Brückenkolloquium
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expert verlag Tübingen
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A 23 Autobahn Südosttangente Wien
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Thomas Kozakow
Die Hochstraße St. Marx verläuft quer durch Wien in dicht verbautem Gebiet und wird täglich von rund 200.000 Fahrzeugen genutzt. Der 1978 eröffnete, 2,7 km lange Autobahnabschnitt führt über insgesamt 30 Brücken und beinhaltet zwei Anschlussstellen, einen Autobahnknoten und insgesamt 25 Querungen von verschiedensten Verkehrswegen. Dieser Autobahnabschnitt wird seit März 2020 generalerneuert. Im Zuge der Arbeiten wurde auch eine komplette Anschlussstelle abgebrochen, da diese in der überregionalen Verkehrsplanung nicht mehr benötigt worden ist. Aufgrund des Erhaltungszustandes wäre diese instand zu setzen gewesen, aus wirtschaftlichen Gründen wurde letztendlich ein Rückbau entschieden. Die Abbrucharbeiten mussten teilweise auf beengtem Raum nahe an der angrenzenden Bebauung durchgeführt werden. Technisches Highlight war dabei der Aushub eines 43m langen rd. 550to schweren Brückenteils über der Hauptfahrbahn der A23. Dieser Hub wurde mit einem der weltweit größten Raupenkräne durchgeführt. Die Planung dieser Maßnahme beanspruchte von der Idee bis zur Umsetzung über vier Jahre.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 523 A 23 Autobahn Südosttangente Wien Genaralüberholung Hochstraße St. Marx Abbruch Anschlussstelle Arsenal Brückenaushub Ing. Thomas Kozakow ASFINAG Bau Management GmbH, Wien, Österreich Zusammenfassung Die Hochstraße St.Marx verläuft quer durch Wien in dicht verbautem Gebiet und wird täglich von rund 200.000 Fahrzeugen genutzt. Der 1978 eröffnete, 2,7 km lange Autobahnabschnitt führt über insgesamt 30 Brücken und beinhaltet zwei Anschlussstellen, einen Autobahnknoten und insgesamt 25 Querungen von verschiedensten Verkehrswegen. Dieser Autobahnabschnitt wird seit März 2020 generalerneuert. Im Zuge der Arbeiten wurde auch eine komplette Anschlussstelle abgebrochen, da diese in der überregionalen Verkehrsplanung nicht mehr benötigt worden ist. Aufgrund des Erhaltungszustandes wäre diese instand zu setzen gewesen, aus wirtschaftlichen Gründen wurde letztendlich ein Rückbau entschieden. Die Abbrucharbeiten mussten teilweise auf beengtem Raum nahe an der angrenzenden Bebauung durchgeführt werden. Technisches Highlight war dabei der Aushub eines 43m langen rd. 550to schweren Brückenteils über der Hauptfahrbahn der A23. Dieser Hub wurde mit einem der weltweit größten Raupenkräne durchgeführt. Die Planung dieser Maßnahme beanspruchte von der Idee bis zur Umsetzung über vier Jahre. 1. Allgemeines Die Autobahn A23 - Südosttangente Wien ist eine der wichtigsten Nord - Süd Verbindungen für den motorisierten Individualverkehr im Großraum Wien. Auf der Gesamtlänge von rund 18 km verläuft die Autobahn auf ca. der Hälfte der Strecke auf Brücken die in den späten 60er und 70er Jahren errichtet wurden. Mit einem DTV von rund 200.000 KfZ/ 24h ist die Tangente der stärkst befahrenste Straßenabschnitt Österreichs. Die Hochstraße St.Marx ist in der Mitte der Strecke situiert und stellt einen massiven Kreuzungspunkt von Verkehrsströmen aller Art dar. Abb.1 - Lage im Großraum Wien 1.1 Projektüberblick Der Umsetzungszeitraum für die Sanierungsmaßnahmen ist von März 2020 bis Dezember 2022 geplant, die Gesamtprojektkosten betragen EUR 136 Mio. Die wesentlichen technischen Projektinhalte sind: 524 5. Brückenkolloquium - September 2022 A 23 Autobahn Südosttangente Wien • Instandsetzung von 30 Tragwerken • Instandsetzung von rd. 150.000 m² Asphaltfläche und 120.000 m² Abdichtung • Abbruch und Erneuerung von 8 km Randbalken und Kargerem inkl. Ausrüstung • Tausch der Fahrbahnübergänge und Lager • Errichtung von 1.300m Brückenverbreiterung • Rückbau von drei Brücken in der Anschlussstelle Arsenal und Errichtung einer Betriebsumkehr 1.2 Die Anschlussstelle Arsenal Bei der Anschlussstelle Arsenal handelt es sich um eine nie für den Verkehr freigegebene Anbindung an die A23. In den 1970er Jahren, zum Zeitpunkt der Errichtung war geplant, dass in diesem Abschnitt die damals noch nicht gebaute Autobahn A3 einmünden soll, diese wurde allerdings zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle errichtet. Somit wurde die Anschlussstelle Arsenal nie für den Verkehr nie frei gegeben und wird auch zukünftig nicht mehr benötigt. In den Jahrzehnten Ihres Bestehens wurde diese Anschlussstelle für den Betrieb der Autobahn im Winterdienst als Umkehrmöglichkeit genutzt, ebenso kam das Areal als Baustelleneinrichtungsfläche im Zuge mehrerer Sanierungsbaustellen zum Einsatz, Vorteil dabei war die direkte Zufahrt zu beiden Richtungsfahrbahnen. Abb.2 - Projektgebiet und Lage ASt. Arsenal Drei Brückenabschnitte dieser Anschlussstelle hätten aufgrund ihres Erhaltungszustandes im Zuge der gegenständlichen Generealerneuerung komplett instandgesetzt werden müssen, da die Schädigung der Substanz ähnlich stark war wie jene der umgebenden, unter Verkehr befindlichen Brücken. Deshalb hat man sich für die wirtschaftliche Variante, nämlich den Abbruch der Tragwerke und den Umbau in eine Betriebsumkehr entschieden. Die abzubrechenden Brücken sind, wie die gesamte Brückenkette, schlanke vorgespannte Tragwerke, wobei zwei Rampen Teil eines Tragwerks sind auf denen die Hauptfahrbahn der A23 verläuft welches zum Großteil bestehen bleibt, somit handelt es sich hier um einen Teilabbruch. Das dritte Tragwerk führt mit einer lichten Höhen von nur 4,70m über die Hauptfahrbahn, die wiederum auch auf einer Brücke verläuft. Diese Brücke führt wiederum über die Zulaufstrecke des Hauptbahnhofs Wien, was ein wesentliches Risiko darstellt wenn das abzubrechende Tragwerk auf die darunterliegende Brücke abstürzen würde. Dies war jedenfalls zu vermeiden, da sonst nicht nur die Hauptverkehrsader für den motorisierten Individualverkehr, sondern auch eine der wichtigsten Bahnstrecken im Großraum Wien längerfristig blockiert gewesen wäre. Abb.3 - Abzubrechende Brücken 2. Planungsphase Mit den vorgenannten Einschränkungen und Risiken im Gepäck wurden die Planungen für den Abbruch im Sommer 2017 begonnen, neben unzähligen ingenieurmäßigen Herausforderungen war bald klar, dass der Rückbau der Anschlussstelle teilweise besondere Lösungen brauchen wird. Eine fundierte Planung für den Rückbau war zu erstellen, diese beinhaltete auch die statische Berechnung jedes 5. Brückenkolloquium - September 2022 525 A 23 Autobahn Südosttangente Wien Abbruchzustandes der Brücken um ein allfälliges spontanes Versagen zu vermeiden, da ja vor allem beim Teilabbruch der Bestand nicht geschädigt werden durfte. 2.1 Grundlagenerhebung Wie bei vielen Bauwerken aus den 1970er Jahren lagen nur rudimentär Baupläne der Brücke über die A23 vor. Im Zuge einer Zwischensanierung Anfang der 2000er Jahre wurden Bestandspläne erstellt, welche jedoch auch nur die geometrischen Abmessungen darstellten. Beispielsweise waren auch die Spannkabellagen und deren Dimensionen nicht vorhanden. Um einen sicheren Rückbau der Objekte gewährleisten zu können mussten deshalb ergänzende Untersuchungen angestellt werden, um das Bauwerk auch statisch erfassen zu können. 2.2 Untersuchungen am Objekt Über das Objekt B1033 - jene Brücke die über die Hauptfahrbahn der A23 führe, lagen keine Baupläne vor. Über die Lage und Art der Spannkabel konnte in einem ersten Schritt nur aufgrund der zur gleichen Zeit errichteten Bauwerke und einer bruchstückhaft vorliegenden statischen Berechnung rückgeschlossen werden. Glücklicher Weise war der im Projekt beauftragte Prüfstatiker beim damaligen Planungsbüro in seiner beruflichen Anfangszeit angestellt und somit waren zumindest auch die Planungsphilosophien im Spannbetonbau bekannt. Auf dieser Basis wurden sowohl die schlaffe Bewehrung (DM8/ 20! ) als auch die Spannkabel von der Innen- und Außenseite des Hohlkastens geortet, somit war die Lage und Anzahl bekannt. Da die Spannkabel nicht an einer Koppelfuge geschnitten wurden war es wichtig, dass die Hüllrohre ordentlich verprasst waren. Es gibt jedoch keine Zerstörungsfreien Methoden um den tatsächlichen Verpresszustand feststellen zu können. Deshalb wurden an, mit den Statikern abgestimmten Stellen die Betondeckungen aufgestemmt und so die ordnungsgemäße Verfüllung des Hüllrohres zumindest an einzelnen Punkten festgestellt. Da die exakte Bestimmung der Schwerpunktlage für ein Anheben der Brücke unbedingt erforderlich war, wurde die Brücke händisch komplett vermessen und ein 3D- Model angefertigt, für die absolute Genauigkeit musste in den nur 80cm hohen Hohlkasten eingestiegen werden um die Bauteildicken tatsächlich bestimmen zu können. 2.3 Überlegungen zum Abbruch In den Rampenbereichen außerhalb der Hauptfahrbahn konnten aufgrund der vorhandenen Erfahrungen im Projektteam relativ schnell die konventionellen Abbruchmethoden in Abhängigkeit der umgebenden Bebauung bzw. Infrastruktureinrichtungen festgelegt werden. Siehe hierzu auch Pkt. 5. Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Planung für den Brückenteil über der Hauptfahrbahn der A23. Wäre die A23 in diesem Abschnitt nicht auf einer Brücke geführt, so wäre ein konventioneller Abbruch über die Dauer eines Wochenendes möglich gewesen, so wie in den vergangenen Jahren bei ähnlichen Brücken in Wiener Raum schon durchgeführt. Abb.4 - Lichtraum A23 und abzutragende Brücke Die spezielle Situierung (zwei Brücken übereinander) verunmöglichte diese Variante jedoch. Es wurden weitere Überlegungen angestellt ob und wie Hilfsrüstungen eingebaut werden könnten, um die Brücke darauf aufzulegen und in kleinere Teile zu schneiden, aufgrund der Spannweite des Feldes von 32,7m hätten diese Konstruktionen jedoch eine enorme Bauhöhe gehabt. Somit hätten diese nur auf der Oberseite des Tragwerks angebracht werden können, was wiederum den erforderlichen Raum für den Abbruch beansprucht hätte. Eine Situierung unter der Brücke wäre aufgrund des geringen Lichtraumes von 4,70m viel zu riskant gewesen da mit einem Anprall von Fahrzeugen zu rechnen gewesen wäre. Auch ein Zurückziehen der Brücke über der Fahrbahn, also in etwa wie im Taktschiebeverfahren, nur rückwärts musste aufgrund der dabei entstehenden massiven Horizontalkrafteinwirkungen auf den Unterbau bzw. allfällige Hilfsjoche ebenfalls ausgeschlossen werden. Ebenfalls wurde der Aufbau von obenliegenden Kranbahnen angedacht, auf der die Brücke ähnlich wie bei einem Hallenkran zur Seite gefahren wäre, machbar jedoch hätten hier die Kosten den Nutzen wesentlich überstiegen. Nach rund drei Monaten intensiver und sehr kreativer Überlegungen war klar: die Brücke muss in einem Stück weg, und zwar nach oben. Wie auch beim Einheben neuer Brücken dachten wir zuerst an zwei Kräne, welche zu beiden Seiten der Hauptfahrbahn stehen. Dabei hätte zumindest ein Kran rund 225to bei 60m Auslegung heben müssen, die Nachforschungen über mögliche Hebegeräte führten sehr schnell zu der ernüchternden Erkenntnis, dass hierfür der zur Verfügung stehende Platz keinesfalls ausreichen würde. Letztendlich fiel die Wahl auf die Variante mit nur einem Kran, da hier die erforderliche Auslegung mit 34m wesentlich geringer ist, jedoch das gesamte Gewicht des Tragwerks, also rd. 550to, an nur einem Haken hängen würde. Dies stellt zwar eine sehr anspruchsvolle, nicht alltägliche Konfiguration für einen „Mobilkran“ dar, jedoch sind solche Kräne verfügbar. 526 5. Brückenkolloquium - September 2022 A 23 Autobahn Südosttangente Wien 3. Vergabephase Die ASFINAG ist ein öffentlicher Auftraggeber und somit an das Bundesvergabegesetzt gebunden, was einen formal hohen Aufwand bei der Beschaffung der Kranarbeiten mit sich brachte. Die Kranarbeiten sollten nicht mit den restlichen Bauleistungen in einem offenen Verfahren ausgeschrieben werden, da für die technisch erforderlichen Festlegungen und Planungen großes Fachwissen und Routine auf diesem Gebiet erforderlich sind, welches in der notwendigen im Projektteam nur bedingt vorhanden war. Die Kommunikation mit interessierten Bietern hatte jedoch im Sinne der Gleichbehandlung formalisiert und ohne Informationsvorteile für Einzelne zu erfolgen. Es wurde entschieden ein Verhandlungsverfahren durchzuführen, Basis dafür war die geometrische Konfiguration und der maximale Platz der auf der Baustelle zur Verfügung gestellt werden konnte. Von den Bietern sollte dann der passende Kran angeboten werden. Weil der Markt für Kranarbeiten dieser Dimension in Österreich nicht vorhanden ist, mussten erst potentielle Bieter in Europa gesucht und gefunden werden. Es konnten jedoch drei interessierte Bieter ausgemacht werden und nach insgesamt drei Verhandlungsrunden, bei denen die Bieter auch einige formale Hürden zu nehmen hatten, konnten die Kranarbeiten letztendlich im Mai 2020 an die Fa. Mammoet vergeben werden. Im Zuge des Verhandlungsverfahrens wurde auch der mögliche Ablauf der Hubarbeiten und der dazu passende Kran präzisiert, die Wahl fiel auf einen der größten verfügbaren Raupenkräne weltweit, einen Terrex-Demag CC 8800-1 mit einer Hebekapazität von beeindruckenden 1.600 to. 4. Planung der Kranbzw. Abbrucharbeiten 4.1 Kranstandort Der Kran konnte aufgrund der Geometrie des Kranstandortes in Längsrichtung der Brücke und des beschränkten Platzangebotes nicht stationär betrieben werden da sonst die Auslegung des Krans zu groß geworden wäre und auch der Hauptmast mit der Brücke kollidiert wäre. Deshalb musste mit der gesamten Last eine Drehung (1) ausgeführt werden um anschließend ca. 30m rückwärtsfahren (2) zu können um die Brücke neben der Autobahn abzulegen. Abb.5 - Bewegungsmuster Kran und Brücke Um ein sicheres Fahren des Krans unter Last zu gewährleisten war die Kranaufstandsfläche, welche in etwa die Größe eines Fußballfeldes aufwies, in einer absolut horizontalen Lage mit einer Tragfähigkeit von mind. 300 kN/ m2 herzustellen, was für den Erdbau eine große Herausforderung darstellte. Das zum Einsatz kommende Schüttmaterial wurde aus den zuvor abgebrochenen Brückenteilen gewonnen. Abb.6 - Herstellung der Kranaufstandsfläche 4.2 Hebekonstruktion Der auszuhebende Tragwerksteil wies, da in einer Kurve gelegen, eine entsprechende Längs- und Querneigung auf und war auf vier eingespannten Stützen gelagert. Allerdings war es erforderlich die Lage der Brücke in Bezug auf diese Neigungen beim Hub nicht zu verändern, um allfällige schädliche Lastumlagerungen in den Anschlagpunkten und im Gehänge jedenfalls zu vermeiden. Somit war es nicht möglich, die Anschlagpunkte unmittelbar am Brückendeck zu situieren, sondern es mussten massive Hebekonstruktionen geplant werden, die es ermöglichten alle vier Anschlagpunkte auf einer horizontalen Ebene zu situieren. Rücksicht musste auch auf den tatsächlichen Schwerpunkt des Tragwerks genommen werden, sodass eine horizontale Rotation in Längsrichtung aufgrund der Krümmung im Grundriss nach dem Abheben der Brücke vermieden wurde. Zudem war es wichtig das zusätzliche Gewicht so gering wie möglich zu halten. Es wurde eine leichte Konstruktion aus I-Trägern an beiden Enden der 5. Brückenkolloquium - September 2022 527 A 23 Autobahn Südosttangente Wien Brücke geplant, die jeweils mittels zwei Spannstangen DN70 zusammengehalten wurden. Abb.7 - Hebekonstruktion Planung Um Restrisiken aus der Herstellung ausschließen zu können, wurden sämtliche Schweißnähte mittels Magnetpulverprüfung abgenommen. Die Montage erfolgte auf einer Brückenseite vor dem Aufbau des Krans, auf der anderen Seite konnte diese wegen des darunterliegenden Verkehrs erst bei Vollsperre der Autobahn montiert werden. Abb.8 - Montage Hebekonstruktion 4.3 Trennen des Tragwerks von den Stützen Da das Tragwerk in den vier verbliebenen Stützen eingespannt war, mussten diese unmittelbar vor dem Hub mittels Seilsägen getrennt werden. Die Herausforderung hierbei war, dass die vier Schnitte synchron durchzuführen waren. Da Seilschnitte im Beton immer unvorhersehbare Komplikationen wie beispielsweise das Einklemmen oder Abreißen des Sägeseils mit sich bringen können wurden festgelegt die Schnitte mit mäßiger Arbeitsgeschwindigkeit durchzuführen um bei Problemen bzw. geringerer Schnittleistung einer Säge die anderen entsprechend steuern zu können. Ebenso war der Schnitt mit Stahlkeilen offen zu halten, sodass ein Einklemmen durch Absenken des oberen Stützenteils vermieden werden konnte. 4.4 Organisation und Öffentlichkeitsarbeit Ein Kran dieser Dimension welcher über eine Dauer von rd. 14 Tagen direkt neben der am stärksten befahrenen Autobahn Österreichs aufgebaut wird zieht natürlich das öffentliche Interesse auf sich. Diesbezüglich wurden zwei Medientermine abgehalten in deren Zuge auch nochmals die geplanten Vollsperren der Bevölkerung in Erinnerung gerufen wurden. Selbstverständlich wurde unsererseits auch auf allen zur Verfügung stehenden digitalen und analogen Kanälen berichtet. Für die Projektleitung aufwändig waren auch die zehn Führungen die in der Woche vor dem Hub für interessierte Personen durchgeführt wurden. Beim Hub selbst waren, aufgrund der damals herrschenden Beschränkungen in Bezug auf die Covid19-Pandemie nur 40 Personen zugelassen, für die ein eigener abgegrenzter Besucherbereich eingerichtet wurde. Auch den Medienvertetern wurde einen Platz mit sehr guter Aussicht auf die Arbeiten eingerichtet. Diese Gruppen mussten geführt und vor Ort betreut werden, was den Personalaufwand für diese „Begleitmaßnahmen“ nochmals erhöht hat. 5. Umsetzung der Abbrucharbeiten Der Aushub des Brückenteils in einem Stück war sicherlich der spektakulärste Vorgang, jedoch wurde der Großteil der Abbrucharbeiten mit anderen Methoden durchgeführt, die an dieser Stelle auch zu erwähnen sind. 5.1 Abbruch mittels Schneiden und Ausheben Für den Abbruch der Brücken wurden diese mit Seilschnitten von den bestehen bleibenden Brückenabschnitten getrennt, diese Schnitte sind jeweils nach herstellungsbedingten Koppelfugen situiert, sodass der verbleibende Rest der Spannkabel eine tragfähige Verankerung hat. Im Nahbereich der verbleibenden Brückenteile bzw. in der Nähe von Anrainern und den Gleisen der Österreichischen Bundesbahnen wurden die Tragwerke unterstellt und in kleinere Teile geschnitten, die dann mit einem handelsüblichen Mobilkran ausgehoben und danach zerkleinert und abtransportiert wurden. 528 5. Brückenkolloquium - September 2022 A 23 Autobahn Südosttangente Wien Abb.9 - Ausschneiden der Bodenplatte und des Brückendecks im Anschluss an bestehen bleibende Brücke Abb.10 - Unterstelltes, teilweise abgebrochenes Tragwerk im Nahbereich von Wohnhäusern 5.2 Konventioneller Abbruch Die vom Bestand und den umliegenden Bebauungen weiter weg liegenden Teile wurden mittels Baggerzange abgetragen, hierbei wurde die Betonstruktur rund um die Spann- und Bewehrungsstähle abgetragen und der jeweilige Abschnitt sukzessive rückgebaut. Abb.11 - Konventioneller Abtrag 5.3 Brückenaushaub Der Kran wurde mit insgesamt fast hundert Einzeltransporten auf die Baustelle gebracht und in zehn Tagen vor Ort montiert. Beeindruckend war es für uns zu sehen, wie präzise und routiniert diese Auf- und auch Abbauarbeiten durchgeführt wurden bei denen wirklich alles eine Nummer größer war als üblicherweise auf unserer Baustelle. Abb.12 - Kranmontage Für die Umsetzung der vorher beschriebenen Planungen der Kranarbeiten waren zwei Vollsperren der darunterliegenden A23 erforderlich, eine Maßnahme die seit Bestehen der Autobahn in diesem Umfang noch nicht geplanter Weise durchgeführt wurde. Die Zeitfenster wurden entsprechend der Verkehrszahlen gewählt und lagen in Nächten bzw. Morgenstunden am Wochenende um den 15. August 2021. In der ersten, sechs Stunden andauernden Sperre musste zunächst noch die zweite Hebekonstruktion an der Brücke montiert werden, danach wurde das Gehänge an der Brücke angeschlagen und mit geringer Last angezogen, sodass der korrekte Sitz aller Anschlagmittel und die Ausrichtung des Gehänges überprüft werden konnten. Wären hier beispielsweise ungleichmäßige Ausrichtungen im Gehänge aufgetreten, welche beim Hub selbst zu einer Überlastung einzelner Teile geführt hätte, wäre es noch möglich gewesen diese vor dem eigentlichen Hub zu korrigieren. Aufgrund der Dimensionen und des Gewichts des Gehänges war dafür der Tag zwischen den Sperren eingeplant, da alleine schon für diese Arbeiten zusätzliche Hebegeräte für die Manipulation erforderlich gewesen wären. Der Probelauf war jedoch erfolgreich und es waren keinerlei Adaptierungen erforderlich. Ebenso wurden bei dieser „Generalprobe“ die Laufwege der beiden Männer, die die Brücke mit einem Seil zu drehen hatten überprüft und noch geringfügig adaptiert. 5. Brückenkolloquium - September 2022 529 A 23 Autobahn Südosttangente Wien Abb.13 - angeschlagenes Gehänge Nach der erfolgreichen Probe wurde der Kran wieder zurückgesetzt, dies da ein verweilen des Auslegers mit Gehänge über der Autobahn die Unfallgefahr beim Betrieb unter Tags wesentlich erhöht hätte. Am Abend des 14. August war es dann soweit, die Autobahn wurde pünktlich um 22: 00 Uhr gesperrt und der Kran wieder in Position gebracht und das Gehänge erneut angeschlagen. Nach einem letzten Checkup wurde mit dem Schneiden der Stützen begonnen, dies bedeutete den „Point of no return“. Nun würde sich bald zeigen ob die Berechnungen des Schwerpunkts auch richtig waren. Wäre die Brücke nicht austariert gewesen hätte sie wieder auf die Stützen abgesetzt und das Gehänge umgebaut werden müssen. Abb.14 - Seilschnitt an einer Stütze Rechtzeitig mit Eintreten der Dämmerung und bei perfektem, nahezu windstillen Wetter waren alle vier Stützen getrennt und die Brücke war bereit für den Hub. Vielleicht einer der spannesten Momente im Verlauf dieser Nacht war das Abheben des Tragwerks. Die Berechnungen waren richtig, mit einer Differenz von nur zwei Zentimeter zwischen beiden Stützenachsen hob das Tragwerk von den Stützen ab und es war auch keine Längsrotation erkennbar. Nach dem Anheben wurde die Brücke mittels Seilen welche von jeweils nur einem Mitarbeiter der Kranfirma bedient wurde um rund 90 Grad gedreht und es konnte mit dem Zurückfahren des Krans begonnen werden. Abb.15 - ausgedrehte Brücke über der Autobahn Auch unter der vollen Last von insgesamt rd. 2.350 to hielt die Kranaufstandsfläche stand und es konnte der gesamte Weg ohne Komplikationen zurück gelegt werden. Abb.16 - retourfahren des Krans Nach insgesamt zwei Stunden Hubzeit große Lasten wollen langsam bewegt werden wurde das Tragwerk neben der Autobahn abgelegt, wo es konventionell zerkleinert und abtransportiert wurde. Abb.17 - abgelegte Brücke Nach insgesamt vier Jahren Vorbereitungzeit wurde das gesamte Team welches mit der Planung und Ausführung beschäftigt war mit einem perfektem Ablauf der Arbeiten 530 5. Brückenkolloquium - September 2022 A 23 Autobahn Südosttangente Wien ohne jegliche Zwischenfälle belohnt, was natürlich im Anschluss gebührend gefeiert wurde. Abb.18 - nach dem Hub Abschließend betrachtet war dies für mich als Bauingenieur eine sehr außergwöhnliche und bereichernde Erfahrung, da wirklich jeder der Projektbeteiligten mit vollem Einsatz, entsprechender Ernsthafigkeit und Professionalität an der Planung und Umsetzung mitgearbeitet hat. Jeder Teilaspekt wurde von allen Seiten beleuchtet und es gab für jede erdenkliche Abweichung einen Plan B. Fehlen durfte dabei auch nicht eine Priese Leidenschaft und Spaß, was letztendlich zu einem wirklich perfektem Ablauf der Arbeiten geführt hat, auf die wir mit Stolz zurück blicken.
