eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufe 2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie

0925
2024
Josef Hegger
Der Vortrag stellt die Nachweisverfahren in den Stufen 2 und 4 zur Nachrechnung von Bestandsbrücken nach aktueller BEMING Teil 2 und deren Weiterentwicklung vor. Aufbauend auf den Bemessungsmodellen der BEMING Teil 2 für Querkraft und Torsion werden weiterführende experimentelle Untersuchungen der drei Forschungseinrichtungen RWTH Aachen, TU München und TU Dortmund an großformatigen Spannbetonträgern vorgestellt, um daraus Vorschläge für erweiterte Nachweise abzuleiten, die das Tragverhalten von Spannbetonträgern noch zutreffender abbilden. Nach einem Vergleich der verfeinerten Bemessungsansätze mit neuen Versuchsergebnissen zur Querkrafttragfähigkeit wird ein reales Brückenbeispiel nachgerechnet und vorhandene Querkraftreserven identifiziert. Da einige Bestandsbauwerke trotz entscheidender Weiterentwicklungen der Nachweisformate in Stufe 2 aufgrund höherer Verkehrsbelastungen und geänderter Bemessungsgrundsätze weiterhin nur mit wissenschaftlichen Verfahren in Stufe 4 nachgewiesen werden können, wird abschließend eine FENachrechnung vorgestellt.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 47 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufe-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Josef Hegger H+P Ingenieure GmbH Aachen; ehemals Institut für Massivbau (IMB) der RWTH Aachen University Zusammenfassung Der Vortrag stellt die Nachweisverfahren in den Stufen 2 und 4 zur Nachrechnung von Bestandsbrücken nach aktueller BEMING Teil-2 und deren Weiterentwicklung vor. Auf bauend auf den Bemessungsmodellen der BEMING Teil-2 für Querkraft und Torsion werden weiterführende experimentelle Untersuchungen der drei Forschungseinrichtungen RWTH Aachen, TU München und TU Dortmund an großformatigen Spannbetonträgern vorgestellt, um daraus Vorschläge für erweiterte Nachweise abzuleiten, die das Tragverhalten von Spannbetonträgern noch zutreffender abbilden. Nach einem Vergleich der verfeinerten Bemessungsansätze mit neuen Versuchsergebnissen zur Querkrafttragfähigkeit wird ein reales Brückenbeispiel nachgerechnet und vorhandene Querkraftreserven identifiziert. Da einige Bestandsbauwerke trotz entscheidender Weiterentwicklungen der Nachweisformate in Stufe-2 aufgrund höherer Verkehrsbelastungen und geänderter Bemessungsgrundsätze weiterhin nur mit wissenschaftlichen Verfahren in Stufe-4 nachgewiesen werden können, wird abschließend eine FENachrechnung vorgestellt. 1. Einführung Erhöhte Anforderungen an bestehende Brückenbauwerke, höhere Verkehrslasten und gestiegene Verkehrslastzahlen erfordern eine Bewertung der Tragfähigkeit der Brücken im Bestand. Dabei führt insbesondere der Nachweis eines ausreichenden Querkraft- und Torsionswiderstands bei älteren Spannbetonbrücken in der Praxis häufig zu hohen rechnerischen Tragfähigkeitsdefiziten, die auch auf die Änderungen der Bemessungsnormen zurückzuführen sind. Die Herausforderung einer wirklichkeitsnahen Beurteilung des Querkraft- und Torsionswiderstandes liegt daher in der zutreffenden Erfassung der Interaktion der verschiedenen Tragmechanismen. Die Fachwerktragwirkung bildet die Grundlage für die aktuellen Bemessungs- und Konstruktionsregeln für den Neubau, während in älteren Normen die Tragwirkung des ungerissenen Querschnitts der hochvorgespannten Brücken stärker berücksichtigt wurde. Bei der Übertragung der aktuellen Bemessungsansätze auf ältere Spannbetonbrückenbauwerke, die nicht nach den heutigen Regeln bemessen und konstruiert wurden, werden wesentliche Traganteile vernachlässigt. In den letzten Jahren wurde bereits eine Reihe von großmaßstäblichen Bauteilversuchen zur Quantifizierung der Querkrafttragfähigkeit bestehender Spannbetonbrücken durchgeführt [1-3]. Die Versuche wurden hinsichtlich Vorspannung, Querkraftbewehrungsgrad, Querschnittsform und zum Teil mit der konstruktiven Durchbildung der Querkraftbewehrung entsprechend den damals üblichen Regelungen ausgeführt. Die Bemessungsansätze für die Nachrechnung von Spannbetonbrücken im Bestand konnten auf Grundlage dieser Versuche und ergänzender numerischer Untersuchungen deutlich weiterentwickelt und teilweise bereits in Stufe-2 der Nachrechnungsrichtlinie aufgenommen werden. Mit der geplanten 2.-Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie (BEMING Teil- 2) lassen sich insbesondere durch die Kombination eines additiven Betontraganteils mit dem Fachwerktraganteil rechnerisch bislang ungenutzte Reserven auf der Widerstandseite aktivieren. Dennoch besitzen Spannbetonbrücken im Bestand tatsächlich zum Teil noch höhere Tragfähigkeiten unter Querkraft- und Torsionsbeanspruchung, wie Stufe- 4 Nachrechnungen belegen [4]. Die Quantifizierung der Tragreserven für die Stufe-2 war auf Grundlage der bislang durchgeführten experimentellen Untersuchungen noch nicht in vollem Umfang möglich [1; 5]. Die vorhandenen Tragreserven umfassen vor allem die günstigen Einflüsse aus dem statischen System des Durchlaufträgers, der Querschnittsform, dem Spannungszuwachs der Vorspannung bei Rissbildung und der für Brückenbauwerke maßgebenden gleichförmigen Belastung. Die bisherigen Versuchsergebnisse zeigen, dass die Querkrafttragfähigkeit bei Bauteilen mit geringen Querkraftbewehrungsgraden, die der 0,5 bis 1,5-fachen Mindestquerkraftbewehrung entsprechen, maßgeblich durch den Traganteil des Betons gesteuert wird. Den Einflüssen aus Querschnittsform und Lastart auf den Betontraganteil werden auch bei den erweiterten Ansätzen zur Berücksichtigung von Beton- und Fachwerktraganteil noch nicht in ausreichendem Maß Rechnung getragen. Darüber hinaus ist neben dem Einfluss der Interaktion von Biegemoment und Querkraft auch die Tragwirkung unter gleichzeitiger Beanspruchung durch Querkraft, Biegung und Torsion bei Spannbetonträgern nicht abschließend geklärt [1; 5]. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse neuer Untersuchungen an Spannbetonträgern, die im Auftrag der BASt an der RWTH Aachen, der TU München und der TU Dortmund durchgeführt wurden, vorgestellt [6]. 48 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie 2. Stand der Forschung: Nachrechnung mit BE- MING Teil-2 Stufe-2 Grundlage für die 2.- Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie (BEMING Teil-2) [7] bilden experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Querkrafttragverhalten von Spannbetonträgern mit geringen Querkraftbewehrungsgraden [1; 8; 9]. Es wurden unter anderem Versuche an großformatigen Spannbetondurchlaufträgern [10-12] und kurzen Spannbetonträgerausschnitten (Substrukturversuche, [13]) durchgeführt, um das Tragverhalten von Durchlaufsystemen unter Querkraftbeanspruchung und teilweise zusätzlicher Torsion zu untersuchen. Weiterführende Informationen und Randbedingungen der experimentellen Untersuchgen können u.-a. [1] entnommen werden. Dabei konnte u.a. festgestellt werden, dass sich bereits bei kleinen Querkraftbewehrungsgraden (r w,vorh -<-r w,min ) deutlich höhere Querkrafttragfähigkeiten ergeben als rechnerisch über das Fachwerkmodell ermittelt werden. Dies konnte auch durch die Ergebnisse anderer Untersuchungen bestätigt werden [14-16]. Daher wurde ein erweitertes Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil hergeleitet, das die Querkrafttragfähigkeit von Spannbetonträgern mit geringem Bügelbewehrungsgrad wirtschaftlicher abbilden kann als aktuelle Ansätze mit einem Fachwerkmodell [17]. Weiterhin wurden ein Ansatz zur Anrechenbarkeit von Spanngliedern auf die Torsionslängsbewehrung formuliert [1] und die Anwendbarkeit von heute nicht mehr zulässigen Bügelformen in Bestandsbrücken erlaubt [13]. 2.1 Querkraftnachweis: Erweitertes Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil Bereits bei den ersten Überlegungen zu Querkraftmodellen wurde davon ausgegangen, dass die einwirkende Querkraft nicht allein von einer Querkraftbewehrung aufgenommen wird, sondern auch ein zusätzlicher Betontraganteil existiert [18]. Beobachtungen aus experimentellen Untersuchungen [19-22] belegen einen kontinuierlichen Übergang des Tragverhaltens von Trägern ohne Querkraftbewehrung zu Trägern mit geringer Querkraftbewehrung. In Anlehnung an die Regelungen in DINFB-102 [23] wurde daher für BEMING Teil-2 ein empirisches Modell für den additiven Betontraganteil vorgeschlagen [1]. Der Berechnungsablauf für Bauteile mit geringen Querkraftbewehrungsgraden entsprechend den Gln.-(1) bis (5) ermöglicht einen kontinuierlichen Übergang von Bauteilen ohne zu Bauteilen mit Querkraftbewehrung. Details zu den Hintergründen und den zugrundeliegenden experimentellen Untersuchungen können [1; 10; 12] oder [24] entnommen werden. Die Gesamtquerkrafttragfähigkeit des Querschnittes ergibt sich als Summe des Betontraganteils und des Bügeltraganteils: (1) Der Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit- V Rd,ct biegebewehrter Bauteile ohne Querkraftbewehrung ist wie folgt zu ermitteln: (2) Dabei ist k ct ein Duktilitätskoeffizient, r w,vorh der vorhandene Querkraftbewehrungsgrad und r w,min der Mindestwert für den Querkraftbewehrungsgrad nach DINFB-102. Durch den Faktor-k ct werden das duktilere Verhalten von Bauteilen mit Querkraftbewehrung berücksichtigt und die unterschiedlichen Teilsicherheitsbeiwerte für sprödes und duktiles Versagen ausgeglichen. Für ein sprödes Versagen bei einem Biegeschubbruch gilt-g c -=-1,50. Bei Bauteilen mit Querkraftbewehrung wird ein duktiles Versagen erwartet und der Teilsicherheitsbeiwert beträgt-g s -=-1,15. Der Betontraganteil-V Rd,ct kann somit bei vorhandener Mindestquerkraftbewehrung mit einem Faktor von g c -/ -g S -=-1,5-/ -1,15-=-1,3 multipliziert werden. Der resultierende Querkraftwiderstand- V Rd ist in Abb.- 1 in Abhängigkeit des Querkraftbewehrungsgrades-r w,vorh -/ -r w,min dargestellt. Durch die Anpassung des Teilsicherheitsbeiwerts im Bereich r w,vorh -/ -r w,min -≤-1 steigt der Betontraganteil in diesem Bereich linear an, anschließend nimmt er für höhere Bewehrungsgrade einen konstanten Wert an. Während der Zuwachs des Fachwerktraganteils für geringe Querkraftbewehrungsgrade annähernd konstant ist, steigt die Querkrafttragfähigkeit aufgrund steilerer Schubrisswinkel-βr für höhere Querkraftbewehrungsgrade langsamer. Ab einer kritischen Bügelbewehrungsmenge wird die Druckstrebentragfähigkeit-V Rd.max maßgebend. Abb. 1: Querkraftwiderstand infolge des Fachwerktraganteils mit additivem Betontraganteil Der rechnerische Schubrisswinkel-β r darf für die Berechnung innerhalb festgelegter Grenzen nach Gleichung (3) frei gewählt werden. Somit ergibt sich für die Bemessung eine Steuerungsmöglichkeit im Falle einer unzureichenden Längsbewehrung. (3) 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 49 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie Die Begrenzung von Gl.-(3) auf 3---10-·-V Rd,ct -/ -(b w -·z-·-v-·-f cd ) ist darin begründet, dass der rechnerische Druckstrebenwinkel-cot-θ beim Übergang vom Fachwerkmodell mit Betontraganteil zum Plastizitätskreis einen zu definierenden Maximalwert nicht überschreiten sollte. Der Druckstrebenwinkel cot-θ zur Bestimmung der Zusatzkraft in der Längsbewehrung und der maximalen Druckstrebentragfähigkeit wird nach Gl.-(4) berechnet. (4) Der mechanische Querkraftbewehrungsgrad errechnet sich zu: (5) Die Druckstrebentragfähigkeit-V Rd,max wird nach Gl.-(6) bestimmt. (6) Weitergehende Informationen können [1; 17] entnommen werden. 2.2 Nachweis der Torsionslängsbewehrung Abweichend von der Bemessung bei reiner Torsion nach DIN-EN-19922 [25] besteht bei kombinierter Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion die Möglichkeit, die erforderliche Torsionslängsbewehrung in den Druckgurten entsprechend den vorhandenen Druckkräften abzumindern [26]. Bei entsprechend großen Biegemomenten bleibt die Druckzone ungerissen. Überwiegt das Biegemoment, stellen sich zunächst Biegerisse ein und die geneigten Torsionsrisse bilden sich erst unter einer höheren Laststufe. Dementsprechend darf die Querschnittsfläche der Spannglieder bei überwiegender Beanspruchung durch Biegung auf die Torsionslängsbewehrung angerechnet werden. Der Nachweis darf durch Berücksichtigung der infolge Torsion entstehenden Längszugkraft N Ed,T beim Nachweis der Biegetragfähigkeit geführt werden, wobei die Längszugkraft N Ed,T im Schwerpunkt des Querschnitts angreift und der Druckstrebenwinkel cot-θ wie bei der Ermittlung der Torsionsbügel anzusetzen ist. Durch Umstellung der Gleichung für die Torsionslängsbewehrung nach DIN-EN-19922 ergibt sich eine äquivalente resultierende Torsionslängszugkraft-N Ed,T . (9) Bei dieser Vorgehensweise werden der positive Effekt aus der überdrückten Biegedruckzone und die Tragwirkung der Spannglieder unter Berücksichtigung ihrer Lage im Querschnitt bei der Bemessung berücksichtigt und die rechnerisch erforderliche Längsbewehrung gegenüber einer Bemessung bei reiner Torsion reduziert. 3. Neue Untersuchungen an Spannbetonträgern 3.1 Querkraftversuche an vorgespannten Durchlaufträgern an der RWTH Mit den am IMB durchgeführten Versuchen wurde das Querkrafttragverhalten von Spannbetondurchlaufträgern mit geringen Querkraftbewehrungsgraden vertiefter betrachtet. Insgesamt wurden 16 Teilversuche an acht nachträglich vorgespannten Trägern durchgeführt. Als maßgebende Parameter wurden die Querschnittsform, die Belastungsart und die Vorspannung variiert. Zusätzlich wurde in Teilversuch- ① der Einfluss des Einspanngrades untersucht. Dazu wurden Einfeldträger mit Kragarm ausgebildet und durch eine separate Einzellast auf den Kragarm das Momenten-QuerkraftVerhältnis wie in einem Durchlaufträger gesteuert. Während die Lasten im Feld und am Kragarm unter Einhaltung eines konstanten Kräfteverhältnisses während eines Versuchs jeweils simultan gesteigert wurden, konnten verschiedene Einspanngrade durch eine gezielte Variation dieses Kräfteverhältnisses in den Versuchen untersucht werden. Durch diese Versuchsanordnung konnte die Spannweite des Feldes auf 13-m vergrößert werden, um im Versuch an die Praxis angelehnte Biegeschlankheiten zu realisieren. Anschließend wurde der geschädigte Teil des Trägers abgetrennt, sodass in Teilversuch- ② zur Untersuchungen verschiedener Querkraftbewehrungsgrade Einfeldträger von 8-m Länge zur Verfügung standen. In Tab. 1 findet sich eine Übersicht der Teilversuche und Untersuchungsparameter. Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen die Fragen, wie groß die günstigen Einflüsse von gegliederten Querschnitten (T und IQuerschnitte) und von auflagernahen Streckenlasten auf die Querkrafttragfähigkeit sind und wie diese für ein Nachweisverfahren in Stufe-2 quantifiziert werden können. Weitergehende Informationen zu den Versuchen können [27] und [6; 28] entnommen werden. 3.2 Querkraftversuche an Ausschnitten von vorgespannten Balkenelementen an der TUM In München wurden in einem neuartigen Versuchsstand (siehe Tab. 1) unter Applikation der an einem Durchlaufträger vorherrschenden Schnittgrößen zwölf Querkraftversuche an Balkenelementen durchgeführt. Die jeweils sechs Rechteck- und T-Träger weisen eine Höhe von 1,2 - m und einen geringen Querkraftbewehrungsgrad auf. Da insbesondere der Einfluss der Vorspannung im Mittelpunkt der Untersuchungen stand, wurde einerseits der Längsbewehrungsgrad so gering gewählt, dass gerade noch ein Querkraftversagen stattfindet und andererseits große Längsverzerrungen eine maximale Aktivierung des Spannglieds hervorrufen. Durch Variation der Litzenanzahl im Spannglied wurde die nach dem Vorspannen noch mobilisierbare zusätzliche Kraft im Spannglied überprüft. Zusätzliche Tastversuche mit glatter Längsbewehrung mit Endhaken sollten das Tragverhalten alter Spannbetonbrücken mit dieser Art der konstruktiven Durchbildung untersuchen. Weitergehende Informationen zu dem Versuchsprogramm und den Erkenntnissen der experimentellen Untersuchungen können [29] und [6] entnommen werden. 50 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie 3.3 Versuche mit kombinierter Torsion und Querkraft an vorgespannten Durchlaufträgern an der TU Dortmund Das Versuchsprogramm der TU Dortmund bestand aus insgesamt sieben vorgespannten Versuchsträgern (vgl. Tab. 1). Zwei Versuche wurden in Anlehnung an die Versuchsträger des bereits abgeschlossenen Forschungsvorhabens FE15.0591 [1] als Durchlaufträger (DLT) ausgeführt. Mit diesen Versuchen sollte zum einen die Versuchsdatenbank für das vorgestellte Bemessungskonzept für eine kombinierte Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion erweitert werden. Zum anderen war es Ziel, durch Variation der Torsionsbeanspruchung über eine Vergrößerung der Exzentrizität, durch Variation der Belastungsart und durch feldweise Variation der Druckstrebenneigung Anwendungsgrenzen des Bemessungsmodells abzusichern. Darüber hinaus wurde an einem der beiden Zweifeldträger der Einfluss einer von den Regelungen in DIN-EN- 19922/ NA [30] für Torsionsbügel abweichenden Form zum Schließen der Bügel untersucht. Bei den fünf Einfeldträgern mit Kragarm (ETK) handelt es sich um einen Referenzversuch unter reiner Querkraft- und Biegebeanspruchung sowie um vier Versuchsträger mit zusätzlicher Torsion. Jeder Versuchsträger wurde dabei jeweils in zwei Teilversuchen bis zum Versagen belastet. Im Feldbereich wurden die Einflüsse aus der Schubschlankheit, des M/ T-Verhältnisses, der Variation der Druckstrebenneigung zur Ermittlung der Torsionslängs- und Bügelbewehrung sowie der Querschnittsform untersucht, während der Kragarm für eine Untersuchung der kombinierten Beanspruchung aus Biegung, Querkraft und Torsion im Hinblick auf ein Betonversagen in der Druckzone genutzt wurde. Detailliertere Informationen zu den Versuchsprogrammen und den Erkenntnissen der experimentellen Untersuchungen können [31] und [6] entnommen werden. 4. Neue Ansätze für eine verfeinerte Nachrechnung mit BEMING Teil-2 Die Untersuchungen in Aachen [27] und München [29] belegen eindrucksvoll, dass insbesondere bei gegliederten Trägern mit Druckgurt und bei mehrheitlich durch Streckenlasten beanspruchten Bauteilen mit direkt ins Lager geleiteten Lastkomponenten ein Verbesserungspotential im Nachweiskonzept besteht. Einflüsse aus Vorspannung, Skalierung der Bauteilhöhe, wie auch realistische Längsverzerrungen werden durch den aktuellen Entwurf der BEMING Teil-2 bereits ausreichend gut abgedeckt. Die Untersuchungen in Dortmund [31] bestätigen größtenteils die bereits in dem aktuellen Entwurf der BEMING Teil-2 enthaltenen Regelungen. Davon abweichend zeigte sich, dass die bestehende quadratische Interaktionsbedingung für Rechteckquerschnitte in DIN-EN-19922/ NA bei flachen Druckstrebenwinkeln zu unsicheren Ergebnissen führt und für cot-θ->-1,75 Anpassungen bei der wirksamen Betondruckfestigkeit im Druckstrebennachweis erforderlich sind. Im Folgenden wird auf die vorgeschlagenen Anpassungen eingegangen und das Vorgehen bei der Nachweisführung vorgestellt. Tab. 1: Übersicht der experimentellen Untersuchungen Experimentelle Untersuchung Versuche Untersuchungsparameter RWTH Aachen Bauteilversuche (L ges -=-16,5-m) 8 Träger mit je 2-Teilversuchen: Teilversuch- ① am Innenauflager des 13-m Einfeldträgers mit Kragarm; Teilversuch- ② am Randauflager des 8-m Einfeldträgers Beanspruchung: M-+-V - Querschnittsform - Querkraftbewehrungsgrad - Vorspanngrad - Einspanngrad - Belastungsart TU München Substrukturversuche (L ges -=-4,5-m) 12 Träger (je 1 TV) Beanspruchung: M-+-V - Querschnittsform - Querkraftbewehrungsgrad - Vorspannung - Verbundbedingung der Längsbewehrung TU Dortmund Bauteilversuche 5 Einfeldträger mit Kragarm ETK (L ges -=-11-m), 2 Durchlaufträger DLT (L ges -=-12-m) 5 ETK (je 2-TV): TV- ① im Feld; TV- ② am Kragarm 2 DLT (je 2-TV) TV- ① und ② am Innenauflager in beiden Feldern Beanspruchung: M-+-V-+-T - Querschnittsform - M/ T - Verhältnis - M/ T/ V - Verhältnis für Druckzone - Druckstrebenneigung - Konstruktion der Bügel 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 51 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie 4.1 Berücksichtigung der am Querkraftabtrag beteiligten Druckgurtfläche über b V,eff Der positive Einfluss eines Druckgurtes auf die Querkrafttragfähigkeit wurde in der Literatur bereits mehrfach untersucht und fand in verschiedenen Modellen zum Querkraftabtrag Berücksichtigung [32]. Dabei hat die Druckgurthöhe neben der Druckgurtbreite einen maßgebenden Einfluss auf die Querkrafttragfähigkeit [33]. Um den abnehmenden Einfluss des Druckgurtes auf die Querkrafttragfähigkeit mit steigender Querschnittshöhe zu erfassen, wurde ein Ansatz verwendet, der die Flächenverhältnisse von Steg und Druckflansch berücksichtigt (Gln.-(10) bis (12)). In Gl.-(10) wurde dann die Stegbreite-b w entsprechend der Bemessung nach BEMING Teil-2 durch b V,eff ersetzt. (10) mit: (11) (12) Die am Querkraftabtrag beteiligte Druckgurtbreite- b f,i wird durch Gl.-(12) begrenzt, sodass die Breite der zusätzlichen Druckgurtfläche-A G,eff bei der Querkraftbemessung höchstens die doppelte Stegbreite beträgt. In Abb.-2 sind die effektiven Schubflächen für ein positiv (links) und negativ (rechts) einwirkendes Biegemoment dargestellt. Abb. 2: Ansetzbare Druckgurtflächen-A G,eff für den verfeinerten Querkraftnachweis nach BEMING Teil-2 Entsprechend Gl.- (11) wird die zusätzlich ansetzbare Druckgurtfläche- A G,eff mit dem Faktor- 0,5 abgemindert. Die Abminderung wurde empirisch anhand von vier Datensätzen aus den DAfStb Datenbanken [34] validiert und ist in [6] dargestellt. 4.2 Reduktion der Einwirkungen infolge Streckenlasten Ein weiterer günstiger Einfluss für die Querkrafttragfähigkeit ist die Belastung durch Streckenlasten, deren auflagernahe Anteile direkt ins Auflager geleitet werden. Daher wird eine Abminderung-ΔV Ed der einwirkenden Querkraft im Bemessungsschnitt vorgeschlagen. Hintergrund der Abminderung für auflagernahe Lasten ist, dass im Auflagerbereich ein Diskontinuitätsbereich (D-Bereich) vorliegt und nur ein Teil der auflagernahen Lasten eine Querkraftbewehrung benötigt, während der restliche Anteil direkt über geneigte Druckstreben in das Lager abgetragen wird [35]. Daher ist in [23] bereits eine Abminderung auflagernaher Einzellasten mit β-Faktoren erlaubt. Zur Herleitung der Abminderung für auflagernahe Streckenlasten wurde auf Basis der experimentellen Untersuchungen und analog zum Flexural Shear Crack Model [36] ein maßgebender Schubriss mit β r -=-26,5° angenommen, der auf den Auflagerrand zielt (Abb. 3). Die Querkraftbeanspruchung-V Ed kann um alle Einwirkungen reduziert werden, die nicht über das Fachwerk abgetragen werden müssen. Dies entspricht allen Streckenlasten, die oberhalb des Schubrisses im Abstand ≤-2d vom Auflagerrand wirken. Die maximale Abminderung der Querkraftbeanspruchung infolge auflagernaher Streckenlasten wird in Anlehnung an prEN-199211: 2023 auf 12,5 % des Ursprungswertes begrenzt. ΔV Ed(q) -=-q-·-d-≤-V Ed(q) -/ -8 (13) Abb. 3: Abminderung der einwirkenden Querkraftbeanspruchung-V Ed im Bemessungsschnitt infolge veränderlichen Streckenlasten-q um ΔV Ed(q) Da in realen Brückenbauwerken ein Großteil der Querkraftbeanspruchung aus dem Eigengewicht-g und der Ausbaulast-Δg resultiert, wurde neben der Abminderung der äußeren Lasten-ΔV Ed(q) auch eine Abminderung infolge g-+-Δg formuliert. Dazu wurde entsprechend [35] untersucht, welcher Anteil der Beanspruchung nicht über das Fachwerk abgetragen wird, sondern über eine direkte Druckstrebe ins Auflager geleitet werden kann. Entsprechend dem idealisierten Schubriss mit β r -=-26,5° wird ΔV Ed(g+Δg) definiert. In Abb. 4 sind die Anteile des Eigengewichts ΔV Ed(g,Obergurt) und ΔV Ed(g,Steg) , um die der Bemessungswert V Ed reduziert werden darf, in Grau gekennzeichnet. Abb. 4: Abminderung der einwirkenden Querkraftbeanspruchung-V Ed im Bemessungsschnitt infolge Eigengewicht-g und Ausbaulast-Δg um ΔV Ed(g+Δg) 52 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie Um die Verteilung des Eigengewichts über die Querschnittshöhe zu berücksichtigen, wird der Querschnitt in Obergurt und Steg unterteilt. Somit ergibt sich für die Reduktion der Beanspruchung aus Eigengewicht und Ausbaulast Gl.-(14): ΔV Ed(g+Δg) -=- (14) ΔV Ed(g,Obergurt) -+-ΔV Ed(g,Steg) -+-ΔV Ed(Δg) mit: ΔV Ed(g,Obergurt) -+-ΔV Ed(g,Steg) ≤-(V Ed(g,Obergurt) -+-V Ed(g,Steg) )-/ -8 (15) ΔV Ed(Δg) ≤-V Ed(Δg) -/ -8 (16) Damit ergibt sich die gesamte Abminderung- ΔV Ed der Bemessungsquerkraft infolge Eigengewicht-g, Ausbaulast-Δg und an der Oberseite des Querschnitts einwirkenden veränderlichen Lasten-q im Bemessungsschnitt-d entsprechend Gl.-(17) zu: ΔV Ed(g+Δg,q) -=-ΔV Ed(g+Δg) -+-ΔV Ed(q) (17) Der Verbesserungsvorschlag für die rechnerische Querkrafttragfähigkeit nach BEMING Teil-2 umfasst drei Anteile: Mit b V,eff anstelle von b w wird der positive Einfluss eines Druckgurtes bei gegliederten Querschnitten berücksichtigt und mit ΔV Ed die Abnahme der maßgebenden Querkraft bei einer Belastung durch Streckenlasten. Als drittes darf der Spannungszuwachs des geneigten Spanngliedes in Ansatz gebracht werden [6]. Der erweiterte Bemessungsansatz wurde anhand der Versuche aus dem Forschungsvorhaben FE-15.0664, dem Vorgängerprojekt FE-15.0591 [1] und der Versuche an Spannbetonträgern aus Wien [14; 16] validiert. 4.3 Erweiterte Ansätze bei Querkraft mit zusätzlicher Torsion Die nachfolgenden Empfehlungen für die Bemessung bei einer kombinierten Beanspruchung infolge Biegung, Querkraft und Torsion (M-+-V-+-T), die im Gegensatz zu den Erkenntnissen in den Kapiteln-4.1 und 4.2 noch in den aktuellen Entwurf der BEMING Teil-2 einfließen sollen, wurden aus den theoretischen und experimentellen Untersuchungen in [6] abgeleitet. Winkel der Druckstrebe Anhand der durchgeführten Versuche in [6] konnte gezeigt werden, dass bei einer zusätzlichen Torsionsbeanspruchung (M-+-V-+- T) eine Umlagerung der inneren Kräfte durch Rotation der Druckstrebe im getesteten Umfang von cot-θ-=-2,5 bis cot-θ-=-1,75 möglich ist. Bei der Nachrechnung bestehender Betonbrücken ermöglicht die frei wählbare Druckstrebenneigung cot-θ eine Umlagerungsmöglichkeit zwischen Torsionsbügel- und Torsionslängsbewehrung und soll daher weiterhin variabel bleiben. Unabhängig davon darf der Druckstrebenwinkel wie bei der Querkraftbemessung mit dem erweiterten Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil gewählt werden. Grundsätzlich dürfen für die Nachweise bei Querkraft und Torsion auch unterschiedliche Druckstrebenwinkel-θ angesetzt werden. Empfehlungen für den Ansatz der wirksamen Betondruckfestigkeit Der Bemessungswert für das Torsionsmoment-T Rd,max , der durch die Festigkeit der Betondruckstrebe begrenzt ist, ergibt sich wie folgt: T Rd,max = 2-∙-v-∙-f cd -∙-A k -∙-t eff -∙-sinθ-∙-cosθ (18) Er ist abhängig von der wirksamen Betondruckfestigkeit v-∙-f cd . Bei Druckstrebenwinkeln entsprechend cot-θ->-1,75 bis cot-θ-=-2,5 wird der Ansatz der wirksamen Betondruckfestigkeit v-∙-f cd auf Grundlage der durchgeführten Versuche entsprechend Tab. 2 empfohlen: Tab. 2: Wirksame Betondruckfestigkeiten Plattenbalkenbrücken Hohlkastenbrücken Querkraft: ν = 0,6 ν = 0,6 Torsion: ν = 0,525 ν = 0,6 Ansatz der effektiven Wanddicke Der kleinste Wert für T Rd,max resultiert aus dem konservativen Ansatz für die Stege von Plattenbalkenbrücken. Der Ansatz wurde aufgrund des beobachteten sekundären Betonversagens bei einigen Versuchen durch Abplatzen der Betondeckung nach Fließen der Bügel entsprechend [30] NCI zu Absatz 6.3.2-(1) vorgeschlagen. Interaktionsbedingung für Betonversagen auf Druck bei kombinierter Beanspruchung Bei kombinierter Beanspruchung ist die Interaktion für Querkraft und Torsion (V-+-T ) nach der linearen Interaktionsbedingung nachzuweisen (Gl. 19). Die quadratische Interaktionsbedingung (Gl. 20) hat sich bei den Versuchen für Winkel cot-θ->-1,75 als unsicher erwiesen. V Ed / V Rd,max + T Ed / T Rd,max ≤ 1 (19) (V Ed / V Rd,max ) 2 + (T Ed / T Rd,max ) 2 ≤ 1 (20) Eine Interaktion für Biegung, Querkraft und Torsion (M-+-V-+-T) ist nach Auswertung der Versuche als zu konservativ einzuordnen und ist damit nicht geeignet. Die Kombination aus Biegung und Torsion (M-+-T) führte bei den Versuchen erst bei sehr hohen Torsionsbeanspruchungen T Ed -/ -T Rd,max- >-0,7 zu einem Abfall der Biegetragfähigkeit um bis zu 10-% bei T Ed -≈ T Rd,max . Detaillierte Auswertungen und Erläuterungen zu den einzelnen Interaktionsbedingungen anhand der durchgeführten Versuche in [6] sind in [31] zu finden. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 53 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie 5. Querkraftbemessung nach NRR-2015, BEMING Teil-2 und den vorgeschlagenen Verfeinerungen In Abb. 5 werden die experimentellen Querkrafttragfähigkeiten der in Aachen und München untersuchten Spannbetonträger mit Ansätzen nach NRR- 2015, BE- MING Teil- 2 und dem erweiterten Vorschlag aus Abschnitt-4 verglichen. Dazu sind die experimentellen Querkräfte- V test,d im Abstand- d vom Auflagerrand auf der Ordinate und die rechnerischen Tragfähigkeiten- V calc,d auf der Abszisse dargestellt. Während Punkte oberhalb der Winkelhalbierenden auf einen konservativen Berechnungsansatz hindeuten, werden für Punkte unterhalb der Winkelhalbierenden zu hohe Tragfähigkeiten berechnet. Die NRR-2015 liefert besonders konservative Ergebnisse, die für die mit sehr geringen Querkraftbewehrungsgraden durchgeführten Versuche auf die fehlende Berücksichtigung eines additiven Betontraganteils neben der Fachwerktragwirkung zurückzuführen sind. Für einzelne höher querkraftbewehrte Versuche liefert die NRR-2015 zutreffendere Tragfähigkeiten, die von dem ansonsten sehr begrenzten Streuband in Richtung der Winkelhalbierenden abweichen. Sowohl die statistische Auswertung der einzelnen Versuchsserien aus Aachen und München als auch eine kombinierte Auswertung belegen dies durch den sehr hohen Mittelwert- µ der Modellsicherheit von 2,07 (siehe Tab. 3). Der Variationskoeffizient-CoV von 13 - % stellt für die Untersuchungen zweier Forschungsinstitute mit unterschiedlichen Untersuchungsparametern einen guten Wert dar. Die Berücksichtigung eines additiven Betontraganteils nach der BEMING Teil- 2 liefert eine wesentliche Verbesserung der Übereinstimmung von rechnerischen und experimentellen Querkrafttragfähigkeiten. Die Modellsicherheit aller dargestellten Versuche sinkt auf 1,32, während sich der Variationskoeffizient- CoV nur geringfügig auf 12 - % verringert. Die Auswertung des neuen Ansatzes BEMING- Teil- 2* zeigt vor allem für geringere Tragfähigkeiten eine bessere Annäherung an die Winkelhalbierende. Insgesamt ergibt sich ein Mittelwert von µ-=- 1,19 bei gleichbleibendem Variationskoeffizient. Besonders im Hinblick auf die Variation der Vorspannung ergibt sich für die Versuche in München nach BEMING/ T2* ein sehr geringer Variationskoeffizient von 5 - % (vgl. Tab. 3). Die Tragfähigkeiten heben sich dabei aufgrund des fehlenden expliziten Druckgurts und der Belastung durch eine Einzellast kaum von denen nach BEMING/ T2 ab. Eine deutliche Verbesserung ist vor allem bei der Nachrechnung Aachener Versuche zu erkennen. Hier konnte der Mittelwert- µ bei gleichzeitig erheblich verringerter Streuung-CoV von 1,30 auf 1,09 reduziert werden. Die über alle Versuche zutreffenderen Prognosen der Querkrafttragfähigkeiten von BEMING/ T2* im Vergleich zu BEMING/ T2 und NRR- 2015 werden durch die linearen Regressionsgeraden (gestrichelte Linien in Abb.-5) verdeutlicht. Einzelne geringfügig unsichere Ergebnisse ergeben sich sowohl nach BEMING/ T2 als auch nach BEMING/ T2* für die Spannbetonträger mit Rechteckquerschnitt und Belastung durch Einzellasten. Tab. 3: Statistische Auswertung aktueller und zukünftiger analytischen Verfahren der Nachrechnungsrichtlinie für die durchgeführten Versuche RWTH TUM Σ n-=-16 n-=-12 n-=-28 NRR-2015 µ 2,07 2,06 2,07 BEMING/ T2 1,30 1,34 1,32 BEMING/ T2* 1,09 1,33 1,19 NRR-2015 CoV 0,14 0,11 0,13 BEMING/ T2 0,15 0,05 0,12 BEMING/ T2* 0,09 0,05 0,12 Abb. 5: Vergleich der experimentellen mit den analytischen Querkrafttragfähigkeiten verschiedener Modelle zur Nachrechnung von Spannbetonbrücken 6. Brückennachrechnungen in Stufen-2 und-4 der (verfeinerten) BEMING Teil-2 6.1 Anwendung der (verfeinerten) Stufe-2 Nachfolgend wird die Anwendung des erweiterten Bemessungsansatz BEMING/ T2* bei einer Spannbetonbrücken vorgestellt. Durch den Vergleich mit der Nachrechnung nach der in Vorbereitung befindlichen BEMING/ T2 sind die positiven Auswirkungen der Erweiterung leicht erkennbar. Das im Jahr 1959 errichtete Bauwerk dient der Überführung der Bundesautobahn (BAB) über eine Eisenbahntrasse und wurde für die Brückenklasse- 60 bemessen. Der schiefwinklige Ortbetonüberbau wurde als längs vorgespannter Einfeldträger mit einer Stützweite von 30,1-m ausgebildet (Abb. 6). Die Konstruktionshöhe des 13,35-m breiten sechsstegigen Plattenbalkenquerschnitts beträgt im Regelbereich 1,44-m. Der Überbau wurde in Beton B450 ausgeführt, der gemäß Nachrechnungsrichtlinie in die Festigkeitsklasse C30/ 37 eingestuft werden kann. 54 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie Für die Längsvorspannung wurde das Spannverfahren Holzmann SH-113/ 32 verwendet. Die Betonstahlbewehrung der Festigkeitsklasse St-I weist eine charakteristische Streckgrenze von f yk -=-220-N/ mm² auf. Eine vorhergehende Nachrechnung des Bauwerks gemäß Nachrechnungsrichtlinie (NRR) in den Stufen-1 und 2 für das Ziellastniveau BK-45 mit Fahrbahneinengung ergab deutliche rechnerische Defizite der Querkraft- und Torsionstragfähigkeit der Längsträger. In Tab.-4 sind die Querkraftnachweise für den sechsten Plattenbalkenquerschnitt im Abstand 1,0-·-d nach BEMING Teil-2 ohne (links) und mit Berücksichtigung von b V,eff und ΔV Ed (rechts) tabellarisch dargestellt. Durch den geringen Längsbewehrungsgrad wird der Mindestwert des Betontraganteils-V Rd,ct,min maßgebend. Dadurch wird der Schubrisswinkel β r nach beiden Ansätzen zu 34° ermittelt. Nach BEMING Teil-2 ergibt sich damit für den Nachweis der Zugstrebe eine Ausnutzung von 59-% und für die Druckstrebe von 28-%. Das Bauwerk ist somit im Abstand 1,0-·-d nach BEMING Teil-2 für Querkraft nachgewiesen. Abb. 6: Draufsicht des Überbaus mit Darstellung der Stege, Querträger und Lager (oben) und Querschnitt (unten) Durch die Abminderung der einwirkenden Querkraft um ΔV Ed - =- 64- kN (ΣΔV Ed,i ) wird die Bemessungsquerkraft V Ed um 8,5-% reduziert. Zusätzlich erhöht sich der Betontraganteil V Rd,ct durch die Berücksichtigung der Druckgurtfläche um 18,0- % und der Querkraftwiderstand V Rd,sy aus Beton- und additivem Fachwerktraganteil um 14,8-%. Insgesamt weist der Nachweis der Zugstrebe-V Rd,sy jetzt nur noch eine Ausnutzung von η-=-47-% auf. Der Nachweis der Druckstrebe bleibt unverändert, da der Druckstrebenwinkel-θ maßgeblich vom mechanischen Querkraftbewehrungsgrad abhängig ist. 6.2 Anwendung der Stufe 4 Im Rahmen der Nachrechnung von Bestandsbrücken in Stufe-2 der Nachrechnungsrichtlinie lässt sich trotz der verfeinerten Berechnungsansätze nicht immer eine ausreichende rechnerische Querkraft- und Torsionstragfähigkeit nachweisen. Zur Sicherstellung der Tragfähigkeit des Bauwerks kann eine genauere rechnerische Untersuchung der Brücke in Stufe-4 der Nachrechnungsrichtlinie erfolgen. Eine Anwendung wissenschaftlicher Verfahren in Stufe-4 erfordert die Abstimmung mit der zuständigen obersten Baubehörde. Hierzu sind entsprechende Erfahrungen des Anwenders erforderlich. Weiterhin ist sicherzustellen, dass die verfahrensspezifischen Anwendungsgrenzen eingehalten werden können und das erreichbare Sicherheitsniveau sinnvoll ermittelt werden kann. Die Nachrechnung in Stufe-4 ist insbesondere dann sinnvoll, wenn aufgrund der verkehrlichen Bedeutung des Bauwerks im Straßennetz kompensatorische Einschränkungen bis zur Fertigstellung der Verstärkungsmaßnahme (z. B. Spursperrung, Gewichtsbeschränkung, Sperrung für Schwertransporte) nicht vertretbar sind. Darüber hinaus kann eine solche Berechnung zielführend sein, wenn eine bauliche Verstärkung bzw. ein Ersatzneubau aufgrund der örtlichen Randbedingungen (z.-B. Lichtraumprofile) oder der Kombination vorhandener rechnerischer Defizite nicht ohne weiteres möglich ist. Die Berechnung in Stufe-4 der Nachrechnungsrichtlinie umfasst die Nachweisführung unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden. Hierzu gehören neben verfeinerten analytischen Ansätzen [37; 38] unter anderem räumliche nichtlineare Finite Elemente-Berechnungen. Da in der Regel eine Überprüfung bzw. Validierung einer Berechnung in Stufe-4 nur durch andere wissenschaftliche Methoden möglich ist, ist eine Kombination der verschiedenen Berechnungsansätze zielführend. Tab. 4: Querkraftnachweise für den sechsten Plattenbalkenquerschnitt im Abstand 1,0-·-d nach BEMING/ T2 und der verfeinerten BEMING/ T2* Abstand 1,0-·-d BEMING Teil-2 BEMING Teil-2 mit b V,eff & ΔV Ed V Ed [kN] 756 692  --8,5-% ΔV Ed,g -+-ΔV Ed,Δg -+-ΔV Ed,q [kN] - 32-+-22-+-10- ≙ -50-%-+-35-%-+-15-% V Rd,ct [kN] 1050 1239  +-18,0-% b w -bzw.-b V,eff [m] 0,55 0,65 cot-β r [-] 1,50  β r -=-33,6° 1,50  β r -=-33,6° cot-θ [-] 1,91  θ-=-27,6° 1,91  θ-=-27,6° 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 55 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie V Rd,sy [kN] 1277 1466  +-14,8-% V Rd,max [kN] 2673 2673  ±-0-% η-=-(V Ed ---ΔV Ed )-/ -V Rd,Sy [-] 0,59 0,47  --20,2-% η-=-V Ed -/ -V Rd,max [-] 0,28 0,28  ±-0-% Nichtlineare Finite Elemente-Berechnungen ermöglichen eine Untersuchung des Bauteiltragverhaltens nach Schubrissbildung unter Berücksichtigung möglicher Umlagerungsreserven im Zustand-II. Darüber hinaus können basierend auf der Ermittlung des rechnerischen Ankündigungsverhaltens bis zum Versagen (z. B. Rissentwicklung) gezielte Maßnahmen zur Überprüfung des Bauwerks festgelegt werden. Im Folgenden wird die Anwendung anhand eines Bauwerks mit rechnerischen Tragfähigkeitsdefiziten aufgezeigt, zu dem im Rahmen von gutachterlichen Stellungnahmen und der statischen Prüfung Brückennachrechnungen durchgeführt wurden. 6.3 Berechnung eines Plattenbalkenquerschnitts 6.3.1 Bauwerksmodellierung Die statische Berechnung und Nachweisführung nach Stufe 4 der Nachrechnungsrichtlinie erfolgte mit Hilfe der nichtlinearen FEM-Software Limfes [39]. Dazu wurde der Überbau unter Berücksichtigung aller Voutungen und Querschnittsänderungen als räumliches Volumenmodell abgebildet. Abb. 7 zeigt einen Ausschnitt des dreidimensionalen Volumenmodells. Abb. 7: Bauwerksabbildung im FE-System Limfes Grafik: H+P Ingenieure Die vorhandene Betonstahl- und Spannstahlbewehrung wurde gemäß den Bestandsplänen diskret eingegeben (Abb. 8). Hierbei wurde neben der Längs- und der Querbewehrung der Fahrbahnplatte sowie der vorhandenen Bügelbewehrung in den Stegen auch die Spaltzugbewehrung der Spannglieder implementiert. Abb. 8: Betonstahlbewehrung der gesamten Brücke (oben) und parabelförmige Spannglieder in Feldmitte (unten), Grafik: H+P Ingenieure Das nichtlineare Werkstoffverhalten des Betons wurde unter Berücksichtigung der Betonzugfestigkeit durch das Microplane-Modell [40] beschrieben. Zur Abbildung der Bewehrungs- und Spannstahlelemente wurden elastischplastische Materialmodelle verwendet. 6.3.2 Berechnungsablauf Ziel der Untersuchung ist es, die rechnerische Tragfähigkeit des Brückenüberbaus unter der maximalen Beanspruchung (Querkraft und Torsion mit zugehöriger Biegung) für die maßgebende Stelle nachzuweisen. Dieser Nachweis ist erbracht, wenn sich bei der Berechnung unter der maßgebenden Bemessungskombination im Grenzzustand der Tragfähigkeit (1) ein stabiles Gleichgewicht einstellt und (2) die Grenzdehnungen (Beton, Beton- und Spannstahl) eingehalten sind. Dann kann gemäß DIN- Fachbericht-102 [23] davon ausgegangen werden, dass der Widerstand des Tragwerks gegen Versagen mit ausreichender Sicherheit gegeben ist. Gemäß DINFB-102 ist für die Einwirkungen die ständige und vorübergehende Bemessungssituation in Kombination mit einem einheitlichen Teilsicherheitsbeiwert von g R -=-1,3 für die Baustoffkennwerte zu betrachten (vgl. DINFB-102, Kap.-A.2.1). Zur Nachweisführung in Stufe- 4 werden vorab die relevanten Laststellungen auf Basis der Ergebnisse aus Stufe- 2 identifiziert. Bei der nichtlinearen Systemana- 56 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie lyse werden alle Lasten unter Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte in einem Lastfall betrachtet, da das Superpositionsprinzip nicht gültig ist. Die Lastauf bringung in einer nichtlinearen FE-Berechnung erfolgt hierbei schrittweise. Zunächst werden alle ständigen Lasten und die Vorspannung aufgebracht. Danach erfolgt analog zu den ständigen Lasten schrittweise die Auf bringung der Verkehrslast, sodass das Gebrauchstauglichkeitsniveau erreicht wird. In den anschließenden Lastschritten werden die ständigen Lasten und die Verkehrslast um die zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerte von 1,35 bzw. 1,5 gesteigert. Zur Sicherstellung des nach DINFB-102 geforderten Sicherheitsniveaus muss diese Laststufe in Verbindung mit dem einheitlichen Teilsicherheitsbeiwert der Baustoffkennwerte von 1,3 erreicht werden. Diese Laststufe bildet dann das geforderte Tragfähigkeitsniveau nach DINFB [23; 41] ab. Alle weiteren Laststufen darüber hinaus dienen der Untersuchung eventueller Tragfähigkeitsreserven. 6.3.3 Ergebnisse Im vorliegenden Beispiel wird das angestrebte Sicherheitsniveau unter Berücksichtigung des globalen Teilsicherheitsbeiwerts von g R -=-1,3 erreicht. Die anschließende Steigerung der Verkehrslast bis zum Versagenszustand führte zu deutlichen Verformungen und Rissen. In Abb.-9 sind die Hauptdehnungen-ε 1 in Hauptzugspannungsrichtung des Bauwerks im rechnerischen Grenzzustand der Tragfähigkeit und im Bruchzustand dargestellt. Der Hauptdehnungsverlauf kann hierbei dem Rissbild gleichgesetzt werden. Unter den im GZT nach DINFB anzusetzenden g-fachen Lasten stellt sich eine Biegerissbildung im Feldbereich in den Stegen ein. Hierbei weist der Randsteg die größten Hauptzugdehnungen auf. Eine beginnende diagonale Schubrissbildung im Randsteg ist im Bereich des letzten Feldquerträgers festzustellen. Die Erhöhung der Verkehrslast führt bis zum Versagen sowohl zu einem deutlichen Wachstum dieses Schubrisses als auch zur Bildung zusätzlicher Schubrisse im Randsteg und den benachbarten Innenstegen. Die zweischnittige Bügelbewehrung (f yk -=-240-N/ mm²) des Randsteges erreicht im Bereich der kreuzenden Schubrisse die Streckgrenze. Die große Laststeigerung zwischen rechnerischem GZT und Versagenszustand zeigt hierbei die Umlagerungsmöglichkeiten der Einwirkungen trotz des Fließens der Bügelbewehrung. Die damit verbundenen großen Verformungen des Überbaus resultieren in hohen Betonstauchungen. Die lokale Überschreitung der zulässigen Betondruckstauchungen (ε c ->3,5-‰) führt letztendlich zu einem Systemversagen, wobei vorher eine ausgeprägte Versagensankündigung oberhalb des nach DINFB-102 geforderten Sicherheitsniveaus vorliegt. Abb. 9: Hauptdehnung-ε 1 im GZT und im Versagenszustand (oben, unten rechts) und Bügelspannungen im Versagenszustand (unten links), Grafik: H+P Ingenieure Neben dem rechnerischen Nachweis der Tragfähigkeit unter kombinierter Querkraft-, Torsions- und Biegebeanspruchung kann durch die Ermittlung des Ankündigungsverhaltens die für Brückenprüfungen relevanten Trägerbereiche mit zugehörigen, kritischen Rissbildern identifiziert werden. 6.4 Vergleich mit Nachrechnungsbeispiel Die Ausnutzungsgrade der Nachrechnungen in den Nachweisstufen-2 und 4 für den 6.-Plattenbalkenquerschnitt im Abstand 1,0- ·- d sind in Tab. 5 gegenübergestellt. In der FEM Untersuchung können die Lasten im g R Verfahren auf g R,Gk -=-1,3-⊕-g R,Qk -=-2,7 erhöht und somit die Tragfähigkeit mit ausreichend Reserven nachgewiesen werden. Auch die analytischen Modelle nach der BEMING Teil-2 und der Verfeinerung mit b V,eff & ΔV Ed liefern im Bemessungsschnitt eine ausreichende Querkrafttragfähigkeit. Für den Querkraftnachweis im Randträger können sowohl die verbreiterte Druckzone des Plattenbalkens mit b V,eff als auch die abgeminderte Belastung infolge verteilten Lasten ΔV Ed im verfeinerten Ansatz in Ansatz gebracht werden. Dadurch resultierenden höhere Tragfähigkeiten als nach der aktuellen BEMING Teil-2. Insgesamt kann das Bauwerk somit neben dem Nachweis auf Stufe-4 bereits mit geringerem Aufwand auf Stufe-2 der BEMING Teil-2 nachgewiesen werden. Tab. 5: Ausnutzungsgrade in den Stufen-2 und 4 Nachweis Verfahren Lastmodell Nachweis 6.-Plattenbalkenquerschnitt Stufe 2 BEMING Teil-2 LM-1 V Ed -/ -V Rd 0,59 BEMING Teil-2 mit b V,eff & ΔV Ed (V Ed ---ΔV Ed )-/ -V Rd 0,47 Stufe 4 LIMFES g R,Gk -∙-1,35-∙-G k -+ 1,0-∙-0,85-∙-P k -+ g R,Qk -∙-Q k g R,Gk -= 1,3-⊕-g R,Qk -=-2,7 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 57 Aktuelle und zukünftige Potenziale in Stufen-2 und 4 der Nachrechnungsrichtlinie 7. Zusammenfassung und Ausblick Auf Basis der im Auftrag der BASt durchgeführten Untersuchungen [1] darf zukünftig in der BEMING Teil- 2 neben dem klassischen Fachwerkmodell für die Querkrafttragfähigkeit aus der Nachrechnungsrichtlinie (NRR-2015) auch ein Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil in Stufe-2 angewendet werden (BEMING Teil-2). Die aktuellen Untersuchungen in [6] bestätigen das Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil und bilden die Grundlage für eine Weiterentwicklung des Modellansatzes, der in der nächsten Auflage der BE- MING Teil-2* berücksichtigt werden soll. Die hier vorgeschlagene Modellerweiterung zur Querkrafttragfähigkeit umfasst die folgenden drei Aspekte: • Der größere Betontraganteil von gegliederten Querschnitten (T oder IQuerschnitte), deren Gurt in der Druckzone liegt, wird durch die Einführung einer effektiven Stegbreite-b V,eff berücksichtigt. • Da die auflagernahen Anteile von Streckenlasten direkt in das Auflager abgeleitet werden, darf die einwirkende Querkraft um Anteile-ΔV Ed aus äußerer Last, Ausbaulast und Eigengewicht abgemindert werden. • Aufgrund der Untersuchungen in [29] darf der Spannungszuwachs des geneigten Spannglieds im Bemessungsschnitt in Ansatz gebracht werden. Der Spannungszuwachs ergibt sich aus einer Querschnittsanalyse im Bemessungsschnitt für die zugehörige Lastfallkombination. Der erweiterte Modellansatz wurde durch Vergleiche mit experimentellen Untersuchungen an großformatigen Spannbetonträgern aus der Literatur bestätigt. Für eine kombinierte Beanspruchung aus Querkraft und Torsion sind folgende Erweiterungen für den aktuellen Entwurf der BEMING Teil-2 vorgesehen: • Bei kombinierter Beanspruchung dürfen in den Modellen für Torsion und Querkraft unterschiedliche Druckstrebenwinkel angenommen werden. • Für flache Druckstrebenwinkel cot-θ->-1,75 ist der Abminderungsbeiwert für die Druckfestigkeit von gerissenem Beton auf ν-=-0,6 für Querkraft zu reduzieren. Anschließend wurden die erweiterten Bemessungsansätze an einem Brücken im Bestand mit Plattenbalkenquerschnitt exemplarisch angewendet. Abschließend wurden die Ergebnisse in der (verfeinerten) Stufe 2 mit einer nichtlinearen FEM Untersuchungen verglichen. Der Brückenquerschnitt kann mit allen Verfahren für Querkraft nachgewiesen werden. Die hier vorgestellten Verfeinerungen führen zur Aktivierung weiterer Traganteile, die bislang nur in Stufe-4 berücksichtigt wurden. Zudem zeigt der Vergleich, dass mit erhöhtem Aufwand in Stufe- 4 die höchsten Traglasten ermittelt werden können. Neben dem rechnerischen Nachweis der Tragfähigkeit lassen sich zusätzlich die für Brückenprüfungen relevanten Trägerbereiche mit zugehörigen, kritischen Rissbildern identifizieren. Literatur [1] Hegger, J. et al. (2020) Beurteilung der Querkraft- und Torsionstragfähigkeit von-Brücken im Bestand - erweiterte- Bemessungsansätze - Fördernummer FE 15.0591/ 2012/ FRB. Brücken- und Ingenieurbau Heft B 150. [2] Maurer, R. et al. (10.2015) Untersuchungen zur Querkrafttragfähigkeit an einem vorgespannten Zweifeldträger. [3] Fischer, O. et al. (2023) Weiterentwicklung der Nachrechnungsrichtlinie - Validierung erweiterter Nachweisformate zur Ermittlung der Schubtragfähigkeit bestehender Spannbetonbrücken - Forschungsprojekt BASt FE 15.0661/ 2018/ FRB. [4] Kolodziejczyk, A.; Maurer, R. 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