die Prinzipskizze zeigt aber auch die Schwachstellen dieser Konstruktion. Durch das Stahlfachwerk und die zusätzliche schlaffe Bewehrung wird das Einbringen des Betons deutlich erschwert. Eine weiche Konsistenz war notwendig und wurde mit w/ z-Werten bis 0,60 erreicht [1]. Die hohen, nach heutigen Normen nicht mehr zulässigen w-z/ Werte führten zu einer erhöhten Porosität des Betons und damit zu einer verminderten Widerstandsfähigkeit gegenüber klimatischen Einflüssen. Hinzu kam die schlechte Verdichtungsfähigkeit. In den Jahren 1984 - 1986 fand eine Generalsanierung statt. Es wurden umfangreiche Betonschäden an der Fahrbahnplatte und den Bögen instandgesetzt. Teilweise reichten die Abplatzungen bis an das Stahlfachwerk der Bogenrippen. Die Oberfläche der Konstruktion wurde mit einer rissüberbrückenden Beschichtung versehen. 2012 wurden erneut umfangreiche Schädigungen festgestellt. Da auch die rechnerische Tragfähigkeit nicht den heutigen Anforderungen entsprach, entschied sich das Staatliche Bauamt Weilheim für einen Ersatzneubau mit Erhalt und Instandsetzung der denkmalgeschützten Bogenkonstruktion. 362 5. Brückenkolloquium - September 2022 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens Abb. 1: Bestandsbauwerk, Aufnahme 1964, Quelle: Fotodokumentation, Philipp Holzmann AG Abb. 2: Schalungsplan Bogenrippen [1], Quelle: Grundner [1] 1.2 Natur und Artenschutz Das Baufeld liegt in einem Naturschutzgebiet und ist zudem Schutzgebiet nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Das Tal der Ammer ist gekennzeichnet durch zahlreiche Kalktuffquellen (geschützt nach §30 BNatSchG). Die beeindruckenden Schleierfälle liegen nur ca. 3 km flussaufwärts. Auch im unmittelbaren Baufeld waren Betretungsverbote und erhöhte Anforderungen an die Baubehelfe (z.B. Aufständerung der Kranfundamente) zu berücksichtigen. Die Ammerschlucht ist außerdem ein wertvoller Lebensraum für Fledermäuse. Als eine von sechs Wochenstuben im Südwesten Oberbayerns steht die Wochenstube in den Bogenrippen als FFH-Gebiet unter Schutz. 1.3 Wettbewerb Wegen der sehr komplexen Randbedingungen und der zum Teil sehr divergierenden Anforderungen entschloss sich das Staatliche Bauamt Weilheim einen einphasigen Planungswettbewerb als Realisierungswettbewerb auf Grundlage der RPW 2013 durchzuführen. Ziel war es, auf Basis der besonderen Rahmenbedingungen einen technischkonstruktiv und gestalterisch hochwertigen Entwurf zu erarbeiten. Für die gestellte Aufgabe sollten optimale Lösungen entwickelt werden, die den unterschiedlichen Anforderungen, insbesondere an den Denkmalschutz, den Natur- und Artenschutz, die Bauabwicklung, die Wirtschaftlichkeit und die Funktionalität, gerecht werden. Als erster Preisträger aus dem Planungswettbewerb ging die Bürogemeinschaft Dr. Schütz Ingenieure, Kempten / Kolb Ripke Architekten, Berlin / Narr Rist Türk Landschaftsarchitekten, Marzling hervor. Der Siegerentwurf nutzt den Fortschritt der Bautechnologie, um einerseits die komplexen Vorgaben ganzheitlich zu erfüllen, andererseits die Ingenieurbaukunst der Bestandsbrücke in ein modernes Bauwerk zu übertragen (Abb. 3). Die gewählte Form des schlanken, abgesetzten Gewölbebogens, der den Bestandsbogen schützend überspannt, stellt eine optimierte Interpretation des bestehenden Tragwerks dar. Die Verschlankung und Segmentierung der Elemente in der Längsansicht wird durch eine ruhigere, scheibenartige Ausbildung von Bogen und Pfeilern in Querrichtung in Verbindung mit der aussteifenden Fahrbahnplatte erreicht. Die Pfeilerscheiben sind konisch mit einem doppeltrapezförmigen Querschnitt ausgeführt. Dies führt bei konstanter, schlanker Ansichtsfläche zu einer Aufweitung des Querschnitts bei wachsender Knicklänge und korrespondiert mit dem Dachprofil des Gewölbebogens in der Aufweitungszone am Kämpfer. Die statische Idee für die neue Tragkonstruktion war, einen so leichten Bogen über die bestehenden Bögen zu bauen, dass diese die Lasten im Bauzustand sicher aufnehmen können. Durch den gewählten Bauvorgang, Betonieren des neuen Bogens unter Verwendung der bestehenden denkmalgeschützten Bögen als Traggerüst, konnte die Wirtschaftlichkeit der Lösung deutlich erhöht werden. Abb. 3: Planausschnitt Wettbewerbsunterlagen, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE, Kolb Ripke Architekten 1.4 Behelfsbrücke Als Behelfsbrücke wurde das Brückengerät des Bundes SS 80 eingesetzt. Es handelt sich um eine Fachwerkbrücke als Behelfsbrückensystem, das in dieser Größenordnung mit Stützweiten bis 84 m und 70 m über dem Grund bislang deutschlandweit noch nicht eingesetzt wurde. Der Bau der Behelfsbrücke ist ausführlich in [2] beschrieben. Der Rückbau soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein. 5. Brückenkolloquium - September 2022 363 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens 2. Tragwerk und Konstruktion Auf dem Bauwerk befinden sich zwei Fahrstreifen mit einer Gesamtfahrbahnbreite von 8,50 m. Beidseitig sind Geh- und Radwege mit einer nutzbaren Breite von jeweils 3,00 m angeordnet (Abb. 4). Die Gesamtbreite des Überbaus beträgt 16,50 m und die Gesamtstützweite 183,10 m. Das Tragsystem bildet ein extrem schlanker Bogen mit einer Breite von 8,80 m am Bogenscheitel und maximal 10,15 m am Bogenkämpfer. Die Bogendicke erhöht sich von 0,80 m im Regelbereich auf maximal 3,35 m am Bogenkämpfer. Die Bogenspannweite beträgt 140,00 m bei einem Bogenstich von 32,00 m. Der Bogen wurde monolithisch an die Kämpferfundamente angeschlossen. Die enorme Schlankheit im Regelbereich war aufgrund der Begrenzung der Betonierlasten auf den Bestandsbogenrippen notwendig und nur unter Nutzung der Bestandsbögen im Bauzustand machbar. Im Endzustand ergibt sich ein Gewölbebogen mit Aussteifung durch die Fahrbahnplatte. Die Pfeiler sind im Grundriss rautenförmig und erhalten einen Anzug in der Höhe und Breite. Dies erhöht die Stabilität, insbesondere im Bauzustand, und erzeugt gleichzeitig eine filigrane Ansichtsfläche (Abb. 5). Um einen wirtschaftlichen Schalungseinsatz zu ermöglichen, wurde die Pfeilerform so festgelegt, dass ausgehend vom Pfeilerkopf gleiche Querschnitte und Abschnittslängen vorgesehen wurden. Somit ergaben sich nur am Pfeilerfuß Schalungen mit einem einmaligen Schalungseinsatz. Die Pfeiler auf dem Bogen sind biegesteif am Bogen und in der Fahrbahnplatte angeschlossen. An den beiden Vorlandpfeiler mit den hohen Steifigkeiten wurden Betongelenke vorgesehen, um die Zwangsbeanspruchung zu minimieren. Der Überbau wurde als robuste Vollplatte mit einer mittleren Plattendicke von 1,20 m konzipiert. Die Spannweiten variieren zwischen 10,00 m und 11,00 m. Der Überbau und der Bogen verschmelzen im Scheitelbereich auf einer Länge von ca. 20,00 m. Durch die Verbindung von Bogen und Fahrbahnplatte ergibt sich eine hohe Gesamtsteifigkeit. Die Lagerung auf den Widerlagern wurde mit Kalottenlagern realisiert. Den Abschluss der 4,00 m breiten Kappe bildet ein 2,50 m hohes Füllstabgeländer (Abb. 6 und 7). Die Form der Füllstäbe und der Verzicht auf einen Handlauf ist der Funktion als Übersteigschutz geschuldet. Abb. 4: Brückenquerschnitt, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE Abb. 5: Ansicht von Süden, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE Abb. 6: Innenansicht Geländer, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE 364 5. Brückenkolloquium - September 2022 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens Abb. 7: Detailansicht Geländer, Quelle: Retzlaff 3. Besonderheiten der Ausführungsplanung 3.1 Abbruch Der Abbruch erfolgt, soweit möglich, gemäß der damaligen Herstellungsreihenfolge. Das Abbruchkonzept wurde ausführungsreif geplant und von der bauausführenden Firma ohne Änderungen umgesetzt. Primäres Ziel war die Minimierung von Zugspannungen in den zu erhaltenden Bogenrippen, um die Steifigkeit auch für die nachfolgenden Bauzustände gegenüber dem ungerissenen Zustand nicht wesentlich herabzusetzen - Stichwort Überhöhungsberechnung für den Ersatzneubau. Der Abbruch erfolgte durch Trennschnitte und dem Ausheben der Segmente von den Kranstandorten außerhalb des Bauwerks. Kranstandorte auf der nur gering tragfähigen Fahrbahnplatte waren nicht möglich. Das Abb. 8 zeigt den Zustand nach Abbruch der Fahrbahnplatte. Im Abb. 9 wird der Querträger gerade ausgehoben. Die Verformungen der Bestandsbogenrippen wurden permanent überwacht und für die maßgebende Belastungssituation ausgewertet. Es wurde festgestellt, dass die Steifigkeit der Bogenrippen nahezu der Steifigkeit im Zustand I entspricht und die Überhöhungsberechnung für den Ersatzneubau nicht angepasst werden muss. Abb. 8: Zustand nach Abbruch der Fahrbahnplatte, Quelle: BSE AIRpix / Sebastian Jahn Abb. 9: Ausheben Fahrbahnquerträger, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE 3.2 Bogenherstellung Nach Fertigstellung der Kämpferfundamente wurde der Bogen mit symmetrischen Betonierabschnitten ausgehend vom Bogenkämpfer hergestellt. Die Schalung wurde dabei linienhaft auf den Bogenrippen abgestützt. Lediglich im Bereich der Kämpfer musste ein bodengestütztes Traggerüst vorgesehen werden, da die hohen Querkräfte von den Wälzlagern des Bestandes nicht abgetragen werden konnten. Abb. 10 zeigt die Reihenfolge bei der Bogenherstellung. Um die Belastungen in den Bogenrippen zu vergleichmäßigen, musste im Betonierabschnitt B3 zunächst der Scheitel betoniert werden. Ab diesem Betonierabschnitt kam es auch zu einer Interaktion zwischen Neu- und Altbau, da sich die Bogenrippen elastisch an den bereits betonierten Bogenabschnitten B1 und B2 des Neubaus abstützten (Abb. 11). Statisch wurde dieser Effekt durch nichtlineare Federn mit Zugausfall berücksichtigt. Federausfall wurde jedoch erst wirksam, wenn die Druckbelastung aus den vorherigen Bauabschnitten vollständig abgebaut war. Nach Fertigstellung des Bogens musste die linienhafte Unterstützung zwischen Neu- und Altbau deaktiviert werden. Dies war notwendig, um positive Drucknormalspannungen aus Eigengewicht im neuen Bogen zu erzeugen und um die Belastung in den Bogenrippen des Bestandes zu reduzieren. Für die folgenden Bauabschnitte wurde nur noch eine linienhafte Unterstützung im Scheitelbereich und eine punktuelle Unterstützung in den Hauptachsen vorgesehen. Ab diesem Zeitpunkt ergab sich eine kombinierte Tragwirkung aus neuem Bogen und den alten Bogenrippen. 5. Brückenkolloquium - September 2022 365 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens Abb. 10: Bauablauf Bogenherstellung, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE Abb. 11: Betonierabschnitt B1 und B2 nach Ausbau Deckelschalung, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE 3.3 Herstellung Pfeiler und Überbau Auch für die Herstellung der Pfeiler wurde eine symmetrische Abfolge gewählt, die dann in Abstimmung mit der ausführenden Firma hinsichtlich des Schalungseinsatzes optimiert wurde. Die Herstellungsfolge für den Überbau ist auf Abb. 12 ersichtlich. Die punktuellen Abstützungen wurden mit Pressenkonstruktionen realisiert. Im Rahmen der Entwurfsplanung wurden Möglichkeiten zur Belastungssteuerung über die Pressen eruiert, im Sinne eines praktikablen Bauablaufs jedoch verworfen. Stattdessen wurde die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte optimiert und für die maßgebenden Bauzustände F2 und F5 Ballastierungen vorgesehen. Im Abb. 13 sieht man exemplarisch die Vorbereitungen für den Betonierabschnitt F2 (Scheitel). Mit der Herstellung von Abschnitt F5 wurden die Belastungstanks in Achse 50 und 130 zu 50% auf den Scheitel umgepumpt. Abb. 12: Bauablauf Überbauherstellung, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE Abb. 13: Betonierabschnitt F2, Fahrbahnplatte im Scheitelbereich, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE 3.4 Bewehrungsführung in den Knotenpunkten Durch die monolithische Konstruktion und die schlanke Bogenform ergab sich insbesondere am Übergang Kämpferfundament - Bogenkämpfer eine sehr dichte Bewehrungsführung. Aufgrund der notwendigen Deckelschalungen waren zusätzliche Zwangspunkte im Herstellungsprozess zu berücksichtigen. Es musste zunächst eine statische Lösung mit Übergreifungs- und Muffenstößen erarbeitet werden. Danach erfolgte eine Abstimmung mit der bauausführenden Firma bzgl. Zugänglichkeit während des Betonierens, Führungen für Verdichtungsgeräte und Einfüllöffnungen. Abb. 14 zeigt das Kämpferfundament in Achse 160 während der Bewehrungsverlegung. Abb. 14: Bewehrung Kämpferfundament, Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE 3.5 Betongelenke Zur Minimierung der Zwangsbeanspruchung wurden an den Vorlandpfeilern insgesamt drei Betongelenke angeordnet. Betongelenke besitzen eine hohe Verformungsfähigkeit, sind hoch belastbar und wartungsfrei. Die Bemessung der Betongelenke erfolgte nach [3]. Die Bemessungsregeln gehen im Wesentlichen auf ein Modell von Leonhardt [4] zurück und wurde auf die heute bauaufsichtlich eingeführten Regelwerke angepasst. Bei dem niedrigen Vorlandpfeiler war die Stützensteifigkeit so hoch, dass auch am Fußpunkt ein Gelenk vorgese- 366 5. Brückenkolloquium - September 2022 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens hen wurde. Bei dem hohen Vorlandpfeiler war dies nicht notwendig und hätte erhöhte Aufwendungen für die Sicherung der Stütze im Bauzustand erfordert. Am Stützenkopf erfolgte eine Einschnürung im Betongelenk von 50 cm Stützenbreite auf eine Gelenkbreite von 10 cm. Das Einschnürungsverhältnis sollte mindestens 0,30 betragen. Im vorliegenden Fall wurde ein Verhältnis von 0,17 gewählt. Aufgrund der Schnittgrößenverhältnisse Querkraft/ Normalkraft und Quermoment/ Normalkraft ergab sich die Notwendigkeit der „Panzerung“ des Betongelenkes durch Gewindestäbe. 3.6 Statische Nachweise der Melan-Konstruktion Die Melan-Konstruktion war bei den Betoniervorgängen sehr hoch ausgenutzt. Für die Querschnittsnachweise war die Vordehnung des Stahlfachwerkes unter Berücksichtigung des Eigengewichts des Betons und die Schwindvorspannung zu berücksichtigen. Diese Dehnungsverteilung wurde mit den zusätzlichen Beanspruchungen aus dem Bauablauf überlagert. Größtenteils war der Ansatz des Stahlfachwerks für die Nachweisführung ausreichend. Nur in einigen Belastungssituationen und Querschnittsbereichen musste auch die schlaffe Bewehrung angesetzt werden. Aufgrund der hohen Ausnutzungen des Stahlfachwerkes und der Berücksichtigung der Stabstahlbewehrung in einigen Belastungssituationen resultierten zusätzliche Abhängigkeiten zum Baufortschritt der Instandsetzung. Schwieriger gestaltete sich die Nachweisführung an den Melan-Querträgern. Die Beanspruchungen der Querträger resultierten aus der Windbelastung unter Berücksichtigung der durch Schutz- und Arbeitsgerüste vergrößerten Windangriffsfläche. Außerdem war der Schädigungsgrad aufgrund der rissüberbrückenden Beschichtung im Vorfeld nur schwer abzuschätzen. Es wurden deshalb schon in der Ausschreibungsphase Kopplungen der Bestandskonstruktion an bereits erhärtete Bogenabschnitte des Neubaus vorgesehen. Damit konnten die Beanspruchungen aus Wind konstruktiv deutlich verringert werden, ohne dass die Schutzgerüstflächen beschränkt werden mussten. Dies hätte deutliche Auswirkungen auf die Bauzeit gehabt. 3.7 Stabilität Der Bogen besitzt im Regelbereich eine Schlankheit von 140 m / 0,80 m ~ L/ 175 (Abb. 15). Ein Vergleich mit anderen Bauwerken ist nur bedingt möglich, da die Schlankheit u.a. auch vom Bogenstich und der Bogenbreite abhängt. Übliche Schlankheiten liegen bei L/ 75 (z.B. Talbrücke Wilde Gera, Argentobelbrücke) bis maximal L/ 130 (Taminabrücke). Die enorme Schlankheit war notwendig, um eine Überbeanspruchung der Bestandsbogenrippen auszuschließen. Eine Verstärkung oder Unterstützung der bestehenden Konstruktion war praktisch nicht möglich. Im Endzustand ließ sich diese Schlankheit nur durch die Aussteifung der Fahrbahnplatte und durch die monolithische Verbindung mit den Pfeilern und dem Bogenscheitel realisieren. Die Stabilitätsnachweise für das Bogenknicken mussten für die maßgeblichen Bauzustände (freistehender Bogen ohne Aussteifung durch die Fahrbahnplatte) und für die halbseitige Belastung im Endzustand geführt werden. Es wurde eine Berechnung am Gesamtsystem nach Theorie 2. Ordnung mit nichtlinearem Materialverhalten (Rissbildung) durchgeführt. Zunächst wurden die Eigenformen ermittelt (Abb. 16). Die Verformungen der maßgebenden Eigenform wurden auf L/ 200 skaliert und als Vorverformung im Gesamtsystem berücksichtigt. Abb. 15: Detailansicht Bogen über Bestandsbogenrippen, Quelle: Retzlaff Abb. 16: Verformungen aus Vorverformung und halbseitiger Belastung (25-fach überhöht), Quelle: DR. SCHÜTZ INGENIEURE 4. Instandsetzungsplanung Im Rahmen der Generalsanierung in den Jahren 1984 - 1986 wurden umfangreiche Instandsetzungsarbeiten an den Bogenrippen durchgeführt. Die Kantenabplatzungen oder Hohlstellen reichten bis an das Stahlfachwerk und hatten teilweise eine Länge von mehreren Metern. Querschnittsminderungen betrafen jedoch größtenteils die schlaffe Stabstahlbewehrung. Im Prinzip hat sich das Schadensbild auch 2012 wieder abgezeichnet. Durch die 1986 aufgebrachte rissüberbrückende Beschichtung war der Schadensumfang ohne umfangreiche Einrüstungen aber nicht zu quantifizieren. Im Rahmen der Gesamtplanung wurde mit ca. 3 Jahren Vorlauf zur Bauausführung ein Konzept zur denkmalgerechten Instandsetzung erarbeitet und Anforderungen an Probeflächen am Bauwerk festgelegt. Primäres Ziel der Instandsetzung war einerseits die statische Tragfähigkeit für die Bauzustände zu gewährleisten und andererseits 5. Brückenkolloquium - September 2022 367 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens den Eingriff in die Konstruktion, unter Berücksichtigung der späteren Funktion (geringes Eigengewicht, keine Verkehrsbelastung), zu minimieren. Eine vollumfängliche normgerechte Instandsetzung nach ZTV-ING/ Instandsetzungsrichtlinie war nicht zielführend. Die Abweichungen betrafen die Anforderungen für das Entfernen von chloridhaltigen Beton und die geforderten Haftzugfestigkeitswerte für das Auf bringen des Oberflächenschutzes. Ein Abweichen von diesen Anforderungen war nur möglich mit weiterführenden Untersuchungen und Probeflächen am Bauwerk und anschließender Begutachtung nach ca. einem Jahr Standzeit. Zunächst wurden die Chloridkonzentrationen in geschädigten und offensichtlich nicht geschädigten Bereichen entnommen und ausgewertet. Nach der Auswertung wurden Bauteilöffnungen vorgesehen, um Cloridkonzentration mit Korrosionsschäden zu korrelieren. Es wurde festgelegt, dass auch Chloridkonzentrationen größer 0,5 M% nicht abgetragen werden müssen, wenn keine Korrosionsschäden vorliegen oder der Beton ein ungeschädigtes Gefüge aufweist. Der Korrosionsschutz der Bewehrung wird durch das Instandsetzungsprinzip W (Absenkung des Wassergehaltes) garantiert. Dafür wurde ein Oberflächenschutzsystem mit geringer Rissüberbrückung (OS D-I) gewählt. Gegenüber einer starren Beschichtung ergeben sich geringere Anforderungen an die Haftzugfestigkeit des Untergrundes. An den Probeflächen wurden Systeme getestet, für die eine geringe Haftzugfestigkeit des Betons von 1,0 MN/ m² ausreichend ist. Die Begutachtung der Probeflächen ergab, dass für den vorgesehenen Einsatzzweck drei der vier Systeme geeignet waren und somit die Produktanforderungen in der Baubeschreibung festgelegt werden konnten, ohne den Wettbewerb einzuschränken. 5. Fazit Bei der vorgestellten Baumaßnahme waren die Verfasser mit der Entwurfs- und Ausführungsplanung für den Neubau (Objektplanung: Leistungsphasen 1 bis 7, Tragwerksplanung: Leistungsphasen 2 bis 6) und mit der Abbruchplanung beauftragt. Baumaßnahmen mit dieser Komplexität, insbesondere bei statischer Nutzung des Bestandes, erfordern einen hohen Detailierungsgrad der Planung schon vor der Ausschreibung. Die Bereitstellung der Ausführungsplanung durch den Auftraggeber war nach Einschätzung der Verfasser alternativlos. Besonderes Augenmerk gilt der Schnittstelle Tragwerk - Baubehelfe. Die Planung der Baubehelfe sollte nach Möglichkeit dem Auftragnehmer überlassen werden, um dessen Erfahrungen und Ressourcen optimal zu nutzen. Die Baubehelfe müssen jedoch im Rahmen der Ausführungsplanung Tragwerk prinzipiell vorgeplant werden, so dass alle statischen Auswirkungen auf das Tragwerk (Lasteinleitungspunkte, Gewichte) abgeschätzt und die Kriterien für die Baubehelfe in der Ausschreibung festgelegt werden können. Bei der Echelsbacher Brücke galt es im Rahmen der Ausschreibung die Anforderungen für folgende Themenkomplexe umfassend zu beschreiben: Arbeits- und Schutzgerüste Bogeninstandsetzung, temporäre Querfesthaltungen der Bestandsbogenrippen, Traggerüst/ Schalung des neuen Bogens, bauzeitliche Kopfabstützung der hohen Pfeiler, Sicherung der Vorlandstütze mit Betongelenk, Traggerüst/ Schalung, bauzeitliche Längsfesthaltung des Überbaus, Ballastierung und Pressenkonstruktion zur punktuellen Abstützung zwischen Neu- und Altbau bei Herstellung Überbau. Die Planung dieser Baubehelfe lag im Verantwortungsbereich der bauausführenden Firma. Einige Baubehelfe wurden wie vorgesehen umgesetzt. Bei der Ausbildung von Schalung/ Traggerüst Bogen und der Ballastierung wurden aber auch entscheidende Optimierungen vorgenommen. Die Vorplanung und die Festlegung der Kriterien in der Ausschreibung war dennoch sinnvoll und notwendig, da nur so der Auftragnehmer seine Ideen zielgerichtet einbringen konnte und in der Bauausführung kurzfristige Beurteilungen und Entscheidungen seitens des Auftraggebers möglich waren. Gleiches gilt sinngemäß für die Bewehrungspläne an den neuralgischen Knotenpunkten. Die Ausführungsplanung muss ein prinzipielles Konzept zur Betonierbarkeit beinhalten. Detailabstimmungen mit der bauausführenden Firma sind dann im Einzelfall notwendig und sinnvoll. Im November 2021 wurde die Echelsbacher Brücke nach einer Bauzeit von ca. 40 Monaten dem Verkehr übergeben. Die Baukosten für den Ersatzneubau (einschl. Abbruch) beliefen sich auf ca. 21,515 Mio. €. Dies entspricht einem Quadratmeterpreis von ca. 7.100 €/ m². Literatur [1] Grundner, A. (1996) Echelsbacher Brücke - ein bautechnisches Denkmal. Peiting: Eigenverlag. [2] Seidel, M.; Stihl, T.; Prause, C.; Rieger, W. (2019) Bau der längsten SS80-Brücke Deutschlands - Die Echelsbacher Behelfsbrücke. Ingenieurbaukunst 2019 - Made in Germany. Berlin: Ernst & Sohn. [3] Marx, S.; Schacht, G. (2010) Betongelenke im Brückenbau. Bericht zum DBV-Forschungsvorhaben 279. Berlin: Eigenverlag. [4] Leonhardt, F., Reimann, H. (1965) Betongelenk. Heft 175 des DAfStb. Berlin: Ernst & Sohn. Bauherr Bundesrepublik Deutschland Federführung: Staatliches Bauamt Weilheim Fachbereich Straßenbau D-82362 Weilheim i. OB Entwurfsverfasser DR. SCHÜTZ INGENIEURE Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB An der Stadtmauer 13 D-87435 Kempten (Allgäu) Kolb Ripke Gesellschaft von Architekten mbH Erkelenzdamm 59/ 61, Portal 1, 3.OG D-10999 Berlin 368 5. Brückenkolloquium - September 2022 Echelsbacher Brücke - Ersatzneubau unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Bestandsbogens NRT Bürogemeinschaft Landschaftsarchitekten, Stadtplaner, Ingenieure Isarstraße 9 D-85417 Marzling Ausführungsplanung DR. SCHÜTZ INGENIEURE Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB An der Stadtmauer 13 D-87435 Kempten (Allgäu) Prüfingenieur Dr.-Ing. Markus Hennecke ZMH Prüfingenieure GbR Erika-Mann-Straße 63 D-80636 München Bauausführung STRABAG AG Direktion IC, Ingenieurbau Österreich Breitwies 32 A-5303 Thalgau
