Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Acetyliertes Buchen-Furnierschichtholz
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Reiner Klopfer
Jürgen Graf
Bei der Acetylierung, der Modifikation der Buche mittels Essigsäureanhydrid, entstehen keine toxischen Substanzen, d.h. Recycling und Entsorgung sind problemlos möglich. Acetyliertes, heimisches Buchenholz ist umweltfreundlich und erreicht durch die stark eingeschränkte Hygroskopizität und durch die Entfernung eines Großteils der Hydroxylgruppen aus dem Zellverband die Dauerhaftigkeitsklasse DC 1 nach DIN EN 350, 2016 und kann damit als Baustoff in der direkten Bewitterung im Brückenbau eingesetzt werden. Ein baulicher Holzschutz nach DIN 68800-2, 2012 ist nicht zwingend einzuhalten, jedoch ist die Vermeidung des direkten Erdkontaktes empfohlen. Die Acetylierung verändert aber die mechanischen Eigenschaften sowie die Klebbarkeit von Buchenholz. Es zeigt sich, dass für acetyliertes Buchenfurnierschichtholz (LVL) die Biegefestigkeiten gegenüber Brettschichtholz aus Nadelholz (GL 24) ca. dreifach höher liegt. Acetyliertes Buchenholz kann somit in eleganten, schlanken Brückentragwerken eingesetzt werden und hat daher das Potential Stahlbeton- und Stahlbrücken zu substituieren.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 453 Acetyliertes Buchen-Furnierschichtholz Potentiale im Brückenbau Dipl.-Ing. Reiner Klopfer TU Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland Prof. Dr.-Ing Jürgen Graf TU Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland Zusammenfassung Bei der Acetylierung, der Modifikation der Buche mittels Essigsäureanhydrid, entstehen keine toxischen Substanzen, d.h. Recycling und Entsorgung sind problemlos möglich. Acetyliertes, heimisches Buchenholz ist umweltfreundlich und erreicht durch die stark eingeschränkte Hygroskopizität und durch die Entfernung eines Großteils der Hydroxylgruppen aus dem Zellverband die Dauerhaftigkeitsklasse DC 1 nach DIN EN 350, 2016 und kann damit als Baustoff in der direkten Bewitterung im Brückenbau eingesetzt werden. Ein baulicher Holzschutz nach DIN 68800-2, 2012 ist nicht zwingend einzuhalten, jedoch ist die Vermeidung des direkten Erdkontaktes empfohlen. Die Acetylierung verändert aber die mechanischen Eigenschaften sowie die Klebbarkeit von Buchenholz. Es zeigt sich, dass für acetyliertes Buchenfurnierschichtholz (LVL) die Biegefestigkeiten gegenüber Brettschichtholz aus Nadelholz (GL 24) ca. dreifach höher liegt. Acetyliertes Buchenholz kann somit in eleganten, schlanken Brückentragwerken eingesetzt werden und hat daher das Potential Stahlbeton- und Stahlbrücken zu substituieren. 1. Stärken und Schwächen der Holzart Buche Die Forstwirtschaft sieht in eine schwierig zu steuernde Zukunft, zumal die globale Erderwärmung, fehlender Niederschlag, lange niederschlagslose Zeiten bis hin zu Dürren weiter voranschreiten. Buchenschleimfluss und in der Folge Buchenrindennekrose (Buchenkomplexkrankheit) sowie Buchennutzholzborkenkäfer (Trypodendron domesticum L.) machen der Buche massiv zu schaffen. Dies bedeutet einen Wertverlust als Bau- und vor allem als Möbelmaterial als Folge. Daher werden Forschungsanstrengungen unternommen, um die Faktoren zu ergründen, die das Absterben der Buchen begünstigen [1]. Buchenholz als heimischer und mit 16% als Baumartenanteil im Wald in großem Umfang zur Verfügung stehender Rohstoff muss zukünftig zum vielfältig verwendeten Baustoff für Holzbauprodukte werden. Auch für die Laubholzindustrie wird die Buche die Leitbaumart sein. Das bedeutet für das Bauwesen, dass Bauprodukte aus Buchenholz, die bisher verschwindend gering und im Grunde nur mit der BauBuche der Firma Pollmeier Massivholz GmbH & Co.KG, Creuzburg auf dem Markt sind, deutlich gesteigert werden müssen. Die steigende gesellschaftliche Akzeptanz hochwertig verarbeiteter Holzarchitektur fördert die Entwicklung von Laubholzprodukten. Die Tragfähigkeit von Buchen-Furnierschichtholz ist dreifach höher als die Tragfähigkeit von z. B. Fichten-Brettschichtholz GL 24. Die Steifigkeit jedoch ist mit einem Faktor von ca. 1,5 vergleichsweise nur mäßig höher. Ein ökonomischer Einsatz von Buchenholz ist daher in hochbeanspruchten und gleichzeitig schlanken Tragwerken mit hohen geometrischen Steifigkeiten sinnvoll. Dieses Potential gilt es durch intensive Forschungstätigkeiten zu erkunden und an normalkraftbeanspruchten Leichtbaukonstruktionen zu nutzen. Buchenholzkonstruktionen können hier Stahlbeton und Stahl substituieren. Die Gründe für die geringe Verwendung von Buchenholz für Bauprodukte im Bauwesen sind das aufwändige Herstellungsverfahren der Brettware bei geringer Ausbeute (Einschnittverfahren mit Blockbandsägen, Trocknungsverfahren), der sehr kostenintensive Fertigungsprozess für Keilzinkenverbindungen von Endlosbrettern mit Tragfähigkeit im Bereich der Brettrohware [2] sowie die Flächenverklebung und die Festigkeitsschwankungen in Abhängigkeit von der ausgeprägten Schrägfaserigkeit. Zudem gibt es keinen „Markt“ für festigkeitssortierte Brettlamellen aus Buche, die visuellen Sortierkriterien der Norm DIN 4074-5, 2008 [3] sind dafür nur bedingt geeignet und müssen durch maschinelle Verfahren der E- Modulermittlung und der Astigkeit ergänzt werden. 454 5. Brückenkolloquium - September 2022 Acetyliertes Buchen-Furnierschichtholz Die geringe biologische Dauerhaftigkeit von Buche sowie hohe Schwind- und Quellmaße gegenüber Fichte - radial (Faktor 1,7) und tangential (Faktor 1,6) - und die damit verbundene mäßige Formstabilität der Bauprodukte aus Buche schränken außerdem die Anwendung ein. Die direkte Bewitterung von Brücken ist mit nativem Buchenholz daher gänzlich ausgeschlossen. Der Einsatz von Buchenholz im bewitterten Außenbereich wird aber dann möglich, wenn das die Dauerhaftigkeit und die Formstabilität steigernde, chemisch modifizierte Buchenholz Anwendung findet. 2. Acetyliertes Buchenholz 2.1 Modifikation von Buchenholz mit Essigsäureanhydrid Die Acetylierung ist eine chemische Modifikation mit Essigsäureanhydrid, bei der die zugänglichen, hydrophilen Hydroxylgruppen im Holz durch die eher hydrophoben Acetylgruppen ersetzt werden. Dies sind insbesondere die Hydroxylgruppen des Lignins, der Hemizellulose und des amorphen Teils der Zellulose. Die in die Zellwand eingelagerten Acetylgruppen hemmen die Aufnahme und Abgabe von Wassermolekülen, so dass die Holzausgleichsfeuchte erheblich reduziert wird. Während bei unbehandelter Buche die Holzausgleichsfeuchte im Normalklima (20 °C, 65%rH) knapp 12% beträgt, reduziert sich die Feuchte durch die Acetylierung auf ca. 4-5% [4] [9]. Damit erhöht sich die Dimensionsstabilität, gleichzeitig wird auch eine höhere Dauerhaftigkeit gegenüber Holz zerstörenden Pilzen erzielt. Militz [4] stellte fest, dass die Druckfestigkeit von acetyliertem Buchen-Vollholz über der des nativen Buchenholzes liegt. Hill [6] macht jedoch deutlich, dass die mechanischen Eigenschaften stark von dem Modifizierungsprozess (Zeit, Temperatur) abhängen. In einer Pilotanlage der Holzforschung in Wageningen, Niederlande, wurde die Acetylierung an Vollhölzern erprobt und über verschiedene Forschungsvorhaben zur Marktreife gebracht. Unter dem Produktnamen „Accoya®“ wird acetylierte Montereykiefer (Pinus radiata) von der Firma Accsys technologies, Arnhem - Niederlande, hergestellt und vermarktet. Nach dem Acetylierungsprozess liegt das Holz in einem gequollenen Zustand vor, ein geringer Rest Essigsäure verbleibt im Holz. Durch das Verfahren kann die Schwindung und Quellung um bis zu 75% reduziert und die Dauerhaftigkeitsklasse DC 1 (sehr dauerhaft) gegenüber einem Befall durch Holz zerstörende Pilze nach DIN EN 350, 2016 [7] erreicht werden. Bei den Holzarten Monterykiefer (Pinus radiata) und Rotbuche (Fagus sylvatica) wird die Dauerhaftigkeit jeweils von DC 4-5 (mäßig dauerhaft - nicht dauerhaft), bzw. DC 5 (nicht dauerhaft) auf DC 1 (sehr dauerhaft) gesteigert. Die Accsys Group Arnhem Accoya ® gibt für die Pinus radiata eine Lebensdauer von 50 Jahren beim Einsatz ohne Erdkontakt sowie 25 Jahre bei Einsatz mit Erdkontakt an [8]. 2.2 Von der acetylierten Buchenholzbrettware zum acetylierten Buchenfurnierschichtholz (LVL) In Forschungen an der TU Kaiserslautern wurden für natives und acetyliertes Buchenholz große Streubreiten der Biegezug- und Zugfestigkeiten der Brettware als Manko festgestellt, obwohl wir mit den hohen Sortierkriterien (astfrei, dyn. E-Modul > 15 000 N/ mm²) eigentlich erwarten konnten, dass aufgrund der einheitlichen Brettware die Festigkeitsstreuungen gering ausfallen. Dies bestätigte sich nicht. Es zeigt sich, dass die Wirkung der Schrägfaserigkeit auf die Festigkeit zu diesen hohen Streubreiten führt. Dies wird untermauert durch die nicht vorhandene Korrelation zwischen Festigkeit und Rohdichte bei den untersuchten Buchenholzbrettern. Da die Rohdichte aber direkt mit der Holzmasse (Zellulose und Lignin) zusammenhängt, müsste sich die Festigkeit in direktem Zusammenhang mit der Rohdichte verändern, wie sich dies bei Fichtenholzbrettern zweifelsfrei bestätigt. In einem derzeit laufenden Forschungsprojekt zu acetylierten Buchenfurnieren [9] konnte der Einfluss der Schrägfaserigkeit auf die Zugfestigkeit gezeigt werden. Bei einer Faserabweichung von 5° ergab sich ein Zugfestigkeitsabfall von über 20%, bei 10° bereits ein Abfall von knapp 50% [Abb. 1]. 5. Brückenkolloquium - September 2022 455 Acetyliertes Buchen-Furnierschichtholz Abb.1: Zugfestigkeitsverlauf acetylierter, gesägter Buchenfurniere in Abhängigkeit von der Faserneigung (Vergleich mit Birkenschälfurnieren) Um die großen Streubreiten der Zugfestigkeit durch die Schrägfaserigkeit zu reduzieren, werden Maßnahmen der Homogenisierung erforderlich. Die Firma Pollmeier Massivholz GmbH & Co.KG, Creuzburg hat es mit nativen Buchenholzfurnieren geschafft, Furnierschichtholzprodukte der Festigkeitsklasse GL 75 zu erzeugen. Das ist insbesondere auf die Egalisierung der unterschiedlichen Schrägfaserigkeit der einzelnen Furnierlagen durch die kraftschlüssige Verklebung (Homogenisierungseffekt) zurückzuführen. Um den Homogenisierungseffekt auch für acetyliertes Buchenholz aufzuzeigen, wurden Bretter aus gesägten und stehenden Buchenholzfurnieren mit acetylierten Vollholzbrettern im 4-Punkt Biegeversuch verglichen. Infolge der Homogenisierung der Prüfkörpereigenschaften durch die stehenden Furnierlagen wird die Streubreite der Biegezugfestigkeiten minimal. Die charakteristische Biegezugfestigkeit nimmt dadurch trotz annähernd gleichem Mittelwert um 44% gegenüber der charakteristischen Biegezugfestigkeit acetylierter Buchenbretter zu [Abb. 2]. Die festigkeitsmindernde Wirkung der Schrägfaserigkeit spielt beim Furnierwerkstoff keine Rolle mehr. Die Homogenität wirkt sich auch festigkeitssteigernd auf zug-, druck- und schubbeanspruchte Bauteile aus. Abb. 2: Biegefestigkeit acetylierter Vollholzbretter und acetylierter Furnierschichtholzbretter mit gesägten, stehenden Lamellen 3. Acetyliertes Buchenholz im Brückenbau Acetyliertes Buchenholz für Brückentragwerke eignet sich vorrangig für Fuß- und Radwegbrücken im urbanen Raum. Fußgänger und Radfahrer verweilen auf Brücken, unterqueren sie und nehmen sie bewusst wahr. Die Ästhetik einer städtischen Brücke muss daher sowohl auf der Brücke als auch unter der Brücke überzeugen. Der Konstruktionswerkstoff Buchenholz verstärkt durch die in unseren Wäldern heimische und nachwachsende Baumart Buche die positive Wahrnehmung der Brückenbauwerke. Trotz hoher Festigkeiten von acetyliertem Buchenholz ist der E-Modul mit ca. 15.000 N/ mm² vor allem zu Stahl vergleichsweise gering. Filigrane Konstruktionen als ein wesentlicher Baustein für Eleganz und Ästhetik von urbanen Brücken sind für die global biegebeanspruchten Bauwerke mit Holz daher neben der hohen Tragfähigkeit nur mit hoher Biegesteifigkeit EI möglich. Bei mäßigem E-Modul folgt daraus, dass das Trägheitsmoment I hoch sein muss. So sind aufgelöste Tragwerke aus Holz, wie beispielsweise normalkraftbeanspruchte Fachwerkkonstruktionen [Abb. 3], nicht nur biegesteif sondern auch filigran und damit ressourceneffizient. Allgemein gilt daher für filigrane Holzbrücken, dass sie zug- und druckbeansprucht, mit hoher geometrischer Steifigkeit und mit hohem Tragwiderstand auszubilden sind [10]. Ein „Verkleiden“ der tragenden Holzbauteile ist aufgrund der Dauerhaftigkeit von acetyliertem Buchenholz gegenüber holzzerstörenden Pilzen nicht erforderlich und erhöht entscheidend die Leichtigkeit von Holzbrücken. 456 5. Brückenkolloquium - September 2022 Acetyliertes Buchen-Furnierschichtholz Abb. 3: Brückenentwurf in Form eines in Zug- und Druckstäbe aufgelösten Fischbauchträgers (t-lab - Bernhard Friese) Literatur [1] Straub, C. (2019) Untersuchung von Absterbeerscheinungen an Buche unter Einbeziehung satellitengestützter Fernerkundung und Standortsfaktoren (BeechSAT). Forschungsvorhaben an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Laufzeit 15.08.2019 - 18.08.2020 [2] Volkmer, T. et al. (2017) Brettschichtholz aus Buche: Keilzinkenverbindung und Flächenverklebung. In: 23. Internationales Holzbau-Forum (IHF 2017) Aus der Praxis - Für die Praxis. Band II, S. 137-148 [3] DIN 4074-5 (2008) Sortierung von Holz nach der Tragfähigkeit - Teil 5: Laubschnittholz. Beuth Verlag GmbH, Berlin [4] Militz, H. (1991) Die Verbesserung des Schwind und Quellverhaltens und der Dauerhaftigkeit von Holz mittels Behandlung mit unkatalysiertem Essigsäureanhydrid. Holz als Roh- und Werkstoff 49: S. 147-152 [5] Graf, J. et al. (2018) Neue Potentiale im konstruktiven Holzbau durch acetylierte Buche. Forschungsbericht, Forschungsinitiative Zukunft BAU, Fraunhofer IRB Verlag, F 3132, Stuttgart [6] Hill, C. (2006) Wood modification - chemical, thermal and other processes. John Wiley & Sons Ltd, West Sussex, UK [7] DIN EN 350 (2016) Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten - Prüfung und Klassifizierung der Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten gegen biologischen Angriff. Beuth Verlag GmbH, Berlin [8] Accsys (2006) Accoya Broschüre. Accsys Group Arnhem, Niederlande, Stand 2006 [9] Graf, J.; Militz, H. (2019) Acetyliertes Buchen- Furnierschichtholz - Buchenholzprodukt für bewitterte Tragwerke: dauerhaft, formstabil, hochfest. Forschungsvorhaben beim FNR, Laufzeit 01.06.2021 - 31.05.2024 [10] Graf, J. (2020) Entflechtung von Wachstum und Ressourcenverbrauch - Zirkuläre Wertschöpfung im Holzbau. In: Bautechnik 97, Sonderheft Holzbau, Ausgabe 2, S. 108-115 (DOI: 10.1002/ bate.202000078)