eJournals Brückenkolloquium 5/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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2022
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Untersuchungen zum Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brückentragwerken aus Stahlbeton

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2022
Timo Hondl
Christian Glock
Aufgrund der Altersstruktur deutscher Brückenbauwerke ist der Aufwand zum Erhalt der Infrastruktur aktuell hoch. Eine Alternative zu Sanierung und Neubau stellt das frühzeitige Untersuchen und Reduzieren von Lasten dar. Im Folgendem wird eine Möglichkeit vorgestellt, den Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Achslasten und damit auf die Lebensdauer von Brückenbauwerken abzubilden. Hierfür werden Methoden zur Achslastermittlung, wie sie z.B. in der Automobilindustrie Anwendung finden, auf das Bauwesen übertragen. Zur Senkung des Rechenaufwands (z.B. in der FEM) werden sowohl Fahrzeuge als auch Brückenbauwerke auf die wesentlichen Freiheitsgrade reduziert. Abschließend wird die Überfahrt eines LKWs an einem gekoppeltem Brücke-Fahrzeug-Modell simuliert, Verformungen, Schnittgrößen und damit auch Bauteilschädigungen einzelner Überfahrten rückgerechnet. Das Ergebnis solcher Untersuchungen wird in Abhängigkeit verschiedener Oberflächenqualitäten anhand eines Beispielbauwerks veranschaulicht. Ein Zuwachs der zu erwartenden Bauwerksschädigung bei sinkender Oberflächenqualität verdeutlicht, dass die regelmäßige Sanierung der Fahrbahn zur Erhöhung der Lebensdauer des Brückenbauwerks beitragen kann.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 505 Untersuchung zum Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brückentragwerken aus Stahlbeton Timo Hondl Technische Universität Kaiserslautern, Fachbereich Bauingenieurwesen, Fachgebiet Massivbau und Baukonstruktion, Kaiserslautern, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Glock Technische Universität Kaiserslautern, Fachbereich Bauingenieurwesen, Fachgebiet Massivbau und Baukonstruktion, Kaiserslautern, Deutschland Zusammenfassung Aufgrund der Altersstruktur deutscher Brückenbauwerke ist der Aufwand zum Erhalt der Infrastruktur aktuell hoch. Eine Alternative zu Sanierung und Neubau stellt das frühzeitige Untersuchen und Reduzieren von Lasten dar. Im Folgendem wird eine Möglichkeit vorgestellt, den Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Achslasten und damit auf die Lebensdauer von Brückenbauwerken abzubilden. Hierfür werden Methoden zur Achslastermittlung, wie sie z.B. in der Automobilindustrie Anwendung finden, auf das Bauwesen übertragen. Zur Senkung des Rechenaufwands (z.B. in der FEM) werden sowohl Fahrzeuge als auch Brückenbauwerke auf die wesentlichen Freiheitsgrade reduziert. Abschließend wird die Überfahrt eines LKWs an einem gekoppeltem Brücke-Fahrzeug-Modell simuliert, Verformungen, Schnittgrößen und damit auch Bauteilschädigungen einzelner Überfahrten rückgerechnet. Das Ergebnis solcher Untersuchungen wird in Abhängigkeit verschiedener Oberflächenqualitäten anhand eines Beispielbauwerks veranschaulicht. Ein Zuwachs der zu erwartenden Bauwerksschädigung bei sinkender Oberflächenqualität verdeutlicht, dass die regelmäßige Sanierung der Fahrbahn zur Erhöhung der Lebensdauer des Brückenbauwerks beitragen kann. 1. Einleitung Eine verlässliche Infrastruktur ist ein wesentlicher Standortvorteil von Deutschland. Dafür ist der oftmals öffentlich diskutierte Zustand der Straßenbrücken ein wichtiger Faktor. Bereits die Altersverteilung der Straßenbrücken ist eine strukturelle Herausforderung, denn ein Großteil der Brücken wurde in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum zwischen 1965 und 1979 gebaut [1]. Somit fällt der hohe Aufwand zum Erhalt [2] oder zum Abbruch und Neubau [3] dieser Brücken ebenfalls in ein enges Zeitfenster. Neben Sanierungen und Neubauten ist auch die Prävention von Bauwerksschäden zielführend. Daher lohnt die Betrachtung und Reduktion von Einwirkungen. Diese haben, insbesondere vor dem Hintergrund des stark gewachsenen Güterverkehres und teils unterdimensionierter Brücken, für die Lebensdauer eine entscheidende Bedeutung. Im Hinblick auf die realitätsnahe Einschätzung der Einwirkungen auf Brücken kommt den tatsächlichen Achslasten von Fahrzeugen im Zeitraum einer Brückenüberquerung eine wichtige Rolle zu, jedoch sind diese nur schwer ermittelbar. Eine Momentaufnahme ist zwar über „Weight in Motion“ Messungen möglich (z.B. über das Achslastmessstellennetz der Bundesanstalt für Straßenwesen [4]), zeitliche Veränderungen der Achslasten oder Einflüsse des Fahrbahnabschnittes der Messung, Fahrzeuggeschwindigkeit oder der Qualität der Fahrbahn werden jedoch hierbei nicht erkannt Im Folgenden wird eine Methodik zur Simulation und Berechnung realitätsnaher LKW-Achslasten vorgestellt, um am Beispiel einer einfeldrigen Brücke aus Stahlbeton Prognosen über den Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer zu treffen. Abb. 1: Fahrzeug - Fahrbahn Interaktion nach dem Grundsatz actio = reactio Untersuchung zum Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brückentragwerken aus Stahlbeton 506 5. Brückenkolloquium - September 2022 2. Vergleich Fahrzeugentwicklung und Bauwesen Die Bestimmung der Achslasten von Fahrzeugen, insbesondere LKW, ist nicht nur im Bauwesen von Bedeutung, sondern auch für die Fahrzeugentwicklung. Dabei ist zu beachten, dass im Brückenbau ein großer Anteil der Gesamtlast durch das genau bekannte Eigengewicht des Bauwerks selbst vorgegeben ist und Verkehrslasten insbesondere im Stahl- und Spannbetonbau meist nur einen kleinen Teil der Einwirkung darstellen. Eine genau Kenntnis über dynamische Achslasten von LKW ist daher im Brückenbau nicht im gleichen Maße relevant, wie für die Fahrzeugentwicklung selbst. Aufgrund der im Automobilwesen höheren Relevanz der Achslasten, z.B. für Fahrkomfort oder Ermüdung der Radauf hängungen, werden hier sehr realitätsnahe Schwingungsberechnungen an LKW-Modellen durchgeführt, die unter Berücksichtigung der Fahrbahntopografie durch Fußpunktanregung zum Schwingen angeregt werden. Durch derartige Modelle entstehen zeitlich veränderliche Achslasten. Nach dem Grundsatz actio = reactio entsprechen die zeitlich veränderlichen Einwirkungen auf das Fahrzeug bei einer Brückenquerung den Einwirkungen auf das Brückentragwerk. Daraus folgend lässt sich auch die Schädigung einer Brücke durch Verkehr in Abhängigkeit zeitlich veränderlicher Achslasten und damit in Abhängigkeit der Fahrbahnqualität ermitteln. Abb. 1 veranschaulicht diesen Zusammenhang. Durch die Fahrbahnunebenheiten entstehen zeitlich veränderliche Achslasten. Diese verursachen zeitlich veränderliche Bauwerksreaktionen wie Verformungen und Schnittgrößen. Vergleicht man im Rahmen von dynamischen Berechnungen diese Schädigung mit den Auswirkungen einer sanierten oder auch ideal glatten Fahrbahnoberfläche, lässt sich das Potenzial einer Fahrbahnsanierung auf die Lebensdauer des Tragwerks abschätzen. Das hier vorgestellte Vorgehen wird einführend in Abb. 2 wie folgt zusammengefasst. Realistische Brückenbauwerke sowie Fahrbahnen und Fahrzeuge werden auf Grundlage ihrer Spezifikationen als gekoppeltes Brücke- Fahrzeug-Modell abgebildet. Durch dynamische Simulationen an diesem Modell können Bauwerksreaktionen wie Verformungen und Schnittgrößen ermittelt werden. Auf dieser Grundlage ist eine Prognose der Lebensdauer der Brücke möglich. 3. Simulation realitätsnaher Achslasten von LKW Die Qualität der Fahrbahnoberfläche ist eine abstrakte Größe und nur komplex oder mit vereinfachenden Annahmen zu beschreiben oder zu quantifizieren. Der Grund dafür ist die Einzigartigkeit der Topografie jedes Streckenabschnittes. Dennoch sind die Beschreibung und Bewertung der Fahrbahnqualität aus zwei Gründen für das weitere Vorgehen notwendig. Zum einen wird sie aufgrund der geringen Anzahl vorliegender Messungen benötigt, um Achslasten numerisch zu erzeugen. Dafür werden die generierten Oberflächen zur Fußpunktanregung definierter LKW-Modelle eingesetzt. Zusätzlich dient sie als konsistenter Maßstab zum Vergleich mehrerer Untersuchungsergebnisse. Abb. 2: Vorgehen zur Prognose der Lebensdauer einer Brücke Ein in der Fahrzeugtechnik gängiges Bewertungskriterium der Fahrbahnqualität ist die spektrale Leistungsdichte einer gemessenen Fahrspur wie z.B. in [5] beschrieben. Dabei wird eine lineare, zweidimensionale Fahrspur als ein über den Weg veränderliches Signal betrachtet und auf die enthaltenen Frequenzen hin analysiert. Auf dieser Grundlage definiert [6] ein Verfahren zum Vergleich verschiedener vertikaler Spuraufzeichnungen: Die spektrale Leistungsdichte verschiedener Fahrbahnoberflächen ist in Abb. 3 in Bezug auf die Wellenlänge bzw. Wegkreisfrequenz in doppellogarithmischer Darstellung aufgetragen. Aufgrund dieser doppellogarithmischen Darstellung kann die spektrale Leistungsdichte als Gerade angenähert werden. Die Steigung dieser Graden wird als konstant vorausgesetzt [6]. Somit bleibt als unbekannte Größe die vertikale Verschiebung entlang der y-Achse Gd(Ω0) mit Ω0 = 1rad/ m. In [7] werden entsprechenden Werten für Gd(Ω0) Fahrbahnqualitäten zugeordnet (vgl. Abb. 3). Dabei entspricht z.B. „A“ einer sehr guten und „B“ einer guten Fahrbahn. Abb. 3: Bewertungsmaßstab (oben) und Spektrale Leistungsdichte (unten) gemäß [6], [7] Untersuchung zum Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brückentragwerken aus Stahlbeton 5. Brückenkolloquium - September 2022 507 Auf Grundlage der spektralen Leistungsdichte lassen sich auch Fahrbahnen numerisch generieren [8]. Die in diesem Verfahren erzeugten Fahrbahnoberflächen sind, genau wie real gemessene Fahrbahnoberflächen, in ihrem Verlauf einzigartig. Auch bei betragsmäßig gleicher Fahrbahnqualität unterscheiden sich diese Spuren grundlegend. In Abb. 4 sind beispielhaft sowohl drei numerisch erzeugte Fahrbahnoberflächen einer identischen als auch einer unterschiedlichen Qualität der Länge 100 m dargestellt. In der Konsequenz ist davon auszugehen, dass auch die Achslasten, die unter Verwendung dieser jeweils einzigartigen Fahrspuren ermittelt werden, in jeder Betrachtung variieren. Somit wird auch die Bauteilschädigung einer Fahrzeugquerung, als Ergebnis der hier angestellten Betrachtung, keinen konstanten Wert annehmen. Sie kann daher auch als Zufallszahl interpretiert werden. Zur Analyse des Einflusses der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Straßenbrücken ist aus diesem Grund ein großer Datensatz verschiedener Fahrbahnoberflächen erforderlich (vgl. Abschnitt 4). Abb. 4: Fahrbahnen identischer (oben) und unterschiedlicher (unten) Qualität Anschließend ist die Simulation des Fahrzeugverhaltens selbst in Abhängigkeit der spezifischen Fahrbahnoberfläche und damit der resultierenden Achslasten von LKW möglich. Im Sinne einer vereinfachenden Modellbildung und zur Reduktion von Rechenzeit wird das simulierte LKW-Modell auf möglichst wenige aber dafür relevante Freiheitsgrade reduziert. Dafür wurde die Annahme getroffen, dass das Fahrzeug mit konstanter Geschwindigkeit einen geraden Streckenabschnitt befährt. In dieser Situation nicht mögliche Fahrmanöver wie Schieben und Gieren (Bewegungen quer zur Fahrtrichtung und Rotation in Richtung der Lenkachse) werden als Sonderfälle vernachlässigt. Wanken (Rotation um die Achse der Bauwerkslängsrichtung) ist ggf. bei der Betrachtung der Quertragrichtung einer Brücke relevant, und wird in der hier angestellten Betrachtung der Längstragrichtung jedoch nicht berücksichtigt. Zur Ermittlung der Bauwerksreaktionen ist eine getrennte Betrachtung der einzelnen Achsen ausreichend. In Abb. 5 werden mit Einzelachse und Doppelachse zwei Beispiele dargestellt. Dabei wird zwischen der gefederten Auf baumasse und der Karosserie, die durch das Rad und die Radauf hängung gefedert wird, differenziert, sodass für eine Einzelachse zwei und für eine Doppelachse drei Freiheitsgrade berücksichtigt werden [9]. Abb. 5: Modell Einzelachse (links) und Doppelachse (rechts) [9] 4. Simulation von Brücken aus Stahlbeton unter realitätsnahen Achslasten Bei dynamischen Beanspruchungen können auch bei statisch bestimmten Systemen aus Einwirkungen nicht direkt Schrittgrößen ermittelt werden, vielmehr sind für die Ermittlung der zeitlich veränderlichen Schnittgrößen aufwändige numerische Simulationen erforderlich. Darauf auf bauend kann eine rechnerische Bauwerksschädigung der betrachteten Überfahrt ermittelt werden. Diese lässt sich, wie in Abschnitt 3 beschrieben, als Zufallszahl interpretieren, die je nach betrachteter Überfahrt ihren Wert ändert (vgl. auch Abschnitt 5). Um die Eigenschaften der Zufallszahl „Schädigung pro Fahrzeugquerung“ wie Erwartungswert und Standardabweichung abschätzen zu können muss das Zufallsexperiment Fahrzeugquerung ausreichend oft wiederholt werden. Ein Mittel für derartige Simulationen, die Finite Element Methode (FEM) eignet sich aufgrund des hohen Rechenaufwands gut für einzelne Berechnungen. Da im Rahmen dieser Untersuchung jedoch eine Vielzahl an Betrachtungen durchgeführt werden, wird die im Folgenden beschriebene vereinfachte Rechenmethode verwendet. Eine Fourier-Analyse der zeitlich veränderlichen dynamischen Bauwerksverformung einer einfeldrigen Brücke bei Querung einer konstanten Einzellast (hier durchgeführt in der FEM) ergibt neben dem Anteil aus statischer Untersuchung zum Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brückentragwerken aus Stahlbeton 508 5. Brückenkolloquium - September 2022 Last nur eine Schwingung im Frequenzbereich der ersten Eigenform; beide Anteile überlagern sich. Demnach ist es zur analytischen Vereinfachung der Simulation naheliegend, das Brückenbauwerk auf einen Einmassenschwinger zu reduzieren, ein System, das mit nur einem Freiheitsgrad die Verformungs- und Schwingungseigenschaften der ersten Eigenform korrekt darstellt. Das Vorgehen wird in Abb. 6 anschaulich dargestellt. Die Verformung u(t) in Feldmitte entspricht der Auslenkung des Einmassenschwingers, alle anderen Werte müssen entsprechend überführt werden. In Schritt a) wird die reale Brücke als Einfeldträger mit diskret verteilten Massepunkten und Lasten dargestellt. Im Schritt b) werden diese Massen und Lasten in Feldmitte zusammengefasst und derart angepasst, dass Verformungs- und Schwingungseigenschaften unverändert bleiben. Schritt c) stellt den Einfeldträger als Federschwinger dar. Die Federsteifigkeit k lässt sich aus der Steifigkeit der Brücke und der Verformung in Feldmitte errechnen. Da solch detaillierte Untersuchungen eher bei kritischen und unterdimensionierte Bestandsbauwerke zielführend sind, wurde nachfolgend von einem vollständig gerissener Stahlbeton Brückenquerschnitt ausgegangen. Aufgrund der hier durchgeführten Betrachtung unter Gebrauchslast wird der E-Modul als konstant angesetzt. Abb. 6: Vom Einfeldträger zum Einmassenschwinger Bei der Rückrechnung von Schnittgrößen aus u(t) müssen zwei Verformungsanteile differenziert werden. Sie erzeugen über die Länge des Bauteils gesehen qualitativ unterschiedliche Verformungsfiguren und tragen daher nicht im gleichen Maß zur Schnittgrößenbildung bei. Der statische Anteil, bedingt durch die Einzellast, dem eine Dreiecksförmige Momentenlinie zugrunde liegt sowie der dynamische Anteil, bedingt durch die Schwingung in der ersten Eigenform, mit einem näherungsweisen sinusförmigen Verlauf der Momentenlinie. Gemeinsam ergeben sie die Schnittgrößen der betrachteten Fahrzeugquerung. Im Kontext des EC2 und der Nachrechnungsrichtlinie [10] dient der Nachweis gegen Ermüdung indirekt zur Prognose der Lebensdauer. Entsprechend kann er auch für den vorliegenden Vergleich zweier Belastungssituationen herangezogen werden. 5. Beispielrechnung Die neu entwickelte Methodik zur Ermittlung des Einflusses der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Straßenbrücken wird nachfolgend an einem einfachen Beispiel veranschaulicht. Hierbei wird eine Brücke aus Stahlbeton mit einer Spannweite von 15 m betrachtet, zur Untersuchung einer Fahrspur wird die Breite der Brücke exemplarisch mit 3 m angesetzt. Der Querschnitt entspricht einem Plattenbalken mit üblichen Abmessungen [11], der gemäß [12] als Brückenklasse 60 bemessen wurde (Bestandsbauwerk). Das Lehrsche Dämpfungsmaß wurde nach [13] mit 1% angenommen. Untersucht wird die Schädigung der untenliegenden Längsbewehrung in Feldmitte auf Grundlage der Wöhlerlinie für Betonstahl nach [14]. Zur besseren Darstellung des tatsächlichen Einflusses der Fahrbahnqualität dient die Schädigung ohne Fahrbahnunebenheit als Referenzwert, zu der jedes Ergebnis ins Verhältnis gesetzt wird. Somit lässt sich die dargestellte Größe der „relativen Schädigung“ als Vergrößerungsfaktor in Abhängigkeit der Fahrbahn interpretieren. Für dieses einfache Beispiel wird kein konkreter Fahrzeugtyp, sondern die Querung einer Einzelachse (10 t), wie sie z.B. bei einem Sattelschlepper vorkommt, betrachtet. Die Geschwindigkeit betrug 20 m/ s bzw. 72 km/ h, die zugehörigen Parameter der Achsen sind nach [9] angenommen. Für eine erste Betrachtung wurden 400 verschiedene Fahrbahnprofile mit einer spektralen Leistungsdichte von Gd(Ω0) = 1,0 x10-6 m³ generiert, auf die beschriebene Brücke projiziert und durch die angenommene Achse überquert (vgl. Abschnitt 3). Abb. 7 stellt die relative Häufigkeit der relativen Schädigung in einem Histogramm dar. Ein Vergleich mit der Dichtefunktion einer logarithmisch normalverteilten Zufallsgröße (angepasst an die diskrete Klassenbreite) zeigt eine große Ähnlichkeit. Es ist zu erkennen, dass Werte < 1,0 häufig auftauchen. Dies lässt sich durch die Achslasten des LKW erklären, welche als Funktion über die Zeit um ihren Erwartungswert schwingen und somit in Feldmitte auch kleinere Werte annehmen können. Abb. 7: Relative Häufigkeit der relativen Schädigung aus 400 Berechnungen, Gd(Ω0) = 1,0 x10-6 m³ Darauf auf bauend wurden weitere Berechnungen mit variierendem Gd(Ω0) ausgeführt. Der Fokus lag dabei auf den für praktische Anwendungen relevanten Bereich der guten (B) und sehr guten (A) Fahrbahnqualität (vgl. Untersuchung zum Einfluss der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brückentragwerken aus Stahlbeton 5. Brückenkolloquium - September 2022 509 Abb. 3). Die Ergebnisse dieser Berechnungen, also die der Zusammenhang zwischen relativer Schädigung des Bauwerks und spektraler Leistungsdichte der Fahrbahn, wurden als logarithmisch normalverteilte Zufallsgrößen interpretiert. Zugehörige Erwartungswerte und Standardabweichungen sind in Abb. 8 dargestellt. Es ist dabei ein deutlicher Zusammenhang zwischen Fahrbahnqualität und Lebensdauer der Brücke zu erkennen. Sowohl Erwartungswert als auch Standardabweichung der relativen Schädigung nehmen bei sinkender Fahrbahnqualität deutlich zu. Dieser Zusammenhang wird in Abb. 8 durch eine Regressionsgrade verdeutlicht. Abb. 8: Relative Schädigung nach spektraler Leistungsdichte aus 400 Berechnungen, Gd(Ω0) = 1,0 x10-6 m³ Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die hier gezeigten Zusammenhänge sich lediglich auf das beschriebene Brücke-Fahrzeug-Modell beziehen und keine allgemeingültigen Aussagen zulassen. Erste Untersuchungen zeigen, dass die Steigung der Graden und Streuung der Ergebnisse in Abhängigkeit von Einflüssen wie Fahrzeugtyp, Brückeneigenschaften und dem Verhältnis von Fahrzeuggeschwindigkeit (Erregerfrequenz) und Eigenfrequenz der Brücke steht. Für allgemeingültige Aussagen sind weiter Untersuchungen vorgesehen. 6. Fazit In diesem Beitrag wurde eine neue Methode zur Einschätzung des Einflusses der Fahrbahnqualität auf die Lebensdauer von Brücken vorgestellt, welche Erkenntnisse aus der Fahrzeugentwicklung für den Brückenbau nutzbar macht. Auf dieser Grundlage konnte für ein Beispielbauwerk an dem beschriebenem gekoppeltem Brücke- Fahrzeug-Modell ein direkter Zusammenhang zwischen Fahrbahnqualität und Bauwerksschädigung dargestellt werden. Aufgrund der Einzigartigkeit der Topographie jedes Streckenabschnittes ist dieser Zusammenhang jedoch stark situationsabhängig und nur als Zufallszahl darstellbar. Bei Betrachtung der jeweiligen Erwartungswerte lässt sich erkennen, dass die Bauwerksschädigung mit sinkender Fahrbahnqualität zunimmt. Im Rahmen dieses Beitrags wurde lediglich ein Beispielbauwerk betrachtet. In künftigen Untersuchungen sollen die gewonnenen Erkenntnisse auf allgemeine Anwendungsfälle erweitert werden, die bei der Planung von Bauwerkssanierungen Anwendung finden können. Literatur Literatur [1] Bundesanstalt für Straßenwesen: Brückenstatistik Ausgabe 2021. [2] Glock, C.; Heckmann, M.; Hondl, T. et al.: Massivbau in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenverknappung - Herausforderungen und Lösungsansätze/ Concrete construction in times of climate change and resource shortage - challenges and solutions. In: Bauingenieur 97 (2022), 01-02, S. 1-12. https: / / doi.org/ 10.37544/ 0005-6650-2022-01-02- 33. [3] Forman, P.; Glock, C.; Mark, P.: Schnelles Bauen - Motivation, Historie und Konzepte. In: Beton- und Stahlbetonbau 116 (2021), S2, S. 2-11. https: / / doi. org/ 10.1002/ best.202100064. [4] Bundesanstalt für Straßenwesen: Achslasterfassung, https: / / www.bast.de/ DE/ Statistik/ Achslast/ Achslast.html [Zugriff am: 07.02.2022]. [5] Becker, W.: Die Spektrale Dichte ein Maß für die Fahrbahnunebenheit im Längsprofil. In: Straße und Autobahn (1995), Heft 10, 583 ff. [6] ISO 8608: Mechanical vibration - Road surface profiles - Reporting of measured data. Ausgabe November 2016. [7] DIN EN 1991-2: Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken; Deutsche Fassung EN 1991-2: 2003 + AC: 2010, Berlin. [8] Feng, T.; Yu-Fen, H.; Shun-Hsu, T. et al.: Generation of Random Road Profiles (2009). [9] Cebon, D.: Handbook of vehicle-road interaction - Vehicle dynamics, suspension design, and road damage, Advances in engineering no. 2, Swets & Zeitlinger, Lisse, 1999. [10] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - Abteilung Straßenbau: Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), 2011. [11] Bergmeister, K.; Fingerloos, F.; Wörner, J.-D. (Hrsg.): Beton-Kalender 2015 - Schwerpunkte: Brücken, Bauen im Bestand, Beton-Kalender Heft 2, Ernst, Wilhelm & Sohn, Berlin, 2014. [12] DIN 1072: Straßen- und Wegbrücken. Ausgabe 1985. [13] Müller, F.P.: Baudynamik, Betonkalender 1978. In: Ernst & Sohn, Berlin (1978). [14] DIN EN 1992-1-1/ NA: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungregeln und Regeln für den Hochbau. Ausgabe Januar 2011.