Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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2022
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Rückbau von Spannbetonbrücken
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2022
Caroline Barr
Gregor Schacht
Um die Standsicherheit beim Rückbau der Brücken zu bewerten, ist eine detaillierte Kenntnis des Zustands des Bauwerks unverzichtbar. Beim Rückbau von Brücken ist es häufig erforderlich, komplexe statische Bauzustände nachzuweisen, die maßgeblich vom Zustand der Brücke abhängig sind. Einzige Informationsquelle bilden häufig die Bestandsunterlagen, die aber nur begrenzte Informationen über den tatsächlichen Bauwerkszustand beinhalten. Um das Bestandsrisiko zu minimieren und die Planungs- und Ausschreibungssicherheit zu erhöhen, sind bauwerksdiagnostische Untersuchungen zwingend erforderlich. Ziele der Untersuchungen sind die Überprüfung der Geometrie, die Ermittlung von Materialeigenschaften sowie die erforderlichen abfallrechtlichen Untersuchungen. Aktuell fehlen bauaufsichtlich eingeführte und verbindliche Regelungen, insbesondere im Hinblick auf die Planung und Festlegung von Art und Umfang der Untersuchungen. Der Beitrag erläutert die Notwendigkeit der Bauwerksdiagnostik und stellt eine Methodik vor, mit der sich bei der Rückbauplanung von großen Bauwerken der komplexen Fragestellung nach Art und Umfang von erforderlichen Bestandsuntersuchungen genähert werden kann.
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5. Brückenkolloquium - September 2022 531 Rückbau von Spannbetonbrücken Der Bauwerkszustand als Herausforderung für die Rückbauplanung M. Sc. Caroline Barr Marx Krontal Partner, Hannover, Deutschland Dr.-Ing. Gregor Schacht Marx Krontal Partner, Hannover, Deutschland Zusammenfassung Um die Standsicherheit beim Rückbau der Brücken zu bewerten, ist eine detaillierte Kenntnis des Zustands des Bauwerks unverzichtbar. Beim Rückbau von Brücken ist es häufig erforderlich, komplexe statische Bauzustände nachzuweisen, die maßgeblich vom Zustand der Brücke abhängig sind. Einzige Informationsquelle bilden häufig die Bestandsunterlagen, die aber nur begrenzte Informationen über den tatsächlichen Bauwerkszustand beinhalten. Um das Bestandsrisiko zu minimieren und die Planungs- und Ausschreibungssicherheit zu erhöhen, sind bauwerksdiagnostische Untersuchungen zwingend erforderlich. Ziele der Untersuchungen sind die Überprüfung der Geometrie, die Ermittlung von Materialeigenschaften sowie die erforderlichen abfallrechtlichen Untersuchungen. Aktuell fehlen bauaufsichtlich eingeführte und verbindliche Regelungen, insbesondere im Hinblick auf die Planung und Festlegung von Art und Umfang der Untersuchungen. Der Beitrag erläutert die Notwendigkeit der Bauwerksdiagnostik und stellt eine Methodik vor, mit der sich bei der Rückbauplanung von großen Bauwerken der komplexen Fragestellung nach Art und Umfang von erforderlichen Bestandsuntersuchungen genähert werden kann. 1. Einleitung und Motivation Unsere Infrastruktur in Deutschland altert. Von den 40.000 Brücken, die sich im Netz der Bundesverkehrsstraßen befinden (Stand 2020), wurden die meisten Bauwerke in den Jahren von 1960 bis 1985 errichtet. Mit fortschreitender Lebensdauer der Brücken haben sich die Anforderungen an diese verändert: Der voranschreitende Alterungsprozess und die stetig steigenden Verkehrslasten reduzieren die Tragreserven und die Brücken werden zunehmend marode [1]. Basierend auf einer BASt-Brückenstatistik aus dem Jahr 2020 wird bei 12% der Brücken der Zustand als nicht ausreichend bzw. ungenügend bewertet [2]. Den Ingenieur: innen steht zur Bewertung von Bestandsbrücken u.a. die Nachrechnungsrichtlinie zur Verfügung mit der sich die Restnutzungsdauer des Brückenbauwerks ermitteln lässt [3]. Kann in der Nachrechnung, trotz der angepassten Nachweisverfahren, keine ausreichende Tragfähigkeit nachgewiesen werden, müssen weitergehende Maßnahmen wie eine Verstärkung oder ein Ersatzneubau ergriffen werden. Ist die Entscheidung für einen Ersatzneubau gefallen, liegt das Hauptinteresse natürlich auf dem neuen Bauwerk und der Rückbau des Bestandes wird häufig stiefmütterlich als ausschließliche Baufeldfreimachung betrachtet. 532 5. Brückenkolloquium - September 2022 Rückbau von Spannbetonbrücken Abb. 1: Prozentualer Anteil der Brückenflächen von Fernstraßenbrücken pro Bundesland, bei denen der Zustand als „nicht ausreichend“ bzw. „ungenügend“ bewertet wird. Datengrundlage Bast-Brückenstatistik 2020, [4] Allerdings ändert sich diese Wahrnehmung seit einigen Jahren insbesondere bei großen Talbrücken und Brücken mit außergewöhnlichen Randbedingungen, bei denen der Rückbau eine individuelle und komplexe tragwerksplanerische Ingenieuraufgabe darstellt. Dabei sind bei einem Rückbau im Vergleich zum Neubau nicht nur allein die komplexen statischen (Rück-) Bauzustände zu bewerten, sondern es sind auch die Einflüsse des (oftmals nicht ausreichend bekannten) Bauwerkszustandes auf die Tragsicherheit zu berücksichtigen. Für eine Planung und Nachweisführung des Rückbaus einer bestehenden Brücke existieren aktuell keine bauaufsichtlich eingeführten Regelwerke. Dies betrifft insbesondere auch Vorgaben oder Empfehlungen für die Planung und Festlegung der erforderlichen Bestandsuntersuchungen zur Schaffung einer soliden Planungsgrundlage. Auf Grund der fehlenden Richtlinien oder normativen Regelwerke ist in der Baupraxis in den letzten Jahren immer wieder der Regelungsbedarf aufgezeigt worden und mit Hilfe des DBV Arbeitskreises Brückenbau konnte eine erste Erfahrungssammlung zum Brückenrückbau erstellt werden [5]. Die Erkenntnisse aus dieser Erfahrungssammlung dienten als Grundlage für erste Überlegungen und Ausarbeitungen zu einem Entwurf einer Richtlinie für den Rückbau, die Regelungen für den Rückbau von Spannbetonbrücken und die Bewertung von Bestandsbauwerken beinhaltet [6]. 2. Rückbau von Spannbetonbrücken Seit den ersten Ersatzneubauten von Spannbetonbrücken der Bundesautobahn in den 2010er Jahren war das Thema Rückbau vor allem eine Aufgabe der Ausführung. Während der Neubau im Entwurf detailliert geplant wurde, wurde der Rückbau dagegen nur in groben Zügen beschrieben, Bauwerkszustände meist nur mäßig betrachtet, konservative Lösungen ausgeschrieben oder die Variante „Rückbau 1-Pauschal“ gewählt. Damit wurde die detaillierte Planung, was sowohl die Bautechnologie, die Nachweisführung, die Bestandsbewertung als auch das Risiko umfasst, vollständig in die Verantwortung der bauausführenden Firma gegeben [7]. Doch mit den steigenden Anforderungen insbesondere denen aus dem Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren gewinnt der Rückbau an Bedeutung und wird oftmals zu einem wichtigen Kriterium bei der Realisierung eines Projektes. Aus diesem Grund wird es immer wichtiger den Rückbau analog zum Neubau objekt- und tragwerkplanerisch in den verschiedenen Leistungsphasen zu untersuchen. Grundsätzlich werden in den unterschiedlichen Leistungsphasen unterschiedliche Ziele verfolgt. In der Entwurfsplanung ist der planende Ingenieur verpflichtet eine genehmigungsfähige, risikoarme und wirtschaftliche Lösung zu erarbeiten. Dazu müssen zunächst alle für die Planung des Rückbaus relevanten Randbedingungen und Informationen ermittelt werden. Dies ist insbesondere für die Erstellung einer umfänglichen Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung wichtig und bildet die Grundlage für die Ausführung. Der Ausführende muss auf Basis dieser Informationen ein altersschwaches Bauwerk zurückbauen. Deshalb müssen die in der Entwurfsplanung getroffenen Rechenannahmen in der Ausschreibung lückenlos dokumentiert werden, denn diese bilden für den Ausführenden die Grundlage für seine Ausführungsplanung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der AN mit einem Sondervorschlag die volle Verantwortung für den Rückbau und die Standsicherheit in allen Rückbauzuständen übernimmt. Maßgebend bei der Rückbauplanung ist sowohl für den Entwurf als auch bei der Ausführung eine ausreichend zuverlässige Information über den tatsächlichen Zustand des Bestandbauwerks. Aus Herstellungs-, Alterungs- und Schädigungsprozessen entstehen Mängel und Schäden am Bauwerk, welche den Rückbau maßgeblich beeinflussen können. Ein Verzicht auf der Planung vorausgehende Beprobungen und Untersuchungen des Bauwerks birgt sowohl ein großes Risiko für den AG, der ein sicheres und wirtschaftliches Projekt ausschreiben will, als auch für den AN in der späteren Ausführung. 5. Brückenkolloquium - September 2022 533 Rückbau von Spannbetonbrücken Durch begleitende stufenweise vertiefende bauwerksdiagnostische Untersuchungen während der Vor- und Entwurfsplanung kann die Planungs- und Ausschreibungssicherheit deutlich erhöht werden. Mit den gewonnenen Ergebnissen aus der Bauwerksdiagnostik kann die konstruktive Machbarkeit des Rückbauentwurfs abgesichert und Rechenannahmen durch die realistische Annahme von Bauwerksparamatern überprüft und optimiert werden. Das Bestandrisiko (welches immer bei dem Bauherrn liegt) wird so maßgeblich reduziert. Darüber hinaus werden Bestandsuntersuchungen für die abfallrechtliche Klassifikation der zu entsorgenden Materialien benötigt. Diese ist i.d.R. fester Bestandteil des Genehmigungsverfahrens. Eine Festlegung der abfallrechtlichen Klassifikation der zu entsorgenden Materialien und möglicher „versteckter“ Schadstoffe zu einem möglichst frühen Zeitpunkt reduziert das Zeitrisiko und erhöht die Sicherheit im Genehmigungsverfahren. Neben der Erhöhung der Planungs- und Ausführungssicherheit ist der Ansatz reduzierter Teilsicherheitsbeiwerte ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil einer gründlichen Bestandserfassung. Werden die Teilsicherheitsbeiwerte der Eigenlasten reduziert, so lassen sich Lasten auf Traggerüste, Hilfsgründungen etc. reduzieren [8]. Durch die daraus resultierende optimierte Dimensionierung der Traggerüste, Hilfsgründungen etc. können die Kosten für den AG z.T. deutlich reduziert werden. Dabei ist zu beachten, dass durch eine Reduktion der Teilsicherheitsbeiwerte nicht die Ausführungssicherheit reduziert wird, sondern durch eine realistische Geometrieerfassung und Wichtebestimmung, der Rückbau wirtschaftlicher erfolgen kann. Der planende Ingenieur ist in der Entwurfs- und Ausführungsplanung verantwortlich für die Standsicherheit des Bestandsbauwerkes während aller Rückbauzustände. Um die Nachweise verantwortungsvoll und sicher erbringen zu können, muss er aber das für Neubauten eingeführte technische Regelwerk verlassen und sich mit für die Rückbaumaßnahme spezifischen Nachweismodellen behelfen. Der Bedarf nach einem Regelwerk für den Rückbau wird an vielen Stellen ersichtlich [8], [9], [10], [11], [12] und ist aufgrund der großen Anzahl von Rückbauprojekten, die täglich von den planenden Ingenieuren und ausführenden Firmen verantwortet wird, längst überfällig. Abb. 2: Stufenweise detaillierte Bestandsuntersuchungen 3. Diagnostische Untersuchungen 3.1 Methodik Die Bestandserfassung durch diagnostische Untersuchungen erfolgt stufenweise. Das dient zum einen dem Wirtschaftlichkeitsbegehren des Auftraggebers (so viele Untersuchungen wie nötig, so wenig wie möglich) gerecht zu werden und ermöglicht zudem eine detaillierte, individuelle Planung der Bestandsuntersuchungen auf Basis der sukzessiven gewonnenen Erkenntnisse. Analog zur Planung von Neubauten gilt dementsprechend auch bei der Rückbauplanung: mit zunehmender Planungstiefe (LPH1- LPH3) sind stufenweise detailliertere (Bestands-) Untersuchungen anzustellen. Sowohl in Stufe 1 als auch in Stufe 2 erfolgt die Erfassung bzw. Überprüfung der Bauwerksgeometrie, die statisch-konstruktiven Untersuchungen wie auch die chemisch-physikalischen Untersuchungen. LPH 1: Grundlagenermittlung In der Grundlagenermittlung gilt es die Bestandsunterlagen zu analysieren und die Bestandspläne zu sichten. Die Unterlagen ermöglichen einen Überblick über den geplanten Zustand des Bauwerks sowie dessen planmäßige Eigenschaften und Parameter. Häufig sind die Pläne jedoch nicht vollständig und es bleibt die Unsicherheit über Abweichungen zwischen Ist- und Sollzustand. Darüber hinaus erlauben Bestandspläne keinen zuverlässigen Rückschluss auf den Ist-Zustand des Bauwerks. Vorplanung: Diagnostische Untersuchungen Stufe 1 Im Rahmen der bauwerksdiagnostischen Voruntersuchungen (Stufe 1) werden orientierende Untersuchungen am Bauwerk durchgeführt, um einen Gesamteindruck des Bauwerks zu erhalten. Die Ziele der Stufe 1 sind die erste Beurteilung der Betoneigenschaften, der Abgleich des Bestands mit den Planunterlagen, die Beurteilung von Schäden und die Beurteilung der Spanngliedlage. Bestandteil der Untersuchungsstufe sind sowohl lokale, zerstörungsfreie Untersuchungen als auch vereinzelnde zerstörungsarme Untersuchungen. Die zerstörungsfreien Untersuchungen werden zur Beurteilung der Betoneigenschaften (Gefüge, Homogenität) und zum stichprobenhaften Abgleich des Bestands mit den Planunterlagen (Spannglied- und Fugenlage) durchgeführt. Die zerstörungsarmen Prüfungen wie die Bohrkernentnahme, Sondierungen oder 534 5. Brückenkolloquium - September 2022 Rückbau von Spannbetonbrücken auch Öffnungen von Spanngliedern ermöglichen den Rückschluss auf Materialeigenschaften und -Parameter, bieten einen Eindruck des Zustands von Bauwerk inkl. der nicht sichtbaren Eigenschaften und ermöglichen eine erste abfallrechtliche Untersuchung. Auf Grundlage der diagnostischen Untersuchungen in Stufe 1 kann folgend eine detaillierte Untersuchungsplanung, inkl. Untersuchungsorte und nötigen Untersuchungsumfang erfolgen. Entwurfsphase: Diagnostische Untersuchungen Stufe 2 Auf die diagnostischen Untersuchungen der Stufe 1 folgen die vertiefenden Bauwerksuntersuchungen der Stufe 2. Durch das stufenweise Vorgehen soll eine geeignete Datenbasis für die rechnerischen Untersuchungen der Rückbauplanung geschaffen werden bei gleichzeitig iterativer Anpassung des Untersuchungsumfangs bzw. -aufwands. In der Stufe 2 werden zerstörungsfreie und zerstörungsarme Methoden angewandt, um den erforderlichen Eingriff in den Bestand möglichst zu minimieren. Durch die teilflächige zerstörungsfreie Bestandserfassung können invasive Untersuchungen auf ein Minimum reduziert werden. Ein Mindestmaß an zerstörungsarmen Untersuchungen ist jedoch zur Korrelation, Plausibilisierung und Validierung in jedem Fall erforderlich. Voraussetzung für eine fachgerechte Auswertung und Bewertung der zerstörungsfreien Messungen ist die Durchführung von Nullmessungen in vergleichsweise ungestörten Bereichen (keine Hinweise auf Gefügestörungen, geringer Anteil Spannglieder, geringer Anteil Bewehrungsstahl). Diese können beispielsweise vorgezogen vor den Untersuchungen im Zuge der Festlegung der Untersuchungsbereiche erfolgen. An den Ergebnissen der Nullmessungen können teilflächige Messungen im weiteren Verlauf „kalibriert“ werden, mögliche Einflüsse aus dem hohen Anteil an Spanngliedern oder den vorhandenen Gefügestörungen können dadurch berücksichtigt werden (Qualitätssicherung). In Abhängigkeit der Komplexität des Bauwerks und der Aufgabenstellungen des Rückbaus sind aufbauend auf den resultierenden Untersuchungsergebnissen der Stufe 2 weiterführende Untersuchungsstufen möglich. Anlass dafür kann beispielsweise der Bedarf einer lokalen Erhöhung des Stichprobenumfangs aufgrund stark schwankender Materialkenndaten sein (Verdachtsfälle und gravierende Abweichungen vom Erwartungswert). 3.2 Ermittlung Bauwerksgeometrie Als Grundlage für die Rückbauplanung, den Soll-Ist-Abgleich, die Kollisionsprüfung mit dem Neubau sowie für eine mögliche Reduktion des Teilsicherheitsbeiwerts der Eigenlasten ist die Erfassung der Bauwerksgeometrie im Innen- und Außenbereich der Brücke erforderlich. Vor Beginn der Vermessungsarbeiten ist eine Abstimmung zwischen den Planern und den Vermessern erforderlich, um Anforderungen und Details in ausgewählten Bauwerksabschnitten festzulegen. Das gewünschte Ergebnis der Vermessungsarbeiten ist ein vektorisiertes 3D-Geometriemodell des Bestandes (as-build), aus dem in ausgewählten Bauwerksschnitten ein geometrischer Soll-Ist-Abgleich durchgeführt werden kann. Die Anforderungen der Vermessung sind projektspezifisch festzulegen. Zur Erfassung des Brückenkörpers hat sich ein terrestrischer 3D-Laserscan bewehrt, mit dem zugleich die Außengeometrie als auch ggf. die Geometrie des Hohlkastens erfasst werden kann. Die lokale Genauigkeit der Punktwolke ist mit mindestens +/ -10mm festzulegen, die Absolutgenauigkeit in Relation zum Festpunktfeld mit +/ -10mm. Eine Punktdichte mit einem Punktabstand von max. 20mm ist zu empfehlen. Darüber hinaus sind die Messungen von Vegetation und autotrophen Störfaktoren zu bereinigen. Der Laserscan erlaubt im Anschluss die Erstellung eines 3D CAD Modells mit hohem Detaillierungsgrad. Die Eigenschaften des 3D CAD Modells sind individuell auf das Projekt abzustimmen und festzulegen. Dieses ermöglicht den benötigten Soll-Ist-Abgleich des Bestandes, um hieraus die Grundlagen für die Rückbauplanung ableiten zu können und bei Bedarf eine Kollisionsprüfung mit dem Neubau durchzuführen. Für die Absicherung von geometrischen Ungenauigkeiten und verschiedene Beschaffenheiten des Materials werden die Nachweise in der Tragwerksplanung mit Teilsicherheitsbeiwerten geführt. Durch eine genaue Erfassung der Bauwerksgeometrie und der Wichte des Betons kann ein Soll-Ist-Abgleich stattfinden und die reale Geometrie inkl. des wirklichen, existenten Gewichts des Bauwerks festgestellt werden. Unsicherheiten des Bestandes können hierdurch reduziert werden. In der Rückbauplanung kann dieses Wissen durch die Reduktion der Teilsicherheitsbeiwerte zu einer Verbesserung der Ausnutzung der vorhandenen Materialien beitragen [8], [13]. An dieser Stelle wird das für Neubauten ausgelegte Sicherheitskonzept der Eurocodes verlassen und es ist eine Zustimmung im Einzelfall mit Prüfer und Bauherr zu vereinbaren. Lasten auf Traggerüste und Hilfsgründungen können durch die realistischere Annahme des Bauwerks reduziert werden. Die daraus resultierende, optimierte Dimensionierung der Hilfsgerüste, Traggerüste etc. kann zur Wirtschaftlichkeit des Projekts beitragen. Abb. 3: 3D-Punktwolke eines Brückenfeldes, Aufnahme mit einem terrestrischen 3D-Laserscan [14] 5. Brückenkolloquium - September 2022 535 Rückbau von Spannbetonbrücken 3.3 Statisch Konstruktive Untersuchungen Der Bedarf statisch-konstruktiver Untersuchungen resultieren aus den Fragestellungen zur rechnerischen Bewertung der verschiedenen Rückbauzustände. Gegenstand dieser diagnostischen Bauwerksuntersuchungen der Stufe 2 sind die Ermittlung der Materialeigenschaften des Betons der Überbauten und Unterbauten, die Beurteilung von Art, Lage und Zustand der Spannglieder der Überbauten sowie die Erkundung von möglichen verdeckten Schäden wie Risse, Abplatzungen oder Korrosion. Für die Planung des Rückbaus gilt es den Bestand so gründlich wie nötig, mit so geringem Aufwand wie möglich, zu untersuchen. Insbesondere bei großen Bauwerken (getrennte Teilbauwerke, mehrere Pfeiler, lange Bauzeit o.ä.) stellt sich die Frage nach der Festlegung der zu beurteilenden Grundgesamtheit. Die Definition des Begriffes der Grundgesamtheit wird in der Statistik als diejenige Menge eines Bauwerks definiert, über die eine Aussage getroffen werden soll. Ein Bauwerk kann dabei je nach Größe und Beschaffenheit in mehrere Grundgesamtheiten unterteilt werden. Das können z.B. einzelne Teilbauwerke, gleiche Herstellverfahren oder einzelne Betonierabschnitte sein. Um die zu beurteilenden Grundgesamtheiten eines Bauwerks festzulegen, gibt DIN EN 13791 vor, das Gesamtbauwerk in Prüfbereiche aufzuteilen. Einzelne Prüfbereiche zur Erfassung der Grundgesamtheit sind dabei ingenieursmäßig festzulegen. Maßgebend hierbei ist die Beurteilung von Bauteilen/ Bauabschnitten mit vergleichbaren Eigenschaften. Als Beurteilungsfaktor für den Betons kann das mit der Identitätsprüfung der Druckfestigkeit verbundene, festgelegte Volumen in Anlehnung an die DIN EN 206 herangezogen werden. Hierbei wird festgelegt, dass der Beton, welcher innerhalb einer Woche zur Baustelle geliefert wird, jedoch nicht mehr als 400 m³, derselben Grundgesamtheit zugerechnet werden kann [15] [16]. In Anlehnung an die DIN EN 13791 zur Untersuchung der Druckfestigkeit von Bestandsbetonen ist jede Grundgesamtheit des Bauwerks mit zerstörungsarmen Probeentnahmen zu untersuchen. Je Prüfbereich sind mindestens 8 Bohrkerne für eine Aussage zur Grundgesamtheit zu ziehen. Die Anzahl der zu entnehmender Materialproben kann dementsprechend insbesondere bei großen Bauwerken auf Grund der enormen Betonmenge zu einem sehr großen Beprobungsumfang mit entsprechend viel Aufwand führen. Eine Reduktion der Prüfbereiche kann gem. der DIN EN 13791 durch Zusammenfassung vergleichbarer Bauteile erfolgen. Innerhalb der Prüfbereiche werden in Abhängigkeit von Feldlängen, Fugen, Bauteilgeometrie o.ä. jeweils Untersuchungsbereiche abgeschätzt. Durch die Kombination aus teilflächiger zerstörungsfreier Messung und lokaler zerstörungsarmer Probeentnahmen kann die vorgeschlagene Anzahl der Probeentnahmestellen aus der Norm reduziert werden. Der Beprobungsaufwand und -umfang kann durch ergänzende zerstörungsfreie Messungen reduziert werden [15]. Auch die Anzahl der Untersuchungsbereiche für die Überprüfung von Lage und Zustand der Spannglieder sowie die Erkundung von Verpresszuständen orientiert sich an dieser Herangehensweise mit der Einteilung der Prüfbereiche abhängig von herstellungsbedingten oder geometrischen Eigenschaften des Bauwerks. Dabei erlaubt das Herstellungsjahr des Bauwerks erste Hinweise auf die Erfahrungen mit Spanngliedern und damit auf die Qualität der Arbeiten. Neben den Überbauten sind auch die Betoneigenschaften der Pfeiler für die meisten zu untersuchenden Rückbauvarianten von großer Relevanz und sollten bei der Beprobung berücksichtigt werden. Innerhalb der Untersuchungsbereiche sind ebenfalls teilflächige zerstörungsfreie Messung und zerstörungsarme Probeentnahmen zu empfehlen. 3.3.1 Materialparamater Ziel der diagnostischen Untersuchungen Stufe 2 ist unteranderem die realistische Annahme der Materialparameter. Dazu gehören insbesondere die charakteristische Betondruckfestigkeit eines Bauwerks, die Betongüte, die Rohdichte und die Gefügeeigenschaften des Betons. Abb. 4: Messraster im Überbau bei diagnostischen Untersuchungen 536 5. Brückenkolloquium - September 2022 Rückbau von Spannbetonbrücken Für die realitätsgetreue Bestimmung einer charakteristischen Betondruckfestigkeit bzw. Wichte des Bauwerks ist eine statistische Analyse der Bauteiluntersuchungen erforderlich. Um die erforderliche Anzahl an Bohrkernen zu minimieren und trotzdem eine ausreichend große Stichprobe für eine Bestimmung der Eigenschaften der Grundgesamtheiten zu haben, empfiehlt sich eine kombinierte Bewertung aus zerstörungsarmen und zerstörungsfreien Prüfverfahren gemäß DIN EN 13791 [15]. Für die statistische Auswertung ist eine Information über den Mittelwert (aus zerstörungsarmer Bohrkernentnahme) und die Streuung der Materialeigenschaften der Stichprobe (aus teilflächigen zerstörungsfreien Ultraschalllaufzeit- und Rückprallhammermessungen) erforderlich. Mithilfe der teilflächigen, zerstörungsfreien Messungen in einem definierten Messraster werden Aussagen zur Homogenität des Betons (indirekte Beurteilung der Festigkeit und Festigkeitsverteilung) abgeleitet (siehe Abb.4). Die Rückprallhammerprüfungen geben Aussagen zur oberflächennahen Betongüte und die Ultraschalllaufzeiten zur Betongüte im Volumen (Bauteilstärke). Sie dienen außerdem der Festlegung konkreter Bohrkernentnahmestellen vor Ort. Die Durchführung der Messungen orientiert sich am Merkblatt zu Ultraschallverfahren der DGZfP und den DIN-Normen [17], [18], [19]. Die Messungen haben durch mit zerstörungsfreien Messverfahren im Bauwesen erfahrene Fachingenieure zu erfolgen. Die teilflächigen Messungen erfolgen bereichsweise über die ganze Bauteilhöhe und werden zur Validierung der tatsächlichen Geometrie lokal durch zerstörungsarme Sondierungsbohrungen (ø 25 mm) ergänzt. Anhand der entnommenen Bohrkerne (ø 100 mm) können ausgewählte Materialparameter, bspw. die Rohdichte und die Betondruckfestigkeit, ermittelt sowie die Gefügeeigenschaften (Zusammensetzung, Homogenität, Zustand) direkt beurteilt werden. Die Ermittlung der Druckfestigkeit von Beton aus Bestandsbauwerken erfolgt in Anlehnung an DIN EN 13791 sowie DIN EN 12504-1 [15] [20]. Die ermittelten Ultraschalllaufzeiten, Rückprallwerte und die Bohrkernfestigkeiten werden miteinander korreliert, um einen Gesamtüberblick über die Festigkeitsverteilung zu erhalten. Die genaue Lage der Bohrungen wird auf Grundlage der Ortung von der schlaffen Bewehrung sowie der Spannbewehrung festgelegt. Die Bohrkernentnahmestellen sind im Anschluss an die Dokumentation mit einem geeigneten Betonersatzmaterial (PCC einschließlich Haftbrücke) zu verschließen. Die entnommenen Bohrkerne können im Anschluss an die Ermittlung der charakteristischen Eigenschaften des Betons (Wichte und Festigkeit) auch für die abfallrechtliche Klassifikation verwendet werden. 3.3.2 Materialgefüge Im Laufe des Nutzungszeitraumes von Brücken kann es zu unterschiedlichen Gefügestörungen im Beton kommen. Das können bspw. Risse oder Kiesnester sein. Diese gilt es in der Stufe 2 der bauwerksdiagnostischen Untersuchungen zu lokalisieren, Art und Umfang zu dokumentieren und entsprechend auszuwerten. Das gilt sowohl für die Überbauten als auch für die Pfeiler. Die Erkundung des Betongefüges erfolgt im Wesentlichen zerstörungsfrei durch teilflächige Radar- und Ultraschallmessungen. Zur Validierung der Ergebnisse aus den zerstörungsfreien Beprobungen werden lokal zerstörungsarme Sondierungsbohrungen (ø 25 mm) bzw. Kernbohrungen (ø 50 mm) angelegt und mit dem Videoendoskop befahren. Abb. 5: Horizontale Radarmessung ca. 0,3 m über OKF 3.3.3 Lage der Koppelanker und Zustand von Spannstahl Als Grundlage für einen Abgleich der Bestandsunterlagen mit dem tatsächlich gebauten Bestand ist die Ist-Lage der Koppelanker zu erfassen. Dies ist insbesondere bei erforderlichen Trennschnitten wie bei Rückbauten auf Vorschubbrüstung oder bei Freirückbauten ein wesentlicher Aspekt bei der Rückbauplanung. Die Lokalisierung hinsichtlich des Abstandes in Längsrichtung sowie der Höhenlage im Steg oder Platte kann mittels Georadars erfolgen. Mit Hilfe des Georadars können in Abhängigkeit der Bauteiloberfläche sowie möglicher Referenzpunkte zur Lokalisierung im Bauwerk Genauigkeiten von etwa ± 1 cm erzielt werden. Besteht der Verdacht auf oberflächenparallele Risse/ Spaltrisse im Bereich der Koppelstellen, können diese ebenfalls untersucht werden. Sind in den Radarmessdaten entsprechende Auffälligkeiten erkennbar, so können an den betreffenden Stellen ergänzende Ultraschalluntersuchungen durchgeführt werden. Die Lageüberprüfung erfolgt im Hohlkasteninneren. Neben der Lage der Koppelfugen sind für die Nachweise des Bestandbauwerks während der Rückbauphase die Verpresszustände und damit die Verbundeigenschaften der Spannglieder erforderlich. Insbesondere die Beurteilung der Verbundeigenschaften zwischen Spannstahl und Beton stellt einen wichtigen Faktor bei der Rückbauplanung dar (Abbruch des Überbaus in Herstellrichtung). Gleichzeitig gibt der Verpresszustand einen Hinweis auf die zu erwartenden Korrosion der Spannstähle. Entsprechend den allgemeinen Erfahrungen sind Verpressfehler 5. Brückenkolloquium - September 2022 537 Rückbau von Spannbetonbrücken technologisch bedingt an den Hochpunkten der Spannglieder am wahrscheinlichsten. Hinzu kommen mögliche Schäden infolge chloridinduzierter Korrosion an den obenliegenden Spanngliedbereichen der Längsvorspannung und der Quervorspannungen. Anzeichen für mögliche Schädigungen können unter anderem Durchfeuchtungen und Salzausblühungen an der Hohlkasteninnenseite sein. Zur Lokalisierung und Feststellung des Zustands werden lokale Sondierungsöffnungen der Längsspannglieder (möglichst nahe der Spanngliedhochpunkte) sowie der Querspannglieder (von der Hohlkasteninnenseite aus) durchgeführt. Dabei werden der Korrosionszustand von Hüllrohr und Spannstahl sowie der Verpresszustand dokumentiert, der Verpressmörtel wird für weiterführende Laboruntersuchungen entnommen. In ausgewählten Bereichen können darüber hinaus Rückdehnungsmessungen zur Erfassung der vorhandenen Vorspannung durchgeführt werden. Dafür wird das Spannglied über etwa 60-100 cm Länge freigelegt, das Hüllrohr geöffnet, der Verpressmörtel schonend entfernt und eine zugängliche Spannlitze mit einem Dremel durchtrennt. Auf der Spannlitze wird vor dem Trennschnitt ein Dehnmessstreifen (DMS) appliziert, der mit einer vergleichsweisen hohen Messfrequenz die Dehnung im Stahl erfasst; die Messdaten werden über den Kurzzeitversuch kontinuierlich aufgezeichnet. Abb. 6: Lokale Sondierungsöffnungen, Applizierung von DMS zur Rückdehnungsmessung Nach der Rückdehnungsmessung wird die ausgewählte Spannlitze für weiterführende Laboruntersuchungen (Stahlgefüge, Zugfestigkeit, Bruchdehnung) entnommen. Die Auswahl der Lage der Untersuchungsbereiche erfolgt unter Berücksichtigung der rechnerischen Bewertung. Darüber hinaus ist der Verpresszustand der Spannglieder partiell zerstörungsfrei durch Ultraschallmessungen zu beurteilen. Die Durchführungen der Messungen orientieren sich am Merkblatt zu Ultraschallverfahren der DGZfP und hat durch mit zerstörungsfreien Messverfahren im Bauwesen erfahrene Fachingenieure zu erfolgen [6]. Die zerstörungsfreien Messungen werden anhand der zerstörungsarmen Sondierungsöffnungen oder alternativ mithilfe von Sondierungsbohrungen (ø 25 mm) validiert. Die Spanngliedöffnungen sind im Anschluss an die Dokumentation mit einem geeigneten Betonersatzmaterial (PCC einschließlich Haftbrücke) zu verschließen. Abb. 7: Zerstörungsfreie Prüfung eines Spanngliedes mittels Ultraschallverfahren [21] 3.4 Chemisch-physikalische Untersuchungen Für das Genehmigungsverfahren des Rück- und Ersatzneubaus ist auch die Erstellung von Verwertungs- und Entsorgungskonzepten, inkl. der erforderlichen Logistikkonzepte, notwendig. Die dafür erforderlichen Beprobungen erstrecken sich über das gesamte Bauwerk und umfassen die Ermittlung der Materialeigenschaften hinsichtlich ihrer Wiederverwendbarkeit und die Untersuchung von Schadstoffen. Gemäß Mantelverordnung des Bundes sind die Abfallmaterialien auf Schadstoffe zu untersuchen und zu klassifizieren [neue Fassung ab 01.08.2023]. Nach LAGA ist die stoffliche Verwertung gesetzlich vorgegeben und ist bereits im Genehmigungsverfahren vorzulegen [22]. Zu möglichen Schadstoffen und Belastungen können zählen: - Asbest (Abstandshalter, Farben, Abdichtungen, Rohrdurchführungen) - PCB (Farben) - PAK (Schwarzanstriche, Dichtungsbahnen, Vergussmassen, Asphalt, Betonbeschichtung) - Schwermetalle (Farben, Schutzanstriche) - Chloride, Sulfate, Treibminerale (Beton) Für die Untersuchung des Bauwerksbetons können i.d.R. Teilstücke der Bohrkerne aus den vorbeschriebenen statisch-konstruktiven Untersuchungen verwendet werden, wodurch der Beprobungsumfang nicht unnötig erhöht wird. 538 5. Brückenkolloquium - September 2022 Rückbau von Spannbetonbrücken Für die Konzeption und Umsetzung der Probeentnahmen sowie die Durchführung der erforderlichen Laboruntersuchungen ist die frühzeitige Einbindung eines Schadstoffgutachters zu empfehlen. Konkrete Anforderungen an das zu erstellende Schadstoffgutachten, z.B. durch einen Schadstoffgutachter der entsprechenden Länder sind durch den AG zu definieren. 4. Erfahrungen Wie eingangs erläutert, fehlen für den Rückbau, vor allem für den Rückbau von Großbrücken, normative Regelungen und Richtlinien, an denen sich die Rückbauplanung verbindlich orientieren kann. Das diesbezüglich ein Regelungsbedarf besteht, hat die Praxis in den vergangenen Jahren immer wieder aufgezeigt. Um eine Grundlage für eine Richtlinie die den Rückbau, die Regelungen für den Rückbau und die Bewertung von Bestandsbauwerken beinhaltet zu schaffen, wurde mit Hilfe des DBV Arbeitskreises Brückenbau eine Erfahrungssammlung zum Rückbau von Großbrücken erstellt [5]. Die Erfahrungssammlung zeigt deutlich auf, dass die Abbruchplanung bzw. Abbruchausführung von großen Brücken sehr hohe Anforderungen für den Planer und den Ausführenden birgt. Abhängig der Rückbaumaßnahme, welche sich immer am Bestand und den örtlichen Gegebenheiten orientiert, spielt bei den meisten Rückbauvarianten die Bewertung des Bestandes eine wesentliche Rolle, um eine sichere Ausführung garantieren zu können. Beispiel: Lahntalbrücke Limburg Die Lahntalbrücke Limburg ist ein Spannbetondurchlaufträger mit zwei Überbauten mit Kastenquerschnitt. Der Überbau wurde im Freivorbau hergestellt, wobei die Herstellung von beiden Widerlagern aus gleichzeitig erfolgte. Für den Rückbau der Brücke wurde ein feldweises Herablassen der Segmente mittels Litzenhebern ausgeschrieben. Die der Ausschreibung beigefügten Bestandsunterlagen waren sehr undurchsichtig. Im Vorfeld der Ausschreibung wurden keine weiteren Bestandsuntersuchungen durchgeführt. Dass der Amtsentwurf keine wirtschaftliche Lösung auf Grund von zusätzlich notwendigen, erheblichen zusätzlichen konstruktiven Maßnahmen und der Problematik von nahezu keinen Tragreserven im Endzustand der Brücke darstellt, zeigte das eingereichte Nebenangebot. Dieses Nebenangebot sah den im Vergleich zum Amtsentwurf wirtschaftlicheren Abbruch auf Vorschubbrüstung vor. Um das Bauwerk realistisch zu bewerten und die Ausführung wirtschaftlich gestalten zu können, sah das durch den AN vorgebrachte Sicherheitskonzept die Reduzierung der Teilsicherheitsbeiwerte der Eigenlasten vor. Hierfür wurde im Nachweisverfahren von den im EC2 vorgesehenen Teilsicherheitsbeiwerten abgewichen und stattdessen auf den in der Nachrechnungsrichtlinie enthaltenden Voraussetzungen und Randbedingungen für die Reduktion der Teilsicherheitsbeiwerte, Bezug genommen [5]. Die Reduktion der Teilsicherheitsbeiwerte erfolgte im Rahmen prüfstatischer Abstimmungen. Für die Reduktion der Teilsicherheitsbeiwerte ist die Geometrie und die Wichte des Bauwerks entscheidend (siehe Kapitel 2). Die Umsetzung des Konzeptes erfolgte mittels umfangreicher Bestandsuntersuchungen. Wichte: Pro Überbau wurden ca. 30 Bohrproben zur Bestimmung der Wichte gezogen. Diese wurden auf der ganzen Länge des Bauwerks entnommen, um die Gleichmäßigkeit der Betonwichte beurteilen zu können. Je Überbaufeld wurden mind. 4 Proben, an unterschiedlichen Querschnittsbereichen des Hohlkastens, genommen. Darüber hinaus wurden zur Verifizierung der Untersuchungsergebnisse zerstörungsfreie Rückprallhammer-Prüfungen durchgeführt (vgl. Abschnitt 3.3). Geometrie: Für die Geometrieerfassung wurde ein Soll- Ist Abgleich der Bestandsgeometrie von ausgewählten Bauteilen durchgeführt. Eine Geometrieerfassung der gesamten Brücke war auf Grund der örtlichen Gegebenheiten und aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sowie nicht nötig. Die Geometrieerfassung erfolgte mittels Laser-Distanz-Sensoren im inneren des Kastens, zudem wurden die Querschnittsdicken an allen vorhandenen Bauteilöffnungen geprüft. Nach der Probenentnahme und der Geometrieerfassung erfolgte die statistische Auswertung der diagnostischen Untersuchungen. Die Variationskoeffizienten bzw. die Standardabweichung und der Mittelwert der Parameter konnten so bestimmt werden. Die Form der statistischen Auswertung ist in [8] nachzulesen. Die Ergebnisse zeigten nur eine geringe Streuung der Wichte der Überbauten und wiesen nur geringe Abweichungen in der Soll-Ist- Geometrie auf. Die Ergebnisse ermöglichten die Reduktion der Teilsicherheitsbeiwerte der Eigenlasten von 1,35 auf 1,2. Weiter konnte die Wichte in den weiteren statischen Nachweisen der Rückbauplanung von 25kN/ m³ auf 23,7kN/ m³ reduziert werden. Durch diese realistische Annahme des Bauwerks konnten die Nachweise wirtschaftlicher und dennoch ohne Verlust der Sicherheit durchgeführt werden [8]. Vor weiteren Herausforderungen stand der Ausführende zusammen mit dem Rückbauplaner durch den vorgesehenen Abbruch der Lahntalbrücke in Herstellrichtung. Erfolgt der Abbruch entgegen der Herstellrichtung (Normalfall), so kann die Vorspannkraft, welche bei Durchtrennung der Spannglieder frei wird, an der nächsten Verankerungsstelle (hier mittels Glockenverankerung) aufgenommen werden und der Restüberbau kann in den weiteren Nachweisen als verankert angesetzt werden [8]. Bei Rückbau in Herstellrichtung ist diese konstruktive Verankerung nicht für alle Rückbauzustände sichergestellt, sodass eine Verankerung der Spannglieder im Beton nötig war. Um diese Verankerung in den Nachweisen ansetzen zu können, ist der vollständige Verbund der Spannglieder nachzuweisen. Hierfür wurden über 143 Spanngliedern experimentell beprobt. Es wurden lokale Öffnungen zum Durchtrennen der Spannglieder ge- 5. Brückenkolloquium - September 2022 539 Rückbau von Spannbetonbrücken macht und Untersuchungen an bereits durch Sägeschnitte durchtrennten Querschnitten durchgeführt. Anhand der Ergebnisse konnten die Nachweise des Verbund- und Verankerungsverhaltens mittels numerischer Modellbildung geführt werden. Durch die zahlreichen Beprobungen und die entsprechenden Auswertungen konnte der Rückbau in Herstellrichtung durchgeführt werden. Auf aufwändige Zusatzkonstruktionen zur Aufnahme der Spaltzugkräfte konnte verzichtet werden [5]. Abb. 8: Begutachtung der nachträglichen Verankerung der Spannglieder [8] Der Rückbau der Lahntalbrücke führte auf Seiten des AGs zu der Erkenntnis, dass durch die bislang geringen Erfahrungen aus dem Rückbau von Großbrücken, die Kosten nicht realitätsgetreu einzuschätzen waren. Für den AG stellte sich der Rückbau als eine Aufgabe der Bestandsbewertung dar. Durch die fehlenden Informationen über den Bestand birgte das Nebenangebot ein hohes Risiko, welches durch Bestandsuntersuchungen in früheren Planungsphasen um ein wesentlich hätte verringert werden können. Dennoch war es durch die umfangreichen diagnostischen Bestandsuntersuchungen möglich, einen wirtschaftlichen Rückbau durchzuführen. 5. Zusammenfassung Die alternde Infrastruktur und die sich im Laufe der Jahre erhöhten Verkehrslasten führen zu zahlreichen Ersatzneubauten von Brücken. Insbesondere der dem Neubau vorlaufende Rückbau von Großbrücken und Brücken mit außergewöhnlichen Randbedingungen stellt eine besondere ingenieurmäßige Aufgabe dar. Im Zuge des Rückbaus sind komplexe statische (Rück-) Bauzustände nachzuweisen, wobei der Einfluss des Bauwerkszustandes zu berücksichtigen ist. Dieser ist jedoch meist aus den Bestandsunterlagen nicht ersichtlich, zumal der aktuelle Zustand des gealterten Bauwerks oftmals nicht ausreichend untersucht und dokumentiert ist. Um die statisch-konstruktive Machbarkeit des Rückbaus abzusichern und das Bestandsrisiko zu minimieren, sind bauwerksdiagnostische Untersuchungen zwingend erforderlich. Hierbei empfiehlt sich mit steigenden Leistungsphasen die Durchführung von immer detaillierteren diagnostischen Untersuchungen. Mit diesem stufenweisen Vorgehen kann dem Wirtschaftlichkeitsbegehren des Auftraggebers gerecht werden und ermöglicht zudem eine detaillierte, individuelle Detailplanung der Bestandsuntersuchungen auf Basis der bereits gewonnenen Erkenntnisse. Ziele der Untersuchungen sind die Erfassung der Geometrie sowie vorhandener Vorverformungen, die Ermittlung von Materialeigenschaften und deren Streuung sowie die erforderlichen abfallrechtlichen Untersuchungen. Diese Vervollständigung der Bestandsunterlagen durch diagnostische Bestandsuntersuchungen liegt in der Verantwortung der Bauherren. Stufenweise aufbauende diagnostische Bestandsuntersuchungen eröffnen die Möglichkeit, beim Rückbau den realen Bauwerkszustand zu berücksichtigen und ermöglichen eine wirtschaftliche sowie ausführungssichere Rückbauplanung. Sowohl der Auftraggeber als auch der Ausführende kann durch die Bauwerksuntersuchungen, die insbesondere bereits ins den früheren Leistungsphasen durchgeführt werden, wirtschaftlich als auch im Hinblick auf das Risiko des Bestandes profitieren. Die Planungs- und Ausführungssicherheit wird maßgeblich erhöht. Bauwerksdiagnostische Bestandsuntersuchungen im Zuge einer Nachrechnung sind besonders effektiv, weil dadurch eine wirklichkeitsnahe Bauwerksbewertung möglich wird und der tatsächliche Bauwerkszustand berücksichtigt werden kann. Durch die Ergebnisse der diagnostischen Untersuchungen kann die Tragfähigkeit realistischer bewertet und das Bauwerk ggf. auch erhalten werden. 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